Die Problematik der rettungsdienstlichen Notkompetenz aus rechtlicher Sicht


Diplomarbeit, 2008

96 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsdefinitionen
2.1. Ausbildungen im Rettungsdienst
2.2. Empfehlung der Bundesärztekammer – Notkompetenz
2.3. Abrechnung von erbrachten Leistungen durch den Rettungsdienst

3. Fragestellungen der Arbeit

4. Literaturrecherche
4.1. Ergebnisse der Literaturrecherche

5. Notkompetenz des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals
5.1. Erläuterung der Notkompetenzempfehlung nach der Bundesärztekammer
5.2. Auslegung rechtlicher Grundlagen in Notsituationen
5.2.1. Rechtfertigungsgründe
5.2.2. Unterlassung und Garantenstellung
5.2.3. Ausbildung im Rettungsdienst und in der Krankenpflege
5.2.4. Differenzierungen der Tätigkeiten des Rettungsdienstpersonals

6. Arztvorbehalt

7. Ärztliche Delegation
7.1. Delegation im Rettungsdienst
7.2. Delegation in der Krankenpflege
7.3. Delegation an nichtärztliche Mitarbeiter
7.4. Zusammenfassung der Kriterien einer möglichen Delegation an nichtärztliches Hilfspersonal

8. Haftungsrechtliche Grundlagen und mögliche Schadenersatzforderungen

9. Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung in Bezug auf Notfallmedizin

10. Ausblick

11. Literaturverzeichnis

12. Abkürzungsverzeichnis

13 Anlagenverzeichnis

14 Anlagen

1. Einleitung

Das Wort „Notfallmedizin“ beinhaltet, dass sich ein Mensch in einer Notlage befindet und dementsprechend medizinischer Hilfe bedarf. Optimal wäre eine sofortige und klinische Maximalversorgung. Diese beinhaltet u.a. eine fachärztliche und pflegerische Versorgung, Labordiagnostik und Medizintechnik zur optimalen Maximalversorgung des Patienten.

In der Rettungskette ( Sofortmaßnahmen / Notruf / Erste Hilfe / Rettungsdienst / Krankenhaus ) der präklinischen Ersten Hilfe ist die Klinik das vierte Glied.

Eine gut funktionierende Rettungskette kommt dem Patienten zugute. Sie sollte zeitlich so kurz wie möglich gehalten werden, um eine möglichst zeitnahe klinische Maximalversorgung gewährleisten zu können. Laienhelfer und Rettungsdienstpersonal mit Notarzt stellen die ersten Glieder der Rettungskette dar. Jedes Glied leistet Vorarbeit für das darauf folgende Glied der Rettungskette. Bis zum Erreichen der klinischen Maximalversorgung vergeht viel wertvolle Zeit, in der der Patient versorgt und betreut werden muss. In dieser Zeit ist er in der Obhut von Laienhelfern, Rettungsdienstpersonal und Notarzt.

Deshalb ist eine gute Ausbildung in den Bereichen von Laienhelfern bis zum Notarzt sehr wichtig, um eine effektive und verantwortungsbewusste präklinische Patientenversorgung gewährleisten zu können.

Der Kostenfaktor bei Notfalleinsätzen und zur Vorhaltung von Rettungsmitteln, wie z.B. Rettungstransportwagen (RTW) oder Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF), stellt einen genauso wichtigen Punkt dar wie die Befugnisse, Kompetenzen, Ausbildungsdauer und Ausbildungsinhalte des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals.

Zu den Hilfsorganisationen drängen immer mehr private Anbieter in den Bereichen Rettungsdienst, Kranken- und Behindertentransport auf den Markt. Private Firmen arbeiten gewinnorientiert und erhalten keine Spenden oder Zuschüsse wie die Hilfsorganisationen.

Nun möchte ich verschiedene Anhaltspunkte kurz ansprechen, um verschiedene Zusammenhänge herzustellen. Die Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Maßnahmen betrifft sowohl die Pflege als auch die präkliniksche Notfallmedizin. Da in der Präklinik nicht immer ein Arzt vor Ort ist stellt die Delegation in diesem Bereich eine besondere Wichtigkeit dar.

Zudem sind Dozenten an Rettungsdienstschulen auch aus dem Bereich der Pflege vertreten. Schaut man sich die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten (RettAssAPvV) an, wird man unter anderem Themen, wie Einführung in die theoretische und praktische Ausbildung im Krankenhaus, Einführung in das Krankenhausrecht und viele grundlegende medizinische und pflegerische Themen finden, die auch in der Krankenpflegeausbildung auftauchen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch Pflegekräfte als Dozenten an Rettungsdienstschulen unterrichten. Pflegekräfte betreuen und leiten Rettungssanitäter und Rettungsassistenten in der Ausbildung als Praktikanten in klinischen Bereichen, wie dem allgemeinen Pflegepraktikum, Ambulanz- und Intensivpraktika, an.

Zudem ist von Bedeutung, dass die präklinische Arbeit für die weiteren klinischen Therapien und die Pflege sehr wichtig ist. Hierbei macht sich der Rettungsdienst auch pflegerisches Wissen wie Lagerungstechniken zunutze und wendet diese an.

