Vergleich der Nationalen Forschungs- und Technologiepolitiken in Deutschland und Großbritannien ab 1990

Erklärung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten


Diplomarbeit, 2008

78 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Begriffliche Grundlagen
2.1 Forschung und Entwicklung
2.2 Technologie
2.3 Forschungsund Technologiepolitik

3. Marktversagen und wirtschaftspolitische Ansatzpunkte für die Forschungsund Technologiepolitik
3.1 Spillover-Effekte in endogenen Wachstumsmodellen
3.1.1 Learning-by-Doing-Modell
3.1.2 Humankapitalmodell
3.1.3 FuE-Modell
3.2 Marktunvollkommenheiten im Außenhandelsmodell
3.3 Unsicherheiten und unvollkommene Kreditmärkte
3.4 Netzwerkeffekte

4. Forschungsund Technologiepolitik in Deutschland
4.1 Akteure
4.1.1 Ministerien und Gremien
4.1.2 Schulen, Ausund Weiterbildungseinrichtungen
4.1.3 Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
4.1.4 Forschungsförderungseinrichtungen
4.1.5 Unternehmen
4.1.6 Europäische Union
4.2 Die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands
4.2.1 Entwicklungen seit den 90er Jahren
4.2.2 Inputorientierte FuT-Indikatoren
4.2.3 Outputorientierte FuT-Indikatoren
4.2.4 Marktorientierte FuT-Indikatoren
4.3 Studien zum Innovationssystem und Technologievorschau als Basis für die
FuT- Strategie
4.3.1 Studien zum Innovationssystem
4.3.2 Technologievorschau
4.4 FuT-Strategie: Die Hightech-Strategie für Deutschland
4.4.1 Querschnittsaktivitäten zur Innovationsförderung
4.4.2 Forschungsfeldspezifische Innovationsstrategien
4.5 Evaluation
4.5.1 Evaluationsverfahren Drei-Schalenmodell
4.5.2 Evaluation ausgewählter Förderprogramme

5. Nationale Forschungsund Technologiepolitik in Großbritannien
5.1 Akteure
5.1.1 Ministerien und Gremien
5.1.2 Schulen, Ausund Weiterbildungseinrichtungen
5.1.3 Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
5.1.4 Forschungsförderungseinrichtungen
5.1.5 Unternehmen
5.1.4 Europäische Union
5.2 Die technologische Leistungsfähigkeit Großbritanniens
5.2.1 Entwicklung seit den 90er Jahren
5.2.2 Inputorientierte FuT-Indikatoren
5.2.3 Outputorientierte FuT-Indikatoren
5.2.4 Marktorientierte FuT-Indikatoren
5.3 Studien zum Innovationssystem und Technologievorschau als Basis für di FuT-Strategie
5.3.1 Studien zum Innovationssystem
5.3.2 Technologievorschau
5.4 FuT-Strategie: Science and Innovation Investment Framework 2004- 2014
5.4.1 Science and Innovation Investment Framework 2004- 2014
5.4.2 Technology Strategy Board
5.5 Evaluation
5.5.1 Evaluationsverfahren ROAME
5.5.2 Evaluation ausgewählter Förderprogramme

6. Vergleich der FuT-Politiken in Deutschland und Großbritannien
6.1 Vergleich der Forschungsinfrastrukturen
6.2 Vergleich der FuT-Indikatoren
6.3 Vergleich der FuT-Strategien

7. Schlußbemerkungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: FuE-Gesamtausgaben im Verhältnis zum BIP, Deutschland

