"Du kommst hier nicht rein!"

Migration - ein Hindernis im deutschen Schulsystem


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Begriffsklärungen
1.1 Migration
1.2 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund

2 Aktuelle Lage

3 Mögliche Risikofaktoren
3.1 Aufeinanderprallen verschiedener Erziehungsvorstellungen
3.2 Überforderung durch Selbstplatzierungsnotwendigkeit
3.3 Mangelnde Einbindung in die primäre Stufe des Bildungssystems (Kindergarten)

4 Interventionsmöglichkeiten
4.1 Bilinguales Schulsystem
4.2 Individuelle Förderung
4.2.1 Kindergarten/Vorschule
4.2.2 Schulzeit
4.3 Rolle der Sozialen Arbeit
4.3.1 Interkulturelle Kompetenz
4.3.2 Projektvorstellung Hamburg-Wilhelmsburg

5 Schlusswort

6 Literaturverzeichnis

Einleitung

Die dritte PISA Studie hat es gezeigt: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund scheinen im deutschen Schul- und Ausbildungssystem Probleme zu haben. In einer Gesellschaft, in der schulische Leistungen von außerordentlicher Bedeutung sind für den zukünftigen Lebenslauf eines Menschen, sind die Ergebnisse alarmierend.

Viele ausländische Familien leben bereits in der 2. oder 3. Generation in Deutschland, trotzdem scheint eine Integration nicht wirklich stattgefunden zu haben. Die Probleme der Kinder und Jugendlichen in Schule und Ausbildung sind ein Aspekt an dem dies deutlich wird.

Ziel der Hausarbeit ist es mögliche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu untersuchen und schließlich Schlussfolgerungen für eine gelingende Integration ziehen.

Zunächst soll die aktuelle Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bezug auf Schule und Ausbildung dargestellt werden. Daraufhin soll der Frage nachgegangen werden, wieso dies so ist. Vorgestellt werden hierzu mögliche Risikofaktoren. Im darauffolgenden Teil schließlich werden Interventionsmöglichkeiten vorgestellt. Zuerst geht es um Möglichkeiten, die von Seiten der Schule angeboten werden könnten. Am Schluss wird anhand eines Beispiels aus der Praxis dargestellt, welche Rolle die Soziale Arbeit einnehmen kann um betroffenen Kindern und Jugendlichen zu helfen.

Eine wirklich umfassende Darstellung der Thematik ist in einer Hausarbeit leider nicht möglich, daher werden nur einzelne Aspekte dargestellt. Außerdem liegt die Konzentration auf Kindern und Jugendlichen in der Schule. Auch wird nicht im Speziellen zwischen der Situation von Jungen und Mädchen unterschieden, da es Ziel der Arbeit ist, einen allgemeinen knappen Überblick über das Thema darzustellen. Auch Probleme im Bereich Ausbildung, Studium etc. werden nur am Rande erwähnt, aber nicht extra beleuchtet. Der Schwerpunkt liegt auf Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und wie diese im bestehenden Schulsystem unterstützt und damit Leistungsunterschiede zu deutschen SchülerInnen verringert werden können. Es geht also nicht darum, ein komplett neues Schulsystemkonzept zu entwickeln.

1 Begriffsklärungen

1.1 Migration

„Migration bezeichnet als Oberbegriff den Wanderungsprozess von Einzelnen und Gruppen über Nationalitätsgrenzen hinweg.“[1][2]

Die Gründe für Migration sind sehr verschieden: Kriege, wirtschaftliche Gründe, Menschenrechtsverletzungen im Heimatland, politische Verfolgung u.a..

Ethnische Herkunft, sozialer, kultureller und/oder religiöser Hintergrund unterscheiden MigrantInnen von der mehrheitlichen Gesellschaft im Aufenthaltsland.

Deutschland liegt mit einem Ausländeranteil (Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit) von 9% an dritter Stelle aller Staaten der Europäischen Union (Stand 1999). Zu beachten sind allerdings unterschiedliche Staatsangehörigkeitsregelungen in den EU-Ländern. Deutlich wird hiermit, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Ein Drittel aller Ausländer wohnt bereits 20 Jahre und länger in Deutschland. Von ihnen sind die meisten als Gastarbeiter zu Beginn der 60er Jahre in die Bundesrepublik gekommen.