Meine Motivation

Meine Motivation über dieses Thema zu schreiben ergibt sich aus den Einblicken meines Studiums in die verschiedenen Bereiche der Pflege und durch meine begleitende Arbeit im Rettungsdienst und dem zugehörigen Krankentransport. Demnach habe ich verschiedene Probleme auf beiden Seiten kennen gelernt. Zu diesen Problemen gehören viele juristische Probleme und Unklarheiten, die sich meiner Meinung nach gerade in der Praxis zeigen.

In der Praxis habe ich oft das Gefühl, dass viele Mitarbeiter in pflegerischen und in präklinischen Bereichen nicht wissen, was sie in Notfallsituationen machen müssen und was sie nicht dürfen. Ich möchte die entsprechenden juristischen Thematiken in meiner Diplomarbeit aufzeigen, um in manchen Punkten einfach mehr Klarheit zu schaffen.

Im Rahmen der aktuellen Diskussionen über Änderungen der rettungsdienstlichen Ausbildung und Kompetenzen hat die Partei der FDP einen Antrag (16/3343) im Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestages gestellt und forderte in diesem eine Novellierung des Rettungsassistentengesetzes von 1989, da Rettungskräfte bei der Durchführung lebensrettender Maßnahmen ohne die Anwesenheit eines Notarztes momentan in einem rechtsfreien Raum agieren. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Trotz der Ablehnung des Antrages erachteten Bundesregierung und die Fraktionen des deutschen Bundestages eine Novellierung des Rettungsassistentengesetzes zukünftig für notwendig. Anfang 2008 soll nach Vorschlag der Bundesregierung eine Expertengruppe in den Vorklärungsprozess eintreten. Diese soll u.a. Änderungsvorschläge zu den Punkten wie der Finanzierung der Ausbildung, der Berufsbezeichnung, den Ausbildungsinhalten, der Ausbildungsdauer und eine Kompetenzabgrenzung zu den Notärzten erarbeiten (s. Anlage 01a).

Da bislang kein Gesetzesentwurf/Gesetzesvorschlag vorliegt, der und dessen Umsetzung auch von der jeweils amtierenden Regierung abhängt, erachte ich es für notwendig, gerade zu diesem Zeitpunkt rechtliche Probleme des deutschen Rettungssystems darstellend aufzuzeigen.

2. Begriffsdefinitionen

Der Rettungsdienst ist in der Bundesrepublik Deutschland Ländersache. Die jeweiligen Landesrettungsdienstgesetze differenzieren z.B. den Punkt des Ausbildungsstandes der einzelnen Fahrzeugbesatzungen selbigen Typs. Eine Ausnahme stellt hier das auf Bundesebene gültige Rettungsassistentengesetz (RettAssG) dar.

Innerhalb der Bundesländer gibt es verschiedene Rettungsdienstbereiche, die wiederum von bereichszuständigen Leitstellen koordiniert werden. Die Leitstellen können die Rettungsmittel in ihrem Rettungsdienstbereich alarmieren. Die Rettungsmittel werden von Hilfsorganisationen und den Berufsfeuerwehren gestellt. Vereinzelt sind private Firmen im Rettungsdienst und Krankentransport präsent.

In Deutschland wird im Bereich Rettungsdienst ein sogenanntes „Rendezvoussystem“ gefahren. Dies bedeutet, dass der Patient im Rettungstransportwagen (RTW) transportiert wird. Nach Notwendigkeit oder Indikationskatalog wird ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zum RTW stoßen und der Notarzt steigt auf den RTW um, bringt seine Narkose- und Schmerzmedikamente mit und fährt im RTW beim Patienten mit. Der Notarzt- Indikationskatalog beinhaltet regional unterschiedliche Notfälle, bei denen immer ein Notarzt mitalarmiert wird. Das zusätzliche Hinzuziehen des Notarztes steht der RTW-Besatzung bei Vorliegen eines Grundes offen. Dieses Notarzt integrierte System nennt man „Stay and Play“[1]. Vor Ort findet eine ärztliche Versorgung und Stabilisierung des Patienten statt. Gegensätzlich gibt es im angloamerikanischen Raum oft das „Load and Go“1 System. Hier steht ein zügiger Transport zu einer Klinik im Vordergrund. Das Rettungsdienstpersonal versorgt den Patienten ohne Notarzt vor Ort und legt den Schwerpunkt auf das Aufrechterhalten der Vitalfunktionen.

Die Aufgaben des Rettungsdienstes sind im Landesrettungsdienstgesetz, in Hessen im hessischen Rettungsdienstgesetz (HRDG), geregelt. Diese liegen u.a. in den Bereichen der Notfallrettung und des Notfalltransportes mit dem RTW. Patienten, die sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden, aber dennoch durch ausgebildetes Rettungsdienstpersonal (qualifiziert) betreut werden sollen, werden mit einem Krankentransportwagen (KTW) transportiert. Diese KTW-Transporte sind ärztlich angeordnet. Die Anordnungen können durch Klinikärzte, im ambulanten Bereich durch Vertragsärzte (Fach- und Hausärzte) oder den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (ärztlicher Notdienst) angeordnet werden.

Eine weitere Aufgabe des Rettungsdienstes stellt nach HRDG der Transport von lebenswichtigen Medikamenten, Blutkonserven und Organen zur Transplantation dar.

Der Rettungsdienst ist auch für Suchaufgaben/Suchflüge zuständig. Diese können z.B. mit Rettungshubschraubern (RTH) durchgeführt werden.