Abbildung 2: Inputorientierte FuT-Indikatoren in Deutschland

Abbildung 3: Outputorientierte FuT-Indikatoren für Deutschland

Abbildung 4: Marktorientierte FuT-Indikatoren für Deutschland

Abbildung 5: FuE-Gesamtausgaben im Verhältnis zum BIP, Großbritannien

Abbildung 6: Inputorientierte FuT-Indikatoren in Großbritannien

Abbildung 7: Outputorientierte FuT-Indikatoren für Großbritannien

Abbildung 8: Marktorientierte FuT-Indikatoren für Großbritannien

Abbildung 9: Summary Innovation Index 2005

1. Einleitung

Wirtschaftswachstum bringt den Menschen Wohlstand. Aus den Wachstumsmodellen ist bekannt, dass technischer Fortschritt eine wesentliche Determinante des Wachstums bildet.1 Technischer Fortschritt entsteht durch die Produktion von Innovationen.2 Immer neuere Produkte werden hergestellt, die auf der einen Seite eine Konsummöglichkeit darstellen, auf der anderen Seite aber lösen sie auch Veränderungen in der Gesellschaft aus. Es ist zu beobachten, dass im Laufe der Zeit Produkte und Dienstleistungen in doppelter Hinsicht einen steigenden Wissensgrad beanspruchen. Zum einen wird mehr Wissen benötigt, um die Produkte herzustellen. Zum anderen wird auch auf Seiten der

Verbraucher mehr Wissen benötigt, um die Produkte nutzen zu können. Es entstehen Wissensökonomien und Wissensgesellschaften. Komplexer werdende Technologien und interdisziplinäre Forschung sagen voraus, dass Wissen auch in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Die neuen Produkte werden nach ihrer Herstellung am Markt gehandelt. In Zeiten der Globalisierung bedeutet das einen weltweiten Marktplatz und internationale Konkurrenz. Daher versucht ein Land seine Innovationen von denen anderer Länder abzuheben. Dies gelingt am besten, wenn die Innovationen eines Landes mit Wissen gekoppelt sind, das anderen Ländern noch nicht verfügbar ist. Da Innovationen im Laufe der Zeit einen steigenden Wissensgrad beanspruchen, wird in die Forschung investiert, um neues Wissen zu produzieren. Dieses Wissen wird dann umgesetzt in innovative Produkte und Dienstleistungen. Die Forschungsund Technologiepolitik übernimmt diese beiden Aufgaben. Zum einen investiert sie in die Forschung, zum anderen setzt sie sich für die erfolgreiche Umsetzung der Forschungsergebnisse in innovative Produkte ein.

Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst herauszustellen, ob staatliche Eingriffe in die Wirtschaft überhaupt gerechtfertigt sind. Dazu werden Formen des Marktversagens untersucht, mit denen staatliche forschungsund technologiepolitische Maßnahmen begründet werden. Anschließend werden die Forschungsund Technologiepolitiken von Deutschland und Großbritannien analysiert und schließlich miteinander verglichen.

Zuerst sollen aber einige begriffliche Grundlagen geklärt werden.

