Six Sigma - ein Konzept zur Unternehmenssteuerung

Grundsätzliche Konzeption und Einsatzmöglichkeiten in der Finanzbranche


Diplomarbeit, 2005

66 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung und Problemstellung
1.1 Ausgangssituation im Bankensektor
1.2 Einordnung von Six Sigma in den Zusammenhang
1.3 Inhalt und Aufbau der Arbeit

2 Grundzüge des Konzeptes Six Sigma
2.1 Herkunft und Philosophie von Six Sigma
2.1.1 Historische Entwicklung des Konzeptes
2.1.2 Six Sigma im Dienstleistungssektor
2.2 Definition
2.2.1 Technische Definition
2.2.2 Definition Six Sigma als integratives Managementinstrumentarium
2.3 Infrastruktur von Six Sigma
2.3.1 Ansatzpunkte von Six Sigma
2.3.2 Six Sigma Prinzipien und Werkzeuge
2.3.3 Die Six Sigma Organisation
2.3.3.1 Champions und Sponsoren
2.3.3.2 Master Black Belts
2.3.3.3 Black Belts
2.3.3.4 Green Belts
2.3.3.5 White und Yellow Belts

3 Durchführung und Implementierung von Six Sigma
3.1 Die Erfolgsfaktoren
3.2 Die Durchbruchstrategie
3.3 Der DMAIC Zyklus
3.3.1 Die Definephase
3.3.2 Die Measurephase
3.3.3 Die Analysephase
3.3.4 Die Improvephase
3.3.5 Die Controlphase
3.4 Design for Six Sigma (DFSS)
3.4.1 Der DMADV-Zyklus
3.4.2 Unterschied zwischen Prozess- und Designverbesserungen
3.5 Auswahl der passenden Six Sigma Projekte

4 Six Sigma im Finanzdienstleistungssektor
4.1 Six Sigma bei der Citibank
4.2 Six Sigma im europäischen Bankenmarkt
4.2.1 Gründe für die Nichtanwendung in europäischen und deutschen Banken
4.2.2 Einführungshindernisse für Six Sigma im europäischen und deutschen Bankenmarkt
4.2.2.1 Unterschiede zwischen den USA und Deutschland:
4.2.2.2 Prozessorientierung:
4.2.2.3 Top-down-Ansatz:
4.2.2.4 Betriebliche Mitbestimmung:
4.2.3 Zusätzliche Schwächen von Six Sigma
4.2.3.1 Veränderungsnotwendigkeit der Unternehmenskultur:
4.2.3.2 DMAIC-Zyklus:
4.2.3.3 Probleme im Bereich der Statistik
4.2.3.4 Umfangreiches und kostenintensives Training:

5 Schlussfolgerung und Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1 Kundenlebenszyklus; Baumann, S. (2002), S.26

Abb. 2 Qualität und Kosten; in Anlehnung an Bergbauer, A. K. (2002) S.32

Abb. 3 Eisbergeffekt von Fehlerkosten, Töpfer, A. (2004), S. 13

Abb. 4 Prinzipien und Werkzeuge von 6σ; eigene Darstellung in Anlehnung an Pande, R.S., Neumann, R.P., Cavanagh, R.R. (2001), S. 31 und Göppel, R. (2003), S.72

Abb. 5 Typische Rollen im Rahmen der Six Sigma Organisation; eigene Darstellung in Anlehnung an Töpfer, A. (2003), S. 201

Abb. 6 DMAIC-Zyklus, eigene Darstellung, in Anlehnung an Lieber, K., Moormann, J. (2004), S.29ff.