Noch nicht erwähnt wurde der Notarztwagen (NAW). Dieser ergänzt in vielen Rettungsdienstbereichen die NEFs, welche als Zubringer dienen. Der NAW ist ein notarztbesetzter RTW mit entsprechend erweiterter Ausrüstung (nach DIN), wie z.B. erweitertes Ampullarium. Regional unterschiedlich gibt es auch „Baby- NAWs“, welche mit einem Kinderarzt, mit einer Kinderkrankenschwester und einem Fahrer (Rettungsdienstpersonal) besetzt sind. Sie verfügen zusätzlich über einen Inkubator (Brutkasten), um zu früh geborene Kinder zu verlegen. Optimal, aber selten ist ein Pädiatrieassistent als Fahrer und Teammitglied anwesend. Der Pädiatrieassistent ist eine Zusatzqualifikation für Rettungsassistenten mit dem Schwerpunkt Kindernotfälle. Eine weitere Sonderform des NAWs stellt der NAW für Intensivtransporte dar. Dieser ist mit einem Anästhesisten, Intensivpfleger und Fahrer besetzt.

Die verschiedenen im Rettungsdienst eingesetzten Fahrzeugtypen werden also mit unterschiedlich ausgebildetem Personal besetzt. Dies variiert je nach Landesrettungsdienstgesetz. Grundsätzlich gibt es immer einen Fahrer und einen Beifahrer. Da der Beifahrer während des Transportes den Patienten betreut, hat er die höchste Ausbildung. Der Sanitätshelfer wird nur in wenigen Bundesländern als Fahrer von KTW oder RTW eingesetzt. Die erste rettungsdienstliche Ausbildung ist der Rettungshelfer (RH). Die Voraussetzungen zum RH sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Manche legen den Rettungssanitäter (RS) ohne Prüfungslehrgang als RH aus und andere bieten separate RH-Kurse in einem kleineren Umfang als die des RS-Kurses an. Der Rettungssanitäter umfasst die theoretische Grundausbildung, Klinikpraktikum, Rettungswachpraktikum und den Abschlusslehrgang. Insgesamt kommt der RS auf 520Std. . Der Rettungsassistent gliedert sich in eine zweijährige Ausbildung. Im ersten Jahr finden die Theorie und die Klinikpraktika statt. Im zweiten Jahr wird ein Jahrespraktikum auf einer Lehrrettungswache absolviert. Beendet wird die Ausbildung mit einem sogenannten Abschlussgespräch mit einem Arzt und einem Lehrrettungsassistent. Der Lehrrettungsassistent ist eine Zusatzqualifikation zum Rettungsassistenten, um Praxisanleitungen durchführen zu können. Dann gibt es noch den Notarzt. Für diesen müssen Ärzte den sogenannten „Notfallschein“ oder auch „Fachkundenachweis Rettungsdienst“ erbringen.

2.1 Ausbildungen im Rettungsdienst

Die ärztliche Ausbildung zum Notarzt wird mit dem „Fachkundenachweis Rettungsdienst“ erbracht. Zum Erlangen des Fachkundenachweises Rettungsdienst, am Beispiel Nordrhein Westfalens, müssen verschiedene klinische Tätigkeiten und eine Mindestarbeitszeitdauer an einer Klinik, sowie ein 80 stündiger-Kurs absolviert werden (Ärztekammer Westfalen-Lippe, 1992; s. Anlage 02). Die Anforderungen können je nach Bundesland und nach Fachbereich des Anwärters (Chirurgie, Innere, usw.) differenzieren. Mediziner aus allen Fachbereichen der Medizin können grundsätzlich den Fachkundenachweis Rettungsdienst erwerben und sich somit Notarzt nennen.

Im Bereich des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals wird die theoretische Ausbildung vom Erste-Hilfe-Kurs bis zum Rettungsassistenten an privaten Schulen oder an Schulen, welche jeweils einer Hilfsorganisation angeschlossen sind, durchgeführt. Die praktische Ausbildung wird in Kliniken und an Lehrrettungswachen durchgeführt.

Die Breitenausbildung in den Bereichen Erste Hilfe und Sanität ( z.B. Sanitätshelfer) finden nur an den Schulen und ohne Praktika statt.

2.2. Empfehlung der Bundesärztekammer – Notkompetenz

Es ist möglich, dass z.B. ein RTW als Rettungsmittel am Einsatzort eintrifft und der Notarzt längere Zeit benötigt, um vor Ort zu sein. Für diesen Fall hat die Bundesärztekammer (BÄK) eine Empfehlung erlassen. In dieser sogenannten Notkompetenzempfehlung (BÄK, 2008; s. Anlage 03) gibt die BÄK unter Auflagen den ärztlichen Leitern Rettungsdienst die Option, bestimmte ärztliche Maßnahmen an einzelne Personen des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals zu delegieren. Die rechtliche Grundlage hierfür stellt dann laut BÄK der

„rechtfertigende Notstand“ nach § 34 StGB dar (s. 5.2.1. Rechtfertigungsgründe).

2.3. Abrechnung von erbrachten Leistungen durch den Rettungsdienst

Die Abrechnung im Bereich Rettungsdienst und Krankentransport wird nach Fahrtkostenregelung des Sozialgesetzbuches – „Fünften Buches - Gesetzliche Krankenversicherung“ (§60 SGB V) abgerechnet. Hier gibt es verschiedene Stufen, die der Arzt auf dem Transportschein (Verordnung einer Krankenbeförderung) anordnen (ankreuzen) kann. Diese Stufen lauten: Taxi/Mietwagen, Krankentransportwagen, Rettungswagen, Notarztwagen. Je nach dem, was der anordnende Arzt für den jeweiligen Transport für eine Fahrzeugausstattung (nach DIN) und dementsprechend ausgebildeten Personals wünscht, kann er seine Anordnung treffen.