2. Begriffliche Grundlagen

2.1 Forschung und Entwicklung

Eine verbreitete Definition von Forschung und Entwicklung (FuE) wurde in einer Ver- öffentlichung der OECD über Richtlinien und Begriffe für die Messung von Forschungs- und Entwicklungsdaten festgelegt.3 Demnach wird Forschung und Entwicklung definiert als kreative Arbeit, die auf einer systematischen Basis durchgeführt wird, um den Wissensstand zu erhöhen und die Nutzung des Wissens für die Entwicklung neuer Anwendungen. Weiterhin wird der Begriff unterteilt in die Bereiche Grundlagenforschung, angewandte Forschung und experimentelle Entwicklung. Grundlagenforschung bezieht sich dabei auf theoretische oder experimentelle Arbeiten, die vorzugsweise darauf ausgerichtet sind, grundlegende Erkenntnisse der jeweiligen Forschungsgebiete zu gewinnen, ohne dass diese Erkenntnisse einen praktischen Nutzen haben müssen. Angewandte Forschung richtet sich ebenfalls auf die Schaffung neuen Wissens, allerdings werden hauptsächlich praktische Ziele oder Zwecke verfolgt. Experimentelle Forschung hingegen baut auf existierendem Wissen auf, um neue Produkte, Materialien und Apparate herzustellen, neue Verfahren, Systeme und Dienstleistungen zu installieren bzw. Bestehendes wesentlich zu verbessern.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sowie auf Branchenund Unternehmensebene sind Forschung und Entwicklung notwendige Voraussetzungen für die Hervorbringung von Innovationen. Innovationen zählen zu den Erfolgstreibern der Wettbewerbsfähigkeit. Im engeren Sinne versteht man unter Innovation die Einführung neuer oder wesentlich verbesserter Produkte und Verfahren.4 Dabei können Innovationen die Form von progressiven bis radikalen Innovationen annehmen.5 Während progressive Innovationen die schrittweise Weiterentwicklung bekannter Produkte und Verfahren sind, besitzen radikale Innovationen einen höheren Neuheitswert sowie das Potential bestehende Märkte zu verdrängen oder neue Märkte zu schaffen. Zeitlich gesehen durchläuft eine Innovation idealtypische Innovationsstadien.6 Angefangen von einer Idee wird diese weiterentwickelt zur technischen Konzeption, anschließend bei gegebener wirtschaftlicher Rentabilität als Innovation am Markt eingeführt, wo es zur Diffusion kommt und die Innovation schließlich von anderen Unternehmen imitiert werden kann. Die Innovationsstadien können in jeder Phase Rückkopplungen zur Grundlagenforschung, angewandter Forschung, experimenteller Entwicklung oder auch zum bisherigen Wissensvorrat aufweisen. Es hängt dabei von der Problemstellung ab, welcher Forschungsbereich beansprucht werden muss, um entsprechende Lösungen zu erarbeiten.

2.2 Technologie

Technologie bezeichnet das Wissen über die Nutzbarmachung der Naturwissenschaften für den Menschen und umfasst dafür jede zweckmäßige Handlung, Methode und Arbeitsweise.7 Technik ist demgegenüber die praktische, zielgerichtete Anwendung. Allerdings wird im heutigen Begriffsverständnis auch Technologie für die Bezeichnung praktischer Anwendungen gebraucht, jedoch enthält es gegenüber dem Begriff Technik meistens eine Steigerung, etwa in Form von höherer Komplexität oder größerer Vernetzung in gesellschaftlichen Funktionsbereichen.8

Je nach Reifephase können unterschiedliche Arten von Technologien charakterisiert werden.9 In der Entstehungsphase werden Technologien als Schrittmachertechnologien bezeichnet. Sie befinden sich am Anfang ihres Entwicklungsstadiums und ihre möglichen Einsatzgebiete sind weitgehend unbekannt. Zur weiteren Entwicklung bedürfen sie Investitionen in die Grundlagenforschung. Die Technologien im nächsten Stadium hei- ßen Schlüsseltechnologien. Diese Technologien befinden sich im Wachstum und sind entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung der Zukunft. Sie haben einen maßgeblichen Einfluss auf den technischen Fortschritt und die industriellen Srukturen. Ihre

Anwendungsfelder sind branchenund produktübergreifend, jedoch erfordern sie umfangreiche Investitionen in die anwendungsorientierte Forschung, um ihre genauen Einsatzgebiete zu bestimmen. Technologien in der Reifephase werden Basistechnologien genannt. Sie haben sich in der Wirtschaft etabliert und sind weitgehend erforscht.

Gütergruppen aus der industriellen Produktion können bezüglich ihrer Forschungsintensität in gehobene Gebrauchstechnologien und Spitzentechnologien differenziert werden.10 Gehobene Gebrauchstechnologien umfassen Gütergruppen, deren Anteil an FuE- Aufwendungen zwischen 2,5% und 7% am Umsatz beträgt, während bei Spitzentechnologien der Anteil an FuE-Aufwendungen oberhalb von 7% des Umsatzes liegt.11 Beide Bereiche zusammen bilden den forschungsintensiven Sektor der Industrie. Die Zweiteilung soll nicht den Eindruck vermitteln, dass eine Abgrenzung zwischen höherwertigen und minderwertigen Technologien vorgenommen wurde, sondern lediglich eine inputorientierte Abgrenzung nach ihrer Forschungsintensität.