Abb. 7 Prozessverbesserung oder Designverbesserung; eigene Darstellung

Tabelle 1: Sigma Niveaus, Möller, K., Noller, H. (2002), S. 366

Tabelle 2: DFSS-Hebelwirkung beim Produktdesign, Vgl. Harry, M .J., Schroeder, R. (2001), S. 179

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung und Problemstellung

1.1 Ausgangssituation im Bankensektor

Schon im Jahre 1990 behauptete Ulrich Cartellieri[1], dass den Banken das gleiche Schicksal drohe wie der Stahlindustrie. Und tatsächlich unterliegt seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre die Bankenbranche einem gewaltigen Umbruch.[2] Der technische Fortschritt per Internet z.B. ermöglicht eine schnelle Verfügbarkeit von Informationen, eine damit einhergehende Transparenz der Märkte und letzten Endes einen effizienten Preisvergleich. So führt die unaufhaltsame Kommerzialisierung zu einem in den letzten Jahren immer intensiver gewordenen Wettbewerb. Speziell im Massengeschäft der Banken erhöht sich dadurch der Kostendruck für die Anbieter enorm. Zwar seien Kosten- und Ertragskrisen in den Banken und Sparkassen weitgehend überwunden, dennoch gilt Deutschlands Bankenmarkt als „overbanked“ und „overbranched“.[3] Nahezu die Hälfte des deutschen Bankenmarktes ist in öffentlicher Hand, viele Institute sind lediglich regionale Anbieter mit niedrigen Bilanzsummen und im Verhältnis dazu vielen Mitarbeitern und Stabsabteilungen verbunden mit hohen Personal- und Sachaufwendungen. Hier schlummern Rationalisierungspotenziale. Der Markt ist zu wenig konzentriert, z.B. erzielen die fünf größten deutschen Banken im Retailgeschäft lediglich einen kumulierten Marktanteil von 20%.[4] Die Folge davon sind Banken und Sparkassen mit schlechten Cost-Income-Ratios.[5] Die Wertschöpfung in der Finanzbranche ist mit rund 80% verglichen mit anderen Branchen noch sehr tief.[6] Auch im Vergleich zu den großen Wettbewerbern in anderen europäischen Ländern, bei denen die Quote zwischen 45% und 65% liegt, haben einige deutschen Banken in den letzten Jahren noch nicht einmal ihre Kosten gedeckt.[7]

Ein weiterer Grund für den zunehmenden Wettbewerbsdruck ist das kontinuierliche Drängen von Non- und Nearbanks auf den Markt. Durch Direkt- oder Autobanken, Versicherungen oder Kreditkartenunternehmen und sogar Kaufhäusern wird schon längst nicht mehr nur von Bank- sondern Finanzdienstleistungsmärkten gesprochen.[8] Kunden sind in der Lage Preise und Konditionen genau zu vergleichen, sind immer weniger loyal und bemängeln die Kundenorientierung und Servicebereitschaft deutscher Banken und Sparkassen.[9] So hat sich der Bankenmarkt vom klassischen Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt.[10] Der sich neu entwickelte Wettbewerb lässt die etablierten Finanzinstitute nicht unbeeinflusst. Mehr als 80% der in einer KPMG[11] -Studie befragten Banken sagen einen weiteren Rückgang der Bankenloyalität voraus.[12] Die Aussage von Bill Gates, die Welt benötige Bankdienstleistungen, Bankinstitute jedoch nicht, hat sich zu einer gängigen Weisheit entwickelt.[13] Im Mittelpunkt der Besorgnis deutscher Banken steht besonders die sich verringernde Kundenprofitabilität. Gründe hierfür sind neben produktspezifischen Kundenabwanderungen über das gesamte Produktspektrum hinweg schrumpfende Margen.[14] Besonders Kunden mit hoher Internet-Affinität wählen verschiedene Anbieter für ihre unterschiedlichen Finanzbedürfnisse. Meist sind das sogar hoch profitable Privatkunden, dies führt bei Banken zwangsläufig zum Abfluss von Teilerträgen und ist für die traditionellen Banken besonders alarmierend. Wesentlich zur Profitabilität der Privatkundensparte trägt nämlich genau das Anlagegeschäft mit diesen vermögenden Privatkunden bei. Bei der HypoVereinsbank z.B. würden 57% ihrer Profitabilität verloren gehen, wenn nur 18% der Kunden nicht mehr hausinterne Investmentprodukte nutzen würden.[15] Für Banken und Sparkassen stellt sich deshalb augenblicklich die Frage, mit welchem Managementkonzept sie diese Probleme, vor allem aber auch ihre Kosten- und Ertragsprobleme, am besten in den Griff bekommen.

