Der (Rezeptions-)Weg Walthers vom Mittelalter in die Gegenwart

Walther von der Vogelweide - ein Nationaldichter?


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung
1.1 Der Sangspruchdichter Walther von der Vogelweide: Kurzbiographie
1.2 Hinführung zum Thema
1.3 Vorgehen bei der Untersuchung

2. Die Veränderungen des Werkes Walthers im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte
2.1 Walther im Mittelalter
2.1.1 Walther am Anfang seiner Rezeptionsgeschichte
2.1.2 Erste Veränderungen am Werk Walthers: Die Meistersinger
2.2 Walther im Zeitalter der Aufklärung
2.2.1 Der Beginn einer Neurezeption: Goldast und Opitz
2.2.2 Erste Übersetzungsversuche: von Hofmannswaldau
2.2.3 Erste Pionierarbeiten: Bodmer und Breitinger, Herder und Tieck
2.3 Walther im Zeitalter des Nationalismus
2.3.1 Akademische Arbeiten: Uhland, Lachmann und Simrock
2.3.2 Walther um die Jahrhundertwende: Deutschlandlied und Kulturkampf
2.4 Walther im Zeitalter des Nationalsozialismus
2.4.1 Kunstgriffe im Walther-Bild: Naumann und Bergmann
2.4.2 Walther im Zweiten Weltkrieg: Harders
2.5 Walther in der Gegenwart
2.5.1 Das neue Waltherbild
2.5.2 Walther als armer Sänger: Hahn

3. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

1.1 Der Sangspruchdichter Walther von der Vogelweide: Kurzbiographie

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem der bedeutendsten Sänger und Dichter des Mittelalters, Walther von der Vogelweide. Man weiß nur sehr wenig über sein Leben, Lebenszeugnisse existieren kaum. Klar ist: Walther verbrachte sein Leben als „fahrender Berufssänger“ (Verfasserlexikon, 670). Seine Lebensdaten werden auf die Zeit zwischen 1170 und 1230 rekonstruiert. Weiter lässt sich mit einiger Sicherheit annehmen, dass er aus dem ministerialen Stand stammt; eine niedere Ritterherkunft ohne Rechtsansprüche ist ebenfalls nicht auszuschließen. Auch unklar ist seine Herkunft. Während sich die Südtiroler sicher sind, dass Walther einer der ihren war, erheben gleichzeitig Franken, Böhmen, Thurgauer und selbst Schweizer „Anspruch“ auf Walther.

Sein öffentliches Wirken begann der Sänger nach Ansicht der meisten Walther-Forscher am österreichischen Hof, an dem er bei dem Minnesänger Reinmar seine Fähigkeiten erwarb; bekannt wurden beide später vor allem durch ihre gegenseitigen Schlagabtausche. 1198 beginnt Walthers Wanderzeit: Stationen waren die Höfe von Stauferkaiser Philipp und Welfenkaiser Otto IV, des Weiteren die Höfe niederer Adeliger. Als beständigster Gönner Walthers ist Bischof Wolfger von Passau zu nennen. Eine dauernde Rückkehr an den Hof von Österreich gelingt ihm nicht mehr. Zu erwähnen bleibt, dass er 1220 von Kaiser Friedrich II ein Lehen erhielt. Um was es sich dabei handelte, ist nicht bekannt.

Walther beschäftigt sich in seinem Werk sowohl mit dem Minnesang als auch mit der Sangspruchdichtung. Ersterer ist vor allem in der bereits oben angedeuteten Fehde zwischen seinem Lehrer Reinmar und ihm entstanden. Bei seiner Sangspruchdichtung knüpft Walther an die Tradition Spervogels an; bemerkenswert ist die tagespolitische Aktualität der Sprüche. Durch die Vermischung beider Formen, Minnesang und Sangspruchdichtung, entwickelt Walther einen ganz eigenen Stil, der ihn sehr publikumswirksam vortragen lässt.