2.3 Forschungsund Technologiepolitik

Die Forschungsund Technologiepolitik (FuT-Politik) dient in erster Linie dem wirtschaftlichen Wachstum und damit der Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands. Durch den technischen Fortschritt ergibt sich eine Steigerung der Wissensbindung in Gütern und Diensteleistungen, die einen Strukturwandel hin zu einer Wissensökonomie und Wissensgesellschaft mit sich bringt. Die FuT-Politik dient der Förderung des technischen Fortschritts und der Schaffung von Innovationen, wodurch insbesondere in Zeiten der Globalisierung die eigene Volkswirtschaft gestärkt werden soll. Dabei umfassen die politischen Maßnahmen zur Schaffung und Verbreitung von Innovationen die Förderung durch finanzielle Mittel und die Herstellung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen. Die Aufgabenstruktur der FuT-Politik macht es zu einem komplexen Politikbereich mit vielen Schnittstellen zu anderen Politikfeldern, vor allem aber nehmen die Wirtschaftsund Bildungspolitk eine besondere Bedeutung innerhalb der FuT-Politik ein. Aufgabe der Wirtschaftspolitik in dieser Hinsicht ist die Gestaltung innovationsund wachstumsfördernder Rahmenbedingungen für private Unternehmen. Die Bildungspolitik fördert die schulische und berufliche Bildung sowie die Hochschulbildung, welches für die FuT-Entwicklung eine beteutende Rolle spielt.

„Technologiepolitik ist die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen der Staat auf die Erhöhung des technischen Fortschritts in der Wirtschaft abzielt. Dazu zählen Subventionen und Steuervergünstigungen zur Förderung privater Forschungsund Entwicklungsaktivitäten; die Bereitstellung wirtschaftlich verwertbaren technischen Wissens durch staatliche Forschungseinrichtungen; die Förderung des Absatzes und der Verwendung technologieintensiver Produkte; der gewerbliche Rechtsschutz, insbesondere der Patentschutz; die Festsetzung von Normen und Standards, soweit damit raschere Verbreitung moderner Technologien bezweckt wird; die Bereitstellung einer innovationsfördernden Infrastruktur; die staatliche Beschaffungspolitik, soweit sie gezielt technologieintensive Güter nachfragt, um die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien zu fördern.“12

3. Marktversagen und wirtschaftspolitische Ansatzpunkte für die Forschungsund Technologiepolitik

Marktversagen tritt auf, wenn es dem Markt nicht gelingt, die Ressourcen gesamtwirtschaftlich optimal zuzuteilen.13 Es wird hierbei auch vom allokativen Marktversagen gesprochen. Die Folge ist eine niedrigere gesellschaftliche Wohlfahrt, als es im paretooptimalen Zustand wäre, wenn es kein Marktversagen gäbe. Unter Pareto-Optimum versteht sich ein Zustand, in der keiner besser gestellt werden kann, ohne dass ein anderer schlechter gestellt wird.14 Das Vorliegen von Marktversagen legitimiert den Staat, durch gezielte wirtschaftspolitische Interventionen zu versuchen, den Ursachen des Marktversagens entgegenzuwirken. Auf diese Weise wird ein höheres gesamtwirtschaftliches Wachstumsniveau angestrebt. Da es dem Staat aber nicht möglich sein wird, die Differenz zwischen Marktversagens und Pareto-Optimum korrekt zu ermitteln und geeignete Instrumente für die Behebung dieser Differenz einzusetzen, spricht man auch von der zweitbesten Lösung.15

Aus Sicht der Forschungsund Technologiepolitik existiert eine Reihe von Faktoren, die die Funktionsfähigkeit des Marktes für ein wohlfahrtsoptimales Wachstum beeinträchtigen. Zu nennen sind positive externe Effekte, auch bekannt als Spillover-Effekte, fehlender Protekionismus im Außenhandel, Unsicherheiten und unvollkommene Kapitalmärkte, Unteilbarkeiten und Größeneffekte sowie Netzwerkeffekte. Im Folgenden werden diese Ursachen des Marktversagens näher betrachtet. Dabei werden für die jeweiligen Probleme entsprechende wirtschaftspolitische Ansatzpunkte vorgeschlagen.

3.1 Spillover-Effekte in endogenen Wachstumsmodellen

Der Beginn der endogenen Wachstumstheorien ist geprägt durch die Arbeiten von Romer (1986, 1990), Lucas (1988) und Rebelo (1991) und wurde vor allem von Grossman/Helpman (1991) weiterentwickelt.16 In der neoklassischen Wachstumstheorie wurde langfristiges Wachstum mit einem exogen vorgegebenen technischen Fortschritt dargestellt, ohne weitere Erklärungen hinsichtlich seiner Entstehung oder Herkunft. Mit dem Aufkommen der endogenen Wachstumstheorien wird versucht, den technischen Fortschritt aus dem Modell heraus zu erklären. Dabei spielen externe Effekte und öffentliche Güter eine zentrale Rolle.17

Positive externe Effekte, auch Spillover-Effekte genannt, entstehen durch die Diffusion von Wissen. Dabei weist hier Wissen die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes auf, für welches die Kriterien der Nichtausschließbarkeit und Nichtrivalität gelten.18 Nichtausschließbarkeit bedeutet, dass die Nutzer des Wissens andere vom gleichzeitigen Gebrauch dieses Wissens nicht ausschließen können, d.h. alle Interessenten können sich dieses Wissen aneignen. Nichtrivalität bedeutet, dass die Nutzung des Wissens ihre Ressource nicht verbraucht und alle gleichermaßen dieses Wissen in Anspruch nehmen können. Wissen als öffentliches Gut unterliegt nicht der Preisbildung im Marktmechanismus und führt daher zu Marktversagen. Forschende Unternehmen bezahlen für neues

Wissen, das durch Spillover ohne größere Aufwände anderen Unternehmen bereitgestellt wird. Diesem Umstand wird versucht durch ein funktionsfähiges Patentwesen gerecht zu werden. Auf diese Weise kann zwar die kommerzielle Verwertung des neuen Wissens temporär eingeschränkt werden, die Verbreitung des Wissens wird aber dadurch nicht verhindert und kann Impulse für Innovationen anderer Unternehmen geben.19 Das wissensproduzierende Unternehmen wird für die eigenen Innovationen vom Markt entgolten, nicht aber für die externen Erträge, die durch Spillover in anderen Unternehmen entstehen und dadurch das gesamtwirtschaftliche Wachstum fördern. Aus

Unternehmenssicht besteht daher ein geringeres Anreizkalkül in FuE zu investieren, als gesamtwirtschaftlich gesehen. Daraus ergibt sich, dass die Investitionsquote in FuE in einer Marktwirtschaft suboptimal ist und wohlfahrtsfördernde Staatseingriffe möglich sind, um die externen Effekte durch staatliche FuE-Förderung zu internalisieren.20

3.1.1 Learning-by-Doing-Modell

Das von Arrow (1962b) entwickelte Learning-by-Doing-Modell basiert auf Lernprozessen, in denen die Mitarbeiter eines Unternehmens durch die ständige Ausführung ihrer Tätigkeiten Erfahrungen sammeln, mit denen sie im Laufe der Zeit ihre Arbeiten effizienter durchführen können.21 Produktionsprozesse lassen sich effizienter gestalten, die Arbeitsproduktivität steigt und die Stückkosten der Produktion sinken. Diese aus Lerneffekten entspringenden Vorteile werden auch dynamische Skalenerträge genannt. In umfangreichen empirischen Untersuchungen wurde der Learning-by-Doing-Effekt bestätigt und in Lernkurven abgebildet, wobei sich die Lerngrade allerdings branchenspezifisch unterscheiden.22

Die Existenz solcher Lernkurven kann in strategischen Entscheidungen mit berücksichtigt werden.23 Unternehmen könnten in Erwartung kostensenkender Lerneffekte bei der Einführung eines neuen Produkts mit einer Niedrigpreispolitik am Markt schnelle Produktionserfolge erzielen. Auch in der Außenhandelpolitik kann es sinnvoll sein, die heimische Industrie zeitweilig durch Protektionismus vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen, bis sich die Lernerfolge im Inland auf die Kostenstruktur niedergeschlagen haben.

Die Entstehung der Lerneffekte verbindet Arrow mit Investitionen in neues Sachkapital.24 Mit neuem Sachkapital werden den Arbeitern neue Rahmenbedingungen geschaffen und die Möglichkeit gegeben, im Umgang mit ihnen Erfahrungen zu sammeln, zu Lernen und im Produktionsprozess die Arbeitsproduktivität zu steigern. Die Lernbzw. Erfahrungseffekte im Produktionsprozess beziehen sich zunächst auf die einzelnen Tä- tigkeitsfelder eines Individuums. Darüber hinausgehend erfolgt ein Erfahrungsaustausch zwischen Individuen, Gruppen, Institutionen und Branchen.25 Durch diese Wissens- Spillover erhöht sich die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Darüber hinaus wird angenommen, dass die aus Lernprozessen gewonnenen Erkenntnisse auch in die Herstellung neuen Sachkapitals einfließen. Neben der Steigerung der Arbeitseffizienz werden also auch die hergestellten Güter von dem Wissen aus Lernprozessen beeinflusst und in verbesserter Qualität hergestellt. Die neuen Güter bilden widerum die Sachkapitalinvestitionen der nächsten Generation. Diese führen im Laufe des Learning-by-Doing widerum zu Lerneffekten und Wissensakkumulation, welche ständig die Produktion neues

Sachkapitals hervorbringt. Der technische Fortschritt wird somit endogen begründet durch Investitionen in Sachkapital.26 Kapitalakkumulation und Wissensakkumulation stehen in positiver Korrelation und treiben den technischen Wandel voran. Jede Investition schafft neues Wissen. Investitionen als Träger des Wissens weisen dabei einen intertemporalen externen Effekt auf, indem heutige Investitionen das Produktionsniveau der Zukunft erhöhen. Dies impliziert, dass die Entwicklungsfähigkeit einer Volkswirtschaft entscheidend von ihren Sachkapitalinvestitionen abhängt. Das Wissen vermehrt sich durch fortlaufende Investitionen in neue Kapitalgüter, die neue Erfahrungen mit der Produktion möglich machen. Im Learning-by-Doing-Modell wird das langfristige Wachstumsgleichgewicht durch die Dynamik der Wissensakkumulation erklärt, die aus der Sachkapitalakkumulation entsteht.

Die Sachkapitalinvestitionen erhöhen auf der einen Seite durch Spillover-Effekte die gesamtwirtschafltiche Produktivität und tragen auf der anderen Seite zum technischen Fortschritt bei. Da positive externe Effekte jedoch keine Rolle in den Investitionsentscheidungen der Unternehmen spielen, kann davon ausgegangen werden, dass die gesamtwirtschaftlich optimale Investitionsquote zu gering bleibt. In diesem Fall liegt es im Aufgabenbereich des Staates, durch geeignete Interventionen zu versuchen, die privaten Investitionen in Sachkapital zu erhöhen. Prinzipiell könnte der Staat die Sachkapitalinvestitionen subventionieren, um damit die Investitionsentscheidungen der Unternehmen zu beeinflussen. Für einen hohen gesamtwirtschaftlichen Effekt müssten die aus Sachkapitalinvestitionen gewonnenen Erkenntnisse durch Wissens-Spillover diffundieren. Geeignet wären branchenspezifische oder branchenübergreifende neue Technologien, die hohe Lerneffekte und Produktivitätssteigerungen versprechen. Der Einsatz von IuK-Technologien beispielsweise konnte den Unternehmen enorme Produktivitätssteigerungen erbringen. Außerdem bewirken IuK-Technologien Lerneffekte und können Wissens-Spillover auslösen.27 Natürlich muss darauf geachtet werden, dass keine exzessive Subventionspolitik betrieben wird, die ihrerseites zu einer Fehlallokation der Ressourcen und damit zur Senkung eines wohlfahrtsoptimalen Wachstums führen würde.

3.1.2 Humankapitalmodell

Ausgangspunkt im Humankapitalmodell von Lucas (1988) ist eine Produktionsfunktion mit zwei Sektoren.28 Im Sachkapitalsektor werden Sachgüter produziert, die für Konsumzwecke oder Sachkapitalinvestitionen genutzt werden können. Im Humankapitalsektor bzw. Bildungssektor entsteht durch den Einsatz von Humankapital neues Humankapital. Das neue Humankapital wird dadurch gebildet, dass Individuen einen Teil ihrer Arbeitszeit für Ausund Weiterbildungsaktivitäten ausgeben. Während dieser Zeit sind die Personen allerdings an der laufenden Produktion von Sachkapital nicht beteiligt, d.h. die Humankapitalakkumulation entsteht zu Lasten des Sachkapitalsektors. Ein Unternehmen hat also die Wahl, seine Mitarbeiter entweder für die Sachgüterproduktion arbeiten zu lassen, oder sie in die Weiterbildung zu schicken, um dadurch höhere Renditen in der Zukunft erzielen zu können. Gesamtwirtschaftlich gesehen steigt das volkswirtschaftliche Humankapital umso höher, je mehr Menschen im Bildungssektor tätig sind. Der Verzicht auf die Produktion von Sachkapital im Rahmen der Humankapitalinvestitionen im Bildungssektor führt zu einer Erhöhung der Humankapitalausstattung in der Zukunft, mit der dann widerum die Sachgüterproduktion steigt. Der Zuwachs zum Humankapitalbestand einer Volkswirtschaft hängt dabei ab von der Produktivität des Bildungssektors, der Zeit, welche die Individuen für Bildungszwecke aufbringen als auch vom Anfangsbestand an Humankapital.

Das Humankapitalmodell wird auch herangezogen, um unterschiedliche Wachstumsentwicklungen in den Ländern zu erklären.29 In Ländern mit vergleichsweise hohem Anteil an Humankapitalbestand kann bei Zuführung von Sachkapital mit raschem Wachstum gerechnet werden. Die Einführung der marktwirtschaftlichen Ordnung in manchen Ländern mit hoher Humankapitalausstattung erbrachte diesen Ländern hohe

Wachstumsraten. In Ländern mit einer geringen Humankapitalausstattung, etwa in Entwicklungsländern mit niedrigem Bildungsgrad kann die Zufuhr von Sachkapital wenig ausrichten, da hier das Humankapital der Engpassfaktor ist. Daher muss Humankapital aufgebaut werden, welcher in hoher Größenordung nur im Land selbst möglich ist. Durch Aneignung von Wissen können die Arbeiter bzw. die Unternehmen das Sachkapital effizienter einsetzen, indem sie die Nutzung der Technologien verstehen, sich auf Veränderungen anpassen können, ihre Problemlösungskompetenzen steigern und Ideen für neue Produkte entwickeln können. Empirische Untersuchungen in Bezug auf Investitionen in Humankapital gehen von einer generell wachstumsfördernden Wirkung aus, wobei der Sekundärschulbildung eine besondere Bedeutung zugemessen wird.30

Am Humankapitalmodell von Lucas wird kritisiert, dass der Bildungssektor nur mit Humankapital produziert.31 In der Realität ist jedoch für die Herstellung von Humankapital auch der Einsatz von Sachkapital erforderlich, etwa Gebäudeund Laborausstattungen, Maschinen und Apparate sowie Materialien und Werkzeuge.

