Industrie- und Gewerbeparks (Industrial Estates) als Instrument zur Förderung regionalwirtschaftlichen sowie einzelbetrieblichen Wachstums


Diplomarbeit, 2005

110 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einführung

II Begrifflichkeit
II.1 Zur deutschen und englischen Terminologie
II.2 Begriffsabgrenzung
II.3 Inhaltsbestimmung
II.4 Typisierung und spezielle Formen

III Begründung von Errichtung und Ansiedlung in Industrial Estates
III.1 Angebotseite: Gründe für die Errichtung von Industrial Estates
III.1.1 Wirtschaftspolitik: Wachstumsförderung
III.1.1.1 Bereich Entwicklungspolitik
III.1.1.1.1 Allgemeine entwicklungspolitische Gründe
III.1.1.1.2 Wachstumsorientierte Entwicklungstheorien
III.1.1.1.2.A Das Konzept des ungleichgewichtigen Wachstums
III.1.1.1.2.B Das Konzept des endogenen Wachstumspotentials
III.1.1.1.2.C Das Exportbasiskonzept
III.1.1.2 Bereich Regionalpolitik
III.1.1.2.1 Gründe für den Niedergang von Wirtschaftsregionen
III.1.1.2.2 Sonderzonen als staatliche Reaktion
III.1.1.3 Sonstige wirtschaftspolitische Gründe
III.1.2 Politische und sonstige Gründe
III.1.2.1 Industrial Estates als Instrument der Systemtransformation
III.1.2.2 Sonstige komplementäre Gründe
III.2 Nachfrageseite: Firmengründe für die Ansiedlung
III.2.1 Standortentscheidungen der sich ansiedelnden Unternehmen
III.2.1.1 Zur Standorttheorie allgemein
III.2.1.2 Zu den Standortfaktoren aus der Standortbestimmungslehre
III.2.1.3 Zur empirischen Bedeutung der einzelnen Standortfaktoren
III.2.2 Anwerbung von international tätigen Unternehmen?
III.2.2.1 Theoretische Grundlagen
III.2.2.2 Standortfaktoren aus einer internationalen Perspektive
III.2.2.3 Zur Bedeutung der internen Standortfaktoren

IV Industrial Estates aus systemtheoretischer Sicht
IV.1 Begriffsgebrauch in der Betriebswirtschaftslehre
IV.2 Industrial Estates aus systemtheoretischer Sicht
IV.2.1 Das Industrial Estate als System
IV.2.1.1 Bestandteile der Systemdarstellung
IV.2.1.2 Beschreibung der Bestandteile der Systemdarstellung
IV.2.2 Das Zeitverhalten des System ‚Industrial Estate’
IV.2.2.1 Der Lebenszyklus eines Industrial Estates
IV.2.2.2 Das Verlaufsmuster des Lebenszyklus
IV.2.3 Erläuterung der bisherigen Betrachtung an einem Beispiel

V Erfahrungen mit Industrial Estates
V.1 Die Entwicklung von Industrial Estates in verschiedenen Ländern
V.1.1 Deutschland¹
V.1.2 Im Ausland
V.1.2.1 Der englischsprachige Raum
V.1.2.2 Entwicklung- und Transformationsländer
V.2 Industrial Estates heute: Eco-Industrial Estates
V.2.1 Einführung in das Konzept der Eco-Industrial Estates
V.2.2 Theoretische Fundierung und wichtige Varianten des Konzeptes
V.2.3 Verbreitung von Eco-Industrial Estates he ute

VI Bewertung anhand der Erfahrungen
VI.1 Ökonomische Bewertung
VI.1.1 Industrial Estates zur Förderung regionalen Wachstums
VI.1.1.1 Die gesamtwirtschaftlichen (entwicklungspolitischen) Auswirkungen
VI.1.1.2 Die Bedeutung in ‚Problemregionen’
VI.1.1.3 Bewertung anhand von sonstigen wirtschaftspolitischen Zielen
VI.1.2 Industrial Estates zur Förderung einzelbetrieblichen Wachstums
VI.2 Bewertung anhand ökologischer und sonstiger Ziele

VII Anforderungen für den Erfolg eines Industrial Estates
VII.1 Entwicklung eines Anforderungsmusters
VII.2 Anforderungen bei verschiedenen, einzeln zu betrachtenden Ziele
VII.2.1 Die Aufgaben im Rahmen der Spezifikationsphase
VII.2.1.1 Der optimale Standort eines Industrial Estates
VII.2.1.2 Die Wahl des Typs eines Industrial Estates
VII.2.1.3 Die Auswahl der anzusiedelnden Unternehmen
VII.2.1.4 Die Breite von Gemeinschaftseinrichtungen und –diensten
VII.2.1.5 Die Auswahl der Managementinstanz
VII.2.1.6 Die Ausgestaltung der finanziellen Anreize
VII.2.2 Die Aufgaben in den anderen Phasen

VIII Resümee

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Aufbau der Arbeit

Abbildung 2: Wichtige Übersetzungen englischer Bezeichnungen ins Deutsche

Abbildung 3: Abgrenzung von SWZs, Enterprise Zones und Industrial Estates

Abbildung 4: Einige wichtige spezielle Formen von Industrial Estates

Abbildung 5: Die Angebotseite: Warum sollte man Sonderzonen errichten?

Abbildung 6 : Chronologie der Standortbestimmungsansätze

Abbildung 7 : Der Standortfaktorenkatalog nach Bea

Abbildung 8: Die Nachfrage nach Industrial Estates: Rangfolge der relevanten Standortfaktoren

Abbildung 9: Industrial Estates als ein System: Statische Betrachtung

Abbildung 10: Industrial Estates als ein System: Im Zeitablauf

Abbildung 11: EIP und EIN als wichtige Umsetzungsvarianten des Konzepts der Eco- Industrial Estates

Abbildung 12: Die Bewertung von Industrial Estates: Eine Zusammenfassung

Abbildung 13: Muster für die Entwicklung von Anforderungen an ein Industrial Estate

Abbildung 14: Der Anforderungsmuster dargestellt anhand eines Beispieles

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I Einführung

In meiner vorliegenden Diplomarbeit habe ich die Aufgabe, das Phänomen ‚Industrie- und Gewerbeparks’ wissenschaftlich zu untersuchen. Industrie- und Gewerbeparks stellt ein ausgeprägtes betriebliches Standortangebot dar. Sie sind weltweit verbereitet: Heute wird davon ausgegangen, dass es weltweit rund 20.000 Industrie- und Gewerbeparks gibt, davon mehr als 2000 allein in China. Solche Parks sind an vielen Orten auf der Welt als ‚Industrial Estates’ bekannt – das ist auch der Begriff, der im Folgenden verwendet werden soll.

Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist die möglichst viele Aspekte umfassende wissenschafliche Erfassung des Phänomens ‚Industrial Estates’. Damit ist gesagt, dass es nicht um eine Schwerpunktsbetrachtung des Phänomens gehen wird. Vielmehr ist das Ziel, die diversen Motive bei der Errichtungen von Industrial Estates sowie die verschiedenen Ausprägungen solcher Gebiete zu beleuchten. Dabei wird immer versucht, sowohl die Nachfrage nach Industrial Estates als auch das Angebot an solchen Zonen zu erfassen. Mit der Bewertung dieses Phänomens am Ende der Arbeit soll dazu beitgetragen werden, dass das Gesamtbild von Industrial Estates sich vervollständigt, so dass Aussagen über die Tauglichkeit solcher Zonen in Bezug auf bestimmte Ziele sowie über die Realisierungchancen zukünftiger Projekte getroffen werden können.

Der theoretische Bezugsrahmen der Arbeit ist volks- und betriebswirtschaflicher sowie wirtschaftsgeographischer Natur. Um die Motive bei der Errichtung von Industrial Estates zu klären, werden vorwiegend volkswirtschaftliche Theorien herangezogen. Dies liegt vor allem an der Tatsache, dass Industrial Estates in vielen Ländern als staatliches Lenkungsinstrument verwendet werden und damit volkswirtschafliche Zielsetzungen haben. Das Motiv bei privat initiierten Industrial Estates kann dagegen leicht ausfindig gemacht werden, es ist die Profiterzielung. Bei der Betrachtung der Nachfrage nach Industrial Estates sowie der inneren Strukturen solcher Zonen werden betriebswirtschaftliche Instrumente verwendet. Abschließend wird auf die Empirie zurückgegriffen, um eine Bewertung vom Konzept der Industrial Estates vorzunehmen. Die meisten empirischen Erkenntnisse stammen aus dem Gebiet der Wirtschaftsgeographie.