3. Fragestellungen der Arbeit

Die Problematik der Zulässigkeit der Delegation von ärztlichen Maßnahmen an nichtärztliches Rettungsdienstpersonal in der Notfallmedizin ist unter verschiedenen Aspekten zu klären.

Grundlegende juristische Probleme des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals in der präklinischen Notfallmedizin wurden 2006 in einer Petition[2] angesprochen.

Der Petant schlägt Gesetzesänderungen vor, damit Rettungsassistenten eine Verschlechterung des Patientenzustandes in lebensbedrohlichen Situationen mit der Durchführung von ärztlichen Maßnahmen abwenden können.

Ohne Gesetzesänderungen befindet sich der Rettungsassistent laut Petant im Zwiespalt zwischen seiner moralischen Verpflichtung, Hilfe zu leisten und sich strafbar zu machen.

Ferner ist er der Meinung, dass Rettungsassistenten in ihrer Ausbildung ein umfangreiches Wissen einschließlich Medikamentenkunde vermittelt wird.

Gerade in ländlichen Gegenden stelle der Zeitfaktor sehr oft ein großes Problem dar, da es gerade hier oftmals sehr lange dauere bis ein Notarzt vor Ort sei. Deshalb würde in diesen Situationen bei schneller Erreichbarkeit der Zielklinik auf das Hinzuziehen das Notarztes verzichtet und der Patient ohne notärztliche Behandlung gleich in die Zielklinik transportiert (Load and Go). Patienten müssten dann bis zur Zielklinik auf ärztliche Behandlung und auf Medikamente verzichten.

Der Petant setzt sich des Weiteren für die Einführung von mehr Standartmaßnahmen vergleichbar mit denen in den USA und in der Schweiz ein.

Hierbei ist meiner Meinung nach zu beachten, dass die Ausbildungssysteme in diesen Ländern im Gegensatz zum deutschen Ausbildungssystem variieren. Die Arbeitssysteme „Stay and Play“ und „Load and Go“ stellen nun einmal andere Anforderungen an die Ausbildung das Rettungsdienstpersonals.

Zur Ausbildung des Rettungsdienstes ist auch zu beachten, ob sich die jeweilige Region in einem Notarzt gestützten System befindet oder nicht.

Zu klären ist also die Frage der Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Maßnahmen an nichtärztliches Rettungsdienstpersonal. Im nächsten Schritt ist zu klären, ob dann strafrechtliche Konsequenzen folgen können und ob Schadenersatzforderungen auf den Arzt oder das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal zukommen können.

In einem weiteren Punkt der Fragestellung ist zu überlegen, ob Änderungen im SGB V zu Gunsten der vom Rettungsdienst erbrachten Leistungen sinnvoll erscheinen.

4. Literaturrecherche

Im ersten Schritt der Suchstrategie wurde die Suche im Internet auf Homepages einschlägiger Fachverbände und dem Deutschen Bundestag begonnen. Bei diesen habe ich vor allem nach Stellungnahmen und Empfehlungen im Themenbereich der Notfallmedizin gesucht.

Hierbei handelt es sich um:

- Bundesärztekammer, http://www.baek.de

- Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands e.V., http://www.band-online.de

- Deutscher Bundestag, http://www.bundestag.de

- Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V., http://www.dgai.de

- Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, http://www.divi-org.de

- Rettungsdienst – Interaktiv, http://www.rettungsdienst-interaktiv.de

Die Ergebnisse meiner Internetrecherche habe ich in Tabellen zusammengestellt (s. Anlage 05). In den Tabellen habe ich die jeweilige Fachgesellschaft und deren Internetadresse erfasst. Zudem habe ich die Suchtreffer dokumentiert und gesichtet.

Im nächsten Arbeitsschritt habe ich verschiedene Internetsuchmaschinen in die Recherche einbezogen, welche wiederum verschiedene Datenbanken durchsuchten. Hierbei handelt es sich um DIMDI, MEDPILOT, SIRIUS und VASCODA. Auf MEDLINE habe ich bewusst verzichtet, da diese Datenbank bei DIMDI mit einbezogen ist.

Für die Suche habe ich diese Suchbegriffe verwendet:

- Recht im Rettungsdienst
- juristische Probleme in der Notfallmedizin
- rechtliche Grundlagen im Rettungsdienst
- rechtliche Grundlagen der Notkompetenz im Rettungsdienst
- ärztliches Delegationsrecht im Rettungsdienst
- Notkompetenz im Rettungsdienst

Es wurde nur nach deutschsprachigen Texten gesucht, da andere Länder über andere Rechtssysteme verfügen und somit in der Notfallmedizin andere gesetzliche Grundlagen vorliegen. Diese sind für meine Arbeit nicht relevant.

Publikationen, welche älter als 5 Jahre alt sind, habe ich bei der Recherche mit MEDPILOT ausgeschlossen. Bei den anderen verwendeten Internetsuchmaschinen habe ich dieses Material während des Sichtens nach dem Erscheinungsdatum selektiert, da keine Altersangabe eingestellt werden kann.

