Freiheit des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung der Arbeit, des Verzichts und der Ordnung

In: G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

1. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Selbstbewusstsein
1.1. Abriss der Methode der Phänomenologie
1.2. Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst
1.3 Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft
1.4 Freiheit des Selbstbewusstseins; Stoizismus, Skeptizismus und das unglückliche Bewusstsein
1.5 Zusammenfassung

2. Freiheit des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung der Arbeit, des Verzichts und der Ordnung
2.1 Arbeit als Weg zur Freiheit
2.2 Verzicht als Weg zur Freiheit
2.3 Gesellschaftlich-institutionelle Ordnung als Weg zur Freiheit

3. Schluss
3.1 Zusammenfassung
3.2 Fazit

4. Literaturverzeichnis
4.1 Siglen

Vorwort

Gegenstand dieser Arbeit ist das wohl berühmteste IV. Kapitel: Selbstbewusstsein der 1807 von Georg Wilhelm Friedrich Hegel geschriebenen Phänomenologie des Geistes. Die Phänomenologie ist die Wissenschaft von der Erfahrung des Bewusstseins, eine Darstellung des werdenden Wissens der kulturgeschichtlichen und individuellen Genese. Über 14 Stationen kommt die Welt dem Menschen zum Bewusstsein. Hegel untersucht die Struktur von Subjektivität, er fragt danach, wie das Subjekt zu Erkenntnis gelangt und beschreibt die Stufen des Bewusstseins auf dem Weg dahin. Das Bewusstsein durchläuft dabei den Weg von der sinnlichen Gewissheit bis zum absoluten Wissen. Stationen dabei sind: das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die Vernunft, der Geist und die Religion.

Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten wird die Methode Hegels und der Inhalt des Kapitels Selbstbewusstsein vorgestellt. Im zweiten Teil wird die Auslegung des Textes im Hinblick auf die Aspekte Arbeit, Verzichts und Ordnung diskutiert und als Erfahrungen für das Bewusstsein erörtert. Die Interpretation wird zeigen, dass die Gestalten des Bewusstseins die Freiheit des Selbstbewusstsein durch die Erfahrung der Arbeit und des Verzichts erringen, die in einer Ordnung aufgehoben sind. Dazu muss Hegel notwendigerweise einen Rechtszustand voraussetzen, den er in den Grundlinien der Philosophie des Rechts beschreibt. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, welchen Stellenwert die Arbeit und der Verzicht für das Selbstbewusstsein hat und warum sich für Hegel diese beiden Erfahrungen für die Freiheit des Selbstbewusstseins innerhalb einer Ordnung, als zwingend ergeben. Die Ergebnisse der Interpretation werden in einem dritten Abschnitt zusammengefasst. Im abschließenden Fazit werden die fruchtbaren Momente der Genese, in der das Selbstbewusstsein zur Freiheit gelangt, bei Hegel herausgestellt und eine Alternative der Annerkennung vorgestellt, die zu anderen Erfahrungen führt.

1. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Selbstbewusstsein

1.1. Abriss der Methode der Phänomenologie

Nach Hegel ist die Erkenntnis nicht unabhängig von dem Prozess, der zur Erkenntnis führt. Im Verlauf des Erkenntnisprozesses, den das Bewusstsein in seiner Entwicklung durchläuft, verändert sich das Wissen. Diese Entwicklung ist eine Folge von Selbstprüfungen des Bewusstseins, von Erfahrungen auf seiner jeweiligen Stufe. Auf jeder Stufe gerät es in Widersprüche zwischen Gewissheit und Wissen, zwischen Einzelheit und Allgemeinheit. >Das Wissen kann und muss immer wieder die Erfahrung machen, dass seiner Gewissheit die Wahrheit nicht entspricht.<[1] Die Notwendigkeit, auf dem Weg der Erkenntnis weiterzuschreiten, ist jeder Erkenntnisstufe immanent. Konstitutive Bedeutung kommt den Bewusstseinsstufen nur im Rahmen ihrer Abfolge zu. Das Bewusstsein ist auf jeder Stufe ein bestimmtes Gewusstsein ungeachtet individueller Eigenheiten. Menschliche Erkenntnis ist nicht passiv, sondern aktiv und genau diese Aktivität der Erkenntnis ist es, die Hegel aufzeigt. Absicht ist es, dem Bewusstsein die Strukturen, in denen sich sein Wissen vollzieht, nicht von außen zuzusprechen, sondern sie aus seinen Erfahrungen zu entwickeln. Die durch die Erfahrungsprozesse bestimmten Bewusstseinsinhalte stehen in einer Relation zueinander, die einen Teil ihres Wesens ausmachen. Die Bewegung der Erfahrung für das Bewusstsein ist die Entwicklung der Widersprüche, auf die es in jeder Stufe gerät. Die Widersprüche sind es letztlich, die einen Fortgang, eine Entwicklung und die Erfahrungen auslösen, ermöglichen und fordern.

Konstitutiv zur Hegelschen Methode gehört die dialektische Aufhebung. Die Aufhebung des An-sich-seins (dies ist unabhängig von Beziehungen zu anderen erkennenden Subjekten) und des Für-sich-seins (das vom Subjekt „benutzte“An-sich-sein) in ein An-und-für-sich-sein (als „Lösung“ des Bewusstseins, das die Gegenstände erkennt, als Sein für ein Bewusstsein) ist eine Aufhebung im dreifachen Sinne. Es ist erstens Aufhebung im Sinne von: so nicht mehr vorhanden, Aufhebung im Sinne von Negation. Zweitens im Sinne von: auf eine andere Stufe heben und drittens im Sinne von: Aufbewahren als Resultat der Erfahrung der Bewusstseinsstufe.

Hegels Dialektik ist die Methode, in der der reale Widerstreit als logischer Widerspruch begriffen und aufgelöst werden kann. Selbsterkenntnis des natürlichen Bewusstseins ist nach Hegel ein Zweifeln und Prüfen.

1.2. Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst

Wie wird Bewusstsein Selbstbewusstsein oder wie wird dem Bewusstsein bewusst, dass es Selbstbewusstsein ist? Für ein Selbstbewusstsein ist notwendigerweise ein Bewusstsein vorausgesetzt. In der Phänomenologie ist das Bewusstsein des Seins der sinnlichen Gewissheit in der Relation der Wahrnehmung aufgehoben und dieses ist wiederum aufgehoben im Verhältnis des Verstandes. Damit ist die Entfaltung der Gestalten des Bewusstseins, das sich einem Gegenstand gegenüberstellt, abgeschlossen. Das was überhaupt ist, ist in seiner erfüllten Form Leben, dieses Leben kann sich selbst erkennen. >Die Phänomenologie muss zur Erfahrung bringen [...], dass die Strukturmomente des Lebens und des Erkennens das, was ist, bestimmen und damit eine Wahrheit der Gewissheit seiner selbst gewonnen werden kann. <[2]

Der Bewusstseinsinhalt des Verstandes kann das Bewusstsein selbst als lebendiges erkennen und zum Inhalt machen. Das Bewusstsein wird für sich selbst der Begriff. Als lebendiges Bewusstsein seiner selbst ist es Selbstbewusstsein. Der notwendige Fortgang ergibt sich, da das

„...was das Bewußtsein weiß, indem es sich selbst weiß...“[3]

durch den Verstand nicht zu erkennen ist. Hegel schreibt, dass das Wesen des Selbstbewusstseins

„... Begierde überhaupt [ist].“[4]

Begierde ist der Moment, indem der Mensch Ich sagt. Ich habe Hunger, das heißt, ich begehre Nahrung. Ich beziehe mich mit meiner Begierde auf den unmittelbaren Gegenstand der sinnlichen Gewissheit und des Wahrnehmens. Das Bewusstsein hat als Selbstbewusstsein damit einen doppelten Gegenstand, eben jenen unmittelbaren und einen zweiten, sich selbst. Der erste Gegenstand

„...ist durch diese Reflexion-in-sich Leben geworden.“[5]

Dieses Sein der sinnlichen Gewissheit und der Wahrnehmung ist nun

„...in sich reflektiertes Sein, und der Gegenstand der unmittelbaren Begierde ist ein Lebendiges.[6]

Jedoch ist diese Einheit des reflektierten Seins und des Gegenstandes ebensosehr die Trennung in die Begriffe des

„...Gegensatz[es] des Selbstbewusstseins und des Lebens; [...] So selbständig also das Bewusstsein, ebenso selbständig ist an sich sein Gegenstand.“[7]

Das begehrende Selbstbewusstsein muss, um seine Begierde zu befriedigen, den unmittelbaren Gegenstand, die Natur vernichten oder doch zumindest verändern. Wenn ich Hunger habe und dieses Begehren befriedige, dann zerstöre ich den Gegenstand meiner Begierde, die Nahrung. Die so vernichtete Natur besteht jedoch als veränderte Natur in meiner Entwicklung weiter.