Der Aufbau der Arbeit soll anhand Abbildung (1) sowie die Ausführungen der darauffolgenden Seite zur Hilfe erklärt werden:

Abbildung 1 : Aufbau der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den ersten drei Kapiteln wird versucht, das Grundgerüst zu entwickeln, mit dem wir uns dem Phänomen ‚Industrial Estates’ nähern können: Zuerst werden im zweiten Kapitel die verschiedenen Bezeichnungen voneinander abgegrenzt und es wird dann für die Verwendung des Begriffes ‚Industrial Estates’ argumentiert; der Inhalt des Begriffs wird dort festgelegt und seine Typen und speziellen Formen erläutert.

Im dritten Kapitel wird versucht, die Angebot- und Nachfrageseite von Industrial Estates theoretisch zu erfassen. Auf der Angebotseite wird die Frage beantwortet, warum man Industrial Estates errichten soll. Die Antwort auf diese Frage führt uns zu den Zielen bei der Errichtung von Industrial Estates. Auf der Nachfrageseite wird gefragt, warum Unternehmen sich in Industrial Estates ansiedeln. Um diese nachfragebezogenen Fragen zu beantworten, müssen zuerst der standorttheoretische Entscheidungsrahmen genau beschrieben und dann bestimmte Frage in diesem Rahmen empirisch beantwortet werden.

Im vierten Kapitel wird versucht, Industrial Estates ganzheitlich und holistisch zu erfassen. Für diesen Zweck werden betriebswissenschaftliche systemtheoretische Ansätze herangezogen werden. Sie liefern uns eine umfangreiche, aber statische Betrachtung. Diese Betrachtung wird dann mit Hilfe von Lebenszyklusansätzen auf mehrere Perioden erweitert. Das Ergebnis wird dann illustrativ anhand eines Beispieles erläutert. Aufgrund der vorgegebenen Größe der vorliegenden Arbeit muss das Abstraktionsniveau niedrig bleiben.

Mit dem fünften Kapitel beginnt der zweite Teil der Arbeit. In diesem Teil wird versucht, die bis dahin vorwiegend theoretischen Ausführungen zum Thema mit empirischen sowie deduktiv ermittelten Erkenntnissen über Industrial Estates zu kombinieren. In diesem fünften Kapitel wird zunächst versucht, die Evolution des Phänomens ‚Industrial Estates’ zu skizzieren. Darauf folgt eine Bestandsaufnahme von Industrial Estates und dabei wird das neue und sicherlich interessante Konzept der Eco-Industrial Estates in seinen Grundzügen skizziert.

Im sechsten Kapitel wird eine Bewertung vom Konzept der Industrial Estates vorgenommen. Die Bewertung bezieht sich auf empirische Indizien sowie auf deduktive und theoretische Überlegungen. Im Rahmen der Bewertung werden dann einige Voraussetzungen für den Erfolg in Bezug auf das jeweilige Ziel herausgearbeitet.

Im letzten Kapitel wird die folgende Frage gestellt und beantwortet: Was kann man tun, um möglichst viele Voraussetzungen für den Erfolg eines Estates zu erfüllen – also die Frage nach den Anforderungen an Industrial Estates. Zuerst wird ein Anforderungsmuster entwickelt, um möglichst viele Anforderungen für die Betrachtung heranzuziehen. Danach werden einige Anforderungen abgeleitet.

II Begrifflichkeit

II.1 Zur deutschen und englischen Terminologie

Großbritannien gilt als das Mutterland der im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu diskutierenden Zonen. Dort sind diese Zonen als ‚Industrial Estate’ bekannt (vgl. Hommel 1983: 23). Anfangs wurden ‚Industrial Estates’ als ‚trading estates’, aber auch schon als

‚industrial estates’ bezeichnet. ‚Trade’ bedeutet neben ‚Handel’, ‚Geschäft’ zumindest seit der Industrialisierung auch ‚Gewerbe’. ‚Industry’ bezeichnet auch ‚Gewerbe’ und verdrängte

‚trade’ in dieser Bedeutung im 20. Jahrhundert immer mehr. ‚(Real) estate’ bedeutet

‚Grundstück’, ‚Liegenschaften’, ‚(Land-) Gut’. Es waren ‚estate agents’ (Grundstückmakler)‚ die die ersten Industrial Estates gründeten.1

Im US-amerikanischen Sprachgebrauch ist häufig die Bezeichnungen ‚industrial district’ und

‚planned industrial district’ anzutreffen. Selten begegnet man dem Begriff ‚industrial estate’. Der Begriff ‚industrial park’ taucht manchmal in der Fachliteratur auf und betont den Park- Charakter einer solchen Landschaft. In den USA sowie in anderen Ländern wird mit der Verwendung des Wortes ‚Park’ oft auf die einheitlichen und ästhetischen Gesichtspunkte sowie auf die planvolle Gestaltung hingewiesen. Manchmal wird zusätzlich mit diesem Wort das Vorhandensein von Grünflächen, umweltfreundlichen Bereichen und Freizeiteinrichtungen, sowie die räumliche Freizügigkeit bei der Bebauung angedeutet. Wichtig ist die allgemeine Anmerkung, dass die Entscheidung der Planer für die Bezeichnung mit dem Zusatz ‚Park’ oft aus Gründen des „Standortmarketing“ geschieht, ohne dass ein solcher Standort das angesprochene Charakteristikum von einem ‚Park’ unbedingt erfüllt (so Hüttermann 1985: 15).

Im Deutschland beschäftigten sich die Autoren mit diesem Thema zuerst in Untersuchungen über die amerikanischen und britischen Erfahrungen. Daher mussten sehr früh Synonyme und Übersetzungen für die oben angesprochenen englischen Begriffe gefunden werden.

Die amerikanischen Erfahrungen wurden erstmals von Ritter untersucht (Ritter 1961). Er übersetzte den ursprünglich amerikanischen Ausdruck ‚industrial park’ mit ‚Industriepark’ und den Ausdruck ‚planned industrial district’ mit ‚Industrieplansiedlung’. Niesing, einer der ersten Autoren im deutschsprachigen Raum, übersetzte dagegen denselben Ausdruck mit

„Gewerbeplansiedlung“ (vgl. Niesing 1970: 18).

Die britischen Erfahrungen wurden zuerst von Egner untersucht. Dabei übersetzte er den britischen Ausdruck ‚industrial estate’ mit ‚Mietfabrikunternehmung’ oder ‚Industriehof’ (vgl. Egner 1950: 90). Ritter übernahm die Übersetzung Industriehof (vgl. Ritter 1961: 146-149). Niesing ging differenzierter vor: Er bezeichnete die Industrial Estates in staatlicher Hand als

‚Gewerbepark’ und die anderen Varianten von Industrial Estates als ‚industrial estates im weitesten Sinne’ (vgl. Niesing 1970: 22). Außerdem benutzte er den Begriff ‚Industriepark’ zur Bezeichnung von solchen Industrial Estates in Entwicklungsländern oder denjenigen Industrial Estates, die zur Förderung von Kleinindustrien errichtet werden (ebd.: 20). Hüttermann blieb bei den amerikanischen Übersetzungen ‚Industrieplansiedlung’ und

‚Industriepark’ und verwendete sie auch zur Beschreibung der im Englischen bekannten

‚industrial estates’ (Hüttermann 1977: 230).