Dem selben Prinzip wie bei der Recherche der Fachgesellschaften folgend, wurden in Tabellen (s. Anlage 06) die Suchergebnisse und verwendeten Datenbanken dokumentiert.

Die in HEBIS gefundene Literatur wiederholt sich oft. Dies kommt daher, dass verschiedene der durchsuchten Datenbanken oft dieselbe Literatur finden. Oftmals gibt es noch hinzukommend von vielen Publikationen Ausgaben aus verschiedenen Jahren. Dies hat zur Folge, dass dieselben Titel sehr oft auftauchen. Die Werke, die vor mehr als fünf Jahren publiziert wurden, wurden selektiv ausgeschieden.

Zudem fand noch eine Selektion der Titel statt. Diese richtete sich nach einem Zusammenhang oder thematischen Ähnlichkeiten mit den Inhalten dieser Arbeit. Um die Einsicht in die Literatur zu erleichtern, wurde bei sich gleichender Literatur die sich in Frankfurter Bibliotheken befindende Literatur gesichtet.

Im Frankfurter Katalog- und Datenbankportal (FRANKA) wurde nach aktueller Fachliteratur gesucht. Zur Suche in FRANKA wurden die Datenbanken der Fachhochschulbibliothek der FH Frankfurt, die Bibliothek der UNI Frankfurt mit RETRO - Zettelkatalog und die Stadtbücherei Frankfurt durchsucht. Hierbei wurde wiederum Literatur, die älter als fünf Jahre ist, nicht gesichtet.

4.1. Ergebnisse der Literaturrecherche

Die Internet-Recherche bei der Bundesärztekammer ergab zwei Suchtreffer. Diese betreffen die Notkompetenzempfehlung für das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal differenziert zwischen der allgemeinen Stellungnahme von 2008 und den Empfehlungen für die Applikation von bestimmten Medikamenten im Rahmen der Notkompetenz.

Bei der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands

e.V. wurden vierzehn Suchtreffer erzielt. Hier teilen sich die Überschriften in

„Stellungnahmen/Empfehlungen“ und „Spezielle Stellungnahmen/Empfehlungen“ auf. Die Themen gliedern sich wie folgt:

Stellungnahmen/Empfehlungen

- Rettungsdienst in Deutschland
- Ärzte im Rettungsdienst
- Leitender Notarzt
- Ärztlicher Leiter Rettungsdienst
- Ärztlicher Leiter Notarztstandort
- Notarzt im Intensivtransport

Spezielle Stellungnahmen/Empfehlungen

- Hilfsfrist im Rettungsdienst
- Notarzteinsatz
- Notarzteinsatz-Dokumentation
- Sichtung/Dokumentation
- Ausbildung Rettungsassistentin/- assistent
- Frühdefibrillation/First Responder
- Normen (DIN/CEN)
-Qualitätsmanagement im Rettungsdienst

Bei der Recherche nach Eingaben beim Deutschen Bundestag wurde eine Petition von Eyk Twelkemeier gefunden. Er fordert gesetzliche Regelungen zu Gunsten des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals. Dieses sollte ärztliche Maßnahmen durchführen dürfen, ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen.

Die Recherche bei der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DAGI) brachte 33 Suchtreffer. Von diesen fallen fünf in den Bereich der Notfallmedizin.

Die Recherche bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erbrachte 30 Suchtreffer. Diese teilen sich wiederum in Notfallmedizin (28 Suchtreffer) und in Katastrophenmedizin (2 Suchtreffer) auf.

Bei der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands

e.V. (BAND) ergab die Recherche 14 Suchtreffer. Zudem wurden 8 Suchtreffer in der Kategorie „Spezielle Empfehlungen und Stellungnahmen der BAND“ erzielt. Auf der Internetseite von Rettungsdienst Interaktiv ist die Diplomarbeit von Frank Bindmann[3] einzusehen. Er schreibt über die Rettungsdienstausbildung in Deutschland und kritisiert unter anderem die Auswahl und Ausbildung der Fachdozenten.

Nach dem Recherchieren bei den Fachgesellschaften wurde die Recherche bei Internetdatenbanken fortgesetzt. Für die Recherche in den Internetdatenbanken DIMDI, MEDPILOT, SIRIUS und VASCODA wurden die Suchbegriffe „Recht im Rettungsdienst“, „juristische Probleme in der Notfallmedizin“, „rechtliche Grundlagen im Rettungsdienst“, „rechtliche Grundlagen der Notkompetenz Rettungsdienst“, „ärztliches Delegationsrecht im Rettungsdienst“ und

„Notkompetenz im Rettungsdienst“ angegeben. Die durchsuchten Datenbanken und Einstellungen der Datenbanken sind in Tabellen der Anlage 06 einsehbar.

Gesichtet wurden nur Veröffentlichungen ab 2002.

Der nächste Schritt der Literaturrecherche stellte die Recherche nach Fachliteratur dar. Das erste durchsuchte Portal waren die Frankfurter Kataloge (FRANKA). Diese wurden mit selbigen Suchbegriffen durchsucht (s. Anlage 06). Zudem wurde in HEBIS eine weitere Recherche nach Fachliteratur durchgeführt. Da FRANKA und HEBIS auf verschiedene Datenbanken zugreifen, gab es viele doppelte Suchergebnisse. Hinzu kommt noch, dass viel Literatur in verschiedenen Jahren publiziert wurde und somit sich selbige Titel noch weiter anhäuften. Die Selektion der Fachliteratur fand nach zwei Hauptkriterien statt. Diese sind zum einen das Erscheinungsjahr (ab 2002) und zum anderen der Titel. Publikationen, deren Titel schon zeigte, dass sie für diese Arbeit nicht relevant sind, wurden nicht gesichtet.

