Geschlechterrollen in Carlo Goldonis „Locandiera“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Die Frau – seit jeher das „schwache Geschlecht“

2. Frauen und Männer im Stück und ihr Verhalten untereinander
2.1. Mirandolina zieht den Frauenfeind Cavaliere in ihren Bann
2.2. Conte und Marchese – die lächerlichen Aristokraten
2.3. Fabrizio - der standesgemäße Partner für Mirandolina
2.4. Ortensia und Dejanira – „kichernde Einfalt“ im Kontrast zu kühl kalkuliernder Mirandolina

3. Mögliche Gründe Goldonis für die Erschaffung der unkonventionellen Frauenfigur Mirandolina
3.1 Motivierten Goldoni persönliche Erfahrungen mit der Frauenwelt?
3.2. Die Locandiera als Symbol für ein aufgeklärtes Bürgertum?
3.3 Mirandolina als individueller Charakter in der neuen Theaterkonzeption Goldonis

4. Die besondere Figur der Locandiera fasziniert noch heute

1. Die Frau – seit jeher das „schwache Geschlecht“

Im antiken Griechenland galt sie als schwaches Wesen und physisch unvollkommenes Abbild des Mannes.

Im alttestamentarischen Zeugnis ist sie, entstanden aus der Rippe des Mannes, die Verführerin und Schuldige an der Vertreibung aus dem Paradies.

In der Tradition des (nicht nur religiösen) Redens über sie setzte sich dies lange Zeit fort, indem sie als Trägerin der Erbsünde galt und verantwortlich gemacht wurde für die (un-)menschlichen Bedingungen in einer unvollkommenen Welt.

Die Frau - seit Menschengedenken wurde sie als das „schwache Geschlecht“ gesehen. Lange Zeit beugte sich das weibliche Geschlecht dieser Unterdrückung und fügte sich der Einstufung als minderwertigere Existenz. Während die Männer sowohl im Staat als auch in den privaten Strukturen die Machtpositionen bekleideten, waren die Frauen ohne Einfluss.

Erst im 19. Jahrhundert entstanden vorsichtige Ansätze zur Wandlung dieses einseitigen Bildes. Es gründeten sich feministische Interessensgemeinschaften. Bis diese allerdings die ersten Erfolge verzeichnen konnten und man von einer lebendigen Frauenbewegung sprechen konnte, vergingen noch einmal hundert Jahre.

Heute ist ein Streben nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zwar eine theoretische Selbstverständlichkeit, in der Praxis ist aber von einer Gleichstellung (noch) nicht zu sprechen. Sicherlich haben sich Frauen in gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht eine bedeutend bessere Stellung erarbeitet, aber wenn laut Statischem Bundesamt der Verdienstabstand in Deutschland zwischen Männern und Frauen im Jahr 2005 immer noch 29% betrug[1], zeigt sich, dass die Frauen auch weiterhin in der klar schwächeren Position sind.

Angesichts dieser Tatsachen ist es umso verwunderlicher, dass der italienische Dichter Carlo Goldoni bereits im Jahr 1753, in einer Zeit in dem nicht einmal die wenigen weiblichen Dichterinnen einen femininen Blickwinkel thematisierten, ausgerechnet eine Frau zur Protagonistin seines Stückes „La locandiera“ machte. Nicht nur, dass die Wirtin „Mirandolina“ den Titel des Werkes prägt, sie ist es auch, die als selbstständige Geschäftsfrau die Fäden der Handlung zieht. Neben der weiblichen Hauptfigur darf in Goldonis Bühnenstück das sogenannte starke Geschlecht aber nicht fehlen. Vier männliche Rollen, der Cavaliere, der Conte, der Marchese sowie der Diener Fabrizio, ergänzen das Geflecht um die junge Wirtin Mirandolina und die beiden Schauspielerinnen Ortensia und Dejanira.

Wie sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern in einem Stück gestalten, in dem eine Frau die Zügel in der Hand hält, und welche Gründe Carlo Goldoni dazu bewogen haben könnten, unkonventionellerweise eine Frau ins Zentrum seines Textes zu stellen, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

2. Frauen und Männer im Stück und ihr Verhalten untereinander

Um sich über die Intention Goldonis Gedanken machen zu können, ist es sinnvoll, sich zunächst die einzelnen Personen und deren Interaktionen im Stück näher anzusehen. Welche Positionen vertreten die Figuren und wie verhalten sie sich untereinander?

2.1. Mirandolina zieht den Frauenfeind Cavaliere in ihren Bann

Wenn Goldoni im 16. Kapitel seiner Memoiren auf sein Werk die „Locandiera“ zu sprechen kommt und dabei die Beziehung zwischen der Wirtin und dem Cavaliere di Ripafratta, ihrem Gast, in den Mittelpunkt seiner Beschreibung stellt[2], ist anzunehmen, dass dieses Verhältnis für ihn am bedeutungskonstitutivsten ist. Insofern bietet es sich an, diese Personen (-konstellation) besonders unter die Lupe zu nehmen.

Schon bei seinem ersten Auftritt im Stück wird der charakteristischste Wesenszug des Cavaliere, nämlich seine Geringschätzung des weiblichen Geschlechts, deutlich:

„[…] Non le ho mai amate, non le ho mai stimate, e ho sempre creduto che sia la donna per l’uomo una infermità insopportabile.”[3]

Sofort wir dem Leser klar, mit dem Cavaliere auf einen notorischen Frauenfeind getroffen zu sein. Auch die Regieanweisungen Goldonis, als der Cavaliere zum ersten Mal im Stück die junge bürgerliche Wirtin persönlich anspricht, zeugen von der abschätzigen Meinung seiner Figur gegenüber Frauen. „Con disprezzo“[4] tritt er der hübschen Mirandolina entgegen.

Durch das brüske Verhalten des „grob[en]“[5] und „wilden, bäurischen“[6] Mannes fühlt sich Wirtin aber weniger beleidigt, als dass sie sich durch die Zurückweisung des selbsternannten Frauenfeindes herausgefordert sieht. Im Monolog in Akt I, Szene 9 gibt sie sich kämpferisch und spricht von ihrem Plan, den Ritter von sich überzeugen zu wollen:

„E’ nemico delle donne? Non le può vedere? Povero pazzo! Non avrà ancora trovato quella che sappia fare. Ma la troverà, la troverà.”[7]

Mirandolina beginnt ein Spiel mit dem Adeligen und bringt dabei „alle ihre Waffen”[8] zum Einsatz, um ihn von seinen starren Ansichten abzubringen und ihn dazu zu bewegen, sich in sie zu verlieben. Ihre Taktik ist die, so zu tun, „[…] als ob sie seine Verachtung für die Weiber billige.“[9] Außerdem „[…] affektiert [sie] einen ähnlichen Ekel vor den Mannspersonen […]“[10], um scheinbar gefahrlos für ihn zu sein und sich konträr zu seinem negativen Frauenbild zu geben. Ihn jedoch behandelt sie bevorzugt und gibt ihm das Gefühl etwas Besonderes zu sein.

Zunächst gibt dieser sich misstrauisch und ablehnend („Costei vorrebbe adularmi. Donne! Tutte così.“[11] ), findet aber schon nach kurzer Zeit mehr und mehr Gefallen an ihr: „No, mi fate piacere; mi divertite.“[12]

Mirandolina gewinnt durch ihr listiges Vorgehen zunehmend die Wertschätzung des Cavaliere, der sich noch gegen aufkeimende Gefühle wehren mag

(„Costei sarebbe una di quelle, che potrebbe farmi cascare più delle altre. Quella verità, quella scioltezza di dire, è cosa poco comune. [...] Ma non per questo mi lascierei innamorare.”[13] ),

[...]


[1] Vgl. www.destatis.de/jetspeed/portak/sites/destatis/DE/Statistiken/VerdienseArbeitskosten=file.pdf

[2] Vgl. Goldoni, 1988, S. 259f.

[3] Goldoni, 1976, S. 345.

[4] Goldoni, 1976, S. 347.

[5] Goldoni, 1988, S. 259.

[6] Ebd., S. 260.

[7] Goldoni, 1976, S. 350.

[8] Goldoni, 1988 S. 260.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] Goldoni, 1976, S. 356.

[12] Ebd., S. 358.

[13] Goldoni, 1976, S. 359.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Geschlechterrollen in Carlo Goldonis „Locandiera“
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
HS Italienische Literaturwissenschaft "Carlo Goldoni"
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V113644
ISBN (eBook)
9783640161744
ISBN (Buch)
9783640163717
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechterrollen, Carlo, Goldonis, Italienische, Literaturwissenschaft, Carlo, Goldoni
Arbeit zitieren
Katharina Petzi (Autor:in), 2008, Geschlechterrollen in Carlo Goldonis „Locandiera“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113644

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