Im Vergleich zum Learning-by-Doing-Modell von Arrow, bei der Invesitionen in Sachkapital den Motor des technischen Wandels und des Wachstums darstellen, sind es im Modell von Lucas die Humankapitalinvestitionen im Bildungssektor. Widerum wird angenommen, dass bei den Investitionen externe Effekte auftreten.32 Während die internen Effekte der Humankapitalinvestitionen dem Investor zugute kommen, profitieren von den externen Effekten andere Wirtschaftssubjekte. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum hängt also sowohl vom Humankapitalbestand im Produktionsprozess ab, als auch von den Spillover-Effekten aus der Wissensakkumulation. Die Annahme externer Erträge folgert eine marktwirtschaftliche Wachstumsrate, die hinter der gesamtwirtschaftlich optimalen zurückbleibt. Durch staatliches Eingreifen müsste nun versucht werden, die Investitionen in Humankapital auf die gesamtwirtschafltiche optimale Höhe anzuheben.

Die Allgemeinbildung ist neben der Nützlichkeit für die Wirtschaft vor allem ein klassisches öffentliches Gut, zu dessen Finanzierung sich der Staat im Dienste der Gesellschaft verpflichtet hat.

[...]


1 Vgl. Majer (1998), S.42

2 Vgl. ebenda, S. 52

3 Vgl. OECD (2002), S. 30

4 Vgl. OECD (2005), S. 46

5 Vgl. Wilhelm (2000), S. 10, Vgl. OECD (2005), S. 58

6 Vgl. Grupp (1997), S. 23f.

7 Vgl. Grupp (1997), S. 10

8 Vgl. Gräb-Schmidt (2002), S. 20f.

9 Vgl. Vogel (2000), S. 45f., S. 358

10 Vgl. NIW und ISI (2006), S. 8f.

11 Vor der Neuabgrenzung der forschungsintensiven Sektoren in 2006, um sie den strukturellen und technologischen Entwicklungen anzupassen, wurden als Bezugswerte 3,5% und 8,5% verwendet. Die Klassifikation entstand aus einer Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschun (NIW) und dem Fraunhofer Institut für Systemund Innovationsforschung (ISI). Dementsprechend wurden die Gütergruppen in NIW/ISI-Listen festgehalten, allerdings nicht nur in Deutschland, da sich die Abgrenzung auch für internationale Vergleiche eignet. Vgl. ebenda

12 Klodt (1995), S. 121f.

13 Vgl. Brümmerhoff (2007), S. 56

14 Vgl. Wiese (2005), S. 271

15 Vgl. Brümmerhoff (2007), S. 56

16 Hemmer (1999), S. 25

17 Vgl. Klodt (1993), S. 205

18 Vgl. Bretschger (2004), S. 83

19 Vgl. Hemmer (1999), S. 26

20 Vgl. Klodt (1993), S. 208

21 Vgl. Ehrig und Kuhn (2005), S. 62

22 Vgl. Perlitz (2004), S. 77

23 Vgl. Ehrig und Kuhn (2005), S. 65f.

24 Vgl. Walter u.a. (2000), S. 77

25 Vgl. Göcke (2000), S. 10

26 Vgl. Ehrig und Kuhn (2005), S. 89f.

27 Vgl. Welfens u.a. (2005), S. 69

28 Vgl. Hemmer (1999), S. 206f.

29 Vgl. ebenda, S. 212

30 Vgl. Reichel (2002), S. 101

31 Vgl. Frenkel und Hemmer (1999), S. 219

32 Vgl. Klodt (1993), S. 208f.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Vergleich der Nationalen Forschungs- und Technologiepolitiken in Deutschland und Großbritannien ab 1990
Untertitel
Erklärung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
78
Katalognummer
V112022
ISBN (eBook)
9783640107278
Dateigröße
649 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, Nationalen, Forschungs-, Technologiepolitiken, Deutschland, Großbritannien
Arbeit zitieren
Yilmaz Sütcü (Autor:in), 2008, Vergleich der Nationalen Forschungs- und Technologiepolitiken in Deutschland und Großbritannien ab 1990, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112022

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