Abbildung 2: Wichtige Übersetzungen englischer Bezeichnungen ins Deutsche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Falls in staatlicher Hand, ** Falls in Entwicklungsländern oder zur Förderung von Kleinindustrien, *** Falls anderes

Quelle: Eigene Darstellung

Damit ist die Begriffsverwirrung im deutschen Sprachgebrauch gezeigt: Fast alle Übersetzungen der englischen Audrücke begegnet man in der deutschen Fachliteratur, ohne dass sich eine Übersetzung wirklich durchgesetzt hätte bislang.2 In diesem Zusammenhang ist allerdings ein Problem der sprachlichen Präzision dieser Übersetzungen zu erwähnen: Die Übersetzung des englischen Wortes ‚industrial’ oder ‚industry’ mit ‚Industrie’ ist nicht korrekt. ‚Industrie’ bezeichnet das ‚verbreitende Gewerbe’ oder manchmal das

‚produzierende Gewerbe’. Die englischen Synonyme wären dann ‚manufacturing (industry)’ bzw. ‚production (industry)’. Das Wort ‚industry’ bezeichnet dagegen ‚Gewerbe’ im weiteren Sinne, und umfasst das, was im Deutschen unter „gewerblicher Wirtschaft“ subsumiert wird (Hommel 1983: 24 in Anlehnung an Leister 1966). Damit scheint die deutsche Bezeichnung

‚Gewerbepark’ die korrekteste Übersetzung zu sein (so auch Hommel 1983: 25 sowie Hottes 1977: 211). Dafür spricht außerdem die Tatsache, dass die Übersetzung von ‚estate’ als ‚Hof’

- wie das bei Egner der Fall ist – dem Wort eine ganz andere semantische Bedeutung verleiht. Und damit scheint die Übersetzung ‚park’ geeigneter zu sein.3

Es sei daran erinnert, dass es bei diesen Versuchen um die Schaffung eines deutschen Oberbegriffs geht und nicht um die Ausdifferenzierung nach Varianten. Dieser Oberbegriff soll die gleichen räumlichen Zonen erfassen, die von den englischen Begriffen erfasst werden. In der Normalsprache sowie in der Fachliteratur der letzten zwei Dekaden begegnet man immer wieder dem Vorschlag zur Verwendung des Doppelbegriffs ‚Gewerbe- und Industrieparks’ – obwohl dieser Begriff mit Redundanz verbunden ist, da ‚Industrie’ schon in

‚Gewerbe’ enthalten ist. Öfters wird der englische Begriff ‚industrial estate’ ohne Übersetzung übernommen. Die vorliegende Arbeit folgt dieser Vorgehensweise aus Gründen, die im Folgenden zusammenfassend erwähnt werden:

- Der britisch-englische Begriff ‚industrial estate’ wurde von der Fachliteratur vieler Länder übernommen und ist damit der am weitesten verbreitete Begriff in der englischsprachigen Welt.4

- Der Begriff ist neutral, umfassend und daher als Oberbegriff geeignet zur Beschreibung solcher künstlichen Zonen (für eine genauere Begriffsbestimmung vgl. die folgenden Abschnitte 2.2, 2.3 und 2.4).
- Außer des Begriffs ‚Gewerbepark’ existieren in der deutschen Literatur kaum geeignete Synonyme, 5 wobei der Zusatz ‚-park’ als Übersetzung des Worts ‚estate’ nicht einwandfrei ist.

II.2 Begriffsabgrenzung

Nach der Begründung für die Verwendung des Begriffs ‚Industrial Estate’ als Oberbegriff gilt es, diesen von anderen Ober- und Sammelbegriffen abzugrenzen, die ähnliche künstlich geschaffene Räumen beschreiben, aber mit anderem Schwerpunkt als bei den Industrial Estates. Diese anderen Kategorien sind zum einen die ‚Sonderwirtschaftszonen’ (SWZ) und zum anderem die so genannten ‚enterprise zones’.

Zunächst ist die Bemerkung zu machen, dass die Kriterien für diese Abgrenzung von empirischen Untersuchungen stammen. Deswegen ist die Abgrenzung nicht strikt zu betrachten, denn zum Beispiel sind die meisten Industrial Estates klein und privat organisiert. Trotzdem dürfen große Zonen mit staatlichen Fördermaßnahmen als Industrial Estates betrachtet werden, obwohl diese Merkmale meistens für SWZ typisch sind. Es geht also bei dieser Abgrenzung um die Hervorhebung der Merkmale, die für jede Kategorie charakteristisch bzw. typisch sind. Dies soll im Folgenden geschehen.

Sonderwirtschaftszonen gehen meistens auf eine staatliche Initiative zurück, weil damit „ aus welchen Gründen auch immer – die wirtschaftlichen Aktivitäten in einem begrenzten Bereich gefördert werden sollen“ (so Busch 1992: 8). Die Förderung durch den Staat umfasst meistens die Gewährung von Steuer- und Zollbegünstigungen, Deregulierung, Vereinfachung von bürokratischen Abläufen oder die Gewährung sonstiger wirtschaftsrechtlicher Begünstigungen – z.B. Abschreibungserleichterungen oder die Reduzierung der Auskunftspflichten für statistische Zwecke. Ein wichtiges Merkmal solcher SWZ ist ihre vergleichsweise große räumliche Streuung. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der SWZ, kommt ein weiteres Charakteristikum solcher Zonen hinzu: Die Mehrheit der SWZ waren ursprünglich als ‚Zollfreigebiete’6 oder ‚Exportförderzonen’ konzipiert (vgl. die Studie der UNCTC 1990: 2). Die restlichen SWZ waren Zonen freier Wirtschaftsaktivität, in denen die vielfältigen wirtschaftlichen Aktivitäten wie Forschung, Entwicklung, Fertigung oder der Absatz unterschiedlicher Branchen vorangetrieben werden sollten.

Enterprise Zones sind „relativ kleine, zumeist in Großstädten ausgewiesene Sonderwirtschaftzonen, die durch eine Reihe künstlicher Standortvorteile, u. a. Steuerbefreiungen und Abschreibungserleichterungen, indirekt subventioniert werden und dadurch gegenüber benachbarten Arealen als Wirtschaftsstandorte eine völlig neue Bewertung erfahren“ (Zehner 1991: 138). Deswegen ist die Betrachtung der Enterprise Zones als „kleine Sonderwirtschaftszonen“ hervorzuheben. Enterprise Zones unterscheiden sich von den SWZ nicht nur hinsichtlich ihrer Größe sondern auch hinsichtlich der staatlichen Absicht bei der Errichtung. Das Konzept der Enterprise Zones entstand in Großbritannien Ende der 1970er Jahre und wurde munter sowohl in Großbritannien als auch in den USA während der 80er und 90er implementiert – z. B. im Londoner Osten (Dockland) als prominenter Fall oder in den USA in New Jersey und weiten Teilen Kaliforniens (zu GB vgl. Zehner 1999 und 1991, zu den USA vgl. Green 1991, Boarnet/ Bogart 1996, Mauer/Ott 1999 und O’Keefe 2004). Die Absicht bei der Planung von Enterprise Zones ist die Förderung von strukturschwachen ehem. Industriestandorten. Meistens geht es um die Verringerung von Arbeitslosigkeit und Armut in Problemzonen, wie etwa Slums in Großstädten – sogenanntes ‚urban development’ (mehr dazu siehe Weinand 1990: 37 ff, Green 1991).

Die SWZ dagegen fanden Eingang in die Fachliteratur v. a. durch Erfahrungen in Entwicklungsländern (EL) wie China oder Osteuropa (vgl. Bolz 1990, Busch 1992 und Dinter 1993). Die Absicht des Staates dabei war meistens, durch die Exportorientierung Synergieeffekte für die gesamte Wirtschaft zu erzielen. Damit ist angesichts der unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und des offensiven bzw. defensiven Charakters der SWZ bzw. Enterprise Zones die vom Verfasser vorgenommene kategorische Unterscheidung gerechtfertigt.

Industrial Estates sind wie Enterprise Zones relativ klein im Verhältnis zu den SWZ. Anders als bei den SWZ findet man oft Industrial Estates privater Trägerschaft. So wurden die ersten Industrial Estates in Großbritannien und der USA von privater Hand initiiert. Bei den staatlich initiierten Industrial Estates können dieselben Fördermaßnahmen wie bei den SWZ und Enterprise Zones vorliegen. Bei den Industrial Estates existiert meistens ein umfassendes

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gegenseitige Einräumung von Zollfreiheit mindestens zweier Länder beschreibt. Daher scheint die hier verwandte Übersetzung ‚Zollfreigebiete’ korrekter zu sein.

