Ist das staatliche Rentenversicherungssolidarsystem generationengerecht und zukunftsfähig?


Seminararbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland

3. Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung heute

4. Problematik Generationengerechtigkeit

5. Mögliche Alternaiv- und Ergänzungskonzepte

6. Fazit

7. Quellen

1. Einleitung

„...es gab in der langen Geschichte der Rentenversicherung und ihres Verbandes kaum eine Zeit, in der die Verantwortlichen nicht vor ganz existenziellen Problemen der Rentenversicherung standen. Ein System dieser Größe und dieser finanziellen Bedeutung war auch in der Vergangenheit stets auf das Engste mit dem Wohl und dem Wehe des politischen Gemeinwesens verbunden. All diese Probleme wurden gelöst. Ich bin sicher, das wird auch in Zukunft so sein. Die Rentenversicherung ist vor allem deshalb zukunftsfähig, weil sie anpassungsfähig ist.“[1]

Diese Worte bilden den Schlusspunkt einer Rede von Prof. Dr. Franz Ruland, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger von 1992 bis 2005, zu den Mitgliedern des Verbandes auf der Mitgliederversammlung am 23. Juni 2005 in Berlin. Am 01. Oktober des gleichen Jahres folgte der Zusammenschluss des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Deutsche[n] Rentenversicherung Bund.

Die Frage, ob und inwiefern die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland zukunftsfähig ist, soll Gegenstand dieser Hausarbeit sein. Der Autor erläutert dabei zunächst die Geschichte des staatlichen Rentenversicherungssolidarsystems, skizziert die Problematik der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland heute und die daraus möglicherweise resultierenden Engpässe des Systems in Bezug auf Zukunfts- und Generationengerechtigkeit. Im Anschluss werden Ergänzungs- und Alternativkonzepte zum staatlichen Rentenversicherungssolidarsystem aufgezeigt. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf der Betrachtung des Systems der Kapitaldeckung und des sogenannten Grundeinkommens.

Im letzten Teil der Hausarbeit wird ein Resümee aus den erörterten Sachverhalten gezogen.

2. Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland

Gesetzliche Versicherungen in Deutschland sind auf die „Kaiserliche Botschaft“ im Jahr 1881 zurückzuführen. Als Motiv staatlicher Sozialpolitik wird angeführt, „dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Aus­schreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde“[2]. Demnach sollte hiermit der politischen Unruhe, die durch die Arbeiterbewegung im Deutschen Reich ausging, begegnet werden.

Der Reichstag verabschiedete als ersten Schritt im Jahr 1883 das „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“. Es wurde eine Zwangsversicherung eingerichtet, deren Finanzierung über Beiträge des Arbeitnehmers, zwei Drittel, und Arbeitgebers, ein Drittel, erfolgte. Damit wurde ein Rechtsanspruch auf freie ärztliche Behandlung der Versicherten und weitere Leistungen des Gesundheitsbereiches, allerdings mit noch starken Einschränkungen den Umfang betreffend, geschaffen.[3]

Im Jahr 1884 verabschiedete der Reichstag nach langen Debatten in einer dritten Vorlage eines Gesetzesentwurfs das Unfallversicherungsgesetz. Dadurch wurde die privatrechtliche Haftpflicht des Arbeitgebers durch eine öffentlich-rechtliche Unfallversicherung abgelöst. Die Versicherung wurde ausschließlich durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert.[4]

Zur Existenzsicherung für Arbeiter und Angestellte im Alter wurde im Jahr 1889 auf Antrag Bismarcks die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt waren Arbeiter und einfache Angestellte vom 16. bis zum 70. Lebensjahr versicherungspflichtig. Mit Erreichen des 70. Lebensjahres erhielten die Versicherten eine Altersrente. War die Erwerbsfähigkeit vor Ablauf des 70. Lebensjahres um zwei Drittel gemindert, wurde eine Invalidenrente gewährt. Träger der Versicherungen, die je zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert wurde, waren die Landesversicherungsanstalten.[5]

Mit den hier genannten drei großen Sozialversicherungen und aufgrund großer Fortschritte in der Medizin und der Hygiene verbesserten sich die Lebensumstände und die gesundheitliche Situation zunehmend. Die Bevölkerung des Deutschen Reiches stieg von 45 Millionen (1880) auf 65 Millionen (1910) Einwohner. Ein umfassender sozialer Schutz existierte allerdings noch nicht.[6]

Seit der Einführung unterlag das System der gesetzlichen Rentenversicherung einem großen Wandel. Zum einen betrifft dies die Generosität, welche auf die allgemeine Steigerung des Reichtums zurückzuführen ist, zum anderen gab es aber auch darüber hinausgehende Leistungserweiterungen.

Zur ersten wesentlichen Verbesserung der Leistungen für die Versicherten kam es 1911. Kranken, Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherung wurden in der Reichsversicherungsordnung zusammengefasst. Nun waren auch landwirtschaftliche Arbeiter, Hausgewerbetreibende, Wandergewerbebeschäftigte und Hausangestellte versichert. Hinzu kam ebenso eine Invaliditäts- und Altersversiche­rung für Hinterbliebene. Durch Beschluss des Angestellten-Versicherungsgesetzes wurde 1911 eine eigene Altersversicherung geschaffen, deren Beiträge und Leistungen höher waren als die in der Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter. Zur ersten Senkung des Renteneintrittsalters, von 70 auf 65 Jahre, kam es 1916.[7]

1919 wurde der Verband Deutscher Landesversicherungsanstalten (VDL) gegründet. 1929 wurde dieser Verband in Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten umbenannt. Ihm gehörten alle Landesversicherungsanstalten, die Seekasse, die Reichsbahnversicherungsanstalt, der Reichsknappschaftsverein aber auch die Versicherungsanstalten in Memel, Danzig und dem Saargebiet an, die damals aufgrund des Versailler Vertrages außerhalb der Reichsgrenzen lagen.[8]

Nach der Machtergreifung der NSDAP wurde die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom Januar 1934 abgeschafft. Allerdings kamen weitere Sozialleistungen hinzu, 1936 das Kindergeld, 1937 die Möglichkeit für nichtversicherungspflichtige Deutsche zum Eintritt in die Rentenversicherung sowie Anfang der 40er Jahre eine Verbesserung des Mutterschutzes.[9] Die Schaffung einer Einheitsversicherung mit einer Einheitsverwaltung wurde de facto jedoch nur in Ansätzen realisiert. Aufgrund von Fragen zur Organisationsstruktur sowie des angespannten Verhältnisses zum Reichsarbeitsministerium kam es zu einer Austrittswelle mehrerer LVAen Ende der 30er Jahre. Letztendlich jedoch kehrten die ausgetretenen LVAen in den Verband zurück, die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte kam hinzu. Daraufhin kam es zu einer Umbenennung des Reichsverbands Deutscher Landesversicherungsanstalten in Reichsverband Deutscher Rentenversicherungsträger.[10]

Nach Ende des 2. Weltkriegs wurden im sowjetisch besetzten Sektor wie auch im in vier Besatzungszonen eingeteilten Berlin jeweils eine Einheitsversicherung der Sozialversicherungen eingeführt. Im Ostteil Deutschlands gab es keine Tarifautonomie, da die Löhne an den Vorgaben der Planwirtschaft ausgerichtet waren. In den drei westlichen Besatzungszonen blieb es bei dem gegliederten System der Sozialversicherung. Das von den Nationalsozialisten vormals eingeführte Führerprinzip wurde aufgehoben, die Selbstverwaltung wieder eingerichtet. 1948 kam es zu einer erneuten Umbenennung in Verband Deutscher Rentenversicherungsträger nach vorherigen eigenständigen Verbänden der westlichen besetzten Zonen.[11]

Als wichtiger Schritt in Richtung soziale Marktwirtschaft kann die 1949 festgeschriebene Tarifautonomie in den drei westlichen Besatzungszonen gewertet werden.[12]

Das heutige Rentensystem besteht in seinen Grundzügen seit 1957. In diesem Jahr wurde implizit der Generationenvertrag gegründet, indem die Kapitalfundierung zugunsten des heute noch angewandten Umlageverfahrens gewichen ist. Bis in die 70er Jahre wurden die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erweitert und ausgebaut.[13]

Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten traten die LVAen der neuen Bundesländer dem Verband bei. Seit dem Zusammenschluss von VDR und BfA heißt der Verband Deutsche Rentenversicherung Bund. Der Sitz des Verbandes befindet sich in Berlin.[14]

Neben der Lösung organisatorischer Probleme war und ist Arbeitsschwerpunkt des Verbandes, die Finanzierung der Rentenversicherung sicherzustellen. Im Laufe der Jahre erlitt der Verband immer wieder herbe Rückschläge. Während des ersten Weltkriegs unter anderem zur Finanzierung der Kriegskasse herangezogen, stand der Verband nach Ende des Krieges vor dem Problem, einen immensen Anstieg bei den Invalidenrenten zu bewältigen. Eine zweite erhebliche Belastung ergab sich mit der Inflation in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Als Beispiel sei hier der Wochenbeitrag der höchsten Lohnklasse am 10. Dezember 1923 genannt, er betrug 1.160 Mrd. Reichsmark. Den dritten schweren Schlag erhielt das System im Laufe und nach Ende des zweiten Weltkriegs. Das angesammelte Deckungskapital ging innerhalb von 30 Jahren zum dritten Mal verloren.[15] Ähnlich, in ihren Ausmaßen jedoch nicht derart einschneidend, gestaltete sich die Situation nach der deutschen Wiedervereinigung 1990. Ein Grund dafür, dass die Integration der Rentner der ehemaligen DDR in die gesetzliche Rentenversicherung mit Erfolg gemeistert wurde lag darin, dass das System sich durch Umlagen finanziert.

[...]


[1] Ruland, S. 11

[2] „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern“, S. 2

[3] BMAS, „In die Zukunft gedacht“, S. 22

[4] ebda., S. 23

[5] ebda., S. 24

[6] ebda., S. 29

[7] BMAS, „In die Zukunft gedacht“, S. 30

[8] Ruland, S. 3 f.

[9] BMAS, „In die Zukunft gedacht“, S. 42

[10] Ruland, S. 4

[11] Ruland, S. 5

[12] BMAS, „In die Zukunft gedacht“, S. 49

[13] ebda., S. 63

[14] Ruland, S. 5

[15] Ruland, S. 7

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ist das staatliche Rentenversicherungssolidarsystem generationengerecht und zukunftsfähig?
Hochschule
Fachhochschule für Wirtschaft Berlin  (Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Makroökonomie I: Konjunktur und Beschäftigung
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V112826
ISBN (eBook)
9783640124510
ISBN (Buch)
9783640124961
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rentenversicherungssolidarsystem, Makroökonomie, Konjunktur, Beschäftigung
Arbeit zitieren
Stefan Bross (Autor:in), 2007, Ist das staatliche Rentenversicherungssolidarsystem generationengerecht und zukunftsfähig?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112826

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