1.2 Hinführung zum Thema

Wie oben in der Kurzbiographie zu sehen, ist nur wenig über die Person und das Leben Walthers bekannt. Die Wissenschaft ist viel auf Vermutungen und zweifelhafte Überlieferungen angewiesen. Trotzdem ist Walther wohl einer der bekanntesten Schriftsteller Deutschlands: Jeder Schüler dürfte seinen Namen schon einmal gehört haben. Bemerkenswert ist dabei die Kontinuität, mit der Walther über viele Jahre, vielleicht sogar Generationen hinweg seinen Weg immer wieder in die Schulbücher findet: Er ist keine „Modeerscheinung“. Von angesehenen Wissenschaftlern wird er gar als „Sänger des Reiches“ tituliert (vgl. Richter). Dabei kommt die Frage auf, warum wir nur so wenig über ihn wissen, wenn er wirklich so populär ist. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Hausarbeit mit dem Weg der Waltherrezeption, angefangen zu seinen Lebzeiten bis hin in die heutige Zeit.

1.3 Vorgehen bei der Untersuchung

Die Walther-Rezeption ist in dieser Arbeit in fünf Phasen unterteilt, die größtenteils ideologisch gekennzeichnet sind: Angefangen im Mittelalter, arbeitet sie sich über Aufklärung, Nationalismus und Nationalsozialismus in die Gegenwart vor. Dabei kann die Arbeit nicht dem Anspruch gerecht werden, jede Epoche bis ins letzte Detail darzustellen. Vielmehr soll sie einen allgemeinen Überblick liefern. Dies geschieht, indem Walther-Rezeptionen wichtiger Vertreter der jeweiligen Zeit kurz dargestellt werden; sie sollen die Haupttendenzen in der Forschung deutlich machen und Probleme der jeweiligen Zeitrezeption andeuten.

Besonders problematisch ist diese Kürze natürlich in der Betrachtung der Walther-Forschung in der Gegenwart, die nach dem Zweiten Weltkrieg ansetzt. Problematisch zum einen auf Grund der exponentiell anwachsenden Walther-Publikationen im Medienzeitalter, problematisch aber auch auf Grund der politischen Situation im Nachkriegsdeutschland mit der Teilung in BRD und DDR. Trotzdem wurde die Untersuchung hier auf ein Werk beschränkt. Auch so wird deutlich werden, in wie weit eine „Richtungsänderung“ in der Walther-Rezeption erfolgt.

2. Die Veränderungen des Werkes Walthers im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte

2.1 Walther im Mittelalter

Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der Walther-Rezeption zu dessen Lebzeiten, aber auch in den sich anschließenden Jahrhunderten. Sie erfolgt in diesen Zeiten noch sehr spärlich und beruht meist auf wenige Verse; eine inhaltliche Auseinandersetzung fehlt größtenteils. So kann dieser Abschnitt nur wenig über die Anfänge der Walther-Rezeption liefern – eine Rezeption, die dann am Ende des Mittelalters fast ganz zum Erliegen gekommen ist.

2.1.1 Walther am Anfang seiner Rezeptionsgeschichte

Es gibt nur wenige Quellen, die zuverlässig Auskunft über die Rezeption des Werkes Walthers zu seiner Entstehungszeit und in den folgenden Jahrhunderten des ausklingenden Mittelalters geben. Hauptgrund hierfür sind fehlende Niederschriften, die damals wegen der hohen Anschaffungskosten nur dem höchsten Adel zugänglich waren und somit sehr selten sind. Einen Handel mit Handschriften gibt es zu Lebzeiten Walthers noch nicht. Somit erfolgt die Rezeption einer Dichtung dieser Zeit nur in sehr begrenztem Kreis. Umso bemerkenswerter ist die Bekanntheit von Walther: Wenn sich 1215 Thomasin von Zerclaere in seinem außergewöhnlich weit verbreiteten Lehrgedicht „Der welsche Gast“ über den Dichter beklagt, braucht er ihn nicht zu zitieren; sein Publikum kennt Walther und speziell die gerügten Verse.