Die Publikationen von Boll[4], Hennes[5] und Lissel[6] wurden trotz ihrer Veröffentlichung vor 2002 nicht aussortiert. Von Boll und Lissel sind keine neueren Ausgaben erhältlich. Dennoch sind die Inhalte nicht zu alt, um komplett überholt zu sein und können in diese Arbeit mit einfließen.

Die Publikation von Hennes erachte ich als sinnvoll mit einzubeziehen, da sie die Sichtweise einer Hilfsorganisation, in diesem Fall des Deutschen Roten Kreuzes, darstellt. Die Literaturanalyse zeigte auch, dass es zum Thema dieser Arbeit nur wenig Fachliteratur gibt.

5. Notkompetenz des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals

Notkompetenz ist nur für Rettungsdienstbereiche, die im Rendezvous-System organisiert sind, von Relevanz. Notärzte werden entweder bei eingehendem Notruf mit dem RTW/KTW mitalarmiert oder von der jeweiligen Besatzung nachalarmiert. Es richtet sich nach der Einschätzung des Leitstellendisponenten, ob eine Notarztindikation z.B. nach Notarztalarmierungskatalog notwendig ist, ob ein Notarzt vor Ort sein sollte oder ob es ausreicht, ein nichtärztlich besetztes Rettungsmittel (RTW/KTW) zu alarmieren. Die bei der Rettungsleitstelle eingegangene Notfallmeldung muss sich nicht zwingend mit der vor Ort vorgefunden Situation decken.

Die Besatzungen der nichtärztlichen Rettungsmittel müssen in diesen Fällen entsprechende weitere Kräfte, wie z.B. Notarzt, nachfordern. Hinzu kommen noch Situationen, in denen Patienten z.B. unter starken Schmerzen leiden oder nicht schmerzfrei auf die Trage umgelagert werden können.

In diesen Fällen obliegt die Einschätzung, ob ein Notarzt zur Schmerzbekämpfung (Analgesie) nacharmiert wird oder nicht, der Besatzung. Zudem ist es denkbar, dass eine nichtärztliche Besatzung vor Ort einen Patienten vorfindet, der sich in Lebensgefahr befindet und dringend medizinischer Hilfe bedarf. In diesem Fall stellt das Zeitmanagement einen großen Faktor dar. Wird ein Notarzt benötigt, sollte dies so früh wie möglich erkannt und dieser schnellstens nachgefordert werden. Je früher dieser alarmiert wird, um so früher trifft er vor Ort ein und um so weniger Zeit stellt sich für das nichtärztliche Personal die Frage, ob ärztliche Maßnahmen (erweiterte Maßnahmen in Notkompetenz nach BÄK, 2008) ohne Arzt ergriffen werden sollen oder müssen. Vor dem Durchführen einer ärztlichen Maßnahme durch nichtärztliches Personal sollten zuerst die Basismaßnahmen mit Anamneseerhebung durchgeführt werden. Bei gutem Zeitmanagement und der Verfügbarkeit eines Notarztes sollte dieser nun vor Ort eintreffen.

Abzuwägen ist im Punkte Zeitmanagement auch die Erreichbarkeit der Zielklinik. Ist die Anfahrzeit erheblich kürzer als die Wartezeit bis zum Eintreffen des Notarztes, stellt sich für die Besatzung in der Praxis die Frage, ob es sinnvoller ist den Patienten in die Klinik zu transportieren anstelle auf den Notarzt zu warten.

Im Falle der Entscheidung zu Gunsten des Transportes hat der Patient in kürzerer Zeit eine sofortige klinische Versorgung, die der Notarzt präklinisch nicht leisten kann. Der formal korrekte Weg ist allerdings das Warten auf den Notarzt vor Ort. Eine Ausnahme der Verpflichtung des nichtärztlichen Personals den Notarzt hinzuzuziehen, stellt die „Crash-Rettung“ dar. Ist ein Mensch in einem Fahrzeug eingeklemmt, so kann sich die Feuerwehr für eine Crash-Rettung entscheiden und den Patienten ohne ärztlichen Beistand und Medikationen aus dem Fahrzeug und einer eventuellen Gefahrenzone bringen. Bei dieser Entscheidung ist natürlich zu beachten, dass z.B. eine technische Rettung (herausschneiden) aus einem Fahrzeug für den Patienten eine enorme Belastung und auch starke Schmerzen mit sich bringen kann. Liegt keine Gefahrenzone vor kann der Zustand des Patienten auch eine Indikation für eine Crash-Rettung darstellen. Das Retten des Lebens steht hier z.B. über dem Retten des Beines eines Patienten. Als drittes Beispiel möchte ich die Situation einer Messerstecherei anbringen. Der Patient hat einen großen Blutverlust und innere Blutungen erlitten. Der Notarzt kann vor Ort nicht viel ausrichten, da er nicht auf der Straße operieren kann. In manchen Rettungsdienstbereichen wird in diesen Fällen nach dem Prinzip „Load and Go“ verfahren. Es wird keine Zeit vertrödelt, sondern eingeladen und schnellst möglichst in die Zielklinik gefahren. Natürlich wird in diesem Fall auf die maximalversorgende Klinik verzichtet, falls eine Klinik mit einer chirurgischen Abteilung schneller erreichbar ist.