„...das sich entwickelnde und seine Entwicklung auflösende und in dieser Bewegung sich einfach erhaltende Ganze. [...] Dieser ganze Kreislauf macht das Leben aus...“[8]

Der Fortgang ergibt sich, da das Selbstbewusstsein, dieses andere, neue Leben,

„...sich zunächst nur als dieses einfache Wesen [ist] und sich als reines Ich zum Gegenstande [hat]...“[9]

Das einfache Ich ist Begierde. Es vernichtet den Gegenstand und gibt sich dadurch die Gewissheit seiner selbst. Dies ist seine wahre Gewissheit. In der Befriedigung seiner Begierde macht es jedoch

„...die Erfahrung von der Selbständigkeit seines Gegenstandes.“[10]

Dieser Gegenstand erweist sich als lebendiges Selbstbewusstsein. Der Gegenstand

„...ist ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein.“[11]

Hegel schreibt:

„Das Selbstbewusstsein erreicht seine Befriedigung nur in einem anderen Selbstbewusstsein.“[12]

Die weitere Erfahrung des Bewusstseins muss die verschiedenen, für sich seienden, Selbstbewusstsein[e] als Einheit

„...der vollkommenen Freiheit und Selbständigkeit ihres Gegensatzes [...] als Einheit [des] Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist.“[13]

erweisen.

1.3 Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft

Die Einheit des Selbstbewusstseins kann dieses nur in und durch die Anerkennung eines anderen Selbstbewusstsein gewinnen, durch die Bewegung des Anerkennens.

„Das Selbstbewusstsein ist an und für sich, indem und dadurch, dass es für ein Anderes an und für sich ist; d.h. es ist nur als ein Anerkanntes.“[14]

So hat das Selbstbewusstsein jetzt, nicht, wie es zuvor für die Begierde war, einen bloßen Gegenstand vor sich, sondern ein für sich seiendes Selbständiges. >Die menschliche Begierde muss sich auf eine andere Begierde richten.<[15] Es ist eine Mehrzahl von Begierden notwendig. Wenn ich in meiner Liebe zu einem Menschen anerkannt werden will, dann begehre ich ihn nicht nur, sondern ich begehre die Begierde des Anderen.

„Die Bewegung ist also schlechthin die gedoppelte beider Selbstbewusstsein[e]. [...] das einseitige Tun wäre unnütz; weil, was geschehen soll, nur durch beide zustande kommen kann. [...] Sie anerkennen sich als gegenseitig sich anerkennend.[16]

Hegel betrachtet nun wie dieser Prozess für das Selbstbewusstsein erscheint. Bewusstsein der eigenen Individualität, Selbstbewusstsein, setzt Interaktionen und Wechselseitigkeit voraus. Zu Beginn des Abschnitts A des Kapitels Selbstbewusstsein stellt Hegel die Ungleichheit beider Selbstbewusstsein[e] dar. Sie sind ungleich, indem das eine Selbstbewusstsein nur Anerkanntes ist und das andere nur Anerkennendes. Wie das Selbstbewusstsein in der Begierde den Gegenstand vernichtete, versuchen nun beide Selbstbewusstsein[e] das andere Selbstbewusstsein zu vernichten.

[...]


[1] Pöggeler, Otto: Selbstbewusstsein als Leitfaden der Phänomenologie des Geistes. In: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v.: Dietmar Köhler und Otto Pöggeler. Berlin, 1998. Seite 131

[2] Pöggeler, Otto: Selbstbewusstsein als Leitfaden der Phänomenologie des Geistes. Seite 133

[3] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Phänomenologie des Geistes. Frankfurt am Main, 1970. Seite 136 – Im folgenden zitiert als PdG

[4] PdG, Seite 139

[5] PdG, Seite 139

[6] PdG, Seite 139

[7] PdG, Seite 139

[8] PdG, Seite 142

[9] PdG, Seite 143

[10] PdG, Seite 143

[11] PdG, Seite 144

[12] PdG, Seite 144

[13] PdG, Seite 145

[14] PdG, Seite 145

[15] Kojève, Alexandre: Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Stuttgart, 1958. Seite 13

[16] PdG, Seite 146f

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Freiheit des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung der Arbeit, des Verzichts und der Ordnung
Untertitel
In: G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Fachbereich: Philosophie und Geisteswissenschaften)
Veranstaltung
Bilder vom Menschen in der Geschichte der Philosophie
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V112421
ISBN (eBook)
9783640120451
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sie haben einen sehr gut verständlichen und Hegels Gedanken präzise erfassenden Text geschrieben. Dies ist gerade angesichts der Schwierigkeiten, die das Herr/Knecht - Kapitel bietet, eine vorzügliche Leistung! Es ist Ihnen gelungen, Hegels Argumentation, auch mit Rückgriff auf die Rechtsphilosophie (ausgezeichnet!), sehr einsichtig darzustellen. Ein feiner Einfall ist das Beispiel der Liebe am Schluss!
Schlagworte
Freiheit, Selbstbewusstseins, Erfahrung, Arbeit, Verzichts, Ordnung, Bilder, Menschen, Geschichte, Philosophie
Arbeit zitieren
Monika Skolud (Autor:in), 2008, Freiheit des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung der Arbeit, des Verzichts und der Ordnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112421

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