Planvolle Reduktion - Das Nüchterheitsprogramm der Naturwissenschaften


Essay, 1997

5 Seiten


Leseprobe


[WIS:5 / 2.4.97]

Walter Grode

>Planvolle Reduktion. Das Nüchterheitsprogramm

der Naturwissenschaften<

[Erschienen in: >Lutherische Monatshefte<, Kirche im

Dialog mit Kultur, Wissenschaft und Politik, . Heft 6: Juni 1997.]

Die Vorteile, die mit der Reduzierung von Komplexität einherge-

hen, sind in unserem Alltag so offensichtich, daß wir sie kaum

mehr wahrnehmen. Wer zum Beispiel mit dem Auto eine fremde Gegend

durchfährt und ein unbekanntes Ziel sucht, orientiert sich nicht

mit Hilfe eines überdimensionalen Fotoalbums, sondern mit einer

handlichen Straßenkarte. Daß auf ihr die Ortschaften zu Kreisen

und Quadraten "generalisiert" worden sind und die Bäume und der

Wald gänzlich fortfallen, empfinden wir nicht etwa als Verlust,

sondern als Gewinn an Überblick und Zielsicherheit.

Über Jahrhunderte hinweg sind die großen Fortschritte in den

Naturwissenschaften mit einer ganz ähnlichen Reduzierung von

Komplexität einhergegangen. Die Wissenschaftsrevolutionen zu Zei-

ten von Galilei und Newton hatten bewiesen, daß Himmel und Erde

denselben Gesetzen unterliegen. Die chemische Revolution hatte

die endlosen Variationen, in denen sich Materie darstellte, auf

zweiundneunzig systematisch miteinander verbundene Elemente redu-

ziert.

Die Physik des 19. Jahrhunderts hatte mit dem Nachweis trium-

phiert, daß Elektrizität, Magnetismus und optische Phänomene

dieselben Wurzeln haben. Selbst am Ende des vergangenen Jahrhun-

derts war die Physik noch der Eckpfeiler aller Naturwissenschaf-

ten, denn sie war noch immer die einzige, die sich nicht nur mit

den kleinsten Elementen aller lebenden oder toten Materie be-

schäftigte, sondern auch mit der Beschaffenheit und Struktur der

größten Anballung von Materie, nämlich mit dem Universum.

Noch galt im wesentlichen Galileis "Nüchternheitsprogramm", daß

der Maxime folgte: >Messen was meßbar ist, und was nicht meßbar

ist, meßbar machen<. An ihm hatte sich Descartes orientiert, als

er die Vielfalt der Erdgestalt in ein zweidimensionales Koordina-

tensystem zwang und einem philosophischen Denkstil den Weg ebene-

te, den das Streben nach mathematischer Exaktheit, logischer

Strenge, theoretischer Gewißheit und moralischer Reinheit aus-

zeichnete.

[Die Krise der Physik]

Kein Wissenschaftsbereich schien feststehender, kohärenter und

methodologisch gesicherter zu sein als die Newtonsche Physik, bis

ihre Grundlagen durch die Theorien von Planck und Einstein und

durch die Transformation der Atomtheorie, die sich nach der

Entdeckung der Radioaktivität in den 1890er Jahren entwickelt

hatte, erschüttert werden sollten. Physik war objektiv, das

heißt, sie konnte angemessen observiert werden, und unterlag nur

den technischen Beschränkungen ihrer Observationsinstrumente

(also beispielsweise des optischen Mikroskops oder Teleskops).

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Planvolle Reduktion - Das Nüchterheitsprogramm der Naturwissenschaften
Autor
Jahr
1997
Seiten
5
Katalognummer
V112377
ISBN (eBook)
9783640104468
Dateigröße
367 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Planvolle, Reduktion, Nüchterheitsprogramm, Naturwissenschaften
Arbeit zitieren
Dr. Walter Grode (Autor:in), 1997, Planvolle Reduktion - Das Nüchterheitsprogramm der Naturwissenschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112377

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