5.1. Erläuterung der Notkompetenzempfehlung nach der Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer hat eine Stellungnahme (BÄK, 2008; s. Anlage 03) veröffentlicht, in der sie beschreibt, wann Rettungsassistenten nach Ansicht der BÄK welche ärztlichen Maßnahmen durchführen dürfen.

Grundlegend werden von der BÄK nur Rettungsassistent/in/en angesprochen.

Die BÄK sagt, dass Rettungsassistenten kein medizinischer Fachberuf sind und dass keine generelle Übertragung ärztlicher Maßnahmen auf Rettungsassistenten durch §3 RettAssG erfolgt. Es besteht auch in der Notfallmedizin für die Ausübung der Heilkunde der Arztvorbehalt folglich §1 Heilpraktikergesetz.

Die Grundlage für die Inanspruchnahme der Notkompetenz sieht die BÄK in der Delegation ärztlicher Maßnahmen des ärztlichen Leiters Rettungsdienst an das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal und in der Inanspruchnahme des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB (s. 5.2.1. Rechtfertigungsgründe). Das Recht des Führens der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ reicht laut BÄK nicht alleine aus, um Maßnahmen der Notkompetenz durchzuführen, da die Beherrschung der Maßnahmen nicht alleine durch das Erreichen des Ausbildungszieles gewährleistet ist. Die Anordnungsverantwortung und die Feststellung der geeigneten Qualifikation des Rettungsassistenten liegen beim Arzt. Hingegen bleibt beim Rettungsassistenten die Frage der Zumutbarkeit und (für die Durchführung) die Durchführungsverantwortung. Nicht delegierbar sind das Stellen von Diagnosen und die therapeutische Entscheidung. Zudem sind Delegationen nur zulässig, wenn keine speziellen ärztlichen Kenntnisse oder Erfahrungen zum Durchführen der ärztlichen Maßnahme erforderlich sind.

Weitere Bedingungen, an die der Rettungsassistent bei Inanspruchnahme der Notkompetenz laut BÄK (2008) gebunden ist, sind neben der ausreichenden Qualifikation und Übung die Tatsache, dass erstens keine rechtzeitige ärztliche Hilfe vor Ort sein kann und zweitens nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel immer die am wenigsten invasivste Maßnahme ergriffen wird und drittens andere Maßnahmen nicht denselben Erfolg versprechen wie die ärztliche Maßnahme. Durch den ärztlichen Leiter Rettungsdienst muss eine fortlaufende Überprüfung der Qualifikation des Rettungsassistenten stattfinden. Die BÄK spricht klar von Einzeldelegationen und keiner generalisierten Delegation an alle Rettungsassistenten. Die im Rahmen der Notkompetenz in Frage kommenden Maßnahmen sind die Intubation ohne Relaxantien, die Venenpunktion mit der Applikation von kristalloiden Infusionslösungen, die Frühdefibrillation und die Applikation ausgewählter Medikamente. Die Entscheidung, welche ärztlichen Maßnahmen im jeweiligen Rettungsdienstbereich auf Rettungsassistenten delegiert werden, obliegt dem jeweiligen ärztlichen Leiter Rettungsdienst.

5.2. Auslegung rechtlicher Grundlagen in Notsituationen

Bezogen auf die von Boll[7] am Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim in seinem Buch veröffentlichten Darstellungen, die diesem Abschnitt zugrunde liegen, wird davon ausgegangen, dass in Notsituationen unter Zeitdruck gearbeitet wird. Es kann eine Absenkung der im Normalfall gestellten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht angenommen werden, da die helfend einspringende Person nicht in ruhigem Umfeld und nach ausreichender Überlegung handelt. Dies gilt z.B. für Pflegepersonal, welches in Notsituationen ärztliche Maßnahmen durchführt.

Auch wenn dies die Ausnahme darstellt steht hier ein Bezug zum Krankenpflegegesetz (KrPflG). Darin steht in § 3 Abs. 2, 1 d: „... Einleitung lebensrettender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes ...“.

Anders als beim Pflegepersonal stellt das Arbeiten unter Notfallbedingungen und unter Zeitdruck für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal den Normalfall dar.

Ein Absenken der Anforderungen an die durchzuführenden Maßnahmen sollte beim nichtärztlichen Rettungsdienstpersonal nicht stattfinden. Allerdings stellt das Durchführen von ärztlichen Maßnahmen für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal keineswegs den Normalfall dar, da es in Deutschland eine flächendeckende notärztliche Versorgung gibt. Da Notärzte notärztliche Maßnahmen im Gegensatz zum nichtärztlichen Rettungsdienstpersonal regelmäßig durchführen und somit in ihnen geübt sind, erscheint es als unangebracht, Notärzte und nichtärztliches Rettungsdienstpersonal am selben Sorgfaltsmaßstab zu messen. Dies hat keinen Einfluss darauf, dass durchgeführte ärztliche Maßnahmen vom nichtärztlichen Rettungsdienstpersonal beherrscht werden müssen.

Grundsätzlich gilt bei der Durchführung ärztlicher Maßnahmen der Arztvorbehalt. Die „Notkompetenzempfehlung“ der Bundesärztekammer von 2008 (s. Anlage 03) stellt für den Juristen lediglich einen nichtbindenden Maßnahmenkatalog[8] und keine rechtliche Norm dar.

