Schule und Schulkritik

Das Schulsystem und seine Funktion


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abkürzungsverzeichnis

0. Einleitung

1. Wozu dient Bildung?
1.1 Individuelle Bedeutung der Bildung
1.2 Bedeutung der Bildung für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft
1.3 Die gesellschaftliche Kontrolle des Bildungswesens

2. Rechtlicher Rahmen des deutschen Bildungswesens
2.1 Allgemeine Regelungen zum deutschen Bildungsrecht
2.2 Bildungsrecht in Sachsen
2.3 Staatliches Bildungsmonopol
2.3.1 Der Staat im Kampf gegen das kirchliche Bildungsmonopol
2.3.2 Der staatliche Kampf gegen Privilegien
2.3.3 Notwendigkeit der Schule aus Staatssicht
2.3.4 Zeugnisse als allgemein anerkannter Bildungsnachweis

3. Kritik am Bildungswesen
3.1 Die wahren Gründe für das staatliche Bildungsmonopol
3.2 Die Lüge der Chancengleichheit
3.3 Erklärungsmodelle zur Chancenungleichheit

4. Fazit

III Literaturverzeichnis

II Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

0. Einleitung

Für eine Gesellschaft ist es unerlässlich, ihre „Folgegeneration“ in dem Sinne auszubilden und zu erziehen, dass der Fortbestand dieser und ihrer Werte gesichert wird. Daher ist es von großer Bedeutung, die Bildung und Erziehung in einer solchen Gesellschaft zu regeln und gesetzlich zu verankern. Den Auftrag zur Bildung und Erziehung übernimmt in modernen Gesellschaften das Bildungssystem. Es vermittelt Kenntnisse, Fähigkeiten und Werte, die die Heranwachsenden benötigen, um nach Abschluss ihrer Schullaufbahn eigenständig und im Rahmen der vorgegebenen Gesetze in der Gesellschaft überleben zu können. Klingt logisch, ist aber dennoch umstritten. So wird zunehmend diskutiert, was Schule leisten kann und darf und ob sie eine legitime Beeinflussung der Gesellschaftsmitglieder vollzieht. Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Autoren Freerk Huisken und Helmut Fend beschäftigen sich ausführlich mit diesen Fragen und unterziehen das aktuelle Bildungssystem der westlichen modernen Gesellschaften, vornehmlich das der BRD, einer eingehenden Prüfung und Kritik. Aufgabe dieser Arbeit ist es demnach, zu klären, wozu Bildung dient, wem sie nützt, für wen sie Chancen ermöglicht und versperrt – sprich: inwieweit die gesetzlich verlangte Chancengleichheit tatsächlich existiert – und welcher Zusammenhang schließlich zwischen Bildungssystem und Staat bzw. Gesellschaft besteht. Dabei wird Huiskens These der Ausnutzung des Bildungssystems durch das kapitalistische System und der These Fends der Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem nachgegangen.

1. Wozu dient Bildung?

Die deutschen Schulen befolgen einen so genannten Bildungs- und Erziehungsauftrag. Dieser ist in zwölf Bundesländern in der jeweiligen Landesverfassung und in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in den jeweils erlassenen Schulgesetzen festgeschrieben. Dabei richtet sich die Bildungs- und Erziehungspolitik der Bundesländer vorrangig auf den Erwerb von Wissen und Kompetenzen sowie die Vermittlung von Werten.

Trotz einiger weltanschaulich und politisch bedingter Unterschiede hinsichtlich der Bildungs- und Erziehungsziele zwischen den Bundesländern gibt es auch inhaltliche Übereinstimmungen. Zu benennen sind dabei die Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie die Befähigung zu selbständigem kritischem Urteil, eigenverantwortlichem Handeln und schöpferischer Tätigkeit. Hinzu kommt die Erziehung zu Freiheit und Demokratie sowie zu Toleranz, Achtung der Menschenwürde und zum Respekt vor anderen Überzeugungen. Außerdem sollen in der Schule eine friedliche Gesinnung im Sinne der Völkerverständigung geweckt und ethische Normen sowie kulturelle und religiöse Werte verständlich gemacht werden. Weitere Ziele bestehen in der Entwicklung der Bereitschaft zu sozialem Handeln und politischer Verantwortlichkeit, der Befähigung zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft und der Orientierung über die Bedingungen der Arbeitswelt (Avenarius 2000: 63). Weitere Bildungs- und Erziehungsziele sollen sich in der freiheitlichen demokratischen Ordnung der BRD innerhalb der einzelnen Bundesländer frei entwickeln.