1.2 Einordnung von Six Sigma in den Zusammenhang

„Die wichtigste Größe einer Bank ist und bleibt der Kunde“ so lautet ein Slogan der Dresdner Bank. Im Kern verfolgen fast alle Unternehmen dasselbe Ziel: mit der Zufriedenheit und somit der Bindung der Kunden sollen dauerhaft hohe Erträge erzielt werden. Am Finanzmarkt profitiert heute, wer die Kosten in den Griff bekommt und die Stärkung der Eigenkapitaldecke durch ertragsorientiertes Wirtschaften erreicht. Kunden an das Unternehmen zu binden, wird im Bankgeschäft demnach eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Tatsache, dass neue Kunden zu gewinnen, fünf mal teurer ist als einen Kunden zu halten, bringt diese Notwendigkeit deutlich zum Ausdruck.[16] Der Kundenlebenszyklus in Abbildung 1 zeigt zudem, dass Kunden erst im Zeitablauf rentabel werden. Doch wird Qualitätsmanagement in Geldinstituten oft als trockene Disziplin gesehen. „Abseits der Geschäftsprozesse von irgendwelchen Weltverbesserern entwickelt und nicht in die Praxis umsetzbar“ lautet häufig der Vorwurf der Betroffenen im Kundenkontakt oder im Back Office.[17] So wundert es auch nicht, dass verschiedene Qualitätsmanagementsysteme in Deutschland nicht Fuß fassen konnten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Kundenlebenszyklus, Baumann, S., [2002], S. 26

Ein in diesem Zusammenhang heftig diskutiertes Thema ist Six Sigma. Dieses Konzept soll den Qualitätsgedanken wieder in den Vordergrund rücken, indem es über die Steigerung der Kundenzufriedenheit die Rentabilität des Unternehmens zu erhöhen versucht. Denn kein Unternehmen ist in der Lage Wertzuwächse ohne Kunden zu generieren. Somit steht die Zufriedenheit und Loyalität der Kunden im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ertragslage eines Unternehmens. Dementsprechend stellt die Generierung neuer Lösungen, vorhandene Kundenbedürfnisse besser, billiger und schneller als die Konkurrenz zu erfüllen, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Die Bedeutung von Prozessverbesserung ist wohl allgemein bekannt und steht schon lange im Fokus unternehmerischen Handelns, dennoch mangelt es bisher an Methoden, die eine Optimierung der Prozesseffektivität bzw. der –effizienz in den vom Kunden subjektiv wahrgenommenen Problembereichen ermöglichen, was zum Erreichen einer starken und nachhaltigen Wettbewerbsposition erforderlich ist.[18] Bislang stand die Optimierung von Prozessen hinsichtlich Zeit, Kosten und Qualität als die drei strategisch wichtigsten Größen zur Leistungssteigerung im Vordergrund. Die Zielsetzung bei Six Sigma ist in erster Linie jedoch die Steigerung der Kundenzufriedenheit und darüber die Steigerung der Rentabilität.[19] Im Fokus von 6σ Projekten stehen insbesondere der Kunde, die Prozesse und die Qualität.[20] Es stellt sich die Frage, ob es Six Sigma gelingen kann die Lösung für die Probleme zu sein.

1.3 Inhalt und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll ein Grundverständnis für Six Sigma schaffen und soll Vor- und Nachteile der Methode aufzeigen. Die aktuelle wirtschaftliche Situation im Bankenbereich liefert einige Ansatzpunkte dieses Thema zu diskutieren, die Grundzüge und die Infrastruktur von Six Sigma vorzustellen. Beispiele von erfolgreichen Einsätzen zeigen, dass Six Sigma die Rentabilität eines Unternehmens steigern kann. Ein kurzer Einblick über den Einfluss von Six Sigma auf die Rentabilität wird im zweiten Kapitel gegeben. Zudem sollen ausführliche Erläuterungen zu den Instrumenten und Mitverantwortlichen für ein besseres Verständnis des Themas sorgen. Der Fokus des dritten Kapitels liegt auf der Implementierung von Six Sigma. Voraussetzungen und Hinweiße für eine erfolgreiche Einführung werden genannt. Im vierten Kapitel wird auf die Eignung der Anwendung von Six Sigma im Finanzdienstleistungssektor eingegangen. Wobei Beispiele für den erfolgreichen Einsatz in den USA aufgezeigt werden und Gründe für die skeptische Sicht in Deutschland und Europa genannt werden. Ziel dieser Arbeit ist es, das Thema Six Sigma vorzustellen und dem Leser nahezubringen, dass der Einsatz von Six Sigma als ein Konzept der Unternehmenssteuerung durchaus auch im deutschen Bankensektor erfolgreich sein kann.