Wird in einer Notfallsituation von einer nichtärztlichen Hilfsperson eine ärztliche Maßnahme durchgeführt, so ist nach Boll[9] nicht die Qualifikation des Helfers primär entscheidend, sondern die tatsächliche Beherrschung der Maßnahme. Im Bezug auf das Beherrschen der Maßnahme und die Anforderungen an die durchführende Person dürfte auch in Notsituationen kein Abstrich gemacht werden.

Werden ärztliche Maßnahmen, welche nicht beherrscht werden, durchgeführt, so stellt dies ein Übernahmeverschulden mit daraus resultierender Sorgfaltspflichtverletzung dar. Der „Heilwille“ stellt keinen Schutz vor Fahrlässigkeit dar.

Bei schweren Risikooperationen wird teilweise in der Fachliteratur das Entfallen der Zurechnungsfähigkeit erwogen. Es ist laut Boll[9] abzulehnen, hiervon ein Entfallen der Zurechnungsfähigkeit bei Rettungshandlungen abzuleiten.

In Notsituationen kann bei invasiven medizinischen Noteingriffen nicht von unverbotenem Risiko ausgegangen werden, da das eingegangene Risiko für den Patienten zu hoch ist. Genauso darf ein Übernahmeverschulden auch bei „unfreiwilliger Übernahme“ nicht anders beurteilt werden wie ein Übernahmeverschulden in einer Situation ohne Not.

Tries[10] erwähnt, dass der Bundesgerichtshof (BGH NJW 1985,2193) von Ärzten vorausgehende Kontrollen über Fachkenntnisse, Erfahrung in der Anwendung und der Durchführung der Maßnahme verlangt, da Mängel in diesen Bereichen ein für den Patienten nicht tragbares Risiko darstellen. Tries leitet davon ab, dass dies auch für nichtärztliches Hilfspersonal gilt. Kommt es zu einem zivilrechtlichen Haftungsfall, müssen die Kontrollmaßnahmen zur Entlastung belegt werden.

5.2.1. Rechtfertigungsgründe

In diesem Abschnitt werden Rechtfertigungsgründe, Ansicht und Ableitung von Auslegungen nach Boll9 dargestellt.

Es kann nach Boll (2001) eine Einwilligung des Patienten in eine ärztliche Maßnahme in einer lebensgefährlichen Situation als Rechtfertigung angesehen werden. Die Einwilligung stellt kein Absenken an die Sorgfaltsanforderungen dar. Befindet sich der Patient in einer lebensbedrohlichen Situation, in der er sich nicht in der Lage befindet, eine Einwilligung oder Verweigerung zu geben, kann der Rechtfertigungsgrund der „mutmaßlichen Einwilligung“ vom Täter (Helfer) in Anspruch genommen werden.

[...]


[1] vgl. Böhmer; Schneider; Wolke (2005), Taschenatlas Rettungsdienst, S. 10

[2] Die Petition wurde am 28.03.2006 von Eyk Twelkemeier beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eingereicht; s. Anlage 04

[3] Bindmann, Frank (2003), Untersuchung zur aktuellen Situation der Ausbildung des Rettungsdienstpersonals in der BRD, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg, http://www.rettungsdienst-interaktiv.de : 04.02.2008

[4] Boll, Matthias (2001), Strafrechtliche Probleme bei Kompetenzüberschreitungen nichtärztlicher medizinischer Hilfspersonen in Notsituationen, Springer Verlag Berlin Heidelberg

[5] Hennes, H.J. und Lehranstalt für Rettungsdienst des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz (1994), Die Notkompetenz der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten, 1. Auflage, Reba Verlag Darmstadt

[6] Lissel, Patrick (2001), Strafrechtliche Verantwortung in der präklinischen Notfallmedizin, Verlag Peter Lang Frankfurt am Main

[7] vgl. Boll, Matthias (2001), Strafrechtliche Probleme bei Kompetenzüberschreitungen nichtärztlicher medizinischer Hilfspersonen in Notsituationen, Springer Verlag Berlin Heidelberg, S. 43 ff

[8] vgl. Tries, Ralf (2005), Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst, 3. Auflage, Verlagsgesellschaft Stumpf und Kossendey m.b.h Edewecht, S. 25 ff

[9] vgl. Boll, Matthias (2001), Strafrechtliche Probleme bei Kompetenzüberschreitungen nichtärztlicher medizinischer Hilfspersonen in Notsituationen, Springer Verlag Berlin Heidelberg, S. 196 ff

[10] vgl. Tries, Ralf (2005), Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst, 3. Auflage, Verlagsgesellschaft Stumpf und Kossendey m.b.h Edewecht, S. 30 ff

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Die Problematik der rettungsdienstlichen Notkompetenz aus rechtlicher Sicht
Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
96
Katalognummer
V112284
ISBN (eBook)
9783640122301
ISBN (Buch)
9783640123667
Dateigröße
1906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problematik, Notkompetenz, Sicht, Rettungsdienst, Notfallmedizin, Medizin, Medizinrecht, Recht, Jura, Rechtswissenschaften, Pflege, Pflegewissenschaft, Rettungsassistent, Rettungssanitäter
Arbeit zitieren
Christian Weismantel (Autor:in), 2008, Die Problematik der rettungsdienstlichen Notkompetenz aus rechtlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112284

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