Erlangt hat Walther diesen Ruhm wohl vor allem in seinem „Minne-Wettstreit“ gegen Reinmar von Hagenau am Hofe von Leopold V. Wenn er diesen zu Lebzeiten des Minnesängers auch nicht für sich entscheiden konnte, so wird er doch nach dessen Tod von Gottfried von Straßburg in dessen „Tristan“ (4589ff.) zum legitimen „Nachfolger“ ernannt, sogar „als leitevrouwe der nahtegalen“ (Hahn, 9) bezeichnet. Einen nicht geringen Anteil an der Bekanntheit Walthers dürfte auch Wolfram von Eschenbach haben, der ihn in seinem Hauptwerk „Parzival“ anführt.

Bereits 1255 wird Walthers „Preislied“ (L56,14) auszugsweise in dem Versroman „Frauendienst“ eines Ulrich von Liechtenstein zitiert – jenes Lied Walthers, welches im Laufe der Walther-Rezeption immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Auch in dieser Überlieferung wird Walther nicht explizit genannt; von Liechtenstein setzt das Wissen um die Herkunft des Zitates als allgemein bekannt voraus. Nachdem Walther dann auch noch in dem um 1260/1270 entstandenen „Wartburgkrieg“ eine nicht unwichtige Rolle im Sängerwettkampf einnimmt, ist die Beurteilung des Bamberger Schulrektors Hugo von Trimberg in dessen Lehrgedicht „Der Renner“ um 1300 nicht weiter verwunderlich: „swer des vergaeze, der tête mir leide“ (Brunner/Hahn/Müller/Spechtler, 231).

2.1.2 Erste Veränderungen am Werk Walthers: Die Meistersinger

In der Folge zahlt sich für Walther seine Vielseitigkeit aus: Während der Minnesang nach und nach an Bedeutung verliert, rücken die Spruchdichter immer mehr in den Vordergrund. Das Werk Walthers beeindruckt die Meistersinger, die ihn bald zu ihren zwölf alten Meistern zählen. Sie übernehmen vor allem die Töne der alten Sänger, dichten jedoch eigene Strophen dazu. Dabei ist ihnen eine identische Überlieferung der Strophenschemata fremd - um die neuen Strophen mit den alten Tönen vortragen zu können, „scheute [man] sich nicht, sie für diesen Zweck entsprechend herzurichten“ (Brunner, 5).

Das langsame Aufkeimen eines städtischen Bürgertums Ende des 14. Jahrhunderts bringt dann einen Wandel im Interesse der Rezipienten mit sich: nachdem erst der Minnesang an Bedeutung verloren hat, werden nun die überlieferten tagespolitischen Sprüche immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Interessiert ist man nun vor allem an dem lehrhaft-moralischen Meistersang. Mit dem Ende des Mittelalters ist die Überlieferung älterer Lyrik fast ganz zum Erliegen gekommen, und nur die Töne schaffen den Sprung mit in die Neuzeit, über die Reformation Luthers hinaus. Schließlich ist es der Legendenbildung durch die Meistersinger, die ebenfalls kurz vor ihrem Untergang stehen, zu verdanken, dass Namen wie der Walthers nicht ganz vergessen werden. Belegtes Wissen über sein Werk existiert jedoch nicht – in Cyriacus Spangenbergs Traktat „Von der Musica und den Meistersängern“ von 1598 ist Walther gerade noch mit einem Satz erwähnt - „[...] sonsten habe ich nichts mehr in Schrifften von Ihme funden.“ (Brunner/Hahn/Müller/Spechtler, 232)

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der (Rezeptions-)Weg Walthers vom Mittelalter in die Gegenwart
Untertitel
Walther von der Vogelweide - ein Nationaldichter?
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Einführung in die deutsche Literatur des Mittelalters
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V112678
ISBN (eBook)
9783640115105
ISBN (Buch)
9783640116157
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus der Beurteilung des Dozenten Dr. phil. Jürgen Jaehrling: Eine "sehr schöne Übersicht nach den Quellen" und eine "sehr gewissenhafte und saubere Darstellung, was in der Qualität selten ist"
Schlagworte
Walthers, Mittelalter, Gegenwart, Einführung, Literatur, Mittelalters
Arbeit zitieren
Christoph Baldes (Autor:in), 2002, Der (Rezeptions-)Weg Walthers vom Mittelalter in die Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112678

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