'Kinder der Not': Die Kartellproblematik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was sind Kartelle?
2.1 Zünfte und Kartelle im Vergleich
2.2 Kartelle, Syndikate und Trusts

3. Die Entwicklung des deutschen Kartellwesens
3.1 Frühphase
3.2 Die Kinder der Not

4. Zur Entstehung der Kartelldebatte

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten”[1]. Dies ist der Wortlaut des ersten Paragraphen des bundesdeutschen Gesetztes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, auch als Kartellgesetz bezeichnet. Dieses Gesetz bildet die Grundlage der Arbeit des Bundeskartellamtes sowie der einzelnen Landeskartellbehörden, deren Aufgabe es ist, den Wettbewerb auf dem deutschen Markt zu überwachen und nötigenfalls gegen Missbräuche und Wettbewerbsbeeinflussungen vorzugehen. Hinsichtlich der Grundauffassung spricht sich dieses Gesetzt prinzipiell gegen vertragliche oder mündliche Vereinbarungen zwischen Unternehmen aus, deren Ziel es ist den laufenden Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Das Gesetz beinhaltet jedoch auch Ausnahmeregelungen, nach denen Absprachen zwischen Unternehmen in gewissen Situation und bestimmten Umständen auch zulässig sind.

Dennoch wird daraus eine Tatsache ersichtlich: Der Staat als Gesetzgeber verdeutlicht hierin seine Zuständigkeit für die Regelung des wirtschaftlichen Wettbewerbs innerhalb der BRD und steht Formen von wettbewerbsbeeinflussenden Maßnahmen seitens der Unternehmer grundsätzlich kritisch gegenüber. Auch in der öffentlichen Meinung stoßen Unternehmensabsprachen - im Speziellen die Form des Kartells – zumeist auf Ablehnung. Über das Für und Wider im Bezug auf das Wirken und den Einfluss von Kartellen und kartellähnlichen Formen auf den Wettbewerb wird seit der Zeit ihres ersten ernst zunehmenden Aufkommens in den Kreisen von Ökonomen, Historikern und Politikern diskutiert. Der momentane Status quo dieser, als Kartellproblematik bezeichneten Debatte, soll jedoch nicht der Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Vielmehr beschäftigt sich die Arbeit mit dem Ursprung und Wesen der Kartelle, sowie den daraus resultierenden Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Politik Deutschlands in der Zeit zwischen Gründerkrise und dem Ersten Weltkrieg.

Die Bezeichnung „Kinder der Not“ als Synonym für die ersten Kartelle des 19. Jahrhunderts prägte der österreichische Nationalökonom Franz Kleinwächter, der mit seiner 1883 erschienen Arbeit „Die Kartelle - Ein Beitrag zur Frage der Organisation der Volkswirtschaft“ zu den Pionieren auf dem Gebiet der Kartellforschung zählt und auch den Begriff Kartell als erster verwendete und somit in den allgemeinen Sprachgebrauch einführte[2]. Kleinwächter und mit ihm eine Vielzahl seiner Zeitgenossen begrüßten das Aufkommen der Kartelle und sahen in den selben das zum einen fortschrittlichste und zum anderen effektivste Mittel der Ökonomie die stark gebeutelte deutsche Wirtschaft aus der Gründerkrise zu führen.

Ehe sich diese Arbeit mit dem Ursprung und der Entwicklung des deutschen Kartellwesens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts befasst, ist es zuvor nötig die wesentliche Eigenschaften eines Kartells zu beschreiben. Damit einher geht der Versuch Kartelle gegenüber anderen Formen der wirtschaftlichen Vereinigungen abzugrenzen. Hierfür wurde das Beispiel der mittelalterlichen Zünfte gewählt. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich inhaltlich dann vor allem mit dem deutschen Kartellwesen an sich. Es sollen jene Bereiche der Wirtschaft aufgezeigt werden, die in besonderem Maße von der Kartellierung betroffen waren. Zudem spielt auch die Haltung des preußischen Staates, sowie die öffentliche Meinung im Bezug auf das Kartellwesen innerhalb der Untersuchung immer wieder eine wichtige Rolle. Um einen genaueren Einblick in den Aufbau eines Kartells zu ermöglichen soll dieser anhand des Beispiels des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats verdeutlicht werden, ehe es um die Entstehung der Kartelldebatte geht. Der Schlussteil fasst die gemachten Ergebnisse noch einmal zusammen und versucht zudem die Entstehung und Wandlung der Kartellproblematik in den wesentlichen Punkten aufzuzeigen.

