Renaissance der Utopie?

Bedingungen und Erscheinungsformen der Utopie in der westlichen Welt der Gegenwart


Magisterarbeit, 2007

116 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Utopiebegriff und Bezugsrahmen
2.1. Totalitärer, intentionaler und klassischer Utopiebegriff
2.2. Wandlungsfähigkeit und Lernprozesse der Utopie

3. Das Ende der Utopie – zwei Versionen der Utopiekritik
3.1. Utopie = Sozialismus = Totalitarismus. Die liberal-konservative Utopiekritik
3.2. Das Ende der großen Erzählungen. Die postmoderne Utopiekritik

4. Aspekte einer Neubestimmung utopischen Denkens seit 1990
4.1. Die Erreichbarkeit der Utopie
4.1.1. Die illusionslose Utopie
4.1.2. Die konkrete Utopie nach dem Ende des Sozialismus
4.1.3. Utopie als Szenariotechnik?
4.2. Der Weg ist das Ziel: Die Utopie als Prozess
4.2.1. Das Bilderverbot der Utopie
4.2.2. Die Prozess-Utopie der kleinen Schritte
4.2.3. Die Prozess-Utopie der Spätmoderne
4.3. Die Diffusion des Utopischen in der Heterotopie
4.3.1. Die Heterotopie nach Michel Foucault
4.3.2. Pluralität heterogener Konstruktionen
4.3.3. Beunruhigung statt Kompensation
4.3.4. Der Übergang von der Utopie zur Heterotopie
4.4. ‚Degenerate Utopias‘ (Harvey)
4.4.1. Die konservative Utopie der Gegenwart
4.4.2. ‚Living in Utopia‘ (Bauman): Die Utopie der Marktwirtschaft
4.4.3. Der perfekte Körper als Utopie?
4.5. Wandlungen der Utopie

5. Die bisherigen Ergebnisse vor dem Hintergrund von Hartmut Rosas „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“
5.1. Die Geschichte der Moderne als Beschleunigungsgeschichte
5.2. Die Erosion der modernen Grundlagen utopischen Denkens
5.3. Die Grenzen des Utopischen in der Spätmoderne

6. Utopie als Chiffre oder: die Sehnsucht nach der Utopie

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit dem Ende des Kalten Krieges durch den Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus 1989/91 rückten die liberale Demokratie und Marktwirtschaft in die Position eines unangefochtenen Gesellschaftsmodells. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sah bekanntlich in dieser Entwicklung gar das „Ende der Geschichte“ gekommen.[1] Vor diesem Hintergrund wurde zugleich das „Ende des utopischen Zeitalters“[2] verkündet. Das Scheitern des Sozialismus, so der Tenor, habe eindrucksvoll vor Augen geführt, dass die Utopie in ihrer Realisierung zum Totalitarismus führe und letztlich an der ihr eigenen sozialen und politischen Immobilität zugrunde gehen müsse.[3]

Entgegen dieser Feststellungen ist seit den späten 1990ern ein erneutes Interesse an der Utopie in den Sozialund Geisteswissenschaften sowie in der Publizistik zu verzeichnen. Eine Reihe von Zeitschriften hat sich in Themenausgaben der Utopie gewidmet.[4] Selbst der utopischen Überschwangs eher unverdächtige Merkur fragte, ob es an der Zeit wäre, „dem Denken über die Zukunft, dem utopischen Enthusiasmus wieder Raum zu geben.“[5] Zudem sind mehrere Bände mit Aufsätzen erschienen, die zum Teil auf Tagungen zurückgehen. Hier zu nennen sind beispielsweise die beiden von dem Historiker Jörn Rüsen initiierten internationalen Tagungen

„Thinking Utopia/Utopisches Denken“ (2001) und „Unruhe der Kultur. Potentiale des Utopischen“ (2002), in deren Anschluss drei Bände erschienen sind.[6] Ein Graduiertenkolleg der FU Berlin beschäftigte sich 2004 mit „Utopischen Körpern“, die Promotionsstipendiaten der Hans Böckler-Stiftung wählten „Grenzüberschreitungen zwischen Realität und Utopie“ zum Thema ihrer Jahrestagung 2005, während die Loccumer Initiative kritischer Wissenschaftler „Möglichkeiten einer anderen Welt“ diskutierte.[7] Rudolf Maresch und Florian Rötzer sehen gar eine „Renaissance der Utopie“ gekommen.[8] Andere Autoren haben sich in Monographien mit dem Zustand utopischen Denkens sowie seinen Möglichkeiten und Grenzen auseinandergesetzt: so etwa der US-amerikanische Historiker Russell Jacoby in seinem „Picture Imperfect. Utopian Thought for an Anti-Utopian Age“, der Literaturwissenschaftler Tom Moylan in seinem „Scraps of the Untainted Sky“ oder Fredric Jameson in „A Desire Called Utopia“.[9]

Eine „Neubestimmung und Neuorientierung utopischen Denkens“[10] zeichnet sich allerdings bereits zu Beginn der 1990er ab. In dem vom deutschen Politikwissenschaftler Richard Saage herausgegebenen Band „Hat die politische Utopie eine Zukunft?“[11] z.B. melden sich nicht nur Verfechter eines Endes der Utopie zu Wort, sondern mit Udo Bermbach, Johano Strasser, Herfried Münkler und Saage selbst Vertreter der These, dass nicht die Utopie per se erledigt sei, sondern dass lediglich bestimmte Formen utopischen Denkens, seine „etatistisch-autoritäre Linie“,[12] an ihr Ende gekommen seien.

Bei einer ersten Sichtung der Quellen zeigt sich Folgendes: Erstens spielen zeitgenössische Romane kaum eine Rolle bei einer Neuverortung der Utopie. Wo auf utopische Literatur eingegangen wird, werden meist die Klassiker insbesondere der 1970er angeführt. Vielmehr wird zweitens das Utopische gerade auch jenseits des literarischen Entwurfs einer Idealgesellschaft gesucht und thematisiert. Ansatzpunkte und Erkenntnisinteressen der Autoren sind aus diesem Grunde breit gestreut. So beschäftigt sich besagtes Graduiertenkolleg der FU Berlin mit

„Utopischen Körpern“, während in dem von Jörn Rüsen herausgegebenen „Unruhe der Kultur“ das utopische Potential der Kybernetik ebenso behandelt wird wie die „Schaffung einer grünen Utopie“. Ebenso divergiert drittens das, was unter Utopie verstanden wird, von Autor zu Autor zum Teil erheblich. Viertens aber konvergieren die unterschiedlichen Autoren darin, dass sie sich meist mehr oder weniger offen von Utopien der Vergangenheit distanzieren.

Die Frage nach einer möglichen Renaissance der Utopie wird in der vorliegenden Arbeit in der Weise behandelt, dass untersucht, inwieweit sich aus der Vielfalt divergierender Positionen eine zeitgenössische ‚Lesart‘ der Utopie herauskristallisieren lässt. Bei einer solchen Vorgehensweise können zwar fraglos wichtige Aspekte nicht hinreichend gewürdigt werden. So wird beispielsweise die empirische Untersuchung des Einflusses der hier dargelegten Perspektiven auf politisches Denken und Handeln ausgespart bleiben.[13] Trotzdem sprechen gute Grunde für eine Fokussierung auf das jeweils zugrunde gelegte Utopieverständnis. Zunächst einmal ist es angebracht zu explizieren, was mit Utopie bezeichnet wird, wenn von einer neuen bzw. andauernden Bedeutung dieser gesprochen wird. Dies umso mehr, wenn erstens mit dem Begriff Utopie sehr Unterschiedliches bezeichnet wird und wenn zweitens damit gleichzeitig eine mehr oder minder entschiedene Distanzierung von älteren Utopien bzw. Utopieverständnissen vorgenommen wird. Eine derart vorgehende Untersuchung kann darlegen, unter welchen Aspekten an ältere Utopietraditionen angeknüpft wird und inwieweit diese auch verworfen werden. Ein Abwägen von Momenten der Tradierung und Momenten der Distanzierung wirft zudem die Frage auf, ob es weiterhin schlüssig ist, von Utopien zu sprechen. Zu untersuchen sein wird schließlich, in welchem Zusammenhang der Wandel dessen, was unter Utopie verstanden wird, gesehen werden muss mit einer Veränderung der sozialen und politischen Parameter vor deren Hintergrund das Nachdenken über die Utopie stattfindet. Hier drängt sich die Gegenüberstellung Moderne – Postmoderne auf. Aber auch Zeitdiagnosen wie Ronald Inglehards Postmaterialismus-These, Ulrich Becks Risikogesellschaft oder Peter Gross´ Multioptionsgesellschaft legen nahe, dass Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu geführt haben, dass „irgendetwas Neues kommt oder schon herangekommen ist, das sich von dem, was bis dahin Moderne genannt wurde, in hinreichend signifikanter Weise unterscheidet, um eine neue Benennung zu rechtfertigen.“[14] Die Frage nach einer möglichen Renaissance der Utopie stellt sich so wie folgt: Gelingt es, unter den Bedingungen, die nur noch bedingt die der Moderne zu sein scheinen, plausibel an ältere Utopien anzuknüpfen, oder reflektieren die in dieser Arbeit dargelegten Neuorientierungen utopischen Denkens geradezu die Grenzen einer solchen Renaissance in der Gegenwart? Dies ist eine grundlegende Frage, die vor einer Auseinandersetzung mit den praktischen Einflussmöglichkeiten einzelner Ansätze zu beantworten ist.

Eine Auswertung der Literatur zu diesem Thema hinsichtlich eines gewandelten Utopiebegriffs ist bislang erst in Ansätzen erfolgt. Richard Saage nimmt eine knappe Zusammenfassung v.a. der Beiträge seines wichtigen Buches „Hat die politische Utopie eine Zukunft?“ im vierten Band seiner „Utopischen Profile“ vor. Dabei lässt er jedoch die Frage nach „einem erneuerten Utopiediskurs“ offen.[15] In seinem „Utopieforschung. Eine Bilanz“ zeichnet Saage die Konzeptualisierung des Utopischen als „Veränderungsstrategie der kleinen Schritte“ bei Autoren wie Burghart Schmidt, Rolf Cantzen und Rolf Schwendter nach.[16] Bezieht sich Saage hauptsächlich auf die deutsche Literatur, vertritt die britische Soziologin und Utopieforscherin Ruth Levitas die These, dass v.a. in der englischsprachigen Forschungsliteratur Utopie zunehmend als ein Prozess aufgefasst wird, anstatt mit dem Entwurf einer alternativen Idealgesellschaft Aspekte des Inhalts in den Vordergrund zu rücken.[17] Dieser Ansatz wird in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen und weiterverfolgt. Ebenfalls einen guten Überblick über die Utopieforschung und Utopiekonzepte im englischsprachigen Raum gibt der US-amerikanische Literaturwissenschaftler Tom Moylan in seinem jüngsten Buch „Scraps of the untainted sky“.[18] Der Verlauf dieser Arbeit gliedert sich wie folgt: Um eine Veränderung von Utopiekonzepten feststellen zu können, bedarf es zunächst einer tragfähigen Definition des Gegenstandes (Kapitel 2). Eine allgemein anerkannte Definition der Utopie liegt bislang nicht vor. Für die Fragestellung bietet sich, wie zu zeigen sind wird, jedoch der klassische Utopiebegriff nach Richard Saage an. Eine Neuverortung der Utopie nach 1990 kann hinter zwei prominente Kritiken nicht zurückfallen (Kapitel 3).[19] Einerseits ist da die Kritik von liberaler und konservativer Seite, die im Wesentlichen Utopie mit Sozialismus und Totalitarismus gleichsetzt und die deshalb im Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus eine Bestätigung der eigenen Position sieht, die Utopie sei unrealistisch und nur gewaltsam zu realisieren. Andererseits wird die Utopie von Vertretern der Postmoderne als Ausdruck moderner, potentiell totalitärer Homogenitätsund Rationalitätsvorstellungen verworfen.

Im eigentlichen Hauptteil der Arbeit (Kapitel 4) werden danach Wandlungen des Utopiebegriffs anhand von vier immer wiederkehrenden Argumentationsmustern nachgezeichnet.

Das erste hier behandelte Argument ist, dass die Utopie nach wie vor von Bedeutung ist, jedoch die fiktionale Entfaltung des utopischen Gemeinwesens auf einer entlegenen Insel oder einer fernen Zukunft zu unrealistisch ist und nicht zuletzt auch deshalb potentiell gefährlich. Die große räumliche bzw. zeitliche Distanz zwischen ihrer eigenen Lebenswirklichkeit und der Utopie, die den Utopisten erlaubte, gleichsam auf dem Reißbrett eine ideale Gesellschaft zu entwickeln, stellt sich heute dagegen als ein Hindernis dar.

Das zweite Argument lautet, dass die Utopie nach den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht mehr als detaillierter Entwurf einer Idealgesellschaft gedacht werden könne. Insbesondere in pluralistischen Gesellschaften könne kein kollektives Ideal formuliert werden, dem sich alle partikularen Interessen unterzuordnen hätten. So wird die Utopie als Prozess eines gelingenden Pluralismus aufgefasst; vergleichbar mit dem, was Jürgen Habermas einmal als den utopischen Gehalt der Kommunikationsgesellschaft bezeichnet hat: die „formalen Aspekte einer unversehrten Intersubjektivität“.[20]

Drittens wird eine Lesart dargelegt, die die Utopie in der Nähe zu Michel Foucaults Heterotopie nicht in ein räumlich oder zeitlich entferntes Nirgendwo verlagert, sondern das Utopische in Ermanglung eines effektiven ‚Außen‘ „in den Sprüngen und Rissen“ des Hier und Jetzt verortet.[21] Der holistische Entwurf der klassischen Utopie wird durch eine Vielzahl von Utopien „kleinerer Reichweite“ ersetzt.[22]

Das vierte Argument lautet, dass die Utopie nicht verschwunden ist, sondern dass vielmehr die im Kalten Krieg obsiegende Marktwirtschaft selbst utopische Züge aufweise. Dabei seien im Zuge der Globalisierung das reibungslose Funktionieren eines transparenten, ortlosen/ubiquitären Marktes und individualisierte Vorstellungen eines guten Lebens an die Stelle der transparenten, wohlgeordneten Gesellschaft der klassischen Utopie getreten.

Die unter diesen vier Aspekten untersuchten Wandlungen des Utopiebegriffs deuten auf eine Veränderung der Zeitund Raumwahrnehmung der Moderne hin (Kapitel 5). Der Soziologe Hartmut Rosa führt diese in seiner Studie „Beschleunigung. Veränderung der Zeitstrukturen der Moderne“ auf beschleunigte soziale und technische Prozesse zurück, die am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem qualitativen Umschlag in der Konstruktion sozialer Wirklichkeit führen. In dieser Spätmoderne verlieren langfristige Planungen individuellen Lebens wie in der Politik gegenüber Flexibilität und Okkasionalität an Bedeutung. Die klassischen Utopien nehmen sich vor diesem Hintergrund wie Relikte einer vergangenen Zeit aus. Die vorgelegten spätmodernen

‚Lesarten‘ der Utopie, so die Hauptthese der vorliegenden Arbeit, sind eher Ausdrucks dieses Umstandes, als dass sie wie die klassische Utopie einen Ausweg ihrer Situation imaginieren.

2. Utopiebegriff und Bezugsrahmen

Um Transformationen des Begriffs der Utopie seit 1990 zu benennen, ist es zunächst unerlässlich, einen Bezugspunkt festzulegen, von dem aus Differenzen zu Tage treten können. Dabei kann nicht auf einen allgemein anerkannten Begriff zurückgegriffen werden, schon gar nicht auf einen, der über die Grenzen einer wissenschaftlichen Disziplin hinaus akzeptiert wäre.[23] Der von Richard Saage, im Anschluss an Überlegungen von Norbert Elias[24] vorgeschlagene klassische Utopiebegriff erweist sich für die Fragestellung dieser Arbeit als fruchtbar, da er von einem mit Thomas Morus´ „Utopia“ in der Renaissance einsetzenden, auf Platon zurückverweisenden, historisch wandlungsfähigen, medienunabhängigen Utopiediskurs ausgeht. Aus diesem Grunde wird in der vorliegenden Arbeit weitgehend diesem Konzept gefolgt. Um den Bezugsrahmen für die weiteren Ausführungen abzustecken, wird zunächst Saages Abgrenzung seines klassischen Utopiebegriffs gegenüber konkurrierenden Definitionsversuchen nachvollzogen. Danach wird die Stärke dieses Utopiebegriffs dargestellt, Utopie als historisches, d.h. sich unter bestimmten historischen Gegebenheiten wandelndes Phänomen zu fassen. Utopie erscheint aus dieser Perspektive als Reaktion auf eine soziale Realität, die sie einerseits zu transzendieren sucht, in dem sie Alternativen sucht, von deren Voraussetzungen sie andererseits aber auch abhängig ist. So lässt sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit fragen, welche Voraussetzungen für utopisches Denken heute gegeben sind, bzw. inwieweit die historischen Bedingungen, die nach dem klassischen Utopiebegriff die Utopie hervorgebracht haben, noch gegeben sind.

2.1. Totalitärer, intentionaler und klassischer Utopiebegriff

Der in der Utopieforschung wohl profilierteste deutsche Politikwissenschaftler Richard Saage unterscheidet drei Kategorien von Utopiebegriffen voneinander: den totalitären, den intentionalen und den klassischen Utopiebegriff.

Den totalitären Utopiebegriff führt er auf Karl R. Poppers Kritik zurück (vgl. unten 3.1.), der Holismus der Utopie entspringe dem Wunsch, zur Harmonie archaischer Stammesgesellschaften zurückzukehren, und sei in seinem Kern totalitär. Saage verwirft diesen Utopiebegriff, da Popper die Utopie auf ein Derivat des Totalitarismus reduziere, wodurch ihr kritischer Charakter aus dem Blick gerate. Zugleich weite er den Begriff unnötig aus auf Erscheinungen wie die Theorien von Marx und Engels oder den Faschismus.[25]

Dem gegenüber betont der intentionale Utopiebegriff in der Tradition Gustav Landauers, Karl Mannheims und Ernst Blochs gerade die Momente der individuellen Motivation und des Umbruchs. Allerdings weist Saage zurecht darauf hin, dass Utopie auch hier lediglich Derivatcharakter besitzt. Entweder wird sie auf Revolution (Landauer) oder Ideologie (Mannheim) zurückgeführt. Zudem könne der intentionale Utopiebegriff die anti-individualistischen, nur bedingt nach Umsetzung strebenden Raum-Utopien der Renaissance kaum fassen. Und schließlich zöge die Festlegung der Utopie auf alles, was eine Überwindung des status quo vorwegnehme, eine Ausuferung nach sich, die bei Bloch dazu führe, dass religiöse Eschatologien, individuelle Tagträume ebenso zu den Utopien gerechnet würden, wie Jahrmärkte oder Beethovens Neunte Symphonie.[26]

Diese Problematik zeigt sich auch in dem Versuch der britischen Soziologin Ruth Levitas, einen allgemeinen Utopiebegriff aufzustellen. Hilfreich ist ihre Unterscheidung zwischen Utopiebegriffen je nachdem, ob sie von einem bestimmten Inhalt, einer bestimmten Form oder einer bestimmten Funktion ausgehen. Sie zeigt, das keine der drei Dimensionen sinnvoll als historisch invariant angenommen werden kann. Daraus schließt sie, dass Utopie als Wunsch nach einem besseren Leben die allgemeinste Definition ist, die in der Lage ist, den Blick für Veränderungen in diesen Dimensionen freizumachen. Allerdings räumt auch sie ein, dass dies auf Kosten einer klaren Abgrenzung gegenüber anderen Phänomenen geht.[27] Gerade für diese Arbeit, die Wandlungen des Utopiebegriffs untersucht, erweist sich Levitas´ Ansatz als wenig hilfreich. Um eine Wandlung des Utopiebegriffs festzustellen, müssten zunächst Referenzpunkte erarbeitet werden, um die Variablen Inhalt, Form und Funktion begrifflich zu ‚füllen‘.

Hilfreicher erweist sich hier der klassische Utopiebegriff von Saage, der unter Rekurs auf die Quellen Utopie möglichst dicht an das Muster angelehnt definiert, das Thomas Morus in „Utopia“ (1516) entwickelt hat, und von dort aus Entwicklungslinien verfolgt. In seinen umfangreichen Studien[28] liefert Saage gleichsam die Referenzpunkte, die einen Vergleich erst ermöglichen. Er geht dabei von der Prämisse aus, daß politische Utopien Fiktionen innerweltlicher Gesellschaften sind, die sich entweder zu einem Wunschoder Furchtbild verdichten. Ihre Zielprojektion zeichnet sich durch eine präzise Kritik bestehender Institutionen und sozio-politischer Verhältnisse aus, der sie eine durchdachte und rational nachvollziehbare Alternative gegenüberstellt.[29]

Hiervon ausgehend, lässt sich der Untersuchungsgegenstand von anderen verwandten Gegenständen unterscheiden. So stellt sich die Utopie aus dieser Perspektive als ein genuines Phänomen der westlichen Moderne dar.[30] Sie spiegelt die Vorstellung wider, dass der Mensch seine Gesellschaft nach rationalen Gesichtspunkten selbst konstruieren kann. Damit erfolgt eine Abgrenzung zu metaphysischen oder in die Vergangenheit projizierten Fiktionen, wie dem Paradies, dem Schlaraffenland, dem Goldenen Zeitalter oder religiösen Heilserwartungen, wie sie für die chiliastischen Visionen der Wiedertäufer des 16. Jahrhunderts kennzeichnend waren.[31] Jedoch finden sich in vormodernen Quellen Elemente, die in Utopien wieder auftauchen, wie z.B. das Element der Harmonie, das in Bildern vom Paradies oder dem Goldenen Zeitalter ausgedrückt wird, oder das Element der Hoffnung, wie es im Millenarismus zum Ausdruck kommt.[32]

Zudem können mit Saages Fokussierung auf politische Utopien Fiktionen unterschieden werden, die nicht ein besseres oder ideales Gemeinwesen darstellen. Zu diesen gehören individuelle Tagträume ebenso wie die Literaturgattung der Robinsonade, die den Kampf des Einzelnen gegen die Natur thematisiert, oder der Bildungsroman und die Schäferidylle, die auf der Ebene des Individuellen angesiedelt sind. Science-Fiction unterscheidet sich von der politischen Utopie, da in ihr zumeist wissenschaftlich-technische Aspekte im Vordergrund stehen und das Moment der Sozialkritik und die Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Formen in den Hintergrund tritt.[33] Dem kann hinzu gefügt werden, dass Science Fiction, zumal in populären Filmen, hauptsächlich die (zumeist physische) Auseinandersetzung des Protagonisten mit seinen Widersachern zum Thema hat und nicht die Errichtung eines Gemeinwesens.[34]

Die utopiespezifische Art der Gegenwartskritik grenzt sie schließlich gegenüber Disziplinen mit wissenschaftlichem Anspruch wie der Futurologie und dem Marxismus ab. Wo Letzterer sich der detaillierten Ausgestaltung des angestrebten Gesellschaftszustands verweigert, macht der Entwurf nach Saage gerade den Kern der Utopie aus.[35] Im Gegensatz zur Futurologie, die durch die Hochrechnung gegenwärtiger Trends und empirischer Daten mögliche zukünftige Szenarien ermittelt, zeichnet sich die Utopie dadurch aus, dass sich der Wunsch nach einer besseren Gesellschaft nicht in der Analyse der bestehenden defizitären erschöpft, sondern dass „vielmehr der Gegenwart ein als optimal vorgestelltes Zukunftsbild schroff entgegengehalten wird.“[36] In Anlehnung an Lars Gustafson spricht Frank R. Pfetsch hier auch von einem „diskontinuierlichen Übergang“ zwischen kritisiertem status quo und dem utopischen Entwurf als normativer Setzung.[37] So sind die Utopien zwar oftmals Projektionen in die Zukunft, bleiben aber letztlich auf die Gegenwart bezogen ist. Sie liefern „keine echten Zukunftsszenarien und sind keine Wahlprogramme, sondern beschreiben die Schattenseiten der Gegenwart sowie Drohungen, die oft zeitlich unbestimmt sind.“[38] Sie sind demnach zugleich einerseits auf die bestehende Gesellschaft bezogen (systemimmanente Kritik), andererseits in einer Unwirklichkeit angesiedelt (systemtranszendierende Kritik).

2.2. Wandlungsfähigkeit und Lernprozesse der Utopie

Durch diese Positionierung ergibt sich der historische Charakter der Utopie. Sie ist immer an ihren Entstehungskontext gebunden, wie die Spiegelmetapher Gustafsons versinnbildlicht.[39] Saages klassischer Utopiebegriff trägt dem Rechnung, indem er von einer Reihe invarianter Strukturmerkmale ausgeht, die sich epochenspezifisch mit Inhalt füllen. Neben der Sozialkritik sind dies die normative Auszeichnung des Gemeinwohlideals, die mehr oder minder detaillierte Ausgestaltung des Gemeinwesens (wirtschaftliches und politisches System) und schließlich der Geltungsanspruch, den der Autor mit seiner Utopie verbindet.[40] Neben dieser gewissermaßen von außen erwirkten Wandelbarkeit will Saage mit seinem klassischen Utopiebegriff Lernprozessen innerhalb des Utopiediskurses Rechnung tragen, die auf die Reflexion der eigenen Konstruktionweisen zurückgehen. Hans Seeber weist darauf hin, dass diese Reflexion schon bei Morus´ „Utopia“ zu finden ist, besonders im 20. Jahrhundert, jedoch in der Hinwendung zur Dystopie durch Samjatin, Huxley und Orwell besonders deutlich wird.[41]

Die Wandlungen der Utopie lassen sich grob in vier Phasen einteilen: die Raum-Utopien, deren Paradigma Morus mit seiner „Utopia“ entwickelt, die Zeit-Utopien, die mit dem Aufkommen der Geschichtsphilosophie im 18. Jahrhundert einhergehen und ihre idealen Gemeinwesen in die Zukunft verlagern, die Dystopien des 20. Jahrhunderts, die die negativen Konsequenzen früherer Utopien vor Augen führen und schließlich die Utopien der Gegenkultur der 1960er und 1970er, v.a. der Frauenund Ökologiebewegungen, die eine weitreichende Revision des Utopie vollziehen und neue Möglichkeiten positiver Gesellschaftsentwürfe ausloten.

Wenn sich Utopien an Krisen entzünden, wie Pfetsch annimmt,[42] so lässt sich die Utopie als solche zurückführen auf die Krise der mittelalterlichen Welt, die am Beginn der Neuzeit steht. Die hierarchische Ordnung des Mittelalters, die mit Gott an der Spitze Diesund Jenseitiges, Belebtes und Unbelebtes sowie den Menschen, seine Gesellschaft und deren politische Institutionen in einen gemeinsamen Sinnzusammenhang stellte, verlor durch eine Reihe von Individualisierungsprozessen zunehmend ihre universelle Gültigkeit. Der zweckrational handelnde, marktorientierte Unternehmer begann das alte Ideal der Autarkie und Selbstversorgung überschaubarer Wirtschaftseinheiten zu verdrängen. Das Wahrheitsund Interpretationsmonopol der katholischen Kirche wurde zudem durch die Reformation, befördert durch den Buchdruck, ebenso in Zweifel gezogen wie durch die aufkommenden modernen Naturwissenschaften, die den spekulativen Charakter der Antike aufgaben und induktivempirisch wurden.[43] Die beginnenden Differenzierungsprozesse der Säkularisierung, die neben die Religion andere autonome Systeme wie Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Recht treten ließ, unterminierten alte Gewissheiten: „Die Erfahrung der Gestaltbarkeit der Welt, die in der Entstehung einer genuin politischen Handlungssphäre sich ankündigt, hatte zunächst noch mit dem Kontingentwerden der Erhaltung des Bestehenden zu kämpfen.“[44]

Neben dem modernen, individualistischen Naturrecht stellt die Utopie die zweite große Antwort auf diese Herausforderung dar. Während das Vertragsdenken von vernunftbegabten Individuen ausgeht, die aus Einsicht miteinander einen Gesellschaftsvertrag schließen, um das Sicherheitsdilemma zu lösen, setzt die Utopie zwar ebenfalls auf die säkularisierte Vernunft, jedoch auf eine monistische, den Individuen vorgeordnete Vernunft. Das Gemeinwesen ist die Konkretion dieser kollektiven Vernunft, so dass die Individuen als dessen Produkte und nicht etwa andersherum erscheinen. Der neue Mensch der Utopie ist der vollkommen soziale, dessen Ansichten und Bedürfnisse per definitionem mit denen des Ganzen übereinstimmen.[45] Die utopischen Institutionen „sind der konkrete Ausdruck jener innerweltlichen Ganzheit, mit der die Utopisten den Individualisierungsprozeß der frühen Neuzeit begegnen wollten, ohne die Flucht in die Vergangenheit antreten zu müssen.“[46] Die von Welsch[47] ausgemachten Merkmale der Neuzeit (das Entstehen einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation, das Pathos des radikal Neuen sowie der Anspruch der Universalität) verbinden sich in den Raum-Utopien von Thomas Morus, Tomasso Campanella und Francis Bacon mit dem Wunsch, die konflikthafte Komplexität der neuzeitlichen Gesellschaft zu reduzieren, zu der Vorstellung, dass eine totale Planbarkeit aller sozio-ökonomischen Prozesse auf der Grundlage eines universalen, absoluten Wissens möglich ist.

Somit ist von Anbeginn in die Utopie die Ambiguität eingeschrieben, einerseits Vehikel der Gegenwartskritik und Emanzipation (wie Vertreter eines intentionalen Utopiebegriffs eher betonen), andererseits Ausdruck der Sehnsucht nach einem vorpolitischen, d.h. harmonischen Zustand (wie Anhänger des totalitären Utopiebegriffs einwenden) zu sein. Zurecht weist Saage auf eine etwa zeitgleich mit Morus einsetzende anarchistische Utopietradition[48] hin, die, mit Francois Rabelais angefangen, die Beherrschung der menschlichen Natur im Namen der sozialen Harmonie ablehnt. Doch auch diese, der archistischen bzw. etatistischen Linie entgegengesetzte, erstrebt einen vorpolitischen, unproblematischen Gesellschaftszustand, der jedoch in der Rückkehr zu einer unverfälschten menschlichen Natur vermutet wird.

In den Raum-Utopien wird der kritisierten Gegenwart ein in der Fiktion zeitgleich existierendes perfektes Gemeinwesen als Totalentwurf entgegengehalten. Die Präsentation eines zeitlosen Ideals wird narrativ umgesetzt in der isolierten Insellage und gesellschaftlichen Mechanismen, die Veränderungen verhindern sollen.[49] Gleichwohl findet sich bereits bei Bacon die Idee des Fortschritts durch die „Erweiterung der menschlichen Herrschaft bis an die Grenzen des überhaupt Möglichen.“[50] Die Forschung erfolgt jedoch unter der Auflage, dass Erkenntnisse nur dann die Laboratorien verlassen dürfen, wenn sie die statische Perfektion der Gesellschaft nicht zu gefährden drohen.[51]

Dies beginnt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu ändern. Zurückzuführen ist dies auf die Aufwertung des „Erwartungshorizonts“ gegenüber dem „Erfahrungsraum“ (Koselleck), die sich seit jener Zeit in allen Bereichen der Gesellschaft abzuzeichnen beginnt. Die Herausbildung der Kollektivsingulare „Geschichte“ bzw. „Fortschritt“ ist „Ergebnis eines tiefgreifenden Erfahrungswandels“:[52] Das naturhaft-kreisläufige Verständnis von Geschehensabläufen wird zunehmend durch ein lineares ersetzt. Zeit wird zu geschichtlicher Zeit. Dabei wird die im christlichen Glauben angelegte Vorstellung einer Bewegung hin auf die Wiederkehr Christi säkularisiert: „Die Beschleunigung, zunächst eine apokalyptische Erwartung der sich verkürzenden Zeitabstände vor der Ankunft des Jüngsten Gerichts, verwandelte sich – ebenfalls seit der Mitte des 18. Jahrhunderts – in einen geschichtlichen Hoffnungsbegriff.“[53] Mit dieser Linearisierung wird gesellschaftliche Komplexität durch Temporalisierung und Universalisierung verarbeitet: „Es geht [...] um die sinnhaft semantische Synchronisation durch Parallelisierung der Systemgeschichten mit einer abstrakten, linearen, teleologisch gerichteten Weltdimension der Zeit, die der funktional sich ausdifferenzierenden Gesellschaft ihre Einheit vorspielt.“[54]

Die Utopisten dieser Zeit übernehmen diese Zeitwahrnehmung. Als erster Louis-Sébastien Mercier, der dem Paris des Ancien Régime jenes fiktive des Jahres 2440[55] entgegenhält. Die weitgehend statische, ahistorische Perfektion, die in den Raum-Utopien vorherrscht, weicht der dynamischen Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen in den Zeit-Utopien. Die geschilderte utopische Gesellschaft liegt somit gleichsam auf dem Weg des Fortschritts zur Emanzipation des Menschen.[56] Mit dieser Verlagerung der Utopie in die Zukunft wird die Möglichkeit der Verwirklichung (zumindest implizit) mit ausgedrückt.

Spielt bei den frühen Zeit-Utopien von Mercier oder Morelly der technisch-wissenschaftliche Fortschritt für die Institutionen der utopischen Gesellschaft keine entscheidende Rolle, so rückt mit der industriellen Revolution und der aufkommenden sozialen Frage dieser Aspekt in den Vordergrund. Die scheinbar unbegrenzte Steigerung der Produktion und Naturbeherrschung verspricht die Vermittlung zwischen Gegenwart und Utopie in der Zukunft. So schreibt Etienne Cabet der Dampfkraft die Kraft zu, die „Welt der Zukunft“ zu schaffen.[57] Nicht mehr der tugendhafte, vorbildliche Herrscher ist der Garant des funktionierenden, harmonischen Gemeinwesens, sondern die Kompetenz von Experten. In diesem „Technischen Staat“ (Saage) wird die vollständige Unterwerfung der Natur mittels Wissenschaft und Technik, die in den Utopien von Alexander Bogdanow und H.G. Wells zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Manipulation der menschlichen Natur einschließt, zum Gradmesser erreichten sozialen Fortschritts.[58]

Eben jene Verbindung zwischen dem baconschem Imperativ der Naturbeherrschung und dem Fortschrittsoptimismus der Geschichtsphilosophie wird in den Dystopien der ersten Hälfte des

20. Jahrhunderts problematisiert. Autoren wie Samjatin, Huxley und Orwell reagieren damit einerseits auf historische Erfahrungen und warnen vor zu befürchtenden Entwicklungen, andererseits setzen sie sich mit den Merkmalen der klassischen Utopien kritisch auseinander. In dieser Zeit geraten Technikund Fortschrittsglaube in eine tiefe Krise, als deren Symbol die Materialschlachten des Ersten Weltkriegs gelten können. Aber auch in den Wissenschaften kommt es zu einer „Grundsatzrevision“ (Welsch), die die Moderne mit ihren Vorstellungen des universalen, linearen Fortschritts von innen heraus in Frage stellt.[59] Zudem ließ die sozialistische Praxis nach der Oktoberrevolution 1917 den Glauben, der „technische Staat“ würde durch eine effektive Verwaltung den Weg ins „Reich der Freiheit“ ebnen, in sein Gegenteil umschlagen. Der technische Fortschritt ging nicht einher mit einer gewachsenen individuellen und kollektiven Verantwortungsfähigkeit für die Nutzung der neuen Mittel. Aus diesen Erfahrungen heraus erfolgt in den Dystopien die kritische Auseinandersetzung mit dem Anti-Individualismus der klassischen Utopie. Dient in diesen die Kollektivierung der Abschaffung von Ungerechtigkeiten und Konflikten, die auf egoistische Motive zurückgeführt werden, wird in jenen aus der Perspektive des jeweiligen Protagonisten die Zerstörung von Individualität als Preis für die angestrebte Harmonie problematisiert.[60]

Können die Dystopien nur das Scheitern utopischer Hoffnungen konstatieren, erfährt die positive Utopie in den 1960ern und 1970ern eine Renaissance.[61] Zu nennen sind hier B. F. Skinners

„Walden Two“ (bereits 1948 erschienen, wird es erst in den 1960ern zum Bestseller), Aldous Huxleys „Eiland“ (1962), Ernest Callenbachs „Ökotopia“ oder Ursula K. LeGuins „The Dispossessed“ (1976).

Diese Texte reagieren einerseits auf neue Problemstellungen. Mit dem Bewusstsein für die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und den Raubbau an der Natur stellt sich die Frage nach dem Überleben der Menschheit. Ein weiterer Punkt ist die Differenz zwischen Erster und Dritter Welt, auf der in nicht unerheblichem Maße die Kultur des Massenkonsums in den Industrieländern fußt. Und schließlich stellt sich im Zuge der aus der „Gegenkultur“ (Roszak) hervorgegangenen neuen Frauenbewegung die Geschlechterfrage in neuer Vehemenz.

Angesichts dieser Herausforderungen und der dystopischen Kritik im Rücken wird andererseits die klassische Utopie in zentralen Punkten einer Revision unterzogen. Tom Moylan spricht davon, dass diese „kritischen Utopien“ durch Selbstzerstörung und Verwandlung die Rettung der Utopie unternommen hätten.[62] Saages Bezeichnung der „postmateriellen Utopie“, in Anlehnung an Ronald Ingleharts Postmaterialismus-These, weist auf das Wesen dieses Wandels hin. Das Harmonie-Postulat, welches zumindest in der archistischen Utopietradition mit der Kontrolle menschlicher und außermenschlicher Natur zusammenging, wird zurückgewiesen. Die Voraussetzungen „einer mit sich selbst versöhnten Gesellschaft [werden] in die Ökologie“ verlagert.[63] Das instrumentelle Verhältnis zur Natur wird dahingehend verändert, dass die Entwicklung von Technik dem Imperativ des Überlebens der Menschheit untergeordnet wird. Das wird in den Texten oft durch neue harmonische Ganzheitserfahrungen bewerkstelligt, in Callenbachs „Ökotopia“ z.B. durch die Eingliederung des Menschen in einen vorgestellten Kreislauf der Natur.[64] Im gleichen Maße, wie die Frontstellung gegenüber der Natur aufgegeben wird, erhält die individuelle Entfaltung einen höheren Stellenwert in den utopischen Entwürfen, was sich u.a. in der gewandelten Rolle der Arbeit oder der Behandlung von Konflikten zeigt. Mit Gustafson könnte man von einer geringeren „utopischen Dichte“ dieser Utopien sprechen: Der Entwurf ist weniger detailliert, lässt mehr Spielraum für Entwicklungen.[65]

Mit den „postmateriellen Utopien“ setzt eine neuerliche Verräumlichung der Utopie ein. Wiederum existieren sie parallel zu den kritisierten Gesellschaften. Sie distanzieren sich vom Fortschrittsoptimismus der Zeit-Utopien. Die Zukunft ist nur noch bedingt mit Hoffnungen besetzt, entscheidender wird die Verhinderung einer drohenden Katastrophe. Dementsprechend liefern diese Utopien lediglich fiktive Szenarien, die zeigen, wie eine bessere Welt aussehen könnte. Sie sind, wie z.B. Huxleys „Eiland“ oder LeGuins „The Dispossessed“, in dem Sinne selbstreflexiv geworden, dass sie das eigene Scheitern mit einkalkulieren oder auch dystopische Elemente in den utopischen Entwurf einfügen.[66] Eine eindeutige Zuordnung zur Kategorie Dystopie oder Eutopie wird dadurch erschwert.

Allerdings ist mit den postmateriellen Utopien, wie Krishan Kumar feststellt, in zweifacher Hinsicht eine „Ghettoisierung“ der Utopie verbunden.[67] Einerseits werden diese Utopien zu einem großen Teil durch die Aufnahme von Elementen der Science Fiction (z.B. LeGuins

„Dispossessed“ oder Piercys „Woman on the edge of time“) diesem Genre zugeschlagen und so von einem eher unkritischen, an Unterhaltung interessierten Publikum aufgenommen und werden dadurch von Kritikern sowie einer politisch interessierten Öffentlichkeit ignoriert. Andererseits wenden sich postmaterielle Utopien, die nicht als Science Fiction kategorisiert werden, wie einige der ökologischen und feministischen Utopien, wiederum an einen spezifischen, daher begrenzten Rezipientenkreis.[68]

Zugespitzt spiegelt sich dies in neuerer Zeit wider in der Abkehr von der Darstellung geschlossener Alternativgesellschaften zu Gunsten einer „Beschränkung auf Teilbereiche oder auch nur einzelne Aspekte gesellschaftlicher Alterität“,[69] wie Hartmut Hirsch in seiner Studie zur britischen Utopie zwischen 1945 und 1997 herausarbeitet. Bezüglich der literarischen Utopie in den USA kommt Lyman Tower Sargent zu einer ähnlichen Einschätzung. Zwar zählt er ca. 360 Werke, die zwischen 1990 und 2000 erschienen sind. Jedoch räumt er ein, dass diese keine große öffentliche Aufmerksam erlangten. Neben der unklaren Unterscheidung zwischen Eutopie und Dystopie spielt thematisch auch hier gesellschaftliche Alterität (Geschlecht, Rasse, Homosexualität) die herausragende Rolle.[70]

3. Das Ende der Utopie – zwei Versionen der Utopiekritik

Nachdem im Vorangegangenen der dieser Arbeit zugrunde liegende Utopiebegriff entwickelt wurde, werden im Folgenden die Rahmenbedingungen einer neuerlichen Verortung der Utopie seit den 1990ern dargelegt. Dabei sind zwei prominente Positionen zu benennen, die eine Herausforderung für jene Versuche darstellen. Einerseits haben nicht nur konservative und liberale Autoren, sondern auch ehemalige Linke vor allem in Deutschland den Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus in Ostund Mitteleuropa 1989/91 zum Anlass genommen, die Kritik Karl R. Poppers an den Feinden der „offenen Gesellschaft“ zu erneuern, und nunmehr ein Ende der Utopie zu verkünden.[71] Andererseits wird von Vertretern der Postmoderne die moderne Vorstellung, es ließe sich auf der Basis der Vernunft eine harmonische, perfekt funktionierende Gesellschaft in ihrer Ganzheit planen, als „große Erzählung“ der Moderne entlarvt und in ihrem Kern als totalitär angeprangert. Zugleich jedoch betont z.B. Wolfgang Welsch, dass die Postmoderne selbst eine an Heterostatt an Homogenität orientierte utopische Perspektive beinhalte. Diese weist Anknüpfungspunkte zu den oben dargestellten postmateriellen bzw. kritischen Utopien auf.

3.1. Utopie = Sozialismus = Totalitarismus. Die liberal-konservative Utopiekritik

Die Argumente, die nach 1989 von liberaler und konservativer Seite für das Ende der Utopie angeführt wurden, waren mitnichten neu. Sie gehen grob gesagt davon aus, dass Utopie, Sozialismus und Totalitarismus synonym zu verwenden und aus diesem Grunde gleichermaßen abzulehnen sind. Stephan Meyer hat in seiner Studie zur anti-utopischen Tradition die Ineinssetzung von Utopie und Sozialismus bzw. Kommunismus bis in die 1840er zurückverfolgt. An prominenter Stelle sprach so z.B. Robert von Mohl in seinen Ausführungen zu den Staatsromanen von „communistischer Barbarei“.[72] Im Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus sehen Utopiekritiker dieser Couleur lediglich die endgültige empirische Bestätigung für die Richtigkeit ihrer Argumentation.

Mit Arnhelm Neusüss lassen sich drei Arten miteinander verbundener Einwände unterscheiden, die nach wie vor ins Feld geführt werden: das Kriterium der Realisierbarkeit, der Totalitarismusverdacht und der „eschatologische Einwand“.

Das Kriterium der Realisierbarkeit spielt die normative Macht des Faktischen gegen bloßes Wunschdenken aus. Indem das auf gesellschaftliche Umwälzungen zielende Ansinnen des politischen bzw. weltanschaulichen Gegners als unrealistisch und ideologisch (im Sinne von Fälschung), gekennzeichnet wird, wird die eigene Position als ideologiefrei, mithin realistisch und alternativlos dargestellt. Die Weltfremdheit des Gegners soll gleichzeitig dessen Gefährlichkeit belegen.[73] Unter dem eschatologischen Einwand fasst Neusüss Positionen, die im Zeichen religiöser Überzeugungen oder philosophischer Positionen, die

innerweltliche Aktivität zur praktischen Realisierung von Zielen [ablehnen, J.R.], von denen vorausgesetzt wird, sie seien nicht menschenmöglich. [...] sie [beruhen, J.R.] auf dem Gedanken einer Heilserwartung, deren Erfüllung von menschlichem Wollen und Handeln unabhängig ist und Schicksalscharakter trägt. Menschliches Wollen und Handeln sind vielmehr eher geeignet, die eschatologische Erfüllung zu verhindern.[74]

Dieser konservative Einwand geht von der Unvollkommenheit der Welt aus, die nur zum Preis der verhängnisvollen utopischen Hybris, der Mensch könne mittels seiner Vernunft Gesellschaft und Geschichte nach seinen Vorstellungen gestalten, angegangen werden kann. Kritisieren Konservative an der Planung die Zerstörung der „naturwüchsigen Vielfalt und Kontingenz des individuellen Lebens bzw. der Kulturbereiche oder Subsysteme der Gesellschaft“,[75] verwirft die liberale Kritik Planung als unvereinbar mit demokratischem Pluralismus und offener, dynamischer Gesellschaft. Dieser unterschiedlich motivierte „anti-planerische Affekt“ verschmilzt, so Neusüss, im gemeinsamen undifferenzierten Totalitarismusverdacht gegenüber der Utopie, der einerseits Totalitarismus als realisierte Utopie versteht, andererseits die Utopie zum Vorläufer des Totalitarismus erklärt.[76]

Klassisch ist der Totalitarismusvorwurf wohl von Karl R. Popper in seinen Ausführungen zur

„offenen Gesellschaft und ihren Feinden“ vorgetragen worden. Die utopische Sozialtechnik, deren ersten Vertreter er in Platon sieht, führt er auf das „Geburtstrauma“ des Ausgangs aus der geschlossenen „Stammesgesellschaft“ zurück.[77] Sie missachte, dass die Gesellschaft und ihre Instutionen in erster Linie das ungeplante Ergebnis menschlicher Handlungen sind, gleichsam

„einfach ‚gewachsen‘“[78] sind, und setze demgegenüber auf den grundlegenden Neubau ganzer Gesellschaften nach einem einmal gefassten Plan. Im Votum für die „große Perspektive“ träfen sich der Utopist Platon und der Anti-Utopist Marx. Beide träumten „von der apokalyptischen Revolution, die die ganze soziale Welt radikal umgestalten wird.“[79] Aufgrund der Komplexität tatsächlicher Gesellschaften hegt Popper jedoch Zweifel, ob eine solche Rekonstruktion nach einem Reißbrettentwurf möglich und vor allem: ob sie erstrebenswert ist. Die utopische Sozialtechnik setze ein statisches Ideal voraus, das während seiner Realisierung gegenüber jeder Infragestellung durch die tatsächliche Entwicklung immunisiert werden müsse. Die Fixierung auf den einen, endgültigen Plan für den Idealstaat zur Herbeiführung des Glücks der Menschheit führt nach Popper zwangsweise zu einer zentralistischen Diktatur, in der gegenwärtige Interessen der Einzelnen dem in der Zukunft liegenden Ideal untergeordnet würden – in der der Zweck demnach alle Mittel heilige.

Das im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Sozialismus´ von liberaler und konservativer Seite verkündete „Ende der Utopie“ greift die hier dargestellten Argumentationsmuster gegen die Utopie auf, um die Alternativlosigkeit des status quo als nunmehr endgültig historisch verbürgt darzustellen. Anhand der Positionen von Joachim Fest und Ernst Nolte lässt sich diese strategische Lesart der Utopie als Totalitarismus exemplarisch nachvollziehen. Francis Fukuyama schließlich hat mit seiner Rede vom „Ende der Geschichte“ versucht, diese Zielsetzung geschichtsphilosophisch zu begründen.

Poppers These, die Utopie entspringe der Sehnsucht nach der archaischen Stammesgesellschaft, findet sich bei dem Historiker Ernst Nolte wieder. Utopie ist nach Nolte der Entwurf einer Gemeinschaft innerhalb der Gesellschaft, „sie ist die Sehnsucht nach dem Unpolitischen inmitten der Welt der Politik.“[80] Dieser Entwurf zielt auf einen neuen Menschen, der vollständig sozial in Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Ganzen lebt. Von dieser Warte aus sei es letztlich verfehlt, von politischer Utopie zu sprechen, da Utopie die Aufhebung von Politik intendiere. Nolte wendet den Begriff der politischen Utopie dahin, dass er von der Intention ausgeht. Während einem Utopisten wie Morus, die Verwirklichung seiner „Utopia“ ferngelegen habe, bezeichnet die „politische Utopie“ jene Utopie, deren Umsetzung intendiert ist und deren Vertreter deshalb zur Anwendung von Gewalt entschlossen sind.[81] Noltes Beispiele für eine derartige Gewalt einfordernde politische Utopie reichen von den Bauernaufständen über die Wiedertäufer und die französische Revolution bis zum Bolschewismus. Dieser sei die einzige dauerhaft erfolgreiche Utopie in der europäischen Geschichte gewesen. Es zeige sich hier zweierlei: Erstens, dass die umgesetzte Utopie nur unter Anwendung weiterer Gewalt möglich sei, und zweitens zeige sich, dass auch diese Utopie letztlich aufgrund ihrer Statik an der Realität scheitern müsse. Das Ende der Utopie sieht Nolte deshalb gekommen, da er es für unmöglich hält, dass die revolutionäre Arbeiterklasse noch einmal wiederkommt. Aber auch andere mögliche aufkommende politische Utopien stellen sich für Nolte nach kurzer Durchsicht als äußerst unwahrscheinlich dar: eine ökologische Diktatur, ein radikalisierter Feminismus und schließlich die Kampfansage der Dritten Welt unter der Führung eines islamischen Fundamentalismus gegen die Erste Welt.[82]

Auch der Historiker Joachim Fest greift den totalitären Utopiebegriff Poppers auf. In seiner Lesart stellt der Sozialismus neben dem Nationalsozialismus den zweiten großen Versuch des letzten Jahrhunderts dar, eine Utopie auf dem Weg des Totalitarismus zu verwirklichen. Dies sei kein Zufall, denn wann immer die Utopie die Ebene des bloßen Gedankenspiels – ausgeschlossen von jeder politischen Wirksamkeit – verlasse, werde sie unweigerlich totalitär. Die Geschichte seit der französischen Revolution und insbesondere das 20. Jahrhundert habe gezeigt, dass die System-Utopie nur durch Gewalt umgesetzt werden könne, dass sie immer für Partikulares das Pathos eines „menschheitlichen Erlösungsgedankens“ in Anspruch nehme.[83] Doch nicht nur der Vorwurf des Totalitarismus spricht nach Fest gegen die Utopie. Ebenso habe ihr wiederholtes Scheitern an der Wirklichkeit, zuletzt in Form der Reformunfähigkeit des Sowjetsystems, die grundsätzliche Realitätsferne gesellschaftlicher Totalentwürfe an den Tag gelegt. Lediglich unverbesserliche Intellektuelle ließen sich von der Realität nicht belehren. Auch Neusüss´ „eschatologischen Einwand“ führt Fest gegen die Utopie an. Mit der Aufklärung seien die Mittel geschaffen worden, mit denen „ein Gemeinwesen als ein System geordneter und kontrollierter Freiheit“ entworfen werden könne. Gleichzeitig jedoch habe dies zur Überschätzung geführt, dass mittels der Vernunft auch alles machbar geworden sei: von der am Reißbrett entworfenen Gesellschaft bis zum neuen Menschen. Demgegenüber müsse, um Schlimmstes zu verhindern, die Unvollkommenheit von Welt und Menschheit akzeptiert werden.[84] Das liberale Denken trage der Unvermeidbarkeit von Widersprüchen und Konflikten Rechnung, indem es die Offenheit einer Ordnung, die nur dem „Zwang der Spielregeln unterworfen“[85] sei, vertrete. Utopisches Denken dagegen setze, von der Sehnsucht nach Einheit getrieben, auf eine geschlossene, absolut über den Individuen stehende Ordnung. Eine liberale Utopie ist aufgrund dieses unüberbrückbaren Gegensatzes nicht denkbar. Wenn nun die Lehre der Geschichte ist, so lässt sich Fest zusammenfassen, dass nur auf dem Wege von Poppers piece meal-engineering eine humanere Ordnung zu bewerkstelligen ist, dann gehört „ein Leben ohne Utopien zum Preis der Modernität“[86]. Jede Suche nach einem dritten Weg zwischen Sozialismus und marktwirtschaftlicher liberaler Demokratie kann in Zukunft unterbleiben. Damit nimmt Fest für sich eine ideologieferne Position in Anspruch, die freilich deutlich dem politischen Zweck dient, den status quo als nur zum Preis totalitärer Verirrung hinterfragbar auszugeben.[87]

Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama hat diese Alternativlosigkeit in seiner viel diskutierten These vom Ende der Geschichte zum Ausdruck gebracht. Angesichts des Kollaps des real-existierenden Sozialismus sei die „ideologische Evolution“ des Menschen zu ihrem Ende gekommen: „Wir [...] können uns heute schwer eine Welt vorstellen, die von Grund auf besser ist als die, in der wir leben, oder uns eine Zukunft ausmalen, die nicht demokratisch und kapitalistisch geprägt ist.“[88] Fukuyama verfolgt jedoch nicht nur die Absicht, den Sieg von Marktwirtschaft und liberaler Demokratie Anfang der 1990er festzustellen, sondern diese vielmehr als das Ergebnis einer zielgerichteten Entwicklung der Geschichte darzustellen. In diesem Rahmen spielen die Sowjetunion oder China lediglich die Rolle von Randerscheinungen, die die generelle Entwicklung nicht in Frage stellen. Mit Hegel als Gewährsmann nimmt er an, dass die liberalen Gesellschaften die historische Dialektik abschließen, da diese frei von den Widersprüchen früherer sozialer Organisationsformen.[89] Wenn der Widerspruch zwischen Herr und Knecht die Geschichte vorantreibt, dann ersetzt die Demokratie das Bedürfnis, mehr Anerkennung als Andere zu erhalten, durch jenes rationale Anliegen, als gleichwertig anerkannt zu werden, und führt so gleichsam zum Ende der Geschichte.[90]

Fukuyamas Auführungen zum Ende der Geschichte entspringen offensichtlich eher einer politischen, denn einer philosophischen Motivation. Der Versuch einer Geschichtsphilosophie am Ende des 20. Jahrhunderts, gerade auch angesichts des allzu deutlichen Scheiterns marxistischer Geschichtsphilosophie, erscheint anachronistisch. Erklärungsbedürftige Entwicklungen werden von Fukuyama lapidar als Randerscheinungen kategorisiert. So nimmt er z.B. Phänomene wie den neuen Nationalismus und ethnische Konflikte durchaus zur Kenntnis, kann sie in seiner Geschichtsdeutung jedoch nur als Übergangserscheinungen verbuchen. Trotz der Schwächen von Fukuyamas Argumentation ist sein Begriff vom Ende der Geschichte zu einer breitenwirksamen Zeitdiagnose geworden, die nicht zuletzt den Horizont bildet, vor dem sich Diskussionen um die Zukunft der Utopie abspielen.[91]

3.2. Das Ende der großen Erzählungen. Die postmoderne Utopiekritik

Während sich die liberal-konservative Utopiekritik in Saages Unterscheidung von kontraktualistischem und utopischem Weg in die Moderne bewegt, wird aus der Perspektive der Postmoderne die Moderne selbst in Frage gestellt.

Welsch deutet die Postmoderne als Radikalisierung bzw. Popularisierung der Moderne des 20. Jahrhunderts, in der bereits Grundannahmen der Neuzeit, von den Naturwissenschaft ausgehend, an Überzeugungskraft verlieren. Drehund Angelpunkt postmodernen Denkens ist eine „radikale Pluralität“,[92] die im Laufe des letzten Jahrhunderts zur allgemeinen Grundverfassung in der Wissenschaft, der Politik, der Kunst und der Alltagswelt geworden ist und die nicht mehr als Verlust von Einheit betrauert wird. Die in der „großen Zeit der Vereinfachungen“ (Koselleck) auftretenden singularisierten Kategorien wie Fortschritt, Geschichte, Wahrheit, Gerechtigkeit und dergleichen sind aus postmoderner Sicht nunmehr (wieder) im Plural zu denken.

Aus dieser Perspektive erweisen sich Motive der Utopie, die in der Moderne noch positiv verstanden werden konnten, als zunehmend negativ und bedrohlich. Das utopische Ansinnen, eine ideale Gesellschaft als Totalität zu entwerfen, wird aus der Perspektive der Postmoderne mitnichten als Verheißung verstanden, sondern als totalitäre Ambition aufgefasst. In diesem Punkt berühren sich postmoderne Moderne-Kritik und liberal-konservative Utopiekritik, obgleich aus unterschiedlichen Richtungen. Wenn sich der Zugriff auf das soziale Ganze als (unrechtmäßige) Verabsolutierung von Partikularem zu Lasten anderer Partikularitäten darstellt, Konsens also notgedrungen mit dem Zum-Schweigen-bringen Unterlegender verbunden ist, zeigt sich das Harmonie-Postulat der Utopie nunmehr als terroristische Herrschaftsmethode.

Am Beispiel von Jean-François Lyotards „Das postmoderne Wissen“,[93] das als „Programmschrift“ (Welsch) oder „Schlüsseltext“ (Engelmann) der Postmoderne-Diskussion angesehen werden kann, soll hier diese Wendung exemplarisch nachvollzogen werden.[94]

Lyotard zufolge ist das Merkmal der Moderne die Legitimation der politischen Institutionen, Praktiken und Denkweisen durch den Rekurs auf zukünftig zu verwirklichende Ideen: die Emanzipation des Menschen, die Teleologie des Geistes und die Hermeneutik des Sinns.[95] Diese Allgemeinverbindlichkeit beanspruchenden großen oder Meta-Erzählungen machen die Moderne zu einem Projekt. Auch die moderne (Natur-)Wissenschaft findet ihre Legitimation in diesen Meta-Erzählungen: einerseits, indem der Zweck der Wissenschaft in der Emanzipation des Menschen verortet wird, andererseits, indem Wissen als die Entfaltung einer Idee verstanden wird und so Wissenschaft in dem größeren Zusammenhang der Bewegung des spekulativen Geistes steht. Für die Postmoderne nach Lyotard sind nun weniger die externen Faktoren der Delegitimation dieser Erzählungen (wie etwa die sprunghafte technologische Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Wandel zur post-industriellen Dienstleistungsgesellschaft) entscheidend, als vielmehr jene internen Faktoren, die sich aus der Anwendung der Wissenschaften auf ihre eigenen Grundlagen ergeben. Die „spekulative Hierarchie der Erkenntnisse“ löst sich auf und „macht einem immanenten, sozusagen ‚flachen‘ Netz von Forschungen Platz [...], die Universitäten verlieren ihre Funktion spekulativer Legitimierung“.[96] Zudem eröffnet die Erkenntnis des rein denotativen Charakters des wissenschaftlichen Sprachspiels die Perspektive auf eine unbestimmte Anzahl autonomer Sprachspiele ohne einen verbindlichen, alle miteinander verbindenden Meta-Diskurs.[97] Postmodern ist nun nach Lyotard nicht der Verlust der Meta-Erzählungen, welcher zur Wende zum 20. Jahrhundert noch betrauert wurde, sondern die positive Wendung hin zur Anerkennung der offenkundig gewordenen grundsätzlichen Heterogenität. „Die Sehnsucht nach der verlorenen Erzählung ist für den Großteil der Menschen selbst verloren.“[98] Bedroht ist diese Heterogenität durch die Legitimation durch Performativität, die sich als neuer Modus der Legitimation der Wissenschaft anbietet und wie sie die luhmannsche Systemtheorie annimmt. Performativität bindet Wissen an die Macht. Es wird dadurch legitimiert, dass es eine Effizienzsteigerung ermöglicht: „Man kauft keine Gelehrten, Techniker, Apparate, um die Wahrheit zu erfahren, sondern um die Macht zu erweitern.“[99] Wissenschaft operiert aber, so Lyotard, nach einem anderen Kriterium. Sie stellt das Gegenteil eines stabilen Systems dar, ihre Legitimation besteht in der Paralogie, in der Hervorbringung abweichender Aussagen. Sie ist grundsätzlich am Dissens orientiert, Konsens kann nur Zustand der Diskussion sein. Da keine verbindliche Metasprache vorhanden ist, mittels derer von vornherein Ansätze verworfen werden könnten, besteht in der Wissenschaft ein Minimalkonsens darüber, jede neue Aussage als berechtigt anzusehen, sobald diese argumentativ diskussionsfähig oder beweisbar ist.[100] Dieser Minimalkonsens verbietet die Identifikation mit dem System und den Terror, der im tatsächlichen oder drohenden Ausschluss eines Mitspielers aus dem Diskurs besteht.

Ist in der Wissenschaft ein derartiger Minimalkonsens noch denkbar, so steht Lyotard einer Übertragung auf die soziale Pragmatik, die er als „ein aus dem Ineinandergreifen von Netzen heteromorpher Aussageklassen [...] bestehendes Ungetüm“[101] bezeichnet, skeptisch gegenüber. Habermas´ am Konsens orientierte Diskursethik ist in ihrer Verteidigung der Lebenswelt zwar löblich, in ihrem Festhalten an der obsoleten Meta-Erzählung der Emanzipation der Menschheit argumentativ jedoch nicht mehr stichhaltig. Nicht der Konsens kann das Ziel sein, sondern eine Idee und Praxis von Gerechtigkeit, die zu allererst die Heteromorphie der Sprachspiele vorbehaltlos anerkennt und einer Subsumtion unter ein vermeintlich übergeordnetes Sprachspiel entschieden entgegen tritt. Lediglich ein lokaler Konsens ist denkbar, d.h. von konkreten Akteuren über einen raum-zeitlich begrenzten Gegenstand. Die Entwicklung von der dauerhaften Institution zur temporären Übereinkunft, die Lyotard im Privaten wie im Politischen beobachtet, deutet einen derartigen Konsens an. Jedoch ist diese Entwicklung ambivalent: Sie wird vom

„System“ toleriert, da sie seiner Performativität dient. Zugleich stellt sie sich der totalisierenden Tendenz des Systems entgegen, indem sie die Vielfalt der Sprachspiele verteidigt.[102] Die reine Alternative zum „System“, wie sie die klassische Utopie entwirft und die das eine „System“ im Endeffekt nur durch ein anderes ersetzt, ist keine Option mehr: „Wir alle wissen in diesen zu Ende gehenden siebziger Jahren, daß sie [die Alternative, J.R.] ihm [dem System, J.R.] ähnlich sein wird.“[103] Der Novismus der Moderne wird hier von einer postmodernen Simultaneität abgelöst. In seiner Schrift „Der Widerstreit“, in der er eine sprachphilosophische Grundlegung seiner Gerechtigkeitskonzept unternimmt, zeigt Lyotard, dass eine revolutionäre Umwälzung, die bestehende Ungerechtkeit beseitigt, nicht umhinkommt, neues Unrecht zu schaffen. Das politisch Gute könne so nur darin bestehen, möglichst wenig Ungerechtigkeit (im Sinne der Subsumierung heterogener Stimmen) zuzulassen.[104] „Die Faktizität der Welt – die Heterogenität der Diskursarten – macht eine harmonische Gesamtordnung und damit eine Form durchgängiger Gerechtigkeit unmöglich.“[105] Vorsichtige Hoffnung setzt Lyotard dagegen auf den allgemeinen Zugang zu Informationen, die alle Beteiligten zu einer sachgerechten Auseinandersetzung und Entscheidung befähigen würde. So könnte eine Politik möglich werden, die sowohl den Wunsch nach Gerechtigkeit, als auch jenen nach Unbekanntem gleichsam respektiert.

[...]


[1] Fukuyama, F.: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, München 1992.

[2] Fest, J.: Der zerstörte Traum. Das Ende des utopischen Zeitalters, Berlin 1991; Ackerman, B.: Ein neuer Anfang für Europa. Nach dem utopischen Zeitalter, Berlin 1993; Winter, M.: Ende eines Traums. Blick zurück auf das utopische Zeitalter Europas, Stuttgart 1993.

[3] Vgl. z.B. auch: Nolte, E.: Was ist oder was war die ‚politische‘ Utopie?, in: Saage, R. (Hrsg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft?, Darmstadt 1992, S. 3-14.

[4] Vgl. Critical Review of International Social and Political Philosophy, Vol. 3, No. 2/3 (2000); Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Bd. 29, Nr. 1 (2000); Widersprüche. Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheitsund Sozialbereich, Bd. 21, Nr. 80 (Juni 2001); Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Bd. 55, Nr. 629/639 (Sept./Okt. 2001); Gegenworte. Zeitschrift für den Disput über Wissen, Heft 10 (Herbst 2002); History of Human Sciences, Vol. 16, No. 1(2003); Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte, Bd. 52, Nr. 4 (2005); Diogenes. A quarterly publication of the International Council for Philosophy and Humanistic Studies, No. 209 (2006); Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, Bd. 55, Nr. 1 (2007).

[5] Merkur, Bd. 55, Nr. 629/639 (Sept./Okt. 2001), S. 743.

[6] Rüsen, J./Fehr, M./Ramsbrock, A. (Hrsg.): Die Unruhe der Kultur. Potentiale des Utopischen, Weilerswist 2004; Rüsen, J./Rieger, T./Fehr, M. (Hrsg.): Thinking Utopia. Steps into other worlds, New York 2005; Zinsmeister, A. (Hrsg.): Constructing Utopia. Konstruktionen künstlicher Welten, Zürich u. Berlin 2005.

[7] Hasselmann, K./Schmidt, S./Zumbusch, C. (Hrsg.): Utopische Körper, München 2004; Di Pasquale, V. et al. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen zwischen Realität und Utopie, Münster 2006; Hawel, M./Kritidis G. (Hrsg.): Aufschrei der Utopie. Möglichkeiten einer anderen Welt, Bonn 2006.

[8] So der Titel des von Maresch und Rötzer herausgegebenen Sammelbandes: Maresch, R./Rötzer, F. (Hrsg.): Renaissance der Utopie. Zukunftsfiguren des 21. Jahrhunderts, Frankfurt/Main 2004.

[9] Jacoby, R.: Picture Imperfect. Utopian Thought for an Anti-Utopian Age, Berkeley 2005; Moylan, T.: Scraps of the Untainted Sky. Science Fiction, Utopia, Dystopia, Boulder u. Oxford 2000; Jameson, F.: Archaeologies of the Future. A Desire Called Utopia and Other Science Fiction, New York 2005.

[10] Kneer, G.: Notwendigkeit der Utopie oder Utopie der Kontingenz? Ein Beitrag zum Streit zwischen Universalismus und Kontextualismus, in: Eickelpasch, R./Nassehi, A. (Hrsg.): Utopie und Moderne, Frankfurt/ Main 1996, S. 51-85, hier: S. 52.

[11] Saage, R. (Hrsg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft?, Darmstadt 1992. Vgl. auch: Scherer, K.-J./Wasmuth, U. C. (Hrsg.): Mut zur Utopie! Festschrift für Fritz Vilmar, Münster 1994; Slusser, G. et al. (Hrsg.): Transforming Utopia. Changing views of the Perfect Society [1991], New York 1999.

[12] Saage, R.: Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991, S. IX.

[13] Zum Stand und zu Problemen einer wirkungsgeschichtlichen Utopieforschung vgl. auch: Saage, R.: Utopieforschung. Eine Bilanz, Darmstadt 1997, S. 167-177.

[14] Reese-Schäfer, W.: Die seltsame Konvergenz der Zeitdiagnosen: Versuch einer Zwischenbilanz, in: Soziale Welt, Bd. 50 (1999), S. 433-448, hier: S. 435.

[15] Vgl.: Saage, R.: Utopische Profile, Bd. 4, Münster (2. Aufl.) 2006, S. 499-511.

[16] Saage, R.: Utopieforschung. Eine Bilanz, Darmstadt 1997, S. 100-108.

[17] Vgl. Levitas, R.: For Utopia: The (Limit of the) Utopian Function in Late Capitalist Society, in: Critical Review of Social and Political Philosophy, Vol. 3, No. 2/3 (2000), S. 25-43; dies.: The Elusive Idea of Utopia, in: History of Human Sciences, Vol. 16, No. 1 (2003), S. 1.10.

[18] Vgl. Moylan, T.: Scraps of the untainted sky, Boulder 2000.

[19] Vgl. Saage, R.: Utopische Profile, Bd. 4, a.a.O., S. 546ff; Parker, M.: Utopia and organizational imagination: outopia, in: ders. (Hrsg.): Utopia and Organization, Oxford 2002, S. 1-8.

[20] Habermas, J.: Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfung utopischer Energien, in: ders.: Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt/Main 1985, S. 141-162, S. 161.

[21] Schmidt, B.: Am Jenseits von Heimat. Gegen die herrschende Utopiefeindlichkeit im Dekonstruktiven, Wien 1994, S. 114.

[22] Bizeul, Y.: Politische Mythen, Ideologien, und Utopien, in: Sonderdruck aus: Tepe, P./Bachmann, T./ zur Nieden, B. (Hrsg.): Mythos No. 2., Würzburg 2006, S. 20.

[23] Vgl. Neusüss, A.: Utopie. Begriff und Phänomen des Utopischen, Neuwied u. Berlin (2. Aufl.) 1972, S. 13ff.; Tietgen, J.: Die Idee des ewigen Friedens in den politischen Utopien der Neuzeit. Analysen von Schrift und Film, Marburg 2005, S. 21ff.; Levitas, R.: The Concept of Utopia, Hemel Hempstead 1990, S. 2ff.; Saage, R.: Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991, S. 2ff.

[24] Vgl. Elias, N.: Thomas Morus´ Staatskritik. Mit Überlegungen zur Bestimmung des Begriffs Utopie, in:

[25] Vgl. Saage, R.: Utopische Profile, Bd. 4, Münster (2. Aufl.) 2006, S. 419-422.

[26] Vgl. ebd., S. 390-395, 398-401.

[27] Vgl. Levitas: The Concept of Utopia, a.a.O., S. 198f.

[28] Gewissermaßen als Zusammenfassung des Ertrags dieser Bemühungen, siehe: Saage, R.: Utopische Profile, 4 Bde., Münster 2001-2003.

[29] Vgl. Saage, R.: Politische Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 2f.

[30] Vgl. Enzensberger, H.-M.: Gangarten. Ein Nachtrag zur Utopie, in: Saage, R. (Hrsg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft?, Darmstadt 1992, S. 65-74; Nipperdey, Th.: Die Funktion der Utopie im politischen Denken der Neuzeit, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 44 (1962), S. 357-378.

[31] Sargents Unterscheidung zwischen diesen „utopias brought about without human effort“ und den ‚richtigen‘ „utopias brought about by human effort“ zielt auf eine ähnliche Abgrenzung, wobei die Kennzeichnung ersterer als Utopien letztlich überflüssig wird. Vgl. Sargent, L. T.: Utopian Traditions. Themes and Variations, in: Schaer, R./Claeys, G./Sargent, L. T. (Hrsg.): Utopia. The Seach for the Ideal Society in the Western World, New York u. Oxford 2000, S. 8-17.

[32] Vgl. Kumar, K.: Utopianism, Milton Keynes 1991, S. 17ff.; Pfetsch, F. R.: Erkenntnis und Politik. Philosophische Dimensionen des Politischen, Darmstadt 1995, S. 78.

[33] Saage: Politische Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 4; Tietgen, J.: Die Idee des Ewigen Friedens in den politischen Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 31ff.

[34] Vgl.: Kaschinski, K.: Frankenstein, seine Schüler, ihre Minister, himmlische Versprechungen und die Angst vor dem Verlust menschlicher Natur. Biopolitik im Science Fiction zwischen Kritik und Ästhetisierung, in: Mayerhofer, P./Spehr, C. (Hrsg.): Out of this World! Beiträge zu Science-Fiction, Politik & Utopie, Hamburg 2002, S. 197-214.

[35] Vgl. Saage: Politische Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 4f. Wobei in der Praxis des real-existierenden Sozialismus durchaus auf utopische Entwürfe zurückgriffen wurde. Vgl. Saage, R.: Utopische Profile, Bd.4, Münster (2. Aufl.) 2006, S. 528-541.

[36] Neusüss: Utopie, a.a.O., S. 19. Vgl. zudem Kumar, Utopianism, a.a.O., S. 107.

[37] Pfetsch, F. R.: Erkenntnis und Politik, a.a.O., S. 68.

