Das Bild ‚Schwarzafrikas’ in der überregionalen deutschen Presse zwischen 2000 und 2005

Eine empirische Untersuchung am Beispiel der FAZ und der Süddeutschen Zeitung


Bachelorarbeit, 2007

46 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

TEIL I: Theoretische Grundlagen und Hintergründe (Kapitel 2-4)

2. DAS BILD VON AFRIKA IN DEN MEDIEN
2.1 Die Bedeutung von Massenmedien für die Imagebildung
2.2 Zum Stand der Forschung

3. ‚SCHWARZAFRIKA’ – EINE DEFINITION Zum Problem der Generalisierung des Afrika-Begriffs

4. AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG
4.1 Die Auslandsberichterstattung als organisiertes Sozialsystem
4.1.1 Individuelle Einflüsse auf die Auslandsberichterstattung
4.1.2 Informationelle Rahmenbedingungen der Auslandsberichterstattung
4.2 Der Strukturkomplex der Auslandsberichterstattung
4.2.1 Nachrichtenwerttheorie
4.2.2 Konstanten und Veränderungen der Auslandsberichterstattung
4.2.3 Strukturmerkmale
4.3 Nachrichtenagenturen
4.3.1 Die Rolle der Nachrichtenagenturen im internationalen Informationsfluss
4.3.2 Rahmenbedingungen der Nachrichtenproduktion
4.4 Die Arbeit der Auslandskorrespondenten

TEIL II: Empirische Untersuchung (Kapitel 5 – 7)

5. DIE UNTERSUCHTEN MEDIEN IM PORTRÄT
5.1 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung
5.2 Die Süddeutsche Zeitung

6. ZUR METHODISCHEN VORGEHENSWEISE

7. EMPIRISCHE DATEN
7.1 Zahlen und Einschätzungen
7.1.1 Häufigkeit der Berichterstattung
7.1.2 Verteilung der Beiträge auf einzelne Staaten Schwarzafrikas
7.2 Qualitätsanalyse
7.2.1 Länge der Beiträge
7.2.2 Anteil von Korrespondentenberichten und Agenturmeldungen an der Berichterstattung
7.2.3 Platzierung innerhalb des Mediums
7.3 Thematische Analyse
7.3.1 Verteilung der Artikel auf nominale Kategorien
7.3.2 Verteilung der Beiträge auf Subkategorien
7.3.3 Länderspiegel: Inhalte pro Staat

8. FAZIT

9. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

10. TABELLEN – UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Afrika – das mag der Kontinent sein, auf dem der erste Mensch zur Welt gekommen ist. Auf jeden Fall ist es der letzte Ort, an dem ein vernünftiger Mensch es aushalten kann: Hunger und Aids, Säuglingssterben und Analphabetentum, Korruption und Krieg, Überbevölkerung und Unterentwicklung gehören zu unserem Bild jener 45 Staaten, die Schwarzafrika bilden.

(Zitat aus der Zeitschrift Der Stern)[1]

Was der Stern 1993 über den afrikanischen Kontinent und speziell über ‚Schwarzafrika’ schreibt, verweist auf das in Deutschland weit verbreitete Bild von Afrika als einem Erdteil, der gekennzeichnet ist durch die 3 berühmten Ks: Kriege, Krisen, Katastrophen. Verantwortlich für die Verbreitung derart negativer Vorstellungen von Afrika sind zu einem großen, empirisch nachgewiesenen Anteil die Massenmedien[2].

Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die sich bislang mit der Darstellung Afrikas in den Medien befasst hat, konnte letzteren nur ein sehr schlechtes Zeugnis ausstellen: die Berichterstattung sei zu stereotyp, zu einseitig ausgerichtet und der Kontinent unterrepräsentiert. Oder anders formuliert: bestimmte Themen, wie eben Krieg, Krankheit und Katastrophe, beherrschten numerisch die Medienbeiträge zur Überrubrik „Schwarzafrika“, während positiv konnotierte Stereotype wie wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand, Demokratie und Frieden deutlich weniger Raum fänden.

Die bisherigen Studien haben also gezeigt, dass bedeutsame Probleme der Auslandsberichterstattung über Afrika in der Bundesrepublik Deutschland nicht primär in einer rassistischen Terminologie und somit in unangemessener Sprachwahl liegen, sondern vielmehr in der durch die Medien getroffenen Themenauswahl lokalisiert werden müssen[3]. Was den Zeitraum vom Anfang der 70er Jahre bis zur Jahrtausendwende betrifft, so setzt sich das medial vermittelte Afrikabild im Wesentlichen aus den schon angesprochenen Negativberichten zusammen. Für die letzten Jahre, seit Beginn des neuen Millenniums, gibt es hingegen noch keine adäquaten Ergebnisse. Daher geht es in der vorliegenden Untersuchung vor allem darum, die Gültigkeit der bisher erzielten Ergebnisse für das neue Jahrtausend zu überprüfen (a).