1.2 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund

Die Kinder und Enkel der früheren Gastarbeiter sind in Deutschland geboren. Daher lässt sich bei ihnen wohl kaum noch von Migranten und Migrantinnen sprechen. Dennoch scheint die Einwanderung der (Groß-)eltern großen Einfluss auf das Aufwachsen dieser Kinder im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund zu haben.

Diesen in Deutschland geborenen Kindern wird zusätzlich zur Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt. Daher tauchen sie in vielen Ausländerstatistiken nicht mehr auf, weil die Staatsangehörigkeit oft ein Unterscheidungsmerkmal ist.

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind daher „...alle, die entweder selbst einwanderten oder deren Eltern Migranten waren, auch wenn sie selbst in Deutschland geboren wurden und den deutschen Pass besitzen.“[3] Unter diese Definition fallen mittlerweile fast ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen sind es sogar nahezu 40%.[4]

Im Folgenden wird häufig von ausländischen SchülerInnen, Kindern oder Jugendlichen sowie Migrantenkindern gesprochen. Gemeint sind in der Regel, sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, also sowohl solche, die einen deutschen Pass haben, als auch welche ohne.

2 Aktuelle Lage

Beide Pisa Studien (2000 und 2003) beklagen die Bildungssituation in Deutschland besonders im Zusammenhang mit Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und solchen aus sozial schwachen Familien.

Pisa 2003 sieht einen engen Zusammenhang zwischen Kompetenzen in den verschieden Bereichen (Mathematik, Lesefähigkeit) und Migration.[5] Zum Vergleich wurde die Mathematikkompetenz herangezogen. Die Ergebnisse sind jedoch mit denen aus anderen Kompetenzbereichen (z.B. Lesen) nahezu identisch. In der Stichprobe für Deutschland waren 20,6 % Jugendliche mit Migrationsstatus vertreten. Sie erreichten ein deutlich geringeres Kompetenzniveau als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Besonders erstaunlich ist, dass SchülerInnen, die in Deutschland geboren sind und von Anfang an das deutsche Schulsystem besucht haben, schlechter abschneiden als neu zugewanderte Jugendliche (diese liegen aber dennoch weit unter den Ergebnissen deutscher Jugendlicher).[6] Ähnliche Tendenzen finden sich auch in den anderen OECD-Staaten, jedoch liegt Deutschland hier deutlich unter dem internationalen Durchschnitt.

Hierzulande besteht ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und mathematischer Kompetenz, welche vor allem über Beteiligungschancen an Schulformen vermittelt wird. Diese sind für SchülerInnen aus sozialschwachen Familien (aus denen ein Großteil der ausländischen SchülerInnen kommt) deutlich niedriger als in der oberen Bevölkerungsschicht. Ähnliche Tendenzen gibt es auch in den anderen untersuchten Ländern. Schaut man jedoch nur auf die Lesekompetenz, so sind in keinem anderen der 32 Pisa-Länder die Unterschiede zwischen Jugendlichen aus höheren und niedrigeren Sozialschichten so groß wie in Deutschland.[7]

Nach der Pisa Studie ist für ein Kind aus der oberen Gesellschaftsschicht sehr viel wahrscheinlicher, dass es ein Gymnasium besuchen wird als für ein Kind aus der unteren Schicht. Unterscheidet man nicht zwischen den Schichten, sondern zwischen SchülerInnen mit und ohne Migrationshintergrund, so ist es nach Boos-Nünning/Karakasoglu im Bezug auf Pisa 2000 4,4x wahrscheinlicher, dass ein deutsches Kind ein Gymnasium besucht.[8] Jedoch ergänzen sie, dass die „Differenzen der Benachteiligungschancen zwischen Jugendlichen aus Familien mit und ohne Migrationsgeschichte weitaus geringer sind als die Disparitäten zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Sozial- oder Bildungsschichten“[9].

Da aber, wie bereits erwähnt, ein Großteil der ausländischen Kinder und Jugendlichen aus der sozialen Unterschicht kommt, machen diese Zahlen meines Erachtens trotzdem deutlich, dass es dringend notwendig ist, dieses Thema tiefergehend zu bearbeiten. Es stellt sich die Frage, wieso SchülerInnen, die in Deutschland geboren sind und von Anfang an mehr oder weniger in Kontakt mit der hiesigen Kultur waren oder zumindest hätten sein könnten, so viel schlechter abschneiden als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund.

