Die Strategie der punitiven Segregation von Garland

Dargestellt am Beispiel der aktuellen politischen Debatte zu vermeintlichen Anstieg der Jugendkriminalität von Tätern oder Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund


Seminararbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Kultur der „High Crime Societies“
2.1. Die Politik von „Law Order“
2.2. Die Strategie der punitiven Segregation
2.2.1. Expressives Bestrafen
2.2.2. Populistisches Politisieren
2.2.3. Die Neue Figur des Opfers

3. Aktuelle politische Bezüge zu dieser Theorie
3.1. Der Landtagswahlkampf in Hessen im Januar 2008
3.2. Der Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl im September 2001
3.3. Das Problem mit der Statistik

4. Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Aus einer politischen Diskussion zu dem Überfall auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn am 20. Dezember 2007, heraus entstand die Idee zu dieser Hausarbeit, die nun verwirklicht werden soll. Die Diskussion warf die Frage nach der Macht der Medien auf, neue Gesetze und Verordnungen durch die Macht der Bilder und der Worte und deren Präsentation in der Öffentlichkeit zu steuern bzw. zu erzwingen. In wieweit ist die Politik noch frei in Ihren Entscheidungen, wenn einzelne Presseorgane eine Kampagne starten? Oder ist die Presse abhängig von der Reaktion der Politik auf ihre Berichte?

Diese Untersuchungen würden den Rahmen dieser Arbeit deutlich sprengen. Aus diesem Grunde möchte ich mich in dieser Arbeit auf zwei zentrale Themen konzentrieren. Am Beispiel des Landtagswahlkampfes in Hessen im Dezember und Januar 2007/08 und den Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl in Hamburg im Jahre 2001. In Kapitel 3 möchte ich diese Wahlkämpfe und ihre Wechselwirkungen mit den Medien analysieren. Zuvor möchte ich im zweiten Kapitel eine theoretische Grundlage zu dieser Wechselwirkung erarbeiten und als Grundlage hierfür auf die Theorie der High Crime Societies von David Garland zurückgreifen. Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch, werde ich in dieser Arbeit auf eine geschlechterdifferenzierte Schreibweise verzichten. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in allen pauschalen Nennungen beide Geschlechter mit bedacht sind.

2. Die Kultur der „High Crime Societies“

Im Rahmen eines Aufsatzes[1] für das „British Journal of Criminology“ hat David Garland die

,Kultur der High Crime Societies‘ vorgestellt. Garland ist Dozent für Soziologie und Recht an der Universität von New York und hat sich als Gesellschaftsanalytiker und Strafrechts- bzw. Strafvollzugsrechtkritiker einen Namen gemacht. Inhalt des Aufsatzes ist die Untersuchung des Wandels und der Entwicklung neuer Strategien der Kriminalitätskontrollen unter Berücksichtigung der kulturellen Empfindsamkeiten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika.

2.1. Die Politik von „Law Order“

Der Wandel der Gesellschaft in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts erfordert ein Umdenken in den Strategien, wie mit Kriminalität und ihren Folgen umgegangen wird. In den „Wohlfahrtsstaat“ Gesellschaften der vorangegangenen Jahrzehnte wurde das Problem der Kriminalität verschönt dargestellt und oftmals von Vertretern der Gesellschaft, in Politik und Wirtschaft verdrängt oder verharmlost. Der Wandel innerhalb der Gesellschaft wurde ausgelöst durch Wirtschaftskrisen in den 1970er Jahren, ein Beispiel aus dieser Zeit ist die Ölkrise, und den 1980er Jahren, endgültiges Ende der Vollbeschäftigung aufgrund von Automatisierung.

Vor dem Hintergrund dieser Problematik rückten die hohen Kriminalstatistiken in den Blickpunkt. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten konnte man in den USA und in Großbritannien zwei unterschiedliche Strategien beobachten. Die „adaptive Strategie[2]“ stellt die Prävention und Partnerschaft in den Vordergrund. Hierbei arbeiten staatliche und nichtstaatliche Organisationen zusammen, um kriminelles Verhalten zu verhindern oder zu erschweren. Dies würde beispielsweise den Einsatz einer Bürgerwehr (Neighborhood Patrol) darstellen. Ebenfalls ist hier das schon traditionelle System der Kopfgeldjäger zu nennen, dass zumindest in den Vereinigten Staaten sehr weit verbreitet ist und den staatlichen Organisationen die Arbeit abnimmt. Dies stellt ein gewisses „Outsourcing“ in der Exekutive eines Staates dar. Diese Praxis ist in der Wirtschaft sehr beliebt um Verantwortung und daraus resultierende Regressansprüche zu minimieren beziehungsweise die Kosten zu drücken. Die zweite Strategie wird von Garland die „sovereign state strategy“ genannt. In dieser Strategie verstärkt der Staat die Kriminalitätskontrolle und setzt auf eine schnelle und harte Bestrafung des Täters. Als Beispiel kann hier die „Zero Tolerance“ Politik des ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani Mitte der 1990er Jahre.