Erschließung- und Ansiedlungskonzept. Das Areal eines Industrial Estates ist daher genau abgegrenzt und wird oft durch die einheitliche Bebauung oder anderweitig aktiv erkennbar gemacht. Die sehr gute Infrastruktur der Industrial Estates gilt als eine ihrer besonders wichtigen Standortvorteile. Meistens existiert bei den Industrial Estates ein Management – oder eine äquivalente Instanz, die als Ansprechpartner für Investoren fungiert. Manchmal existieren gemeinsame Einrichtungen wie Freizeit- und Sporteinrichtungen oder Lagerhallen, die von den angesiedelten Unternehmen gemeinsam benutzt werden.

Abbildung 3: Abgrenzung von SWZ, Enterprise Zones und Industrial Estates

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* vgl. Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

Wie bereits oben erklärt, können Zonen mit übergreifenden Ausprägungen in mehr als eine Kategorie eingeordnet werden. Die vorliegende Arbeit verwendet den neutralen Begriff

‚Sonderzonen’ als Sammelbegriff der drei Kategorien. Die Entscheidung dieser Arbeit für den Fokus auf die Industrial Estates liegt u. a. daran, dass eine theoretisch und empirisch zufriedenstellende Bearbeitung der drei Kategorien zusammen zu umfangreich würde. Allein für eine allgemeine Bewertung von Großprojekten – wie es bei SWZ meistens der Fall ist – muss volks- und betriebswirtschaftliche Instrumentarien entwickelt und vorgestellt werden, die den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Für die vorliegende Arbeit sind jedoch die Untersuchungen über SWZ und Enterprise Zones in die Bewertung des Konzepts der Industrial Estates entsprechend differenziert einzubeziehen.

II.3 Inhaltsbestimmung

In diesem Abschnitt gilt es, den Begriff Industrial Estates inhaltlich zu füllen. Die Vorgehensweise dabei ist wie folgt: Zuerst werden einige in der Literatur verbreitete Definitionsvorschläge vorgestellt. Aufbauend auf der Diskussion und der Kritik dieser Definitionsvorschläge werden danach notwendige Definitionselemente postuliert.

Es werden im Folgenden vier in der Literatur vorherrschende Definitionsvorschläge vorgestellt, die sich hinsichtlich ihres Bestimmtheitsgrades unterscheiden. Sie sollen anschließend miteinander verglichen und bewertet werden.7

Bredo definiert ein Industrial Estate in seinem Standardwerk der Industrial-Estate-Forschung wie folgt:

„An Industrial estate is a tract of land which is subdivided and developed according to a comprehensive plan for the use of a community of industrial enterprises. The plan must make detailed provision for streets and roads, transportation facilities, and installation of utilities. The plan may provide for the erection of factory buildings in advance of sale or lease to occupants.

The plan must insure adequate control of the site and buildings through zoning, through private restrictions incorporated as legal requirements in deeds of sale or leases, and through the provision of continuing management, all with a view to protecting the investments of both the developer of the estates and the tenants.” (Bredo 1962: 1f) 8

Niesing definiert den von ihm behandelten Typ des staatlichen Industrial Estates so:

„Gewerbezonen [...], die mehrere Betriebe auf einem von einer speziellen, durch eine staatliche Gebietskörperschaft kontrollierten Erschließungs- und Verwaltungsgesellschaft reservierten, erschlossenen und bebauten Grundstück zusammenfassen.“ (Niesing 1970: 24f)

Hüttermann versteht unter einem Industrial Estate (für das er die Bezeichnung Industriepark bevorzugt):

„Ein Industriepark ist ein zusammenhängendes und in sich geschlossenes Areal, das speziell zur Förderung der Ansiedlung von Industriebetrieben durch einen öffentlichen oder privaten Planungsträger mit Straßen, eventuell Anschlussgleisen und Kanälen, Energie, Wasser, Entwässerung und Fernsprechleitungen ausgestattet und das mit vorwiegend klein- bis mittelgroßen Betrieben unterschiedlicher Branchen besiedelt ist. Zusätzliche Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung als Anreize zur Ansiedlung von Industriebetrieben sind in der Regel vorhanden, wodurch die Industrieparks zu einem über andere Industrieansiedlungen hinausgehenden besonderen raumordnungspolitischen Instrument werden.“ (Hüttermann 1977: 234)

Schließlich definiert Hommel ein Industrial Estate so:

„Ein Industrial Estate (Industrie- und Gewerbepark) ist ein Gelände, das als Standort für mehrere Gewerbebetriebe dienen soll und zu diesem Zweck von einem Träger oder dessen Beauftragten nach einem umfassenden Plan erschlossen, spekulativ oder auf Wunsch ansiedlungswilliger Betriebe bebaut, evtl. mit weiterer Infrastruktur versehen und verwaltet und unterhalten wird. Die ansiedelnden Betriebe akzeptieren Planung und Dienstleistungen des Trägers. Aufgrund dieser Merkmale eignet sich das Industrial Estate als Instrument für raumbezogene Planungen.“ (Hommel 1983: 22)

Gemeinsam ist allen diesen Definitionen erstens die Existenz eines umfassenden Plans für die Erschließung und Parzellierung des Areals. Dies ist in der Definition von Bredo besonders hervorgehoben. Hier muss betont werden, dass dies ‚meistens’ aber nicht immer’ der Fall ist. Der Entstehung des legendären Stanford Industrial Park 1948, des sogenannten „Silicon Valley“, lag kein expliziter Plan zu Grunde. Es war vielmehr eine „ungeplante Agglomeration von technologieintensiven Industriebetrieben“ (so Mechthold 1994: 159).

Ein zweites Merkmal eines Industrial Estates ist nach diesen Definitionen, dass das Gelände des Industrial Estate mehrere Unternehmen einschließt. Man redet in diesem Zusammenhang von einer ‚Gemeinschaft’ bzw. ‚Community’. In der Wirtschaftsgeographie verwendet man hier den Oberbegriff ‚industrielle Standortgemeinschaft’ und bezeichnet die Industrial Estates daher als ‚ besondere industrielle Standortgemeinschaft’9 (vgl. Hüttermann 1985: 14ff). Dieses Merkmal der Existenz mehrerer Betriebe ist ebenso wie das erste angesprochene Merkmal meistens ‚aber nicht immer’ vorhanden. So berichtet Hommel (1983: 19) davon, dass in ländlichen Gebieten Schottlands die dort errichteten kleineren Industrial Estates oft für längere Zeit zunächst von nur einem Unternehmen besetzt waren.

Drittens beschreiben die aufgeführten Definitionen unterschiedliche Erschließungs- und Bebauungsintensitäten. Während die Definitionen von Hommel und Niesing hinsichtlich dieses Kriteriums diskret bleiben, werden bei Bredo und Hüttermann einige eventuelle

Erschließungsmaßnahmen spezifiziert. Bei der Definition von Hüttermann muss die Auflistung von untypischen Einzelheiten wie Gleis- oder Kanalanschlüssen kritisiert werden. Außerdem ist das Vorhandensein von gemeinsamen Einrichtungen in einem Industrial Estate eher als Ausnahme und nicht als Regelfall zu sehen, wie Hüttermann behauptet (vgl. Hommel 1983: 22). Insgesamt ist die Bebauung der Parzellen mit Gewerbegebäuden durch den Träger nicht zwingend notwendig für ein Industrial Estate, sie muss aber vom Träger angeboten werden (so Hommel 1983: 21).

Viertens kann aus den Definitionen das Kriterium der Trägerschaft eines Industrial Estate abgeleitet werden. Die Frage, ob der Träger eines Industrial Estate privat oder staatlich sein muss, bleibt bei allen Definitionen offen. Dass die staatliche Trägerschaft als zwingendes Definitionselement bei Niesing vorkommt, ist damit zu begründen, dass seine Untersuchung sich nur auf diese Klasse von Industrial Estates bezog. Die Trägerschaft eines Industrial Estates kann daher privat oder staatlich organisiert sein.