3 Mögliche Risikofaktoren

Entgegen der weitverbreiteten Annahme über einen Bildungsunwillen in den Familien mit Migrationsgeschichte, stellen Boos-Nünning/Karakasoglu fest, dass im Gegenteil sich die meisten Eltern für ihre Töchter und Söhne eine gute Schul- und Berufsausbildung wünschen. An die Kinder werden recht hohe Leistungserwartungen gestellt was den Schulerfolg betrifft. Hohe Bildungsvorstellungen lassen sich nach empirischen Studien sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern selbst finden.[10] Fakt bleiben trotzdem die eindeutigen Leistungsunterschiede gegenüber Schülern ohne Migrationshintergrund.

Sicherlich ist es schwierig, allgemein gültige kausale Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herausfinden zu wollen. Die Situation der einzelnen Kinder und Jugendlichen unterscheidet sich hinsichtlich ihres jeweiligen Herkunftslandes, ob sie in Deutschland geboren sind oder erst später zugewandert etc.. Es kann sich also nur um tendenzielle Aussagen handeln. Von daher halte ich den Begriff „Risikofaktoren“ für angebrachter, schließlich führen die aufgeführten Aspekte nicht zwangsläufig zu einem Versagen im Schulsystem.

3.1 Aufeinanderprallen verschiedener Erziehungsvorstellungen

Bildungs- und Erziehungsvorstellungen in Deutschland unterscheiden sich in vielen Fällen von denen in den Herkunftsländern der Migrantenfamilien. Robbers untersuchte u.a. diese Unterschiede in Bezug auf sozial schwache türkische Familien in Hamburg-Wilhelmsburg. Gerade wenn ein Elternteil erst durch die Hochzeit nach Deutschland gekommen ist, spielen kulturelle Werte des Herkunftslandes eine große Bedeutung in der Erziehung. Erziehungsmethoden der Argumentation und Induktion um so Kindern die Konsequenzen ihres Handelns für sich und andere bewusst zu machen, finden in moslemischen Kreisen wenig Anwendung. Stattdessen spielen Disziplinierungsmaßnahmen wie körperliche Bestrafung und Beschämung eine Rolle. Für viele moslemische Familien sind vorherrschende Werte Respekt, Gehorsam, Leistungsbereitschaft und die Erfüllung religiöser Pflichten. Eine große Rolle spielt der Begriff der Familienehre, der mit allen Mitteln nach außen verteidigt werden muss. Daraus resultieren unterschiedliche Grenzen für Jungen und Mädchen. Jungen haben die Ehre nach außen zu verteidigen, Mädchen sind mit ihrem Verhalten in der Familie dafür verantwortlich.[11] Hier entstehen Konflikte mit hiesigen Vorstellungen von Erziehung. Eltern werden spätestens wenn Kinder in Kontakt mit deutschen Erziehungseinrichtungen kommen mit diesen entgegengesetzten Werten konfrontiert. Sicherlich merken auch die Kinder, dass hier andere Werte gelten und kommen möglicherweise in innere Konflikte.

[...]


[1] Vgl. Braun 2002, S.643-644

[2] Braun 2002, S.643

[3] http://www.schader-stiftung.de/wohn_wandel/848.php vom 28.Januar 2006

[4] Kraus 2005, S. 260

[5] vgl. Pisa-Konsortium Deutschland 2003, S.22-26

[6] vgl. Pisa-Konsortium Deutschland 2003, S.22-26

[7] vgl. Bertelsmann Stiftung, S.3

[8] vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu, S. 1

[9] Boos-Nünning/Karakasoglu, S.1

[10] vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu, S.15

[11] vgl. Robbers 2005, S. 29

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
"Du kommst hier nicht rein!"
Untertitel
Migration - ein Hindernis im deutschen Schulsystem
Hochschule
Hochschule Esslingen
Veranstaltung
Entwicklung unter Risikobedingungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V112328
ISBN (eBook)
9783640117086
ISBN (Buch)
9783640117437
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Risikobedingungen, Migration, Bildung, Migrationshintergrund
Arbeit zitieren
Bachelor Soziale Arbeit Rebecca Brohm (Autor:in), 2006, "Du kommst hier nicht rein!", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112328

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