Um die politischen Ziele durchzusetzen wird verstärkt auf die Folgen der Kriminalität hingewiesen statt die Ursachen auszuleuchten. Die Ziele der Politik sind leichter in der Öffentlichkeit durchzusetzen, wenn man den Fokus auf die Opfer von Delikten lenkt und die Kosten aufdeckt, die durch das Delikt entstanden sind. Diese Strategie und deren Folgen wird von Garland gerne als „punitive Segregation[3] “ bezeichnet.

2.2. Die Strategie der punitiven Segregation

Mit Punitivität beschreibt Garland die Reaktion, eine verallgemeinerte Tendenz oder Haltung mit belastenden Sanktionen auf gesamtgesellschaftliche Normabweichungen zu reagieren. Der Staat gibt die gesetzliche Grundlage, stets höhere Strafmaße für bestimmte Delikte zu verhängen, schnellere Anwendung der Todesstrafe bzw. der Sicherungsverwahrung (je nach Rechtssystem). Darüber hinaus gehört die Veröffentlichung von Wohnsitzen pädophiler Straftäter nach dem verbüßen der Haftstrafe dazu. Garland beschreibt drei wichtige Säulen der punitiven Segregation.

2.2.1. Expressives Bestrafen

Der expressive Modus[4] der Bestrafung beinhaltet die „ Bestrafung um der Bestrafung Willen[5] “, diese Maßnahme dient dem Ansprechen der öffentlichen Gefühle, zum verdeutlichen des staatlichen Krisenmanagements sowie der Stigmatisierung des Straftäters über das Ende seiner Haftzeit hinaus. Zur Säule des expressiven Bestrafens zählen auch die Verschärfung der Haftbedingungen und die Verminderung der Chance auf vorzeitige Haftentlassung. Das Ergebnis ist stigmatisierend, der Straftäter wird auch nach dem Abbüßen seiner Haftstrafe aus der Gesellschaft gedrängt bzw. bekommt keine reelle Chance auf eine Resozialisierung, hier wird auch eine Verbindung zur Etikettierungstheorie von Sutherland, das „Labeling Approach[6] “, deutlich. „ Abweichung wird als Zuschreibungsprozess des Attributes der Devianz zu bestimmten Verhaltensweisen im Rahmen von Interaktionen verstanden.[7]

2.2.2. Populistisches Politisieren

Der Schwerpunkt kriminalpolitischer Maßnahmen wird aufgrund der öffentlichen Meinung und der daraus resultierenden parteipolitischen Notwendigkeit ergriffen. Das Votum der Experten spielt eine untergeordnete Rolle. Die zu beschließenden Maßnahmen sind oftmals im Bezug auf die Wirksamkeit, Kosten und Nutzen kaum untersucht. Der antreibende Faktor hinter solchen Maßnahmen sind in den meisten Fällen die Medien. Sie greifen Themen auf und füllen tagelang die Zeitungen und Nachrichtensendungen mit entsprechenden Inhalten. Daraus wächst der Druck auf die Parteien, möglichst schnell das Thema durch ein entsprechendes Gesetzespaket bzw. der Forderung nach einem solchen, zu maßregeln. Hierbei wird deutlich, dass in der Kürze der Zeit keine ausreichenden Überprüfungen durch Experten oder eine kontrovers geführte öffentliche Diskussion möglich ist.

[...]


[1] OBERWITTLER / KARSTEDT 2003 S. 36ff

[2] ebd. S.38

[3] ebd. S.39

[4] ebd. S.40f

[5] ebd. S.40

[6] LAMNEK (2001), S.216ff

[7] ebd. S.217

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Strategie der punitiven Segregation von Garland
Untertitel
Dargestellt am Beispiel der aktuellen politischen Debatte zu vermeintlichen Anstieg der Jugendkriminalität von Tätern oder Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg  (Fakultät Wirtschaft und Soziales)
Veranstaltung
Migrationsrecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V113133
ISBN (eBook)
9783640133307
ISBN (Buch)
9783640134915
Dateigröße
690 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strategie, Segregation, Garland, Migrationsrecht
Arbeit zitieren
Diplom Jessica Knipping (Autor:in), 2008, Die Strategie der punitiven Segregation von Garland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113133

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