Die große Fülle an Literatur, die sich seit seiner Entstehung mit dem deutschen Kartellwesen beschäftigt, ist ein weiteres Indiz für die Prägnanz des gesamten Themenkomplexes. Wesentliche Orientierungspunkte zur Erstellung der vorliegenden Arbeit lieferten vor allem die Arbeiten von Liefmann, Pohl, Wengenroth und Maschke. Auch die Gesamtübersichten zur deutschen Wirtschaftsgeschichte von North oder Abelshauser haben zu einer besseren Einordnung des Themas in den historischen und wirtschaftsgeschichtlichen Gesamtkomplex beigetragen.

2. Was sind Kartelle?

Ohne, dass bereits eine Bewertung des Kartellwesens unternommen werden soll, folgt in diesem einführenden Abschnitt der Versuch einer Definition des Begriffes Kartell und die Darstellung der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen Kartellen und anderen wirtschaftlichen Vereinigungen. Es ist dabei zu beachten, dass sich der Begriff Kartell speziell zur Bezeichnung von deutschen Unternehmerverbänden durchgesetzt hat. Eingeführt wurde der Begriff erstmals 1883 von Kleinwächter und dient seither zur Beschreibung und Vereinheitlichung einer bis dato unbekannten Form von Unternehmenskonzentration im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhundert.

Nach Kleinwächters Definition sind Kartelle „Übereinkommen der Produzenten, und zwar der Unternehmer der nämlichen Branche, deren Zweck dahin geht, die schrankenlose Konkurrenz der Unternehmer untereinander einigermaßen zu beseitigen und die Produktion mehr oder weniger derart zu regeln, daß dieselbe wenigstens annähernd dem angepasst werde; speziell beabsichtigen die Kartelle eine etwaige Überproduktion zu verhindern“[3]. Diese Definition entstand unter dem Einfluss der Großen Depression und es wird deutlich, dass Kleinwächter dem Kartellwesen gegenüber eher positiv eingestellt war. Die Kartelle als „Kinder der Not“ beseitigten seiner Meinung nach die Überproduktion und wirkten der grenzenlosen Konkurrenz der Großen Depression entgegen. Etwas unbefangener und präziser ist dagegen die folgende Definition, an der sich die vorliegende Arbeit weiter orientieren wird.

Im Rahmen seiner Arbeit Kartelle, Konzerne und Trusts (1930) definierte Liefmann Kartelle allgemein als Verbände zwischen selbstständig bleibenden Unternehmern der selben Art zum Zwecke monopolistischer Beeinflussung des Marktes[4]. Bis heute erweist sich diese Definition als passender und prägnanter. Der Begriff Kartell leitet sich vom lateinischen charta = Vertrag ab und bezieht sich somit auf ein grundlegendes Element der Kartelle – die vertragliche Zusammenkunft zwischen Unternehmen. Es handelt sich hierbei um Vereinbarungen auf privater und freiwilliger Basis, die zwischen einzelnen Unternehmern getroffen werden. Diese Vereinbarungen regeln das wirtschaftliche Handeln der beteiligten Unternehmen, setzten also unter anderem Produktionsquoten, Preise und Absatzmengen fest und kontrollieren damit nahezu den kompletten Produktzyklus von der Rohstoffbeschaffung, über die Herstellung bis zum Verkauf an den Endverbraucher. Zweckmäßig haben Kartelle das Ziel durch Ausschaltung der Konkurrenz den Absatzmarkt für ihre Produkte vollständig zu beherrschen. Das Kartell verfolgt als Ziel das Erreichen einer absoluten Monopolstellung auf dem Markt, und rückt dieser näher, je mehr Unternehmen zu einem Teil dieses Kartells werden. Als ungefähre Teilnehmerquote, die zu Erreichung einer Monopolstellung ausreicht, nennt Liefmann ¾, wobei dies aber je nach Branche variieren könne[5].