[38] Bizeul, Y.: Politische Mythen, Ideologien, und Utopien, a.a.O., S. 19.

[39] Gustafson, L.: Negation als Spiegel. Utopie aus epistemologischer Sicht, in: Voßkamp, W. (Hrsg.): Utopieforschung, Bd. 1, Frankfurt/Main 1985, S. 280-292; vgl. auch Foucault, M.: Andere Räume, in: Barck, K. et al. (Hrsg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig (4. Aufl.) 1992, S. 34-46; oder Sargent, L.T.: The Three Faces of Utopianism Revisited, in: Utopian Studies, Vol. 5, No. 1(1994), S. 1-37.

[40] Vgl. Saage: Politische Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 5.

[41] Seeber, H. U.: Die Selbstkritik der Utopie, in: ders.: Die Selbstkritik der Utopie in der angloamerikanischen Literatur, Münster 2003, S. 11-43.

[42] Pfetsch: Erkenntnis und Politik, a.a.O., S. 69.

[43] Vgl. Saage, R.: Vertragsdenken und Utopie nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus, in: ders.: Vermessungen des Nirgendwo, Darmstadt 1995, S. 101-116, hier: S. 101f.

[44] Nassehi, A.: Keine Zeit für Utopien. Über das Verschwinden utopischer Gehalte aus modernen Zeitsemantiken, in: ders./Eickelpasch, R. (Hrsg.): Utopie und Moderne, Frankfurt/Main 1996, S. 242-285, hier: S. 243 (Hervorhebung im Original).

[45] Vgl. auch Kumar: Utopianism, a.a.O., S. 29ff., S. 40; Tourraine, A.: Society as Utopia, in: Schaer, R./Claeys, G./ Sargent, L.T. (Hrsg.): Utopia. The Seach for the Ideal Society in the Western World, New York u. Oxford 2000, S. 18-31.

[46] Saage: Vertragsdenken und Utopie, a.a.O., S. 107.

[47] Vgl. Welsch, W.: Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1987, S. 66-72.

[48] Vgl. Saage, R.: Gibt es einen anarchistischen Diskurs in der klassischen Utopietradition?, in: ders.: Das Ende der politischen Utopie?, Frankfurt/Main 1990, S. 26-45.

[49] Vgl. Pfetsch: Erkenntnis und Politik, a.a.O., S. 70.

[50] Bacon, F.: Neu-Atlantis, in: Heinisch, K.J. (Hrsg.): Der utopische Staat, Reinbek bei Hamburg (27. Aufl.) 2004, S. 171-215, hier: S. 205.

[51] Vgl. Saage, R.: Ein entfesselter Prometheus? Zum wissenschaftlichen und technischen Selbstverständnis der neuzeitlichen Sozialutopien, in: ders.: Vermessungen des Nirgendwo, a.a.O., S. 189-203, hier: S. 193; Gil, T.: Gestalten des Utopischen. Zur Sozialpragmatik kollektiver Vorstellungen, Konstanz 1997, S. 52.

[52] Koselleck, R.: Art. Fortschritt, in: Brunner, O./Conze, W./Koselleck, R. (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 351-420.

[53] Koselleck, R.: Vergangene Zukunft, Frankfurt/Main 1979, S. 63.

[54] Nassehi: Keine Zeit für Utopien, a.a.O., S. 250.

[55] Vgl. Mercier, L.-S.: Das Jahr 2440. Ein Traum aller Träume. Aus dem Französischen übertragen von Christian Felix Weiße, Frankfurt/Main 1989, S. 21f.

[56] Vgl. Koselleck, R.: Die Verzeitlichung der Utopie, in: Voßkamp, W. (Hrsg.): Utopieforschung, Bd. 3, Frankfurt/ Main 1985, S. 1-14.

[57] Cabet, E.: Reise nach Ikarien. Aus dem Französischen übersetzt von Dr. Wendel-Hipper, Berlin 1979, S. 430.

[58] Vgl. Saage: Ein entfesselter Prometheus?, a.a.O., S. 195f.

[59] Welsch: Unsere postmoderne Moderne, a.a.O., S. 78.

[60] Vgl. Saage: Die politischen Utopien der Neuzeit, a.a.O., S. 266ff.

[61] Vgl. ebd., S. 294ff.

[62] Moylan, T.: Das Unmögliche verlangen. Science fiction als kritische Utopie, Hamburg 1990, S. 17.

[63] Saage, R.: Harmonievorstellungen im utopischen Denken der Moderne, in: ders.: Vermessungen des Nirgendwo, a.a.O., S. 239-251, hier: S. 246.

[64] Vgl. Callenbach, E.: Ökotopia. Notizen und Reportagen von William Weston aus dem Jahre 1999, Berlin 1978, S. 42, 60, 109, 192.

[65] Gustafson: Negation als Spiegel, a.a.O., S. 285.

[66] Vgl. Saage: Harmonievorstellungen, a.a.O., S. 250; Moylan: Das Unmögliche verlangen, a.a.O., S. 17, 240.

[67] Kumar, K.: Utopia and Anti-Utopia in the Twentieth Century, in: Schaer/Claeys/Sargent (Hrsg.): Utopia. The Seach for the Ideal Society in the Western World, a.a.O., S. 251-267, hier: 263.

[68] Wie Callenbachs „Ökotopia“ im Dunstkreis der Gegenkultur entstand und dort vornehmlich rezipiert wurde, z.B. auch im Wahlkampf der deutschen Grünen zu Beginn der 1980er, vgl.: d'Idler, M.: Neue Wege für Übermorgen. Ökologische Utopien seit den 70er Jahren, Köln 1999.

[69] Hirsch, H.: Von Orwell zu Ackroyd. Die britische Utopie in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1998, S. 44.

[70] Vgl. Sargent, L.T.: Utopian Literature in the United States 1990-2000, in: Verheul, J.(Hrsg.): Dreams of Paradise, Visions of Apocylpse, Amsterdam 2004, S. 207-219.

[71] Vgl. Saage, R.: Utopische Profile, Bd. 4, Münster (2. Aufl.) 2006, S. 499ff., 546f.

[72] Vgl. Meyer, S.: Die anti-utopische Tradition. Eine ideenund problemgeschichtliche Darstellung, Frankfurt/ Main 2001, S. 184.

[73] Vgl. Neusüss: Utopie, a.a.O., S. 39, 41, 50.

[74] Ebd., S. 36; vgl. auch Meyer: Die anti-utopische Tradition, a.a.O., S. 155f.

[75] Meyer: Die anti-utopische Tradition, a.a.O., S. 187.

[76] Vgl. Neusüss: Utopie, a.a.O., S. 64f.

[77] Popper, K. R.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd.1, Tübingen (7. Aufl.) 1992, S. 3.

[78] Popper, K. R.: Das Elend des Historizismus, Tübingen (6. Auflage) 1978, S. 52.

[79] Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, a.a.O., S. 196.

[80] Nolte, E.: Was ist oder was war die ‚politische‘ Utopie?, in: Saage, R. (Hrsg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft?, Darmstadt 1992, S. 3-14, hier: S. 5.

[81] Ebd., S. 7.

[82] Ebd., S. 13.

[83] Fest, J.: Leben ohne Utopie, in: Saage, R. (Hrsg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft?, Darmstadt 1992, S. 15-26, hier: S. 18, 26.

[84] Ebd., S. 21.

[85] Ebd., S. 22.

[86] Ebd., S. 24.

[87] Vgl. auch Saage, R.: Utopieforschung. Eine Bilanz, Darmstadt 1997, S. 26.

[88] Fukuyama, F.: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, München 1992, S. 83.

[89] Ebd., S. 105.

[90] Vgl. ebd., S. 103.

[91] Vgl. Meyer: Die anti-utopische Tradition, a.a.O., S. 483ff.

[92] Welsch: Unsere postmoderne Moderne, a.a.O., S. 4.

[93] Lyotard, J.-F.: Das postmoderne Wissen, Wien 1986.

[94] Eine Auseinandersetzung mit Positionen der Postmoderne kann im Rahmen dieser Arbeit nicht in ange-messener Breite erfolgen. Vgl. dazu z.B.: Zima, P. V.: Moderne/Postmoderne. Gesellschaft, Philosophie, Literatur, Tübingen u. Basel (2. Aufl.) 2001; Welsch: Unsere postmoderne Moderne, a.a.O.; ders. (Hrsg.): Wege aus der Postmoderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, Berlin 1994; Engelmann, P. (Hrsg.): Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart, Stuttgart 1990; Koslowski, P./Spaemann, R./Löw, R. (Hrsg.): Moderne oder Postmoderne? Zur Signatur des gegenwärtigen Zeitalters, Weinheim 1986.

[95] Lyotard variiert diese Aufzählung auch als „progressive Emanzipation von Vernunft und Freiheit, progressive oder katastrophische Emanzipation der Arbeit (Quelle des entfremdeten Werts im Kapitalismus), Bereicherung der gesamten Menschheit durch den Fortschritt der kapitalistischen Techno-Wissenschaft [...]“, Lyotard, J.-F.: Randbemerkungen zu den Erzählungen, in: Engelmann, P. (Hrsg.): Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart, Leipzig 1990, S. 49-53, hier: S. 49.

[96] Lyotard,: Das postmoderne Wissen, a.a.O., S. 116f.

[97] Ebd., S. 118ff.

[98] Ebd., S. 122.

[99] Ebd., S. 135.

[100] Ebd., S. 187.

[101] Ebd., S. 188.

[102] An anderer Stelle umreisst Lyotard das Programm der Postmoderne emphatisch auch folgendermaßen: „Krieg dem Ganzen, zeugen wir für das Nicht-Darstellbare, aktivieren wir die Differenzen, retten wir die Differenzen, retten wir die Ehre des Namens.“, Lyotard, J.-F.: Beantwortung der Frage: Was ist postmodern?, in: Engelmann: Postmoderne und Dekonstruktion ,a.a.O., S. 33-48, hier: S. 48.

[103] Lyotard: Das postmoderne Wissen, a.a.O., S. 191.

[104] Vgl. Lyotard, J.-F.: Der Widerstreit, München 1987, S. 234.

[105] Welsch: Unsere postmoderne Moderne, a.a.O., S. 240.

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Renaissance der Utopie?
Untertitel
Bedingungen und Erscheinungsformen der Utopie in der westlichen Welt der Gegenwart
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
116
Katalognummer
V112263
ISBN (eBook)
9783640220229
ISBN (Buch)
9783640222568
Dateigröße
970 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Renaissance, Utopie
Arbeit zitieren
Jan Rohgalf (Autor:in), 2007, Renaissance der Utopie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112263

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