Fünftens ist der Typ der dort anzusiedelnden Betriebe zu spezifizieren. Aufgrund von empirischen Fakten über die Branchenangehörigkeit der sich auf Industrial Estates anzusiedelnden Betriebe,10 scheint die Verwendung des Allgemeinausdrucks

„Gewerbebetriebe“ in der Definition von Hommel die einzig richtige Wahl zu sein – äquivalent dazu ist der Ausdruck ‚industrial enterprise’ bei Bredo, da ‚Industrie’ im englischen synonym zu ‚Gewerbe’ verwendet wird. Die Verwendung von ‚Industriebetrieben’ in der Definition von Hüttermann ist als zu einschränkend abzulehnen.11

Ein sechstes und letztes Kriterium zielt auf die Funktion eines Industrial Estat es. Da die Trägerschaft eines Industrial Estate nicht immer staatlich organisiert sein muss, ist die Aussage, dass solche Gewerbezonen gesamtgesellschaftlichen Zielen dienen müssen, sicherlich nicht immer zutreffend. Die Aussage von Hommel, dass solche Zonen ‚geeignet’ seien, gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen – wie die von ihm hervorgehobene Aufgabe der Raumplanung – ist sicherlich zutreffend. Es geht aber darum, die ‚vornehmliche’ und nicht eine ‚denkbare’ Funktion der ‚staatlichen’ Industrial Estates definitorisch zu bestimmen. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit schlägt daher vor, die staatlichen Industrial Estates eher als ein Instrument der ‚Raumwirtschaftspolitik’ zu sehen. Die nähere Bestimmung der vornehmlichen Funktion der staatlichen Industrial Estates als Instrument der

‚Raumwirtschaftspolitik’ – ein heuristisches Teilgebiet der Wirtschaftsgeographie – 12 scheint dem Verfasser geeigneter zu sein als der Vorschlag von Hommel für den weitgefassten Begriff ‚raumbezogene Planung’.13 Die Formulierung von Hüttermann hinsichtlich der Funktion eines Industrial Estates ist dagegen unglücklich – obwohl er inhaltlich wahrscheinlich dasselbe meint wie Hommel: Die Existenz von Einrichtungen gemeinsamer Nutzung ist sicherlich nicht der Grund dafür, dass Industrial Estates als Instrument der

Raumordnungspolitik besonderes geeignet sind. Erstens existieren wie bereits gesagt bei den meisten ausgewiesenen Industrial Estates solche Einrichtungen nicht, sodass dieser

‚vermeintliche’ Vorteil bei den meisten Industrial Estates nicht vorhanden ist. Die Existenz von Einrichtungen gemeinsamer Nutzung ist daher nicht der Hauptgrund für die bessere Eignung der Industrial Estates als raumpolitisches Instrument. Zweitens muss dabei nach privaten und staatlichen Industrial Estates differenziert werden – dieser Kritikpunkt gilt ebenso für Hommel, da private Industrial Estates, die solche Einrichtungen gemeinsamer Nutzung aufweisen, nicht unbedingt als Instrument übergeordneter Planung zur Verfügung stehen: Der private Investor wird solche Einrichtungen anbieten nach Maßgabe der eigenen, meistens profitmaximierenden Kriterien und nicht unbedingt nach Kriterien sozialer, ökonomischer oder raumpolitischer Optimalität.

Betrachten wir rückblickend die vier vorgestellten Definitionen. Sie stehen in einer chronologischen Reihenfolge und sind außerdem hinsichtlich ihres Bestimmtheitgrades mehr oder weniger geordnet: Bredo betont v. a. in der ersten Definition den Aspekt des umfassenden Planes und bleibt hinsichtlich anderer Kriterien offen. Die Definition von Niesing ist wegen des Blickwinkels seiner Untersuchung von nur staatlichen Industrial Estates diesbezüglich einschränkend, darüber hinaus ist sie sehr allgemein gefasst. Die letzten zwei Definitionen – von Hüttermann und von Hommel – sind vergleichsweise umfassend. Die Definition von Hüttermann ist allerdings mit Mängeln behaftet – wie z.B. durch die Einschränkung auf den Typ ‚Industriebetriebe’ und andere bereits diskutierte Schwachpunkte. Im Vergleich sticht die Definition von Hommel besonders heraus: Sie enthält alle notwendigen Definitionselemente, zu kritisieren wären lediglich die fehlende Herausstellung der Hauptfunktion der Zonen und die unzureichende Ausdifferenzierung nach privater und staatlicher Trägerschaft.

Anknüpfend an die oben ausgeführte Diskussion und die behandelten Definitionsvorschläge sowie unter Berücksichtigung sonstiger Vorschläge14, kann ein Industrial Estate zusammenfassend und unter Benennung aller notwendigen Elemente wie folgt definiert werden:

Ein Industrial Estate ist ein zusammenhängendes Areal, das als Standort für mehrere Gewerbebetriebe dient und von privater oder staatlicher Hand getragen wird. Die Erschließung und Bebauung des Industrial Estate kann vom jeweiligen Träger vollzogen oder den anzusiedelnden Unternehmen angeboten werden. Industrial Estates staatlicher Trägerschaft werden vorrangig als Instrument der raumwirtschaftlichen Politik errichtet. Als Industrial Estates dürfen auch jene Estates betrachtet werden, die abweichend von den oben genannten Kriterien zeitweilig nur einen Betrieb beheimaten und/oder ohne vorhhergehende Planung entstanden sind.

II.4 Typisierung und spezielle Formen

Nach der Definition eines Industrial Estates im vorangegangen Abschnitt, gilt es in diesem Abschnitt auf die Möglichkeit der Typisierung solcher Zonen und auf einige ihrer häufig anzutreffenden speziellen Formen einzugehen.

Mit der Typisierung ist die Klassifizierung nach Merkmalen gemeint. In den einzelnen Klassen sollen die Untersuchungseinheiten stehen, die hinsichtlich der einzelnen Merkmale Ähnlichkeiten aufweisen. Damit ist gesagt, dass die so zu bildenden Klassen bzw. Typen sehr stark vom Untersuchungszweck bzw. –gegenstand abhängen. In der Literatur sind daher auch sehr unterschiedliche Typisierungen zu finden. Einige ausgewählte seien im Folgenden knapp erwähnt.

Bredo (1962: 2ff) verglich Industrial Estates weltweit hinsichtlich ihrer Ausstattung und kam zur Typisierung in „industrial tract“, „industrial subdivision“ und „fully packaged estate“, wobei die Ausstattung bei dem ersten Typ ‚industrial tract’ am kleinsten ist. Hüttermann

Hüttermann (1978: 46) .

(1976: 281) unterschied hinsichtlich desselben Merkmals zwischen „passiver“ und „aktiver“ Planung. Bei aktiver Planung ist demnach der „Aktivitätsgrad“ bei den Erschließung- und Bebauungsmaßnahmen größer als bei passiver Planung. Ritter (1961: 128-131) untersuchte zwei andere Merkmale, nämlich die Trägerschaft und die Absichten des Trägers. Dabei kam er allgemein zur Klassifizierung in „private“ und „öffentliche“ Träger und hinsichtlich deren Absichten in „profitorientierte“ bzw. „subventionierte“ Gründungen. Die Typisierungen von Bale (1977) und Hommel (1983: 27) bei Untersuchungen britischer Industrial Estates orientieren sich weitgehend an der zuletzt erwähnten Typisierung von Ritter.

Ein genaues Eingehen auf solche Typisierungsversuche ist dem Zweck der vorliegenden Arbeit nicht dienlich. Außerdem ist der Versuch solche Vorschläge graphisch oder anders zusammenzufassen aufgrund des begrenzten Umfangs der vorliegenden Arbeit nicht möglich.

Abschließend wird in diesem Einführungskapitel auf einige spezielle Formen15 von Industrial Estates eingegangen, die oft in der Literatur und der Öffentlichkeit anzutreffen sind. Dabei geht es nicht um die Fassung einer genauen und umfassenden Definition der jeweiligen Form. Wegen Überschaubarkeits- und Platzgründen werden diese speziellen Formen anhand folgender Abbildung zusammengefasst.