Das Streben nach einer Monopolstellung impliziert auch gleichzeitig das Streben nach Gewinn. Kartelle sind dabei jedoch nicht primär gewinnorientiert, vielmehr versuchen sie sinkende Gewinne auf ein gewisses Maß zu beschränken. Damit zielen die Kartelle eher auf eine außenwirtschaftliche Wirkung ab, indem sie das herrschende Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu ihren Gunsten beeinflussen.

2.1 Zünfte und Kartelle im Vergleich

Wirtschaftliche Vereinigungen, die in gewisser Weise einen kartellähnlichen Charakter aufwiesen, sind seit der Zeit der Antike bekannt. Liefmann nennt die so genannten Corners oder Ringe aus dem Altertum, bzw. dem Mittelalter als Beispiel für solche Vereinigungen. Corners und Ringe wirkten ausschließlich auf lokalen Märkten und sicherten sich durch den Kauf des gesamten Bestandes einer bestimmten Ware kurzfristig ein Verkaufs- und Preismonopol. Somit unterscheiden sich Corners und Ringe von Kartellen in der Tatsache, dass Kartelle maßgeblich am Herstellungsprozess ihrer waren beteiligt sind, während die Corners und Ringe lediglich als Zwischenhändler dienten.

Hingegen zeigen sich bei der direkten Gegenüberstellung des Kartellwesens mit dem Wesen der Zünfte im Mittelalter mehrere Berührungspunkte. Die wesentlichste Gemeinsamkeit beider Vereinigungen besteht in dem Streben, die Konkurrenz auf dem Absatzmarkt weitestgehend auszuschalten. Unterschiede bestehen jedoch zum einen in der rechtlichen Stellung und zum anderen in der Art und Weise des Zustandekommens der Vereinigungen. Bei den Zünften handelte es sich um eine von der Obrigkeit geduldete und überwachte Form der gewerblichen Vereinigung, in der für jeden Gewerbetreibenden einer Stadt ein Zwang zur Mitgliedschaft bestand. Die Zünfte besaßen das - von der Obrigkeit - verliehene Recht, durch Ausschluss oder Aufnahme von Konkurrenten, das städtische Gewerbe ihres Handwerkszweiges zu kontrollieren. Kartelle dagegen sind von ihrem Ursprung her das Ergebnis einer freien Zusammenkunft verschiedener Unternehmen auf freiwilliger Basis ohne staatliche Kontrolle. Dennoch ist das Erreichen einer marktbeherrschenden Monopolstellung sowohl ein Ziel der Zünfte als auch der Kartelle.

[...]


[1] Zitiert nach: www.gesetze-im-internet.de (Zugriff am 20. Mai. 2006)

[2] Vgl.: Maschke, S. 17

[3] Zitiert nach: Maschke, S. 17

[4] Liefmann: S. 9

[5] Liefmann, S. 12

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
'Kinder der Not': Die Kartellproblematik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Wirtschafts- und Innovationsgeschichte)
Veranstaltung
Formen der Marktregulierung vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V113019
ISBN (eBook)
9783640129256
ISBN (Buch)
9783640130610
Dateigröße
6806 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinder, Kartellproblematik, Drittel, Jahrhunderts, Formen, Marktregulierung, Mittelalter, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Frank Hoffmann (Autor:in), 2006, 'Kinder der Not': Die Kartellproblematik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113019

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: 'Kinder der Not': Die Kartellproblematik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden