Ökonomische Imperative, insbesondere Redaktionsmarketing


Hausarbeit, 2003

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Einfluss ökonomischer Faktoren
2.1 Ökonomie in der Systematik der Einflußfaktoren
2.2 Aktuelle Entwicklung
2.3 Marketing

3. Ökonomische Besonderheiten der Pressewirtschaft
3.1 Dualer Produktmarkt
3.2 Fixkostendegression
3.3 Querfinanzierung
3.4 Ökonomische Ziele

4. Redaktionelles Marketing
4.1 Definition
4.2 Marktforschung
4.3 Strategien und Konzepte
4.3.1 Marketingstrategien
4.3.2 Konzepte des redaktionellen Marketings

5. Forschungsstand

6. Gefahren der Marketingorientierung
6.1 Entpolitisierung und Boulevardisierung
6.2 Publizistische Einflussnahme der Werbewirtschaft
6.3 Zusammenfassung und Diskussion

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Die deutsche Medienwirtschaft durchlebt momentan die größte Krise der Nachkriegszeit. Besonders schwer hat es hierbei die Printmedien getroffen, die Wochenzeitung „Die Woche“ gibt es nicht mehr , die „Sueddeutsche Zeitung“ hat das Erscheinen ihrer Jugendbeilage „Jetzt“ eingestellt und die „Frankfurter Allgemeine“ Zeitung zehn Prozent ihrer Belegschaft entlassen.[1] Die in den letzten 20 Jahren zunehmende Diskussion ökonomischer Fragestellungen im Journalismus hat im Kampf der Unternehmen um die eigene Existenz zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Im Rahmen dieser Hausarbeit sollen wirtschaftliche Zielsetzungen auf Redaktionsebene, insbesondere redaktionelles Marketing, vorgestellt und diskutiert werden. Gegenstand medienökonomischer Forschung sind die aktuell und journalistisch berichtenden Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen.[2]

Da diese Medien auf unterschiedlichen Märkten agieren und sich ihre ökonomischen Rahmenbedingungen erheblich unterscheiden, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf das klassische tägliche Informationsmedium, die Zeitung. Zunächst soll der Einfluss der Ökonomie auf Medieninhalte im Rahmen mehrerer Einflussfaktoren kurz betrachtet werden. Anschließend wird anhand aktueller Entwicklungen die zunehmende Bedeutung des Marketing in der Zeitungswirtschaft gezeigt. Vor einer genaueren Betrachtung der Strategien und Konzepte des Redaktionsmarketings wird kurz auf einige zum Verständnis notwendige Besonderheiten der Pressewirtschaft eingegangen. Abschließend werden ein kurzer Forschungsüberblick gegeben und Gefahren der Marketingorientierung diskutiert.

2. Einfluss ökonomischer Faktoren

Nach Weischenberg haben marktwirtschaftliche Mediensysteme in Demokratien einen Doppelcharakter, einerseits sollen sie gesellschaftliche und politische Funktionen erfüllen, andererseits sind die Medien eine Industrie und dienen Einzelinteressen.[3] Diese „eingebaute Schizophrenie“[4] führt zu Konflikten zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zielen im Journalismus. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ist deshalb bei der Betrachtung medienökonomischer Fragestellungen der Einfluss ökonomischer Prozesse auf Struktur und Funktion der Medien von besonderem Interesse.[5] Auf diese Fragestellungen wird im Gliederungspunkt 5 näher eingegangen.

2.1 Ökonomie in der Systematik der Einflussfaktoren

Medieninhalte werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die zudem miteinander interagieren. Wolfgang Donsbach unterscheidet diese Faktoren in primäre und sekundäre Entscheidungsfaktoren, kommerzielle Ziele rechnet er den primären zu. Primäre Faktoren beeinflussen die Entscheidung von Journalisten über Medieninhalte direkt, während sekundäre eher mittelbar wirken.[6] Zur Systematisierung dieser Einflussfaktoren existieren verschiedene Modelle, Donsbach unterscheidet vier Sphären, die „Subjekt-Sphäre“, die „Professions-Sphäre“, die „Gesellschafts-Sphäre“ und die „Institutions-Sphäre“, wobei er ökonomische Einflussfaktoren der letzteren Sphäre zuordnet. Ähnliche Modelle wurden von Siegfried Weischenberg und Frank Esser entwickelt, die ökonomische Einflüsse aber einem „Strukturkontext“[7], bzw. einer „Medienstruktur-Sphäre“[8] zuordnen.

2.2 Aktuelle Entwicklung

In den letzten Jahren ist der ökonomische Einfluss auf den Journalismus stetig angewachsen. Soziale und medienstrukturelle Entwicklungen haben zu einer umfassenden Ökonomisierung des Medien- und Kommunikationssystems geführt.[9] Ein allgemeiner Trend zur Individualisierung hat eine Differenzierung der Leserinteressen und somit eine Fragmentierung der Leserschaft verursacht.[10] Für Zeitungen hat diese Entwicklung eine Schwächung der Leser-Blatt-Bindung und ein Sinken der Abonnementzahlen zur Folge. Folglich wird der Einzelverkauf wichtiger, was sich wiederum auf die inhaltliche Gestaltung des Mediums auswirkt.[11] Auch im Rundfunkbereich ist durch Deregulierung und Privatisierung der Einfluss wirtschaftlicher Faktoren stark angewachsen. Im intermedialen Wettbewerb um Werbeaufkommen haben Zeitungen und Zeitschriften seit Einführung des kommerziellen Fernsehens kontinuierlich Anteile verloren. Durch neue Informations- und Kommunikationssysteme wie das Internet verlieren Informationsprodukte ihre Standortgebundenheit, die Medienunternehmen agieren zunehmend in einem globalen Wettbewerb.[12] Die Digitalisierung hat Konvergenz und Konzentrationstendenzen ausgelöst.[13] Die momentane Konjunkturschwäche hat die Werbeinnahmen der Medienbranche sinken lassen und den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums zusätzlich verschärft.

2.3 Marketing

Aufgrund dieser Veränderungsprozesse werden in den Medienbetrieben verstärkt Planungen und Strategien entwickelt, um die Wettbewerbs-fähigkeit zu sichern. Im verschärften Wettbewerb um Rezipienten hat besonders der Marketinggedanke in der Medienwirtschaft an Bedeutung gewonnen. Aus Sicht der Betriebswirtschaft werden unter Marketing alle auf den Markt gerichteten Aktivitäten verstanden, die durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse die Unternehmensziele zu verwirklichen suchen.[14] Redaktionelles Marketing stellt in diesem Zusammenhang eine Ansatz dar, durch stärkere Kundenorientierung und das Bemühen um Kundenzufriedenheit die Rezipienten langfristig an das Unternehmen zu binden. Im folgenden sollen zunächst kurz die wichtigsten ökonomischen Besonderheiten der Pressewirtschaft erläutert werden, um darauf aufbauend Konzepte des redaktionellen Marketings auszuführen.

3. Ökonomische Besonderheiten der Pressewirtschaft

Schon die betriebswirtschaftliche Einordnung medialer Angebote bereitet Schwierigkeiten. Für Stefan Ruß-Mohl ist Journalismus eine Serviceleistung[15] während Gabriele Siegert Medienangebote als „konservierte oder veredelte Dienstleistungen, die auf materiellen Trägern gespeichert werden und damit zunehmend Produktcharakter annehmen“[16] beschreibt.

3.1 Dualer Produktmarkt

Medienunternehmen treten auf einem dualen Produktmarkt auf, zum einen bieten sie eine publizistische Dienstleistung für den Lesermarkt an, zum anderen sind sie auf dem Werbemarkt tätig. Beide Märkte sind nicht unabhängig voneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig.[17] Eine hohe Auflage und Reichweite des publizistischen Produkts erzeugt eine hohe Attraktivität auf dem Werbemarkt. Dies führt zu steigendem Anzeigenaufkommen und Anzeigenpreisen und somit zu Verbesserung der finanziellen Position des Unternehmens, welche zu einer Qualitäts-steigerung der redaktionellen Leistung oder zu einer Senkung des Bezugspreises der Zeitung genutzt werden kann, wodurch wiederum die Attraktivität auf dem Lesermarkt zunimmt.[18] Dieser als „Anzeigen-Auflagen-Spirale“ bezeichnete Zusammenhang stärkt die Marktmacht von Unternehmen mit hoher Auflage und Reichweite und erschwert somit den Markteintritt neuer Anbieter und die wirtschaftliche Situation kleiner Unternehmen.[19]

3.2 Fixkostendegression

Da die Fixkosten von der Höhe der Auflage nahezu unabhängig sind, ist bei steigender Auflage eine starke Fixkostendegression zu verzeichnen. Fixkosten fallen bei Zeitungen beispielweise für Personal, Pressedienste, Layout, Marketing und Werbung an.[20] Im Verhältnis zu den Fixkosten sind die variablen Kosten für Vervielfältigung und Vertrieb pro Exemplar gering. Als Konsequenz dieses hohen Fixkostenanteils ergeben sich starke Monopolisierungstendenzen auf dem Zeitungsmarkt.

3.3 Querfinanzierung

Nur ein Drittel der Erlöse einer durchschnittlichen deutschen Abonnementzeitung wird durch den Vertrieb erwirtschaftet, während mehr als die Hälfte im Anzeigenmarkt und etwa zehn Prozent durch Fremdbeilagen entstehen.[21] Um Kostendeckung durch den Vertrieb zu realisieren, sind entweder die fixen Herstellungskosten zu hoch, das Marktpotential zu klein oder die Zahlungsbereitschaft der Rezipienten zu gering.[22]

3.4 Ökonomische Ziele

Durch den Verbund von Leser- und Werbemarkt und die ausgeprägte Fixkostendegression entscheidet die Höhe der verkauften Auflage weitgehend über die Wirtschaftlichkeit eines Zeitungsunternehmens.[23]

Die Ziele verschiedener Unternehmen mögen sich unterscheiden, einerseits können rein wirtschaftliche Ziele wie die Maximierung des Unternehmensgewinns dominieren, andere Verlage mögen gesellschaftlichen Zielen Priorität einräumen. Langfristig können Medienbetriebe unabhängig von ihren individuellen Zielen nur am Markt bestehen, wenn sie zumindest kostendeckend arbeiten. Die Erhaltung oder Steigerung der Auflage ist somit aus betriebswirtschaftlicher Sicht als primäres Ziel von Presseunternehmen anzusehen.

4. Redaktionelles Marketing

4.1 Definition

„Redaktionelles Marketing heißt, Absatzpolitik zu betreiben, um Quoten und Auflagen zu steigern“[24], da diese über den Bestand des Medienunternehmens entscheiden. Im Mittelpunkt steht die Öffnung der Redaktion für die Bedürfnisse und Interessen der Rezipienten. Der Journalist soll seine Arbeit strikt am Kundenutzen orientieren, Kundenzufriedenheit soll Leitmaxime der Verlagspolitik werden, da ohne zufriedene Kunden der Bestand und die Zukunft eines Unternehmens nicht zu sichern ist. Das redaktionelle Angebot sollte deswegen die Informations-,Orientierungs- und Unterhaltungsbedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe möglichst gut befriedigen.[25] Als weitere Elemente werden eine den Wettbewerb berücksichtigende Positionsbestimmung, permanente Qualitätskontrolle sowie eine systematische Planung der zukünftigen Entwicklung angesehen.[26]

Unterschiedliche Ansichten bestehen in der Literatur bezüglich der Frage, wie Redaktionsmarketing vom Marketing des Vertriebs und der Anzeigenabteilung eines Verlages abgegrenzt werden kann. Für Bernhard Möllmann ist redaktionelles Marketing auf den Lesermarkt gerichtet und bezieht sich auf die Produktpolitik für den redaktionellen Teil und die Kommunikationspolitik für den Lesermarkt. Altmeppen und Heinrich nehmen hier keine Trennung vor und beziehen neben dem redaktionellen Teil auch auf den Vertrieb und den Werbemarkt gerichtete Aktivitäten mit ein.[27]

4.2 Marktforschung

Das Postulat des redaktionellen Marketings, das mediale Angebot an den Interessen der Rezipienten zu orientieren, setzt voraus dass die Redaktion Kenntnisse über ihr Publikum und seine Interessen besitzt. Marktforschung für Medienbetriebe wird als Media- und Publikumsforschung bezeichnet und bislang vor allem im Hinblick auf den Werbemarkt betrieben. Durch die zunehmende Ausdifferenzierung der Leserschaft ist eine genaue Zielgruppenkenntnis auch für die Redaktion notwendig, um das Programm an die Wünsche und Bedürfnisse des Publikums anzupassen. In der mangelnden Kenntnis der eigenen Leserschaft liegt aus Sicht der Journalismusforschung wie auch mancher Redakteure ein Haupthindernis für die Umsetzung marketingorientierter Konzepte.[28]

[...]


[1] Vgl. Meier, Lutz (2002) und Spiegel Online „ Printmedien - Überwintern auf dem Krisengipfel“ (06.12.2002)

[2] Vgl. Heinrich (1994), S.19

[3] Vgl. Weischenberg (1992), S.170

[4] Weischenberg (1992), S.170

[5] Vgl. Meier (1994), S.71

[6] Vgl. Donsbach, S.109

[7] Vgl. Kunczik (2001), S.160

[8] Vgl. Kunczik (2001), S.160

[9] Vgl. Weischenberg (1992), S.238

[10] Vgl. Möllmann (1998), S.270

[11] Vgl. Rager (1994), S. 7-8

[12] Vgl. Maier (2000), S.66

[13] Vgl. Siegert (2000), S.198

[14] Vgl. Diller, S. 648

[15] Vgl. Ruß-Mohl (1995), S.106

[16] Vgl. Siegert (2000), S.179

[17] Vgl. Maier (2000), S.61-62

[18] Vgl. Wilke (1994), S.464

[19] Vgl. Maier (2000), S.62

[20] Vgl. Maier (2000), S.63

[21] Vgl. Möllmann (1998), S.40/41

[22] Vgl. Ludwig (1996), S.278

[23] Vgl. Wilke (1994), S.452

[24] Altmeppen (2000), S.55

[25] Vgl. Ruß-Mohl (1995), S.133

[26] Vgl. Siegert (2000), S.187

[27] Vgl. Altmeppen (2000), S.54 und Heinrich (1994) S.231

[28] Vgl. Möllmann (1998), S.101 und Ruß-Mohl (1995) , S.105

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Ökonomische Imperative, insbesondere Redaktionsmarketing
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Aufbaukurs Journalismusforschung
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V11338
ISBN (eBook)
9783638175227
ISBN (Buch)
9783638641807
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pressewirtschaft, Redaktionelles Marketing, Medienökonomie, Entpolitisierung, Publizistik
Arbeit zitieren
Dipl.-Kfm. Robert Bayerlein (Autor:in), 2003, Ökonomische Imperative, insbesondere Redaktionsmarketing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11338

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