2 Grundzüge des Konzeptes Six Sigma

2.1 Herkunft und Philosophie von Six Sigma

2.1.1 Historische Entwicklung des Konzeptes

Six Sigma folgt der Grundidee von Philip B. Crosby[21]: „Ich ging mit der Überzeugung nach Hause, dass Dinge sehr viel besser funktionieren würden, wenn es gelänge, das Aufspüren von Fehlern durch das Vermeiden von Fehlern zu ersetzten.“[22] Six Sigma basiert auf der Anwendung von statistischen Methoden und der Management- und Qualitätsphilosophie nach den Grundlagen von Shewart, Fischer, Deming und Juran[23]. Dabei führte die Erkenntnis über die Verbindung zwischen höherer Qualität und niedrigen Kosten zur Entwicklung von Six Sigma.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2. in Anlehnung an Bergbauer, A. K. (2002), S.32

Abbildung 2 zeigt das Zusammenspiel von Kosten und Qualität. Die für eine höhere Qualität aufzuwendenden Kosten nehmen demnach mit steigendem Sigma-Niveau ab. Fehler sollen durch das Schaffen korrekter, effektiver und effizienter Prozesse vermieden werden. Die Idee von Six Sigma wurde im Jahre 1979 bei Motorola geboren. Bei einem Managementmeeting stand ein leitender Mitarbeiter auf und erklärte: „Das eigentliche Problem bei Motorola ist, dass unsere Qualität zum Himmel stinkt“.[24] Der Kommunikationssektor von Motorola entwickelte daraufhin ein Verbesserungsprogramm mit dem Titel „Six Sigma Mechanicial Design Tolerancing“. 1986 wurde die Methode Six Sigma im Kommunikationsbereich etabliert und im Januar 1987 vom damaligen CEO Robert W. Galvin im übrigen Unternehmen gestartet.[25] Den Durchbruch in der Öffentlichkeit schaffte das Konzept durch Jack Welch, den Vorstandschef von General Electric. Heut steht Six Sigma bei GE als Garant radikaler Gewinnsteigerungen und für eine neue Unternehmenskultur.[26]

2.1.2 Six Sigma im Dienstleistungssektor

Durch Motorola wurde Six Sigma in der Fertigung entdeckt, doch das Konzept kann generell im gesamten Unternehmen, nur in Teilbereichen der Organisation, komplett oder nur in Teilen, im Transaktions- und Dienstleistungsbereichen wie in der Fertigung angewendet werden.[27] Kunden neigen eher aufgrund minderwertiger Dienstleistung dazu ihre Geschäfte woanders abzuwickeln, als aufgrund eines schlechten Produktes.[28] Die in der geäußerten Unzufriedenheit steckenden Potenziale einer dauerhaften Qualitätsverbesserung und -sicherung werden meist verkannt. Die Erfahrung zeigt aber, dass aus Menschen, die sich über Produkte oder Dienstleistungen beschweren, mit aktiven Managementmethoden zufriedene Kunden werden können, welche dann künftig als positive Multiplikatoren wirken.[29] Da eine Dienstleistung häufig direkt am Kunden erbracht wird, trifft das Prozessergebnis einer Dienstleistung den Kunden sogar unmittelbarer als das eines Produktes. Umso verwunderlicher ist es, dass die Wichtigkeit der Qualität einer Dienstleistung häufig aufgrund deren Immaterialität verkannt wird. Nach Robert W. Galvin kostet es im Zeitraum von vier Jahren 5 Milliarden Euro, wenn ein Unternehmen dabei versagt, Six Sigma im kaufmännischen Bereich mit derselben Kraft einzusetzen wie im industriellen Bereich.[30] Six Sigma beruht auf der Identifikation von Kundenanforderungen und der Verbesserungen von Prozessen und kann dadurch, dass auch die Erstellung einer Dienstleistung, sowie die Fertigung eines Produktes aus Prozessen entsteht ebenso auf den Dienstleistungssektor angewendet werden.[31]