Darüber hinaus soll es Ziel sein, den Überbegriff „Afrika“ zu differenzieren, also die Darstellungen bezüglich einzelner Länder zu vergleichen (b), und drittens auch eine kategorische Unterteilung vorzunehmen (c). Vermutet wird dabei, dass sich die negativen Stereotype besonders im Bereich Politik zeigen, während positivere Klischees maßgeblich in anderen Rubriken wie Kultur, Reise oder Sport zu finden sind. Sollte sich diese Annahme bestätigen und auch der quantitative Anteil dieser Beiträge signifikant sein, so könnten wir schlussfolgern, dass das vermeintlich negative Afrikabild nur auf bestimmte Themenkomplexe beschränkt bleibt und sich in anderen Bereichen ein positiveres Bild ergibt.

Was den Aufbau der vorliegenden Arbeit betrifft, so ist sie in zwei Teile untergliedert. In Teil I geht es zunächst um die Vermittlung von theoretischen Grundlagen und Hintergründen. Ausgangspunkt bildet die Frage nach der Bedeutung der Massenmedien für die Imagebildung sowie dem Prozess der Verankerung bestimmter Bilder in unserer Vorstellung. Daran anknüpfend soll noch einmal ausführlicher auf den bisherigen Forschungsstand eingegangen werden. Was haben Untersuchungen zur Darstellung Afrikas in den Medien bislang ergeben und welches Bild von Afrika wurde dabei präsentiert? Da nicht die Darstellung des afrikanischen Kontinents in seiner Gesamtheit, sondern ausschließlich die Darstellung ‚Schwarzafrikas’ in der überregionalen deutschen Presse analysiert werden soll, wird Kapitel 3 zunächst eine Definition für ‚Schwarzafrika’ liefern, bevor dann in Kapitel 4 auf die Auslandsberichterstattung eingegangen werden wird. Deren Mechanismen gilt es zu verdeutlichen, das heißt Aspekte wie Systemzusammenhänge, Strukturkomplexe der Auslandsberichterstattung, insbesondere Prozesse und Kriterien der Nachrichtenauswahl, die Rolle von Nachrichtenagenturen für den internationalen Informationsfluss sowie die Arbeit eines Auslandskorrespondenten. Da die vorliegende Arbeit aus medienwissenschaftlicher Perspektive angefertigt wurde, wird dem ersten Teil bewusst Raum geboten, um die empirischen Daten später besser einordnen zu können.

Teil II der Arbeit bildet schließlich die empirische Untersuchung. Auf eine kurze Präsentation der untersuchten Medien - FAZ und Süddeutsche Zeitung - sowie eine Erläuterung der methodischen Vorgehensweise, folgen die Ergebnisse der Studie, welche in Diagrammen und Tabellen veranschaulicht und in der Folge ausgewertet und analysiert werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich bisherige Vorwürfe der Einseitigkeit, Unterrepräsentiertheit sowie des Negativismus erneut bestätigen, inwieweit sie relativiert werden müssen oder sich Neuerungen feststellen lassen.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass aufgrund des zeitlich begrenzten Rahmens Beschränkungen vorgenommen werden mussten. Auf einen Vergleich zu anderen „Dritte Welt“-Regionen wie Südostasien oder Lateinamerika, insbesondere in Bezug auf die Häufigkeit der Berichterstattung, musste daher leider verzichtet werden.

TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND HINTERGRÜNDE

2. DAS BILD VON AFRIKA IN DEN MEDIEN

„Afrika wird vom Westen nach wie vor als eine Art Antithese gesehen, dabei ist es Europa geographisch so nahe, dass der senegalesische Philosoph und Staatsmann Leopold Senghor einmal sagte, die beiden Kontinente seien am Nabel zusammengewachsen. Und doch ist Afrika in der westlichen Wahrnehmung ganz weit weg.“[4]

(Chinua Achebe)

Dieses Zitat des nigerianischen Schriftstellers Chinua Achebe verweist auf die Tatsache, dass Afrika in der Wahrnehmung unserer westlichen Welt nur eine untergeordnete Rolle spielt. In diesem Kapitel geht es zunächst um die Bedeutung der Medien für den Prozess der Imagebildung, bevor kurz dargestellt werden soll, welches Bild bislang von Afrika vermittelt wurde.

2.1 Die Bedeutung von Massenmedien für die Imagebildung

Wie wir die Welt sehen, welches Bild sich in unseren Köpfen auftut, wenn wir an ein bestimmtes Land oder eine Region unserer Erde denken, hängt sehr stark von den Informationen ab, die uns täglich aus den Medien erreichen. Besonders wenn es um Länder und Regionen geht, die weit entfernt von uns liegen, wächst der Einfluss der Medien.

Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern und deren Völkern können auf 2 Ebenen entstehen: Erstens aufgrund von Primärerfahrungen, das heißt auf dem direkten Wege durch eigene Beobachtungen und unmittelbaren Kontakt; zweitens durch Sekundärerfahrungen, das heißt durch die Mitteilung Dritter und somit durch Kommunikation[5]. Sobald uns also die Möglichkeit der eigenen Erfahrung, des individuellen Erlebens oder auch der Zugang zu alternativen Informationsquellen fehlt, haben die Medien entscheidenden Einfluss, da sie die „zentrale Instanz“ darstellen, wenn es um die Vermittlung von Sekundärerfahrungen über fremde Länder und Kulturen geht[6]. Somit kann ich Katja Nafroth voll und ganz zustimmen, wenn sie anführt, dass die mediale Auslandsberichterstattung für die Strukturierung der Realität sowie für die Vorstellungen von der Welt, von besonderer Relevanz ist. So können die Medien mitbestimmen, welche Vorstellung der Rezipient von einem bestimmten Land oder über Völker anderer Kulturen herausbildet[7]. Nehmen wir einmal das Beispiel Afrika, so kann man feststellen, inwieweit eine kontinuierliche Darstellung negativer Situationen und Ereignisse dazu führen kann, dass sich der Gesamteindruck des Negativen in der Vorstellung des Rezipienten manifestiert. Nicht zuletzt deshalb hat sich das Bild von Afrika als einem „Katastrophenkontinent“[8] in der Wahrnehmung des Westens derart eingeprägt.

In ihrer Berichterstattung lassen sich die Medien im Wesentlichen von 3 Motiven leiten: Vereinfachung (eine Reduzierung auf einige Aspekte wird vorgenommen), Identifikation (es werden vor allem Ereignisse und Situationen thematisiert, die dem Rezipienten bereits vertraut sind) und Sensationalismus (Strapazierung des Dramatischen, Sensationsgeladenen)[9]. Besonders der zweite Aspekt, die Identifikation birgt Gefahren. So kann es vorkommen, dass Medien gezielt und mit voller Intention Medieninhalte präsentieren, die an bereits vorhandene Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten des Konsumenten anknüpfen, sich schon vorhandener Klischees und Vorurteile bedienen, vertraute Stereotypen einsetzen, lediglich damit sich ihr Produkt besser verkaufen und vermarkten lässt[10]. Ein Zitat von Matussek, seines Zeichens Spiegelkorrespondent in New York, veranschaulicht sehr einprägsam, die beschriebene Problematik:

„Nichts liest man zuhause lieber als das, was man sich schon immer gedacht hat. Und nichts […] landet schneller im Heft oder auf einem Sendeplatz als die Bestätigung eines Vorurteils.“[11]

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Medien, so wie Wimmer es formuliert, unseren Blickwinkel auf und unseren Zugang zu fremden Ländern und Kulturen entscheidend bestimmen[12]. Denn um es mit den Worten von Jürgen Wilke zu verdeutlichen, „gerade dort, wo die eigene Anschauung fehlt, [sind sie] in der Lage, Images überhaupt erst zu schaffen“[13].

2.2 Zum Stand der Forschung

„Afrika ‚passiert’ in der Presse […] eigentlich nur dann, wenn in einem der Länder Krieg ist, eine Hungersnot oder eine Heuschreckenplage wütet bzw. wenn es etwas von exotischen Völkern, aber auch von Krankheiten zu berichten gibt.“

(Dirke Köpp)[14]

Afrika spielt in der Medienberichterstattung meist nur dann eine Rolle, wenn es etwas Negatives zu berichten gibt. „Bekanntlich sind good news no news und dies ganz besonders, wenn es um Afrika geht“[15], schreibt Brunold so treffend. Der so genannte „Afro-Pessimismus“[16] ist weit verbreitet. Zu dem Ergebnis sind bereits eine ganze Reihe von Autoren gekommen, die sich mit der Darstellung Afrikas in den Medien befasst haben. So schreibt Päffgen beispielsweise: „Immer noch leben wir mit der Tatsache, daß Aufmerksamkeit für Afrika […] nur von Katastrophen in Afrika ausgelöst wird.[17] “ „Afrika war und ist immer gut für Gruselgeschichten: Hungertod, bittere Armut, gegenseitiges Schlachten, politischer Dilettantismus - menschliche Tragödien“[18], stellt Mesghena fest. Köpp führt an, dass Afrika oft mit Schlagwörtern wie Krieg, Krankheit, Katastrophe und Korruption, Hunger, hilflosen Menschen, Heiden und Hexerei[19] assoziiert wird. Für Ndumbe III ist das Bild von Afrika in den Medien verbunden mit den Begriffen „Elend, Hunger, Not, Dürre, Katastrophen, Krieg, Flüchtlinge, Aids“[20]. Neben allem Negativen verweist sie aber auch auf das exotische Moment, das im Bezug auf Afrika und dessen Präsentation im medialen Kontext feststellbar ist. So werden Begriffe gebraucht wie „Busch, Urwald, Hütten, Abenteuer und Wildtiere“, die das exotisch Wilde anklingen lassen. Die Afrikaner werden laut Ndumbe’s Erkenntnissen als „wilde, trommelnde, faule, unfähige, unverantwortliche, hilfsbedürftige Neger“ vorgeführt[21]. Weitere Kritikpunkte, die von bisherigen Untersuchungen also benannt werden, sind eine zu stereotype Darstellung[22] sowie ein „eingeschränktes Themenspektrum“[23].

Doch nicht nur in Bezug auf den Afro-Pessimismus sind sich die Autoren einig, sondern auch im Hinblick auf die Tatsache, dass Afrika in der Medienberichterstattung (quantitativ) nur wenig Raum zugestanden wird. So kommt Jean-François Bürki zu dem Schluss, dass „Schwarzafrika von sämtlichen Medien und […] der Öffentlichkeit überhaupt wenig beachtet“ wird[24]. Und Werner A. Meier bringt es auf den Punkt, indem er anmerkt, dass Afrika in west-europäischer Berichterstattung deutlich unterrepräsentiert ist[25].

Seit den 70er Jahren gab es bereits eine Vielzahl von Untersuchungen, die sich mit der Darstellung Afrikas in den Massenmedien beschäftigten. Aus dem Jahr 1972 stammt eine Untersuchung von Messow und Spoo, bei welcher sie eine „geringe Zahl informativer Afrika-Berichte in den Tageszeitungen“ feststellten[26]. Eine Untersuchung des kamerunischen Professors David Simo über die Darstellung afrikanischer Themen in FAZ, Welt, und Zeit zwischen 1965 und 1975, ergab, dass die Informationen stark geprägt sind von Stereotypen und Vorurteilen[27]. Jean-Marie Talla aus Kamerun erforschte 1982 das „Bild Schwarzafrikas im ‚ Spiegel’ von 1965-1970“[28] mit dem Ergebnis, dass der Spiegel dazu tendiere, verallgemeinerte Urteile zu bilden. Beiträge über Einzelländer spielten nur eine untergeordnete Rolle und ein Sensationsbezug war deutlich erkennbar.[29] Im Jahr 1993 kommt Hans Groffebert in seinem Artikel „Rekolonialisierung eines Kontinents in unseren Medien“, der am 24. August in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde, zu dem Ergebnis, dass die Printmedien allgemein nicht viel Raum lassen für Beiträge über Afrika und dass die Intensität der Berichterstattung abhängig ist vom jeweiligen Interesse der Leser[30]. Eine weitere interessante Arbeit erschien 1997 unter dem Titel „Das Afrika-Bild im ‚Spiegel’ und anderen Medien“. Die Autorin Saba Amanuel, eine aus Eritrea stammende Frau, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, findet heraus, dass die Berichterstattung erstens einen Schwerpunkt auf Missstände, Elend und Krieg setzt und zweitens die „Dritte Welt“ im Gesamten diffamiert[31]. Weitere Untersuchungen liegen vor von Ute Dilg[32] (Schwarzafrika: Weißer Fleck auf dem Nachrichtenglobus. In Communicatio Socialis, 32 Jg. 1999) sowie Andreas Pointner und Kurt Luger (Die „Gesichter Afrikas“. Ein Kontinent in der Konstruktion österreichischer Printmedien. In: Medien Journal, 45 Jg. 1996).

Die Vielzahl an wissenschaftlichen Arbeiten zeigt, welch großes Interesse an der Thematik besteht. Im zweiten Teil dieser Arbeit soll daher herausgefunden werden, inwieweit bisherige Untersuchungsergebnisse heute noch Gültigkeit besitzen. Lassen die empirischen Daten eine Veränderung erkennen oder lässt sich lediglich eine Fortführung bisheriger Tendenzen feststellen? Halten die Ergebnisse auch der thematischen und geografischen Differenzierung stand? Diese Fragen werden im zweiten Teil der Arbeit von Bedeutung sein.

3. ‚SCHWARZAFRIKA’ – EINE DEFINITION

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[33] Unter dem Begriff ‚Schwarzafrika’ fasst man all jene Staaten des afrikanischen Kontinents zusammen, die südlich der Sahara liegen. Bisweilen wurde auch der Begriff Sub-Sahara Afrika verwendet, wenn man von dieser Region gesprochen hat. Im englischsprachigen Raum gebraucht man noch heute den Begriff ‚Sub-Sahara-Africa’, im deutschsprachigen Raum hingegen hat sich die Bezeichnung ‚Schwarzafrika’ durchgesetzt. Dieser Begriff verweist nicht nur auf die Hautfarbe der Menschen, die in dieser Region leben, sondern er muss vielmehr auch als ein Synonym betrachtet werden für das Fremde und das Unbekannte, das diese Region für die hiesige Gesellschaft darstellt.[34]

Politisch betrachtet umfasst die Region Schwarzafrika 42 Staaten und 6 Inselstaaten. Im Süden wird sie begrenzt durch den Indischen Ozean, im Westen durch den Atlantik und im Osten durch das Rote Meer. Folgende Staaten zählen zu ‚Schwarzafrika’:

Angola, Äquatorialguinea, Äthiopien, Benin, Botswana, Burkina Faso, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Djibouti, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabon, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kenia, Lesotho, Liberia, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Republik Kongo, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Sambia, Simbabwe, Somalia, Sudan, Südafrika, Swaziland, Tansania, Togo, Tschad, Uganda, Zentralafrikanische Republik. Zu den Inselstaaten zählen Kap Verde, Komoren, Madagaskar, Mauritius, Sao Tomé und Principe sowie die Seychellen.

Die Region Schwarzafrika besteht also aus einer Vielzahl von Staaten, während der afrikanische Kontinent in seiner Gesamtheit nicht mehr als 53 Staaten umfasst. Obwohl uns diese Zahlen durchaus bekannt und bewusst sind, kommt es doch trotzdem immer wieder zu einer „verkürzten Wahrnehmung Afrikas“[35], wie Ferdowsi es umschreibt. Dies bedeutet, dass Afrika bis heute meist so wahrgenommen wird, „als ob es [nur] ein einziges Land wäre“[36]. Dirke Köpp sieht die Ursache hierfür in einer „irrigen Annahme von Homogenität“[37]. Doch Afrika ist kein „monolithisches Gebilde“[38]. Es besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Ländern, die im Hinblick auf soziale, kulturelle und ökonomische Eigenheiten unterschieden werden müssen[39] oder gemäß Ferdowsi in Bezug auf „Entwicklungspotenziale, Zivilisierungsperspektiven und politische Verfassung“[40]. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Ferdowsi hier den Begriff der „Zivilisierung“ verwendet, der jedoch, auch wenn er ein Kritiker des generalisierenden Afrikabildes ist, immer noch irgendwo das koloniale Denken widerspiegelt – ohne Zivilisierung à la Europa hätten sich viele Probleme in Afrika ja womöglich gar nicht erst ergeben, wenngleich man das natürlich auch nicht sicher wissen kann. Doch um auf unser Ausgangsproblem zurückzukommen, so ist Afrika nach Asien und Amerika der drittgrößte Kontinent der Welt und lässt angesichts seiner Komplexität keine Pauschalisierungen zu. Für die vorliegende Untersuchung ist es daher auch wichtig sich die Problematik der Generalisierung bewusst zu machen.

Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass Südafrika bewusst nicht bei der Untersuchung berücksichtigt wurde, da es im Afrika-Diskurs eine Sonderstellung einnimmt, nicht zuletzt auch aufgrund der Präsenz von europäisch-stämmigen Einwohnern oder „Weißen“. Aufgrund dieses Sonderstatus wird der südafrikanische Staat ausgeklammert auch wenn er politisch betrachtet zur Region ‚Schwarzafrika’ zählt.

4. AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG

4.1 Auslandsberichterstattung als organisiertes Sozialsystem

4.1.1 Individuelle Einflüsse auf die Auslandsberichterstattung

Form und Inhalte der Auslandsberichterstattung können durch individuelle Einflussfaktoren gesteuert werden. Mit dem Prozess der politischen Sozialisation erwirbt das Individuum Normen und Wertvorstellungen, es begegnet Stereotypen, Feindbildern, Theorien und Ideologien. Diese können im Fall eines Journalisten zu „Einflussgrößen des medialen Darstellungsprozesses“ werden[41]. Bildet ein Journalist beispielsweise stereotype Vorstellungen im Zuge des politischen Sozialisationsprozesses heraus, so können sich diese auch in seiner Berichterstattung niederschlagen. Zusätzlich können persönliche Prädispositionen wie z.B. ein ausgeprägtes Interesse für eine spezifische Thematik die Medienberichterstattung lenken. Dies bedeutet, dass ein besonders starkes Interesse an einem Thema zu einer verstärkten Thematisierung, ein besonders schwaches Interesse jedoch auch zu einer Nicht-Thematisierung führen kann[42].

Weitere Einflussfaktoren können außerdem verinnerlichte Rollenmodelle der Auslandsberichterstattung und journalistische Verhaltenskodizes sein, die im Zuge der beruflichen Sozialisation erworben werden. Hat ein Journalist bereits konkrete Rollenmodelle für sich angenommen, so können diese in der Konsequenz Form und Inhalte seiner Berichterstattung beeinflussen[43].

Abschließend ist noch auf die nicht minder große Bedeutung sozialer Einflussgrößen hinzuweisen. Derartige Faktoren können gemäß Hafez die Beziehung zwischen Verlag und Redaktion, die Stellung der Medienorganisation im Informationsfluss und die Abhängigkeit von vorangestellten Informationsgebern wie beispielsweise Nachrichtenagenturen, programmierte Entscheidungen sowie schließlich auch „formale Hierarchien und Funktionsteilungen“ umfassen[44]. Dieser Komplex der sozialen Einflussgrößen verdeutlicht, dass Auslandsberichterstattung immer auch als „organisiertes Sozialsystem“[45] betrachtet werden muss.

4.1.2 Informationelle Rahmenbedingungen der Auslandsberichterstattung

Neben individuellen Einflüssen spielen auch bestimmte Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle für die Auslandsberichterstattung.

Hierzu zählen zunächst Zeit-, Platz- und Personalvorgaben. Ist beispielsweise beim Medium Zeitung die Seitenzahl begrenzt, verfügt die Organisation nicht über ausreichende Kontakte zu Nachrichtenagenturen oder aber über eine zufrieden stellende Anzahl an Korrespondenten, so kann dies Beschränkungen zur Folge haben[46].

Des Weiteren sind die Marktsituation sowie das Interesse der Medienkonsumenten von Bedeutung. Verlags- und Verkaufsinteressen können zu einer Bevorzugung oder auch zu einer Vermeidung von Themen führen. Dies lässt sich vergleichen mit den Prädispositionen eines Journalisten auf der Ebene individueller Einflüsse. Auch hier führt ein bestimmtes Interesse zu einer Thematisierung oder Nicht-Thematisierung. Ein geringes Interesse der Konsumenten an Inhalten mit Afrikabezug kann so schließlich ebenso dazu führen, dass ebensolche keine oder zumindest eine geringere Berücksichtigung innerhalb des Mediums erfahren[47].

Als dritten Aspekt sind die Nachrichtenagenturen zu nennen. Ereignisse und Themen werden in den Agenturen bereits vorstrukturiert, so dass schon hier eine erste Auswahl erfolgt (mehr zu der Arbeit von Nachrichtenagenturen in Kapitel 4.3)[48].

Die Chance, der eigenen Auslandsberichterstattung ein spezifisches Profil zu verleihen, liegt, wie Hafez es darstellt, im Bereich der Eigenleistungen der Redaktion. Diese besteht im Wesentlichen aus 3 Bereichen. Als erstes zu nennen sind redaktionelle Entscheidungsprogramme. Hierbei geht es um „medien- und redaktionsspezifische Erfahrungswerte“, die bei der täglichen Arbeit als Orientierung dienen und sie gewissermaßen steuern, das heißt der Journalist verfügt bereits über eine Routine, insbesondere in Bezug auf Informationsbeschaffung und -verarbeitung, die ihm bei seiner Arbeit behilflich ist. Zweiter Aspekt ist die so genannte Zweckprogrammierung. Hierunter einzuordnen sind vor allem ideologische Vorgaben, wie beispielsweise solche, die sich aus der politischen Ausrichtung eines Mediums ergeben. Dritter und letzter Aspekt sind Konditionalprogramme. Jede Redaktion verfügt über einen Nachrichtenfaktorenkatalog, der auf individuellen und spezifischen Erfahrungen der Medienorganisation basiert[49] (s. hierzu auch genauer Kapitel 4.2.1).

Deutlich wird, dass die Auslandsberichterstattung bereits durch informationelle Rahmenbedingungen stark vorgeprägt ist.

4.2 Der Strukturkomplex der Auslandsberichterstattung

4.2.1 Nachrichtenwerttheorie

Johann Galtung und Marie Holmboe Ruge erstellten im Jahr 1965 einen Nachrichtenfaktoren-Katalog, der schließlich von Winfried Schulz im Jahr 1990 in einer überarbeiteten Version veröffentlicht wurde. Dieser Katalog dient als Hilfsmittel, wenn es um die Nachrichtenselektion geht. Zu den Nachrichtenfaktoren zählen auch journalistische Selektionskriterien, welche den Nachrichtenfaktoren ihren Nachrichtenwert verleihen[50].

Nach Schulz unterscheidet man im Wesentlichen 6 Dimensionen, die jeweils mit spezifischen Nachrichtenfaktoren verknüpft sind. Als erstes zu nennen ist die Dimension Zeit mit den Nachrichtenfaktoren „Dauer“ und „Thematisierung“. Hier lässt sich sagen, dass tagesaktuelle Themen und Ereignisse bevorzugt werden. Langzeitprozesse haben einen geringeren Stellenwert und finden daher weniger Beachtung. Die zweite Dimension ist die der Nähe mit den Nachrichtenfaktoren „räumliche, politische und kulturelle Nähe“ sowie kulturelle Relevanz. Gemeint ist hiermit, dass zum Beispiel in Deutschland verstärkt jene Nachrichten ausgewählt werden, die aus einem Nachbarstaat, aus der EU oder der NATO oder aus dem westlichen Kulturraum im Allgemeinen stammen. An dritter Position nennt Schulz in Anlehnung an Galtung und Ruge die Dimension Status mit den Nachrichtenfaktoren „regionale Zentralität“, „persönlicher Einfluss“ und „Prominenz“. Hierauf folgt die Dimension Dynamik mit den Nachrichtenfaktoren „Überraschung“ und „Struktur“. An dieser Stelle ist gemeint, dass unerwartete und unvorhersehbare Ereignisse und Entwicklungen sowie strukturell weniger komplexe Ereignisse bevorzugt behandelt werden. Schließlich nennt Schulz an Position 5 die Dimension Valenz mit den Nachrichtenfaktoren „Konflikt“, „Kriminalität“, „Schaden“ und „Erfolg“. Es werden all jene Nachrichten begünstigt, die ein konfliktgeladenes Geschehen beinhalten. Diese Dimension ist vor allem bei der Afrikaberichterstattung von Bedeutung. An sechster und letzter Stelle folgt schließlich die Dimension der Identifikation mit den Nachrichtenfaktoren „Personalisierung“ und „Ethnozentrismus“. Die Auswahl der Themen erfolgt hierbei auf unterschiedlichen Ebenen, das heißt beispielsweise durch Journalisten, durch Medien als Gesamtorganisation oder wie Czerwick es ausdrückt, „im Zusammenspiel zwischen Medien und Gesellschaft“[51].[52]

In der ursprünglichen Arbeit von Galtung und Ruge aus dem Jahr 1965 findet sich zudem eine Auflistung von Kriterien für den Nachrichtenwert. Zu jenen Kriterien zählen: Frequenz, Schwellenfaktor, Eindeutigkeit, Bedeutsamkeit, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Variation, Elite-Bezug, Personalisierung und Negativismus. Verfügt eine Nachricht über einen oder mehrere dieser Faktoren, so gilt sie als berichtenswert[53].

Nachrichtenwerte, die speziell für die Auslandsberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen, sind Nähe, Bezug zu Elite-Personen und Elite-Nationen, Konfliktgehalt sowie Negativismus[54].

Neben den von Galtung und Ruge als Richtlinie aufgestellten Kriterien für die Nachrichtenauswahl liefert Johnstone noch 3 andere Erklärungsansätze in Bezug auf die Frage, was zu einer Nachricht wird und was nicht. Erster entscheidender Faktor sind individuelle Werturteile des Journalisten bei der Nachrichtensammlung. Als zweiten Faktor nennt Johnstone Prozesse des Gate-Keeping innerhalb der Redaktion, die die Nachrichtenselektion determinieren. Der so genannte Gate-Keeper besetzt eine Position innerhalb des Redaktionsbetriebs, an welcher eine Entscheidung hinsichtlich der Aufnahme oder Ablehnung einer Nachricht getroffen werden kann. An dritter und letzter Stelle folgen externe Faktoren wie beispielsweise politische oder ökonomische Macht[55].

Abschließend bleibt zu sagen, dass die Nachrichtenselektion letztlich meist aufgrund von mehreren Faktoren getroffen wird. Je mehr Faktoren zutreffen, desto höher der Nachrichtenwert.

[...]


[1] Köpp 2005, 1, zit. n. Stern 1993: 6.

[2] Vgl. Kapitel 2.1

[3] Hafez 2002, 12.

[4] Ferdowsi 2004, 5.

[5] Vgl. Wilke 1990, 98.

[6] Vgl. Nafroth 2002, 48.

[7] Vgl. Nafroth 2002, 5.

[8] Ferdowsi 2004, 11.

[9] Vgl. ebd.; zit.n. Ruhrmann 2003:62.

[10] Vgl. Claussen 1990, 140.

[11] Franzke 2000, 117, zit. n. Matussek in einem Feature des SR (Hörfunk) vom 22. und 24.06.1995 zum Thema: Erste Welt-Dritte Welt.

[12] Vgl. Wimmer 2003, 340.

[13] Wilke 1990, 102ff..

[14] Köpp 2005, VII.

[15] Brunold 1997, 19.

[16] Vgl. Ferdowsi 2004, 12.

[17] Päffgen 1976, XIII.

[18] Mesghena 1996, 186.

[19] Vgl. Köpp 2005, 1.

[20] Vgl. Ndumbe 1996, 191ff..

[21] Ebd. 1996, 192.

[22] Vgl. Köpp 2005, 382.

[23] Vgl. Wimmer 2003, 341, zit. n. Dilg 1999: 247.

[24] Bürki, 95ff.

[25] Vgl. Wimmer 2003,340, zit. n. Meier 1984.

[26] Vgl. Köpp 2005, 384, zit. n. Messow & Spoo 1972: 409.

[27] Vgl. ebd., 385, zit. n. Simo 1976.

[28] Ebd., 385.

[29] Vgl. ebd., zit. n. Talla 1984:104.

[30] Vgl. ebd.

[31] Vgl. ebd. 386.

[32] Vgl. Wimmer 2003, 338.

[33] Abbildung: Schwarzafrika südlich der Sahara; http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Africa_Subsahariana.png [Abgefragt 10.02.07].

[34] Vgl. Köpp 2005, 3.

[35] Ferdowsi 2004, 13.

[36] Ebd.

[37] Köpp 2005, 1.

[38] Ferdowsi 2004, 12.

[39] Vgl. Ferdowsi 2004, 12.

[40] Ebd. 13.

[41] Hafez 2002, 72.

[42] Vgl. ebd. 73.

[43] Hafez 2002, 73ff..

[44] Ebd. 89.

[45] Ebd.

[46] Vgl. ebd., 91.

[47] Ebd., 92.

[48] Vgl. Hafez 2002, 95.

[49] Vgl. ebd., 101 ff..

[50] Vgl. Kepplinger 1998, 20.

[51] Vgl. Hafez 2002, 111; zit. n. Czerwick 1990: 180.

[52] Vgl. ebd., 111.

[53] Vgl. Nafroth 2002, 39ff.

[54] Vgl. Nafroth 2002, 51.

[55] Vgl. Kunczik 1985, 181ff..

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Das Bild ‚Schwarzafrikas’ in der überregionalen deutschen Presse zwischen 2000 und 2005
Untertitel
Eine empirische Untersuchung am Beispiel der FAZ und der Süddeutschen Zeitung
Hochschule
Universität Siegen  (Fachbereich 3 Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften)
Note
1,1
Autor
Jahr
2007
Seiten
46
Katalognummer
V112189
ISBN (eBook)
9783640111039
ISBN (Buch)
9783640116065
Dateigröße
748 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bild, Presse
Arbeit zitieren
Daniela Waber-Keutieu (Autor:in), 2007, Das Bild ‚Schwarzafrikas’ in der überregionalen deutschen Presse zwischen 2000 und 2005, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112189

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