Abbildung 4: Einige wichtige spezielle Formen von Industrial Estates

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Manchmal genannt Innovationszentrum oder Technologiefabrik (vgl. Hennicke/Tengler 58 und Henckel 1984: 1) ** Synonym zum englischen Begriff ‘science park’ (vgl. Hennicke/Tengler 1985: 58). Wird auch von Schrumpf (1984: 6) als ‚Entwicklungspark’ übersetzt.

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Mayer (1988: 32f); Hennicke/Tengler (1986: 57-60) sowie Schneider/ Siebke (1987: 5-8)

Bleibt zuletzt noch, den oft verwendeten Begriff ‚ Technologiepark ’ zu klären. Dieser Begriff kann allerdings inhaltlich nicht genau bestimmt werden. So stellen Begeré und Dose (1986:

532) fest, dass „der Prototyp des Technologieparks schlechthin“ gar nicht existiert. Hennicke und Tengler (1985: 58) setzen ihn dem Forschungspark gleich – was als Annährung akzeptabel erscheint. Andere Autoren – z. B. Schrumpf (1984: 6) – verwenden den Begriff

‚Technologiepark’ als Oberbegriff für die oben unterschiedenen Formen. Die vorliegende Arbeit folgt den Vorschlägen von Hennicke/Tengler und Schneider/Siebke und betrachtet einen Technologiepark als einen Forschungspark, der auf die Entwicklung

hochtechnologischer Produkte und Produktionsverfahren ausgerichtet ist.

III Begründung von Errichtung und Ansiedlung in Industrial Estates

III.1 Angebotsseite: Gründe für die Errichtung von Industrial Estates

Die Leitfrage in diesem Abschnitt ist: Warum sollen Industrial Estates errichtet werden? Die Annahme ist, dass Industrial Estates dem Staat als Instrument der Wirtschafspolitik oder sonstiger Politiken zur Verfügung stehen und dass die Entscheidungen privater Träger bei der Errichtung und Betreibung von Industrial Estates durch den Staat vollkommen bestimmt sind

- durch Sanktionen und Anreize.

Ein wichtiger Punkt vorneweg: Die in diesem Abschnitt auszuführenden Gründe von Industrial Estates sind auf SWZ und Enterprise Zones übertragbar. Der Untersuchungsfokus dieser Arbeit liegt jedoch auf den Industrial Estates.

III.1.1 Wirtschaftspolitik: Förderung gesamtwirtschaftlichen, regionalen sowie betrieblichen Wachstums

III.1.1.1 Bereich Entwicklungspolitik
III.1.1.1.1 Allgemeine entwicklungspolitische Gründe

Mit der Entlassung der damaligen Kolonien in die Unabhängigkeit in den 1950er und 60er Jahren erlebte die Entwicklungspolitik einen Aufschwung. Es gab entwicklungspolitische Metatheorien, die jeweils unterschiedliche Ursachen der Unterentwicklung postulierten (dazu vgl. Kap. 2 in Wagner 1997). Von diesen Metatheorien liefern die ökonomischen Theorien die plausibelste Rechtfertigung für die Errichtung von Industrial Estates. Davon sind die strukturalistischen Erklärungsansätze, die bestimmte strukturelle Rigiditäten unterstellten, am meisten umstritten. Gleichzeitig bieten sie sich aber hervorragend für entwicklungstheoretische Begründungen der Errichtung von Industrial Estates an.

Die strukturellen Rigiditäten sind bei den verschiedenen strukturalistischen Ansätzen unterschiedlich aufzufassen. Bei den Dualismus-Modellen wird die Existenz von zwei Gesellschaftsbereichen postuliert. In dem einen, modernen Bereich finden Entwicklung und

Wachstum statt und in dem anderen, traditionellen Bereich spiegeln sich Stagnation und Schrumpfung. Ein solcher Dualismus entsteht demnach durch das Zusammentreffen eines traditionellen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem eines EL mit einem fremden und von außen kommenden System. Die Arbeitskräfte in dem traditionellen Sektor – der Subsistenzsektor – finden keine Beschäftigung im modernen Sektor, da in diesen Modellen von einer geringen Möglichkeit der Faktorsubstitution zwischen den beiden Sektoren sowie einer regionalen und produktionsbedingten Abgeschottetheit des traditionellen Bereiches ausgegangen wird. Die daraus resultierende langfristige Arbeitslosigkeit, die nach dieser Auffassung der strukturellen Abhängigkeit von außen und den internen Rigiditäten zuzurechnen ist, kann nur durch eine Binnenmarktorientierung überwunden werden.

Ähnliche Prämissen haben auch die strukturalistischen Abhängigkeitsansätze, bekannt als die Dependenztheorien. Nach Ansicht der Abhängigkeitstheoretiker ist das System internationaler Beziehungen von einer strukturellen Abhängigkeit der EL – der ‚Peripherie’ – von den hoch entwickelten IL – den ‚Metropolen’ – gekennzeichnet. Diese Abhängigkeit kann sozialer, politischer oder ökonomischer Natur sein. Es findet ein ständiger Transfer von Ressourcen von den EL in die IL statt. Das internationale System basiert demnach auf der Ausbeutung der EL. Es fördert außerdem die Bildung einer nationalen, kollaborierenden Führungsschicht, die westliche Lebensweisen übernimmt und als ‚Brückenkopf’ dient, der die Interessen der IL schützt. Anders als bei den Dualismus-Modellen, gibt es hier keine Trennung zwischen dem traditionellen und dem neu entstandenen modernen Sektor. Um die Dependenztheorien besser verstehen zu können, müssen sie vor dem Hintergrund des Scheiterns der Modernisierungstheorien gesehen werden. Die Modernisierungstheorien bilden die soziologische Variante der Entwicklungstheorien. Sie unterstellen, dass die EL sich zwangläufig in die Richtung der IL entwickeln werden. Diese unilineare Entwicklung – eine Art ‚Evolution’ – kann durch bestimmte Wandlungsprozesse wie Säkularisierung, Verwissenschaftlichung, Demokratisierung oder Differenzierung nach sozialen Funktionen beschleunigt werden. Die auf Modernisierungstheorien basierenden Entwicklungsstrategien wurden in den 50er und 60er Jahren forciert implementiert. Angeknüpft an diese Strategien waren außerdem jene Strategien, die sich auf neoklassische ökonomische Modelle stützen, die von der Kapitalknappheit in den EL als Hindernis für die Industrialisierung und damit von der Notwendigkeit eines Kapitalzuflusses von außen ausgegangen sind. Nachdem diese entwicklungspolitischen Strategien in vielen Ländern gescheitert waren, wuchs die Skepsis gegenüber der Modernisierungstheorie. Die ersten kritischen Stimmen kamen von EL selbst, die durch die Vulnerabilität der Ökonomien der IL (Ölpreiserhöhung der 70er Jahre) an

Bewusstsein gewonnen hatten. Lateinamerikanische Autoren wie Furtado, Cardoso und Dos Santos entwickelten die oben aufgeführten Dependenztheorien, die als Gegenpol zu den westlich geprägten Modernisierungstheorien dienen sollten. Wichtig sind hier die aus den Dependenztheorien abgeleiteten entwicklungspolitischen Strategien. Sie sind in diesem Fall die gleichen wie bei den Dualismustheorien und lauten Autozentrismus bzw. Importsubstitution.16 Und genau hier kommt die Rolle von Industrial Estates als ein potentiell zur Verfügung stehendes Instrument ins Spiel: Da die Strategie der Importsubstitution im Allgemeinen auf die Ersetzung von importierten Gütern durch heimisch erzeugte Produkte zielt, können solche Industrial Estates als geeignete Standorte für die nötigen neuen Industrien dienen.