2.2 Definition

In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen des Begriffes Six Sigma. In der Managementlehre ist Six Sigma als eine Prozess-und Qualitätsmanagementmethode bekannt. Ziel ist es, eine signifikante Wertsteigerung des Unternehmens über höhere Kundenzufriedenheit herzustellen. Dies soll durch schlankere Prozesse mit kürzeren Durchlaufszeiten, einer Null-Fehler-Qualität in der Produktion sowie eine hohe Qualitätssensibilität der Mitarbeiter erreicht werden.[32]

2.2.1 Technische Definition

Die Wurzeln von Six Sigma gehen auf die von Carl Friedrich Gauß (1777-1885) entwickelte Normalverteilung zurück. Technisch gesehen ist Sigma (σ) ein Buchstabe des griechischen Alphabetes, der sowohl das Symbol als auch die Maßzahl für die Streuung der Grundgesamtheit (in der Wirtschaft z.B. von Prozessvariationen) ist. Für die Messung der Abweichung werden im Six-Sigma-Ansatz zwei Maße verwendet: FpMM bzw. DPMO und die Standardabweichung σ. Unter Verwendung statistischer Methoden wird die Anzahl der Fehler im Prozess ermittelt, woraus das Sigma Niveau abgeleitet wird.[33] Dieses Niveau gibt an, wie wahrscheinlich das Auftreten eines Fehlers ist. Tabelle 1 zeigt die unterschiedlichen Sigma Niveaus und ihre Bedeutung. Dabei sind Fehlerkosten oder auch Qualitätskosten, Kosten der „schlechten Qualität“, die sich aus den Kosten der Fehlerbehebung zusammensetzen. Diese sind z.B. Fehlerbeseitigungs-, Fehlerfolge- oder Prüfkosten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Sigma Niveaus Möller, K., Noller, H. (2002)

Eine Prozessleistung entspricht 6σ, wenn die Variation eines einzelnen Prozess- oder Produktmerkmals so gering ist, dass in einer Million Möglichkeiten nur 3,4 Fehler auftreten. 99,9% Qualität bedeutet immer noch

- jeden Monat für eine Stunde verschmutztes Trinkwasser,
- 500 fehlerhafte Operationen täglich,
- 32.000 Herzschlagaussetzer pro Person jährlich,
- 22.000 Schecks stündlich von falschen Konten eingezogen,[34]
- bei 300.000 ausgelieferten Briefen 300 Fehlzustellungen.

Mit Six Sigma würden sich die Fehllieferungen z.B. auf nur eine einzige reduzieren.[35] Diese Beispiele machen deutlich, dass der Unterschied von einer zu 99,9%igen fehlerfreien Produktion und der zu einer Produktion oder Dienstleistung mit 6σ Niveau ein gewaltiger sein kann.

2.2.2 Definition Six Sigma als integratives Managementinstrumentarium

Six Sigma als integratives Managementinstrumentarium beinhaltet eine Managementphilosophie und eine Problemlösungsmethode.[36] Six Sigma ist ein umfassendes und flexibles System, um Geschäftserfolg zu erreichen, zu erhalten und zu maximieren. Dies erfolgt durch ein tiefes Verständnis der Kundenbedürfnisse, eine disziplinierte Verwendung von Fakten, Daten und statistischer Analyse sowie durch große Aufmerksamkeit in Bezug auf Durchführung, Verbesserung und Neugestaltung von Geschäftsprozessen.[37] Unmittelbare nützliche Nebenprodukte sind die Erzielung von Kosteneinsparungen sowie eine schnelle und nachhaltige Qualitäts- und Effizienzverbesserung in allen Unternehmensprozessen.[38] Zu beachten ist zudem die neue umfassendere Definition eines Fehlers bei Six Sigma, ein Fehler tritt demnach immer dann auf, wenn die erwarteten Ergebnisse eines Prozesses die Kundenanforderungen, die sogenannten CTQs, nicht erfüllen.[39] So gilt nicht nur ein Produktionsfehler, ein Defekt am Produkt, sondern auch jedes Ignorieren eines Kundenwunsches oder ein für den Kunden ungeeignetes Angebot, wie auch ein für den Kunden zu einem ungünstigen Zeitpunkt gemachtes Angebot als „Fehler“.[40] Der Unterschied zu anderen Qualitätsmanagementsystemen bei Six Sigma ist die Schwerpunktsetzung. Programme des TQM konzentrieren sich auf Verbesserungen von einzelnen Vorgängen und vernachlässigen die Gesamtprozesse. Die Six Sigma Strategie beruht darauf, bei allen Vorgängen innerhalb eines Prozesses Verbesserungen vorzunehmen um damit schnellere und effektivere Ergebnisse zu erreichen.[41]

2.3 Infrastruktur von Six Sigma

2.3.1 Ansatzpunkte von Six Sigma

Six Sigma geht davon aus, dass eine Null-Fehler-Qualität dem Unternehmen einen Wertzuwachs verspricht, indem erstens Fehlerkosten entfallen und zweitens der Kunde zufrieden, dadurch weniger abwanderungsgefährdet ist und sich somit der Kundenlebenszyklus verlängert. Um das zu erreichen ist jedoch eine umfassende Fehlerverhütung im Unternehmen nötig, welche auch mit Kosten verbunden ist. Jedoch soll die Fehlervermeidung mittels Six Sigma für das Unternehmen rentabler sein als die nachträgliche Fehlerbehebung. Die Citibank USA hat im Jahr 2000 durch Six Sigma Projekte, die zu einer Reduzierung der Ausgaben und einer Steigerung der Einnahmen führten, einen finanziellen Vorteil in Höhe von 700 Millionen Dollar erwirtschaftet.[42] Schlechte Qualität kostet das Unternehmen Personal, welche Fehler an internen Prozessen oder an extern gerichteter Marktleistung verursachen, entdecken und beseitigen, Kulanz gegenüber den Kunden, welche unter diesen Fehlern und den damit verbundenen Auswirkungen leiden, Kundenabwanderung, aufgrund der Unzufriedenheit und eine erschwerte Neukundengewinnung, was wiederum mit einem entgangenem Gewinn bezahlt wird.[43] Zur Analyse und Bewertung der Qualitätskosten sind zwei Kostenarten gegenüberzustellen. Zum einen die Kosten der Übereinstimmung, bei denen das geforderte Qualitätsniveau durch akzeptierte Fehlerverhütungskosten als gezielte Investition in das Qualitätsmanagement erreicht wird, und zum anderen die Kosten der Abweichung, bei denen qualitätsbezogen die Fehlerbeseitigungs- und Fehlerfolge- und darauf bezogene Teile der Prüfkosten ermittelt werden. Tabelle 1 zeigt, dass bei einem Durchschnittsunternehmen mit einem Sigma-Niveau von 3,8 bis 4 die Qualitätskosten 15-25% vom Umsatz betragen. Aus Erfahrungswerten ist bekannt, dass die Erhöhung des Sigma-Niveaus um 1 den Netto-Ertrag um 10% verbessert.[44] Dies beweißt, dass die Kosten der Abweichung im Vergleich zu den Kosten der Übereinstimmung deutlich höher sind als die investierten Kosten zum Aufbau eines leistungsfähigen Qualitätsmanagement in Richtung Null-Fehler-Qualität.[45] Bewirkt wird diese Ertragssteigerung dadurch, dass die hohen eingesparten Fehlerkosten die erforderlichen Ausgaben für Six Sigma Schulungen und Projekte deutlich übersteigt. Studien belegen, dass mittelfristig das Verhältnis von Investitionen zu Nutzen bei Six Sigma über 1:5 liegt. Bei Motorola wurden zur Initiierung des 6σ Programms 25 Mio. USD investiert, nach Abschluss konnten geschätzte 480 Mio. USD eingespart werden.[46] Erklären lässt sich dieser Zusammenhang am Eisbergeffekt von Fehlerkosten, welcher in Abb. 3 dargestellt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Eisbergeffekt von Fehlerkosten; Töpfer, A. (2004), S. 13