Insgesamt betrachtet hat das Bildungssystem gesellschaftliche und individuelle Funktionen inne. Zu den individuellen Funktionen gehören die Erzeugung einer kulturellen Teilhabe und Identität, Berufsfähigkeit, Lebensplanung, sozialer Identität sowie politischer Teilhabe. Die gesellschaftlichen Funktionen des Bildungswesens bestehen in der Enkulturation, Qualifikation, Allokation sowie Integration und Legitimation (Fend 2006: 49ff).

1.1 Individuelle Bedeutung der Bildung

Laut modernitätstheoretischem Ansatz T. Parsons dienen Bildungssysteme der Stabilisierung der Grundlagen des modernen Staates und der Weiterentwicklung dessen. Sie vermitteln dabei Qualifikationen, die zur individuellen und kollektiven Existenzbewältigung notwendig sind (Fend 2006: 34). Zudem wird hier die Integration in Gesellschaften durch Vermittlung von Werten und Normen, die einer rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung zugrunde liegen, gefördert. Außerdem ermöglichen Bildungssysteme in modernen Gesellschaften die (leistungsabhängige) Integration der Individuen in Beschäftigungssysteme und somit in die soziale Struktur der Gesellschaft. Hierfür vermitteln sie den Schülern in vielfacher Weise Methoden-, Lern- und Sozialkompetenz. Dabei zielt die Vermittlung der Methodenkompetenz auf den Erwerb der Fähigkeit einer vielfältigen, flexiblen und variablen Nutzung des vorhandenen Wissens. Sie trägt dazu bei, dass der Schüler in unterschiedlichen Situationen und Inhaltsgebieten neues, vertieftes oder spezielles Wissen zügig und selbständig erwerben und neue Aufgaben bzw. Probleme gezielt und effektiv lösen kann. Hierzu zählen v. a. die muttersprachlichen Kompetenzen, Fremdsprachenkompetenzen, allgemeine mathematisch-statistische Kompetenzen und Medienkompetenz. Daneben dient die Lernkompetenz der Befähigung des Schülers, selbständig und zielgerichtet zu arbeiten, sein Lernverhalten zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Der Lernende soll dabei die Bereitschaft und Fähigkeit entwickeln, sich selbst Ziele zu setzen und zu deren Umsetzung aktiv zu werden. Außerdem erlernt er den produktiven Umgang mit Erfolg und Misserfolg, indem er sich seinen Möglichkeiten und Grenzen bewusst wird und zu einer realistischen Selbsteinschätzung gelangt. Im fachübergreifenden bzw. fächerverbindenden Unterricht sollen die Schüler eine enge Verbindung zu ihrer Erfahrungswelt erleben und sich die mehrperspektivische Erfassung von Themen und Problemen aneignen. Letztendlich soll die Lernkompetenz selbst gesteuertes Lernen mittels entsprechender Lernstrategie ermöglichen („Lernen zu Lernen“). Hinzu kommt die Vermittlung von Sozialkompetenz. Sie soll den Schüler zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben befähigen. Hierzu gehören das Erlernen eines Bewusstseins der sozialen Eingebundenheit, sozialer Geschicklichkeit und der Verantwortung sowie der Fähigkeit zur (gewaltfreien) Bewältigung von Konflikten. Dabei sollen Regeln und Normen des sozialen Miteinanders erlernt, anerkannt, verinnerlicht und eingehalten werden. So werden v. a. auf die Aneignung universeller moralischer Normen und grundlegender persönlicher, sozialer sowie kultureller Werte Schwerpunkte gelegt. Hierzu gehören eine staatsbürgerliche Grundbildung, die Erziehung zur Rechtstreue, eine sichere Beherrschung der Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen), Kommunikationsfähigkeit, Medienkompetenz, ein Mindestmaß an ökonomischen Kenntnissen, Ausübung von und Auseinandersetzung mit Kritik sowie die Toleranz und Offenheit gegenüber anders Denkenden und Glaubenden. Hinzu kommt die Förderung ethisch-moralischer Kompetenzen des Einzelnen über das Maß der bloßen Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen hinaus. Damit verbunden ist auch die Förderung der Urteils- und Handlungsfähigkeit des Schülers bis hin zur Entwicklung eigener Wertvorstellungen. Daneben wird dem Schüler die Fähigkeit, mit der in der BRD gegebenen Freiheit verantwortungsbewusst umzugehen sowie die standpunktbezogene Toleranz auf Basis der Grund- und Menschenrechte vermittelt. Bei der Wertevermittlung verfolgt die Schule eine wertbezogene Erziehung ohne das Prinzip der weltanschaulichen Neutralität zu verletzen. Wichtige Erziehungsziele der sächsischen Schule beispielsweise sind Friedenserziehung, Umwelterziehung, Demokratieerziehung, Familien- und Sexualerziehung und Erziehung zu Toleranz. Darüber hinaus soll der Schüler zur Begründung seiner eigenen Werturteile und zur Auseinandersetzung mit anderen Überzeugungen befähigt werden. Dazu muss er allerdings die seiner Überzeugung zugrunde liegenden Werte in seine Ursprüngen verstehen und deren Bedeutung für Staat und Gesellschaft einschätzen können, sich für sie einsetzen und sie gegebenenfalls konstruktiv weiter entwickeln (Sächsisches Staatministerium für Kultus 2004: 10ff).