Eine andere, neue Begründung für die Errichtung von Industrial Estates liefern die strukturalistischen Außenhandelstheorien (vgl. Wagner 1997: 47f). Ihre Grundprämissen sind ähnlich wie bei den anderen vorgestellten Ansätzen, ihre Betonung ist jedoch anders gelagert: Ausgehend von rein mathematisch-ökonomischen Begriffen gehen sie von ‚asymmetrischen’ und ‚irreversiblen’ Austauschbeziehungen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern zuungunsten der EL aus. Daraus resultiert eine ungleiche Verteilung der Außenhandelsgewinne, die dafür sorgt, dass die Einkommens- und Wohlstandslücke zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern sich immer mehr vergrößert. Gründe für diese asymmetrische Verteilung sind folgende empirisch unterstützte Annahmen: a) Die Einkommenselastizität der Nachfrage nach Primärgütern, welche die Hauptexportgüter der EL bilden, ist in den IL niedrig; b) Die Einkommenselastizität der Nachfrage nach Industriegütern, den Hauptexportgütern der IL, ist in den EL hoch. Aus (a) und (b) resultieren Leistungsbilanzdefizite für die EL sowie eine Verschlechterung der Terms of Trade dieser

Länder.17 Die wichtigste, aus diesen strukturalistischen Außenhandelstheorien entwickelte

Strategie ist die der Exportdiversifizierung: Sie zielt auf die Ausweitung des Exportangebotes von traditionellen auf neue Produkte. Durch die breite Eingliederung in dem Welthandel wird versucht, die einseitige Abhängigkeit von einem oder von wenigen Exportprodukten zu vermeiden. Hier kommt die Rolle der Industrial Estates als potenzielles Instrument zum Tragen. Industrial Estates können durch den Staat initiiert und durch wirtschaftspolitische Maßnahmen wie Exportprämien, Subventionen, Steuernachlässe, Exportgarantien usw. auf den Export bestimmter Produkte ausgerichtet werden.

III.1.1.1.2 Wachstumsorientierte Entwicklungstheorien

III.1.1.1.2.a) Das Konzept des ungleichgewichtigen Wachstums

Bei der Erklärung dieses Konzepts ist es sinnvoll, mit dem Gegenkonzept anzufangen. Dies ist das Konzept des gleichgewichtigen Wachstums. Demnach kann Unterentwicklung nur durch „aufeinander abgestimmte, komplementäre Investitionsvorhaben auf breiter Front“ überwunden werden (Wagner 1997: 45). Die Wirtschaft wird also durch einen ‚big push’ belebt, ohne dass es zu Ungleichgewichten kommt – es bildet sich lediglich ein neues Gleichgewicht. Die Errichtung von sektoralen oder regionalen Investitionsschwerpunkten – wie es bei Industrial Estates der Fall ist – ist nach diesem Konzept kontraproduktiv, da sie – nach diesem Konzept – zu unerwünschten Ungleichgewichten und Verzerrungen führen. Dieses Konzept des gleichgewichtigen Wachstums wurde oft genug wegen seiner idealisierenden Annahmen kritisiert.

Das Konzept des ungleichgewichtigen Wachstums – vertreten insbesondere von Albert O. Hirshmann – besagt dagegen, dass gerade Ungleichgewichte ein Wirtschaftswachstum auslösen können. Engpässe und Überkapazitäten in einzelnen Sektoren stellen für die Unternehmer Anreize zu verstärkter Investitionstätigkeit dar.18 Anders als bei dem Konzept des gleichgewichtigen Wachstums, ist für Hirschmann die unzureichende Kapitalnachfrage, nicht das Angebot, das Problem. Die aus diesem Konzept abgeleiteten entwicklungspolitischen Strategien gehen davon aus, dass man die ‚Schlüsselsektoren’ bzw. die ‚motorischen Einheiten’ des Wachstums – auch Wachstumspole genannt19 – identifizieren und Investitionsvorhaben dort konzentrieren muss. Diese Sektoren sind diejenigen mit den intensivsten Kopplungen zu vor- und nachgelagerten Produktionsstufen. Aus der

Intensivierung der Investitionen in solchen Sektoren – z. B. durch die Errichtung von

Industrial Estates – verspricht man sich so genannte ‚trickling down effects’ auf andere Sektoren. Dieser Ansatz wurde v. a. wegen der Schwierigkeit der Identifizierung der postulierten ‚Schlüsselsektoren’ kritisiert. Für diesen Zweck können Input-Output-Tabellen verwendet werden, allerdings sind sie in vielen EL nicht und wenn doch, dann nur mit großer zeitlicher Verzögerung verfügbar.

III.1.1.1.2.b) Das Konzept des endogenen Wachstumspotentials20

Das Konzept des endogenen Wachstumspotentials legt besonderen Wert auf die spezifischen, wachstumsrelevanten Potentiale einer Region. Diese Wachstumspotentiale sind z. B. die Ausstattung der Region mit natürlichen Ressourcen, die geographische Lage der Region, ihr Humankapital sowie ihre Kultur. Aus diesem Konzept lässt sich die Empfehlung ableiten, die jeweiligen Wachstumspotentiale der einzelnen Regionen durch gezielte Maßnahmen zu stimulieren. Industrial Estates spielen dabei insofern eine Rolle, als diese die spezifischen Potentiale der jeweiligen Region ausbauen und anregen können – z. B. durch die erhofften positiven Humankapitaleffekte aus Industrial Estates sowie durch die Förderung von Innovationen bei regionalen Unternehmen. Industrial Estates können auch im diesem Rahmen dafür dienen, dass vorhandene Engpässe überwunden werden, die die Entfaltung von regionsspezifischen Fähigkeiten und Begabungen behindern.

Nach diesem Konzept kann außerdem noch eine andere Vorgehensweise gewählt werden: Statt das spezifische Wachstumspotential jeder einzelnen Regionen zu fördern, kann man nur solche Regionen fördern, die ein relativ großes Wachstumspotential aufweisen. Ähnlich wie bei den Wachstumspoltheorien erhofft man sich dadurch Sickereffekte für die restlichen Regionen.

III.1.1.1.2.c) Das Exportbasiskonzept

Ausgangspunkt bei diesem Konzept ist die Annahme, dass Aktivitäten im Exportsektor – der sogenannte ‚Basissektor’ – für das Wirtschaftswachstum höher zu bewerten sind als solche, die nur die heimische Nachfrage bedienen. Aus den Exporterlösen fließen den Beschäftigten im Exportsektor Einkommen zu, die dann – vermindert um die Importe – für Käufe von lokal oder regional erstellten Produkten ausgegeben werden können. In den anderen Regionen entstehen Einkommen, die nach Maßgabe der marginalen Konsumquote ausgegeben werden, wodurch wiederum Einkommen entstehen. Es wird dadurch ein Multiplikatorprozess in Gang gesetzt. Aus diesen Überlegungen wird die Notwendigkeit abgeleitet, den Exportsektor zu fördern. Diese Förderung muss zielbeorientiert an die komparativen Vorteile des jeweiligen Sektors anknüpfen. Somit wird die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie am Weltmarkt aufrechterhalten. Die Bildung von Industrial Estates im Exportsektor ist ein mögliches Instrument der Förderung (mehr dazu vgl. Laabdallaoui 1999: 22f und Busch 1992: 12f).

III.1.1.2 Bereich Regionalpolitik

Während die Ausrichtung bei der entwicklungspolitischen Begründung von Industrial Estates offensiv war, ist die regionalpolitische Begründung eher defensiv. Industrial Estates sind in der Regionalpolitik im Zusammenhang mit den sogenannten ‚Problemregionen’ zu denken. In der Literatur über die Erfahrungen mit Industrial Estates im englischsprachigen Raum wurde ihre potentiell positive Rolle in diesen Problemregionen beleuchtet.21 Daher steht erst einmal die Frage nach den Ursachen solcher regionalwirtschaftlicher Probleme im Vordergrund. Danach soll die Bedeutung von Industrial Estates in diesem Zusammenhang geklärt werden.

III.1.1.2.1 Gründe für den Niedergang von Wirtschaftsregionen

Aus volkswirtschaftlicher Sicht lassen sich vier verschiedene Erklärungsansätze für den Niedergang von Wirtschaftsregionen nennen (in Anlehnung an Zehner 1999: 28f).

Die Strukturtheorie des wirtschaftlichen Niedergangs begründet die Krise einer Region mit der einseitigen Branchenstruktur dieser Region sowie der mangelnden Anpassungsfähigkeit an die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In solchen Regionen findet weder technischer oder sektoraler Strukturwandel statt noch technologischer Fortschritt. Es existieren in diesen altindustrialisierten Räumen vielmehr traditionell-sektorale Industrien wie Textil-, Eisen- und Stahlindustrie oder Bergbau. Aufgrund der mangelnden Mobilität der Arbeitskräfte in diesen Industrien sowie ihrer einfachen und fachspezifischen Ausbildung werden sie vom Dienstleistungssektor und den ‚neuen’ Industrien kaum aufgenommen. Diese strukturbedingte Arbeitslosigkeit sowie das Ausscheiden von unrentabel gewordenen Betrieben in den ‚alten’ Industrien machen diese Regionen krisenanfällig.

[...]


1 Im englischen Sprachgebrauch sind außerdem die Begriffsvarianten ‚industrial area’ und ‚industrial center’ vorhanden. Sie sind allerdings weniger verbreitet als der Begriff ‚industrial estate’ und beschreiben meistens denselben Inhalt wie bei dem Letzteren.

2 Lediglich die Übersetzung ‘Mietfabrikunternehmung’ von Egner scheint ausgestorben zu sein (Hommel 1983: 24).

3 Das Wort ‘park’ ist in einem anderen Sinne semantisch: Während das Wort ‚estate’ ‚Land’ oder ‚Gut’ bedeutet und damit rein neutral zu sehen ist, weckt das Wort ‚park’ positive Assoziationen und eignet sich daher gut für eine Verwendung in der werbenden Sprache der Träger oder in der Normalsprache (so auch die Meinung von Hommel 1983: 25).

4 Vor allem wegen der Veröffentlichung der UNO und der Benutzung dieses Begriffs durch den Amerikaner Bredo in seinem Standerwerk zu diesem Thema (vgl. Bredo 1962).

5 Die Erfindung eines solchen Synonyms durch die vorliegende Arbeit erachte ich als weder notwendig noch sinnvoll, da dadurch bloß die erwähnte sprachliche Verwirrung verschärft wird.

6 Der englische Ausdruck dafür ist ‘free trade zones’. Die deutsche Übersetzung ‚Freihandelszone’ ist

missverständlich, da diese Bezeichnung als ein Fachausdruck in der Integrationstheorie reserviert ist, der die

7 Andere bekannte, aber für unseren Zweck weniger wichtige Definitionsversuche sind z. B. die von Hottes (1977: 199) oder von Bale (1974: 33).

8 Weitgehend identische Definitionen sind die von der Dartmouth College Conference on Industrial Parks (1958) der ‚planned industrial districts’ (vgl. Baldwin 1958: 27 sowie Ritter 1961: 127) und vom Sadler-Forster (vgl. Sadler-Forster 1965: 24).

9 Eine industrielle Standortgemeinschaft definiert sich als “eine Standortgruppe mit einer sachlichen und manchmal auch organisatorischen Verflechtung“, wobei „verschiedene Industrien oder unterschiedliche Betriebe der gleichen Branche in nur lockerer oder minderer Verflechtung zusammengefasst“ sind (so Hottes 1967: 234).

10 Mehr dazu vgl. Kapitel 4.1 der vorliegenden Arbeit für einen Überblick dieser empirischen Untersuchungen.

11 Hüttermann korrigierte seine Definition in späteren Fassungen. In Hüttermann (1978: 46) heißt es nunmehr: „von Industrie- und evtl. Dienstleistungs- und Handelsbetrieben.“

12 Raumwirtschaftspolitik definiert sich als „die bewusste Gestaltung ökonomischer Raumsysteme unterschiedlicher Maßstabsgröße durch den Staat bzw. durch öffentliche Institutionen“ (Schätzl 1997: 4408). Sie ist neben Raumwirtschaftstheorie und empirischen Raumwirtschaftsforschung ein Teilgebäude der Wirtschaftsgeografie (vgl. Schätzl 1997, insbesondere 4408ff).

13 Natürlich sind staatliche Industrial Estates Instrumente der Raumplanung sowie anderer Politiken. Definitorisch geht es allerdings um die Benennung des vornehmlichen Instruments bzw. des Instrumentes ersten Ranges.

14 Hottes (1977: 199), Bale (1974: 33), Sadler-Forster (1965: 24), Baldwin (1958: 27), Ritter (1961: 127) sowie

15 Die Verwendung des Ausdrucks ‘spezielle Formen’ geschieht in Anlehnung an Hennicke/ Tengler (1986: 57ff). Diese bilden spezielle Formen und keine Typen von Industrial Estates, da sie meistens typenübergreifend sind.

16 Importsubstitution ist eine alte Strategie, die das erste Mal von dem deutschen Wissenschaftler Friedrich List Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Buch ‚Das nationale System der politischen Ökonomie’ im Jahr 1841 bekannt geworden ist. Er propagierte für die zeitweilige Abkopplung vom Weltmarkt durch Importzölle – genannt auch „Erziehungzölle“, da diese Zölle die neu entstandene Industrie im Inland schützen – und die gleichzeitige Integration nach innen durch die Abschaffung von Handelshemmnissen im Land selbst. In der Abkopplungsphase sollen im Inland Industrien aufgebaut werden, die die Importe substituieren. Diese Strategie ging für Deutschland bekanntlich auf.

17 Diese These der “säkularen Verschlechterung der Terms of Trade” ist als „Prebisch-Singer-These“ bekannt.

Prebisch (1950) und Singer (1950) stellten diese These unabhängig voneinander auf. Sie postulierte, dass der Handelsaustausch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ungleich verlaufe, mit dem Ergebnis, dass vor allem die EL davon profitieren. Ausschlaggebend dafür sind die ‚Terms of Trade’ – die Austauschbeziehungen, die sich über längere Zeiträume hinweg zu Ungunsten der EL entwickelt hätten.

18 So plädiert Hirschmann in seinem Standardwerk: „Es muss unser Ziel sein, die Ungleichgewichte, deren Symptome in einer Wettbewerbswirtschaft Gewinne und Verluste sind, existent zu erhalten. [...] Wenn das Fortschreiten einer Volkswirtschaft erhalten werden soll, ist es die Aufgabe der Entwicklungspolitik, Spannungen, Verzerrungen und Ungleichgewichte aufrechtzuerhalten“ (Hirschmann 1967: 62).

19 vgl. Brandis (1985: 26-55) für einen Überblick der Theorie der Wachstumspole unter der Betonung der raumwirtschaftstheoretischen Variante dieser Theorie.

20 Dieses Konzept wie auch das Exportbasiskonzept sind ursprünglich regionale Wachstums- und Entwicklungskonzepte. Eine genaue Einordnung sollte diese Konzepte zu den regionalen Wachstums- und Entwicklungstheorien der Raumwirtschaftstheorien im Wissenschaftsgebiet der Wirtschaftsgeographie zählen (vgl. Schätzl 1997). Trotzdem sind diese Konzepte wachstumsorientierte Entwicklungskonzepte, auch wenn nur für regionale und nicht gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

21 Vor diesem Hintergrund sind beispielsweise die Untersuchungen von Hommel (1983) über ‚Problemgebiete’ in Schottland, die Untersuchungen von Niesing (1970) über solche Regionen in GB sowie die von Ritter (1961) über die US-amerikanischen Erfahrungen zu sehen.

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Industrie- und Gewerbeparks (Industrial Estates) als Instrument zur Förderung regionalwirtschaftlichen sowie einzelbetrieblichen Wachstums
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
110
Katalognummer
V112812
ISBN (eBook)
9783640131976
ISBN (Buch)
9783640134540
Dateigröße
876 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Industrie-, Gewerbeparks, Estates), Instrument, Förderung, Wachstums
Arbeit zitieren
Dipl. Vw., M.A. pol. Mohammad Al-Saidi (Autor:in), 2005, Industrie- und Gewerbeparks (Industrial Estates) als Instrument zur Förderung regionalwirtschaftlichen sowie einzelbetrieblichen Wachstums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112812

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