Nur die traditionellen Fehlerkosten „an der Oberfläche“ sind einfach identifizierbar und leicht erfassbar. Die zusätzlichen Fehlerkosten „unter der Oberfläche“ sind weniger offensichtlich und somit für Verbesserungs- und Einsparungsaktivitäten nicht direkt zugänglich. Hier liegt der Ansatzpunkt für Six Sigma Projekte, die zwar vertieftes Wissen über die unterschiedlichen Prozesse und die Wirkungen einzelner Aktivitäten fordern, deren Erfolg aber vielversprechend ist. Da 6σ am Hauptanteil der Fehlerkosten ansetzt, ist das Unternehmen durch die Aktivierung von Kostensenkungspotenzialen in der Lage die sog. COPQ, die Kosten der Abweichung bezogen auf die Marktleistung, aus den Gesamtkosten zu eliminieren. Übrig bleiben die optimal erreichbaren Kosten, die in Six Sigma Projekten den Status von Target Costs[47] erhalten, welche für das Unternehmen die höchste Kosteneffizienz darstellen. Dadurch kann eine ausreichende Ertragssituation gesichert werden, die zusätzlich in der Lage ist zunehmendem Wettbewerbs- und Preisdruck Stand zu halten.[48]

Betrachtet man die Auswirkungen eines Fehlers nicht nur hinsichtlich der Kosten und bezieht Markt- und Unternehmensebene mit ein lassen sich noch mehr Ansätze zur Rentabilitätssteigerung finden. Mit Blick auf die Marktebene bewirken Fehler unzufriedene Kunden, die durch Mund zu Mund Kommunikation negatives Marketing betreiben, was neben der Abwanderung auch zu einer erschwerten Neukundengewinnung führen kann. Dabei sollte die Wirkung von Mund zu Mund Kommunikation nicht vernachlässigt werden. Laut einer Studie teilt ein unzufriedener Kunden es acht bis zehn weiteren potenziellen Kunden mit, dass er mit dem Unternehmen unzufrieden war. Dagegen sind etwa zwölf positive Aussagen nötig, um eine negative Kundenmeinung auszugleichen.[49] Auf Unternehmensebene bewirkt ein Fehler die drastische Verkürzung des Kundenlebenszyklus und führt über direkte oder indirekte Opportunitätskosten, Kosten für den entgangenen Umsatz, den Deckungsbeitrag und schließlich durch entgangenen Gewinn, zu einer Reduzierung des Unternehmenswertes. In umgekehrter Sichtweise lässt sich auch die Frage beantworten, wie der Unternehmenswert durch Six Sigma Projekte gesteigert werden kann. Den Hebel und Ansatzpunkt für wettbewerbsfähige Leistungen und Preise liefert die Steigerung der kundenorientierten Qualität und das gleichzeitige Ausschöpfen der Kostensenkungspotenziale. Beide Möglichkeiten sind in Six Sigma-Projekten gegeben und erlauben marktbezogene Steigerungen des Absatzes und des Marktanteils. Durch richtige Verwendung von Ressourcen sind Skalen-, Verbund-, und Lernkurveneffekte zu realisieren. In einem längerfristigen Prozess kann über Umsatz- und Erlössteigerungen sowie paralleler Kostenssenkungen die Steigerung der Gewinne und dadurch des Unternehmenswertes erreicht werden.[50] Die Einsparungen und Mittelzuflüsse (Savings) der Six Sigma Initiative können in vier Arten unterteilt werden:[51]

[...]


[1] Damaliger Vorsitzender des Aufsichtsrates der Karstadt AG und Mitlied des Vorstandes der Deutschen Bank AG

[2] Vgl. Linn, N., Riese, C., Krotsch, S. (2002), S. 7ff.

[3] gemeint ist, dass es in Deutschland zu viele Finanzdienstleistungsanbieter und zu viele Filialen gibt. Vgl. Moormann, J. Möbus, D. (2004), S. 26

[4] Vgl. Steffens, U. (2002), S. 85 ff.

[5] Vgl. Licci,C. (2003), S. 365 Deutsche Kreditinstitute hatten im Jahr 2003 eine durchschnittliche Cost-Income-Ratio von 72,8%, während im Vergleich die Citibank USA eine Cost-Income-Ratio von 43,0% aufwies.

[6] Vgl. Achenbach, W., Lieber, K., Moormann, J. (2005b), S.8

[7] Vgl. Moormann, J. Möbus, D. (2004), S. 29

[8] Vgl. Schlegel, H. (2004), S. 3

[9] Vgl. Symannek, R. (2005), S. 38 ff.

[10] Vgl. Licci, C. (2003), S. 365

[11] KPMG steht für die Gründerväter der Gesellschaft Klynveld, Peat, Marwick und Goerdeler, eines der größten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen weltweit.

[12] Vgl. Licci,C. (2003), S. 365

[13] Vgl. Lamberti, H.J. (2004), S. 370

[14] Vgl. Linn, N., Riese, C., Krotsch, S. (2002), S. 17 ff.

[15] Vgl. ebenda

[16] Vgl. www.simon-kucher.com (2000), S. 4

[17] Vgl. Bank und Markt (2003), S. 43

[18] Vgl. www.sysedv.tu-berlin.de , S. 1

[19] Vgl. Lieber, K., Moorman, J. (2004), S. 28

[20] Vgl. Banken & Sparkassen (2004a), S. 12

[21] Crosby (1926-2001) war ein US-amerikanischer Betriebswirtschaftler und starker Vertreter des Qualitätsmanagement

[22] Vgl. Lieber, K. (2004), S. 2

[23] Starke Vertreter des Qualitätsmanagement

[24] Vgl. Harry, M. J., Schroeder, R. (2001), S. 24

[25] Vgl. Lieber, K. (2004), S. 7

[26] Vgl. www.euroforum.ch (2005), S. 1

[27] Vgl. Pande, P.S., Neumann, R.P., Cavanagh, R. (2001), S. 59 ff.

[28] Vgl.www.simon-kucher.com (2000), S.3 ff.

[29] Vgl. Banken & Sparkassen (2004c), S. 12

[30] Vgl. Töpfer, A. (2004a), S. 171

[31] Vgl. Lieber, K. (2004), S. 8

[32] Vgl. Achenbach, W., Lieber, K., Moormann, J. (2005b), S. 4

[33] Vgl. Lieber, K. (2004), S. 2

[34] Vgl. Bergbauer, A.K. (1998), S.100

[35] Vgl. Pande, R.S., Neumann, R.P., Cavanagh, R.R. (2001), S. 29

[36] Vgl. Lieber, K. (2004), S. 2

[37] Vgl. Pande, R.S., Neumann, R.P., Cavanagh, R.R. (2001), S.9

[38] Vgl. Lieber, K., Moormann, J. (2004), S. 28

[39] Vgl. www.agens.com (2005)

[40] Vgl. Bank und Markt (2003), S. 43

[41] Vgl. Vgl. Pande, R.S., Neumann, R.P., Cavanagh, R.R. (2001), S. 26

[42] Vgl. Töpfer, A. (2004b), S.32

[43] Vgl. ebenda S. 12

[44] Vgl. Töpfer, A. (2004a), S. 13

[45] Vgl. ebenda

[46] Vgl. www.euroforum.ch (2005), S. 3

[47] Zielkosten

[48] Vgl. Töpfer, A. (2004a), S. 15

[49] Vgl. www.ercm.de (2003), S. 3

[50] Vgl. Töpfer, A. (2004a), S. 17

[51] Vgl. ebenda, S. 88

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Six Sigma - ein Konzept zur Unternehmenssteuerung
Untertitel
Grundsätzliche Konzeption und Einsatzmöglichkeiten in der Finanzbranche
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg, früher: Berufsakademie Ravensburg
Veranstaltung
Fach Betriebswirtschaftslehre
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
66
Katalognummer
V112600
ISBN (eBook)
9783640128716
ISBN (Buch)
9783640130191
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sigma, Konzept, Unternehmenssteuerung, Fach, Betriebswirtschaftslehre
Arbeit zitieren
Dipl. Betriebswirtin (BA) Jennifer Rundio (Autor:in), 2005, Six Sigma - ein Konzept zur Unternehmenssteuerung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112600

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