1.2 Bedeutung der Bildung für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft

In Bezug auf T. Parsons modernitätstheoretischen Ansatz ändert sich in den 1960/70ern die Sichtweise auf die Aufgaben des Schulsystems (Fend 2006: 34f). Demnach dient es der Herstellung von Qualifikationen, die für das kapitalistische Wirtschaftssystem notwendig sind. Finanziert wird die Bildung staatlich, soll sie doch den Fortbestand der Gesellschaft sichern, deren organisatorischer „Oberbau“ der Staat ist. Daneben dient nach dieser Auffassung das Schulsystem dazu, den Schülern die Akzeptanz der vorherrschenden Herrschafts- und Produktionsverhältnisse zu vermitteln und die Reproduktion der Klassengesellschaft zu gewährleisten. Demnach zielt das Bildungssystem auf die arbeitsmarkgerechte Qualifikation, Selektion und Schichtung des Nachwuchses. Hierbei gilt die so genannte Leistungsideologie, nach der alle einer gleichen Wettbewerbssituation unterliegen und der Tüchtigste die besten Chancen zum sozialen Aufstieg hat. Doch gerade in den modernen spätkapitalistischen Gesellschaften herrschen zunehmend Legitimationsprobleme aufgrund ungleicher Verteilung knapper Güter, und auch die Leistungsideologie scheint hierfür keine ausreichende Erklärung zu sein, da in der Realität durchaus Chancenungleichheiten bestehen. Das Bildungssystem scheint hier ein Herrschaftsinstrument des Staates zu sein, das der kapitalistischen Gesellschaft und deren Mächtigen dient (Fend 2006: 35). Dabei werden politische Orientierungen im Schulsystem über die Fächer Geschichte, Gemeinschaftskunde, Deutsch u. a. direkt vermittelt, was zur Legitimation von Autorität und Leistungsorientierung führen soll.

Dieser Umstand lässt sich allerdings nicht nur auf kapitalistische Gesellschaften beschränken, wie das Beispiel DDR zeigt. Es ist vielmehr zu unterstellen, dass nicht das jeweils vorherrschende Wirtschafts- sondern vielmehr das politische System ein Interesse an einer bestimmten Bildungsvermittlung hat, um den eigenen Bestand zu sichern. Das Wirtschaftssystem ist diesbezüglich, wenn auch nicht peripher, aber zumindest nachgeordnet verantwortlich. So lässt sich gerade am Beispiel des Kalten Krieges feststellen, dass sowohl in der BRD als auch in der DDR das Bildungssystem dazu genutzt wurde, um die jeweils eigene Position als die richtige zu legitimieren und die andere als falsch zu verurteilen. Und auch heute werden in der BRD im Unterricht „staats- und gesellschaftstreue“ Werte vermittelt, was durchaus als „normaler“ Prozess politischer Systeme zum Selbsterhalt zu werten ist und zahlreiche weitere Beispiele in Geschichte und Gegenwart bietet. So hat das Bildungswesen in demokratischen Staaten die Aufgabe, die demokratische Ordnung zu rechfertigen und zu legitimieren sowie die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit eines Gemeinwesens im internationalen Gefüge zu gewährleisten bzw. zu verstärken. So dienen Schule und Lernen als Instrument, den Nachwuchs möglichst effizient Qualifikationen zu vermitteln, die für ein dynamisches Wirtschaftssystem zentral sind und helfen, sich im internationalen Wettbewerb der Volkswirtschaften zu behaupten. Außerdem wird laut Fend (2006: 37) durch diverse Studien erwiesen, dass Bildung die Lebensqualität der Menschen erhöht und zur Wohlfahrt eines Gemeinwesens beiträgt. Demnach bedeutet höhere Bildung eine niedrigere Kriminalitätsrate, geringere Sozial- und Gesundheitsausgaben, größere Steuerungskraft, höheres Investitionskapital bessere Reagibilität auf strukturellen und technologischen Wandel sowie eine größere gesellschaftliche Stabilität.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Schule und Schulkritik
Untertitel
Das Schulsystem und seine Funktion
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Schule und Schulkritik heute
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V111982
ISBN (eBook)
9783640107124
ISBN (Buch)
9783640109289
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine gründliche und gut recherchierte Arbeit!
Schlagworte
Schule, Schulkritik, Schule, Schulkritik
Arbeit zitieren
Kristian Nebe (Autor:in), 2007, Schule und Schulkritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111982

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Schule und Schulkritik



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden