Risiken und Möglichkeiten privater Verhaltenskodizes


Hausarbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Begrifflichkeiten

3. Internationales Soft Law

4. Warum Unternehmen private Standards entwickeln und der Standpunkt anderer Akteure dazu

5. Quellen und Inhalte von privaten Verhaltenskodizes

6. Systeme externer Überwachung und Zertifizierung
6.1. Fair Labor Association (FLA)
6.2. Social Accountability/SA 8000

7. Unabhängige Überwachung
7.1. Workers Rights Consortium (WRC)
7.2. Unabhängige Überwachung in zentralamerikanischen Ländern

8. Ethical Trade Initiative (ETI) und Clean Clothes Campaign (CCC)
8.1. Ethical Trade Initiative (ETI)
8.2. Clean Clothes Campaign (CCC)

9. Kritische Punkte der privaten Verhaltenskodizes

10. Schluss

Literatur:

1. Einleitung

Seit den neunziger Jahren verfügen mehr und mehr Unternehmen über private Verhaltenskodizes, sogenannte Codes of Conduct. Dies sind freiwillige Selbstverpflichtungen, welche Aussagen darüber machen, was der Maßstab für „gutes“ und sozial verantwortliches Verhalten ist. Es geht um die private Regulierung von Arbeits –und Sozialstandards vor allem großer, multinationaler Unternehmen, die international produzieren und produzieren lassen und somit den strikteren Gesetzgebungen der entwickelteren Länder nicht unterliegen. Nach Schätzungen werden 10% der weltweit gehandelten Güter unter Verletzung von Grundrechten produziert, wobei die Anzahl der betroffenen Arbeiter einen noch weit größereren Anteil ausmachen dürfte (Scherrer 2001, S 37). In den USA haben die meisten der 500 wichtigsten Unternehmen eigene Verhaltenskodizes, in England 60% der 500 wichtigsten Unternehmen (Senghaas-Knobloch 2003, S.21). Weitere Instrumente zur Durchsetzung von Sozialstandards sind Soziallabel und Sozialklauseln. Diese sind hier jedoch nicht das Thema. Bei Sozialklauseln handelt es sich um Handelssanktionen, die als sogenanntes internationales „hard law“ (weil an Sanktionen geknüpft) etwa der WTO eingesetzt werden sollen, wenn es zu Verletzungen von Standards kommt. Zur Zeit erscheint eine Einigung auf diesem Gebiet jedoch unwahrscheinlich. Soziallabel sollen dem Konsumenten Informationen über die Herstellungsbedingungen von Produkten oder bei Unternehmen geben. Sie basieren wie die Verhaltenskodizes auf Freiwilligkeit.

Relevanz als Orientierungsrahmen privater Verhaltenskodizes hat das sogenannte internationale Soft Law und hier besonders die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), auf die eingegangen werden soll. Anschließend wird auf die Gründe eingegangen, wegen welchen Unternehmen Verhaltenskodizes einführen. Die Quellen und Inhalte der Kodizes werden im folgenden Abschnitt behandelt. Im Schwerpunkt geht es anschließend um eine Analyse der Kodizes selbst. Entscheidende Fragen sind dabei die Inhalte und Quellen der Kodizes, vor allem jedoch der Prozess der Überwachung der Einhaltung der Kodizes. Im Anschluss werden die kritischen Punkte der Kodizes zusammengetragen.

2. Begrifflichkeiten

Bei der folgenden Diskussion sind die Abgrenzungen vieler Begrifflichkeiten unklar. Im Übrigen werden auch in deutscher Literatur englische Begriffe benutzt. In diesem Aufsatz werden Übertragungen benutzt, damit die Verständlichkeit besser ist. Im Folgenden einige wichtige verwendete Begriffe:

- Codes of Conduct: private Verhaltenskodizes; freiwillige Selbstverpflichtungen multinationaler Unternehmen. Benutzt wird hier die deutsche Übertragung, wenngleich die englische Version auch in deutschsprachiger Literatur breite Verwendung findet.
- Monitoring: Überwachung/Überprüfung. Mit „externer Überwachung/ Überprüfung“ werden hier Systeme bezeichnet, in welchem die außenstehenden Prüfer Auditgesellschaften oder Wirtschaftsprüfer sind (etwa FLA, s.u.), die meist in finanzieller Abhängigkeit zu den zu prüfenden Unternehmen stehen; bei „unabhängiger Überwachung/ Überprüfung“ geht es dagegen um eine Überwachung, welche von Dritten durchgeführt wird und die tatsächlich unabhängig von dem zu überprüfenden Unternehmen sind (etwa WRC, s.u.).
- Audits/Auditing: Hiermit sind Qualitätsprüfungen gemeint. Dabei können etwa die Löhne über die Lohnbuchhaltung gecheckt werden. Audits stellen einen Teil der Überwachung dar.
- Zertifizierung: ist das Ziel eines Audits. Ein Zertifikat kann von Unternehmen selbst oder von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vergeben werden.
- Corrective Action Plans: diese sollen in Gang gesetzt werden, wenn Standards nicht erfüllt werden. Hier ist von Verbesserungen oder Verbesserungsmaßnahmen die Rede.

3. Internationales Soft Law

Mit internationalem Soft Law sind überstaatliche Regulierungen gemeint, die auf Freiwilligkeit basieren. Man kann es als Mesoebene zwischen Hard Law (Arbeitsgesetze und Handelsregime) und den privaten Kodizes bezeichnen. Hierzu gehören etwa die OECD-Leitsätze und der UN Global Compact, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen wird. Auch die Kernarbeitsnormen (KAN) der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), 1998 veröffentlicht, werden als Soft Law bezeichnet. Die IAO ist eher Definitionsmacht, welche für die Festlegung der Normen zuständig ist, als dass sie tatsächliches Durchsetzungspotential in Form von Sanktionen besäße. Die KAN dienen der globalen Rahmenorientierung, sie sind ein Grundkriterium für die Beurteilung von Verhaltenskodizes. Die sieben Kernkonventionen der IAO beziehen sich auf folgende vier Bereiche:

- Vereinigungsfreiheit
- Verbot der Zwangsarbeit
- Diskriminierungsverbot
- Kinderarbeit (Kreuzaler 1998, S.21)

Das tripartistische System der IAO (Gewerkschaft, Arbeitgeber, Regierung) befindet sich in einer Krise. Die sogenannten Hard Law Systeme sind vorerst gescheitert. Privater Regulierung kommt steigende Bedeutung zu, wobei internationale Normen wie die KAN eingehen (Köpke 2003, S.50).

4. Warum Unternehmen private Standards entwickeln und der Standpunkt anderer Akteure dazu

Unternehmen produzieren in den Entwicklungsländern in einer Regu­lierungs­lücke, die von den traditionellen korporatistischen Sozialpartnern nur schlecht erfasst werden kann. Die Verschärfung der globalen Konkurrenz um Löhne und Sozialstandards vergrößert diese Lücke, in welche die privaten Verhaltenskodizes dann stoßen. Sie werden freiwillig errichtet, um das Image der eigenen Marke aufzupolieren. Wenn das Markenimage etwa durch Konsumentenboykotts gerfährdet ist, wird der Kodex auch weniger freiwillig eingerichtet. Besonders in den Neunzigern kam es zu vermehrtem Medieninteresse hinsichtlich den Arbeitsbedingungen bei einigen global produzierenden Unternehmen bzw. ihren Zulieferern. Die Rolle des Sanktionierers fällt demnach nicht mehr auf den Rechtsstaat, sondern auf den Konsumenten bzw. auf den Markt. Somit wird dem Staat Legitimität bei der Regulierung von Arbeitsfragen abgesprochen. Dies ist ein weiterer Grund für Unternehmen, private Verhaltenskodizes einzuführen. Sie wollen nicht keine, aber eine andere, eigene Regulierung:

„In fact, by advocating deregulation, companies are not suggesting that they should not be regulated at all, but rather that they should be regulated differently, and that the balance between the different forms of labour regulation should be redefined, specifically by granting more importance to self-regulation of labour relations by the companies themselves.“ ( Sobczak 2003, S. 227)

Inwieweit gestiegene soziale und ökologische Ansprüche der Kunden direkt auf ihr Konsumentenverhalten wirken, ist allerdings zweifelhaft. Boykottverhalten sind extrem konjunkturabhängig und eher an einzelne Marken (wie etwa Nike) gebunden. Der Konsument hat dabei die Wahl zwischen Abwanderung zu einem anderen Produkt, zu öffentlichem Protest oder zu einer Mischung aus beidem, öffentlicher Abwanderung (Köpke 2003, S.17). Anzumerken ist noch, dass die Schwerpunkte in der öffentlichen Debatte sich oft auf Problembereiche beschränken, die sektoral und regional begrenzt sind, wie etwa Kinderarbeit in Indien. Themen wie Überstunden und Löhne werden in der Öffentlichkeit weit weniger debattiert, obwohl sie oft eine schwierigere Problematik aufweisen. Die vermehrte Selbstregulation in der Wirtschaft drückt außerdem eine Schwäche der tripartistischen Regulierung aus (Köpke 2003, S.28).

Auch andere Akteure sehen Vorteile in der privaten Regulierung. NGOs sprechen sich für private Regulierungen aus, weil staatliche Regulierungen versagen, besonders in den Entwicklungsländern, welche am stärksten von Verletzungen von Arbeitsstandards betroffen sind. Für Regierungen sind private Regelungen eine Möglichkeit der Einsparung, etwa bei der Überwachung der Einhaltung von Normen (O’Rourke 2003, S.4). Gewerkschaften stehen den privaten Verhaltenskodizes etwas kritischer gegenüber, da sie sich in Konkurrenz zu ihnen sehen. Ihre Rolle als Vertreter der ArbeitnehmerInnen ist gefährdet, wenn in den privaten Regelungen nicht zumindest die Gewerkschaftsfreiheit enthalten ist. Die IAO sieht ihre eigenen Konventionen ebenfalls ein wenig in Konkurrenz zu den privaten Kodizes. Nach ihr sollten nationale Gesetzgebungen und die Standards der IAO in die Kodizes einfließen (Scherrer 2001, S.35).

5. Quellen und Inhalte von privaten Verhaltenskodizes

Bei der Frage, welche Akteure bei der Erstellung von Kodizes beteiligt sind, stellt sich heraus, daß die meisten Kodizes Eigen-Definitionen sind. So ergab eine Umfrage unter den 100 größten Unternehmen des Deutschen Aktien-Index (DAX) und 53 weiteren Unternehmen aus dem Jahre 2000: „Akteurinnen und Akteure außerhalb von TNKs spielen eine geringe unmittelbare Rolle bei Entwicklung der Kodizes“ (Köpke 2003, S. 59). Bezüglich der Herkunft nehmen nur 18% der Verhaltenskodizes explizit Bezug auf IAO-Übereinkommen (Senghaas-Knobloch 2003, S. 21). Die oben genannte Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass die Kernarbeitsnormen „in der Regel“ Teil der Verhaltenskodizes seien, während existenzsichernde Löhne umstritten seien, der Genderaspekt nicht vorkomme sowie das Thema Vertragssicherheit fehle; Kinderarbeit werde dagegen in allen Kodizes thematisiert. Bei Diller heißt es dazu:

„In all, no more than one-third of the codes and labels reviewed referred to international standards, wether general human rights standarts or labour-specific standarts. References to international standards occur proportionately more often in joint enterprise/worker codes and hybrid codes than they do in codes developed by industry associations, employers‘ organizations or enterprise alone. Many of the codes developed by enterprises widely considered to be pioneers in social responsibility make no reference to international standards or other ILO instruments“ (Diller 1999, S.115)

Die einzelnen Arbeitsthematiken, so ebenfalls nach Diller, die Bezug auf eine Untersuchung der IAO nimmt, finden sich folgenderweise in den geprüften Kodizes wieder:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Diller 1999, S. 112)

Aus diesen Befunden können bereits wichtige Kritikpunkte an den privaten Verhaltenskodizes abgeleitet werden: ihre hohe Selektivität bezüglich der Auswahl der enthaltenen Thematiken sowie die geringe Beteiligung anderer Akteure bei der Erstellung der Kodizes. Zunächst soll jedoch auf einzelne wichtige Initiativen eingegangen werden.

6. Systeme externer Überwachung und Zertifizierung

Bei der externen Überwachung führen Dritte Überprüfungen mit dem Ziel durch, standardisierte Verhaltenskodizes zu etablieren.

6.1. Fair Labor Association (FLA)

Die FLA ist ein amerikanischer Markenzertifizierer für Bekleidung, Textilien und Sport Equipment. Firmen, die in den USA eine größere Rolle spielen wollen, nehmen daran teil. Die Standards stammen aus dem Apparel Industrial Partnership (AIP) Programm von 1996, an welchem NGOs, Gewerkschaften, Hochschulen und Unternehmen teilnahmen. Dieses Bündnis spaltete sich und 1998 entstand so neben dem Workers Rights Consortium (WRC), welches kleiner ist und mehr Wert auf eine unabhängigere Überwachung der Standards legt, die FLA. In ihrem Aufsichtsrat sitzen Unternehmensvertreter (6), NGOs (5) und ein Hochschulrepräsentant. Es werden Unternehmen mitsamt ihrer Zulieferstruktur bewertet, es findet also eine Markenzertifizierung statt (im Gegensatz zur Zulieferzertifizierung wie bei SA 8000, s.u.). Die FLA nimmt Auditierfirmen unter Vertrag, wählt die zu zertifizierenden Zulieferer, bildet Auditoren aus und veröffentlicht Auditberichte. Die Audits finden mittlerweile unangekündigt statt. Dies ist der Stand nach 2002. Zuvor hatte es Kritik an der FLA gegeben, so dass diese Änderungen in Richtung unabhängigerer Überwachung vornahm (O‘ Rourke 2003, S.11 / Köpke 2003, S. 76).

Als Beispiel soll hier auf den Zertifizierungsprozess der Firma Adidas Salomon AG durch das FLA-System eingegangen werden. Adidas besitzt 15% Marktanteil bei der globalen Sportbekleidung und ist damit das weltweit zweitgrößte Unternehmen auf diesem Markt nach Nike. 60% der Produktion machen Bekleidung und Ausrüstung aus, 40% Schuhe. Der größte Anteil der Produkte wird direkt vom Zulieferer gekauft, es gibt nur wenig Zwischenhändler. Konkret besteht Adidas‘ Zulieferkette aus 570 Unternehmen, wovon 328 Hauptlieferanten und 242 Subzulieferer sind. Nach der Firmenstrategie soll eine möglichst überschaubare Zulieferkette gehalten werden. Damit eignet sich das Unternehmen gut für das Prinzip der Markenzertifizierung wie bei FLA. 1998 veröffentlichte Adidas einen eigenen Kodex, „Standards of Engagement“ (SoE). Seit 1999 ist Adidas bei FLA akkreditiert. Ein eigenes, 30-köpfiges SoE-Team ist bei Adidas für die Implementierung eines Überwachungssystems zuständig. Externe Überwachungsfirma, die bei FLA unter Vertrag ist, ist Verité. Die institutionalisierte Überwachung soll folgendermaßen ablaufen:

1. Es findet ein Training für die Manager der Zulieferer statt. Das SoE-Team führt anschliessend ein internes Audit durch, wobei Gespräche mit der Leitung und den Beschäftigten stattfinden und Lohnabrechnungen, Sozialversicherungsbeiträge und physische Installationen überprüft werden.
2. Verbesserungspläne werden erarbeitet (Corrective Action Plans). Im Falle von Defiziten kommt das SoE-Team nach drei Monaten wieder.
3. Eine externe Zertifizierung nach FLA wird von der Firma Verité durchgeführt.

Die Prüfberichte sind einsehbar. Adidas entscheidet über Verbesserungen, FLA darüber, ob eine Zertifizierung vergeben wird oder nicht. Im Jahr 2000 führte Verité die ersten 25 Audits durch, 2001 70. 32 Verträge mit Zulieferern sind danach gekündigt worden (Köpke 2003, S. 80).

6.2. Social Accountability/SA 8000

SA 8000 ist der Standard der „Social Accountability Initiative“ (SAI), den es seit 1997 gibt. Statt Marken, wie bei dem FLA-System, werden hier einzelne Zulieferbetriebe zertifiziert. Dies ist zugleich ein wichtiger Kritikpunkt. Statt der mächtigeren Vermarkter sind die einzelnen Produzenten verantwortlich. Die TNKs müssen so kaum Verantwortung tragen. Die SAI erkennt Prüfungsfirmen an, führt Trainings für Prüfer, Manager und Arbeiter zu Standards durch und publiziert Fabriken, die den Standards entsprechen. Allerdings werden Fabriken, die den Standards nicht entsprechen, nicht veröffentlicht.

SA 8000 wird für dürftige Erfolge kritisiert. So sind bisher nur 124 Betriebe aus unterschiedlichen Branchen zertifiziert worden. Kritik wird auch daran geübt, dass die Überprüfungen zum Teil von lokalen Akteuren durchgeführt werden. Dies ist im Falle von China, wo ein Großteil der Zertifizierungen stattfand, problematisch. Zugleich sind NGOs und Gewerkschaften unterrepräsentiert und sie werden unzureichend informiert, die Transparenz ist also mangelhaft. Kontrolliert wird nur an einem Tag im Jahr und der Unternehmenseinfluss ist zu groß (O‘ Rourke 2003, S. 14 / Köpke 2003, S. 78).

Trotz aller Kritik ist SA 8000 als globaler Standard gültig und wird empfohlen. Beispielhaft soll an dieser Stelle auf die Otto-Gruppe eingegangen werden, die ein an SA 8000 angelehntes Audit –und Zertifizierungssystem eingeführt hat. Otto macht 50% des Umsatzes mit Textilien und Bekleidung und hat 1000 Hauptlieferanten und 5000 Subzulieferer in Europa und Asien. Das Unternehmen gilt als fortschrittlich hinsichtlich der Sozialstandards, so hat es die meisten Audits aller deutscher Unternehmen durchgeführt. 1998 veröffentlichte Otto seinen Hauskodex. Es gibt eine Kombination aus interner und externer Überwachung. Beim internen Teil werden zunächst Fortbildungen und Workshops mit Zulieferern durchgeführt.

Dafür ist das Beratungs-Unternehmten Systain zuständig. Anschliessend finden Audits, Re-Audits und Verbesserungsmaßnahmen statt. Die externe Überwachung bezieht sich auf mögliche SA 8000-Zertifizierungen. Diese externe Überwachung existiert jedoch praktisch nicht, eine Zertifizierung hat bei höchstens 10 Zulieferern stattgefunden. Das liegt daran, dass die Zulieferer die von Otto unabhängigen Kosten für eine Zertifizierung nach SA 8000 nicht tragen wollen. In diesem Punkt wird deutlich, warum dieses System dafür kritisiert wird, einzelne Zulieferer zu zertifizieren anstatt der ganzen Marke (Köpke 2003, S. 84).

Als Verbesserungsmöglichkeit wird angeregt, den Sozialstandard SA 8000 in Qualitätsstandards wie den ISO 9000 zu integrieren. Letztgenannter ist ein Prozessstandard, welcher im Gegensatz zu SA 8000 ein öffentlich anerkanntes Zertifikat darstellt.

Die Sozialstandards sind demgegenüber unübersichtlich und werden nicht von öffentlich anerkannten Prüfern durchgeführt. Für Umweltstandards gibt es den ISO 14000. CSM 2000 ist ein Öko –und Sozialsiegel, welches die Integration von obengenannten Pro-zess-, Umwelt- und Sozialstandards anstrebt, was eine Kostensenkung bedeuten würde. Die Zertifizierung könnte in Zusammenarbeit mit dem TÜV stattfinden. Die Problematik, dass die Verantwortung für die Einhaltung von Standards an die schwachen Zulieferer delegiert wird statt an die Handelshäuser, bleibt jedoch erhalten. Im übrigen wird der CSM 2000 bislang vom Handel abgelehnt (Köpke 2003, S. 86).

7. Unabhängige Überwachung

Ein Hauptkritikpunkt an Systemen wie FLA oder SA 8000 ist ihre Unglaubwürdigkeit dadurch, dass die Prüfer direkt von den zu prüfenden Unternehmen oder Fabriken bezahlt werden. Daraus ergaben sich Forderungen nach unabhängigen Nachprüfungen. Das amerikanische Workers Rights Consortium (WRC) und einige zentralamerikanische Länder bieten Beispiele dafür.

7.1. Workers Rights Consortium (WRC)

1999 von Studenten, Gewerkschaften und NGOs gegründet, richtet das WRC seinen Fokus auf Fabriken, welche Kleidung mit Universitäts-Logos herstellen. 108 Universitäten sind Mitglieder. Der Strategie nach werden die Fabriken überprüft, bei welchen es Beschwerden von Arbeitern gibt. Außerdem werden Inspektionen in Ländern mit niedrigen Standards durchgeführt und es gibt Veröffentlichungen. Besonderer Wert wird auf das Recht auf Kollektivverhandlungen gelegt. Hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit lokalen NGOs und Aktivisten. Bisher wurden vier Fabriken untersucht. Alle Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Damit kann dem WRC im Gegensatz zu den weiter oben angesprochenen Systemen nicht der Vorwurf der mangelnden Transparenz gemacht werden. Problematisch dürfte hier eher die Verfügbarkeit von Ressourcen zur Überwachung von Fabriken sein (O‘ Rourke 2003, S. 17).

7.2. Unabhängige Überwachung in zentralamerikanischen Ländern

Ein weiteres Beispiel für unabhängige Überwachung bieten einige zentralamerikanische Länder. So gibt es bereits seit 1996 ein Abkommen zwischen Zulieferern in El Salvador, NGOs und dem Bekleidungsunternehmen „the Gap“. Aus Skepsis gegenüber Auditge­sellschaften und Wirtschaftsprüfern finden hier unabhängige und von zivilge­sellschaftlichen Akteuren durchgeführte Überprüfungen statt, bei denen Arbeiter befragt werden. Bei unklarer Rollenverteilung kann es hier zu Konflikten zwischen den zivilgesellschaftlichen Akteuren und den Gewerkschaften kommen. Die Aufgabe der NGOs wird dabei in der unabhängigen Überwachung gesehen, während die lokalen Gewerkschaften für Veränderungen kämpfen sollen:

„Monitoring needs to be independent and not substitutive, needs to be professional...Monitoring does the diagnostic but doesn’t fight to change – that would be taking the role of the unions. It is hard to see workers as monitors, they are one of two parties (and)...can’t be independent. Daily monitoring has to be done by workers, but Independent Monitoring is a different approach“ (Clean Clothes Campaign nach Köpke 2003, S. 110).

Die Gewerkschaften können demnach keine unabhängigen Überwacher sein. Ein anderer Grund dafür ist ihre Schwäche in vielen Ländern, hier ist insbesondere China hervorzuheben. Wenn man hier sagte, die Überwachung solle den Arbeitern überlassen werden, dann überließe man es letzlich den Unternehmen.

In einem kritischen Report über die Auditgesellschaft Price Waterhouse deckte Dara O’Rourke auf, dass viele Mängel bei den Standards übersehen worden waren oder schlicht keine Erwähnung fanden. Dies drückt jedoch nicht die Mangelhaftigkeit einzelner privater Prüfer aus, sondern ein systematisches Problem: die finanziellen Beziehungen der Prüfer zu den überpfüften Firmen und damit die fehlende Unabhängigkeit. Zur Zeit ist eine unabhängige Überwachung jedoch nur als ergänzende Überwachung realistisch. Im Falle von El Salvador haben sich die Praktiken in den Betrieben durch die unabhängige Überwachung allerdings messbar verbessert. Nur bei der Durchsetzung von Gewerkschaftsfreiheit und kollektivvertraglichen Vereinbarungen erwies sich bisher noch kein Instrument als wirkungsvoll. Neben El Salvador spielt die unabhängige Überwachung auch in Honduras, Guatemala, Nicaragua, Costa Rica und der Dominikanischen Republik eine Rolle (Köpke 2003, S. 107/Scherrer 2001, S. 101).

8. Ethical Trade Initiative (ETI) und Clean Clothes Campaign (CCC)

ETI (Großbritannien) und CCC (Frankreich, Niederlande, Schweden, Schweiz) geht es um die unabhängige Überwachung von privaten Verhaltenskodizes. Ziel ist, in so gennanten Pilotprojekten Erfahrungen über Überwachung und Verifizierung zu sammeln, zu bestimmen, wie ein gutes Modell für beide Punkte aussehen soll und herauszufinden, wie die Einhaltung von Kodizes erreicht werden kann.

8.1. Ethical Trade Initiative (ETI)

Die ETI ist im Gegensatz zur CCC dreigliedrig (NGOs, Gewerkschaften, Unternehmen) und wird von der britischen Regierung unterstützt. In fünf verschiedenen Pilotprojekten wierden unterschiedliche Überwachungsverfahren getestet und verglichen. Lokale Gruppen aus NGOs und Gewerkschaften werden jeweils für unabhängige Prüfungen gebildet. Dabei werden private Wirtschaftsprüfer und ihre Ergebnisse überprüft. Ziel ist es, durch empirische Erfahrungen zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Wichtigste Erfolge sind Glaubwürdigkeit für alle, Wiederholungsfähigkeit (auch für andere Sektoren) und Kostengünstigkeit. Fraglich ist allerdings die Dauer der Pilotprojekte, also ob sich daraus möglicherweise ein sich selbst erhaltendes System anstelle des angestrebten Wettbewerbs der guten Praktiken entstehen könnte.

8.2. Clean Clothes Campaign (CCC)

Letzteres gilt ebenso für die CCC. Die Trägerorganisation der CCC besteht aus einem Bündnis von NGOs und einigen Gewerkschaften, ist also im Vergleich zur ETI nicht dreigliedrig. Beispielhaft soll hier auf die Initiativen in der Schweiz und in Schweden (daneben gibt es noch Initiativen in den Niederlanden und in Frankreich) eingegangen werden. In der Schweiz wurde 2000 ein Abkommen zwischen drei Unternehmen, zwei NGOs und der CCC abgeschlossen.

Es geht dabei um eine unabhängige Verifizierung in Indien und China, ein unabhängiges Überwachungssystem soll auf Grundlage dieser Pilotprojekte entwickelt werden. Ziele sind:

- Modelle zur unabhängigen Überprüfung der Einhaltung des Kodex zu testen.
- Partnernetze für die unabhängige Überprüfung in den Produktionsländern zu schaffen.
- An der Realisierung von Schulmaterial über die Arbeitsrechte teilzunehmen.
- Synergien mit anderen Erfahrungen zum Thema unabhängige Überwachung zu fördern.
- Einen Prozess zu schaffen, an dem alle Parteien beteiligt sind.

2001 begann das Projekt in Indien und Hongkong mit der Suche nach lokalen Partnern und Vorstudien. Das Modell beruht auf drei Pfeilern:

- Partizipation der drei Firmen, der CCC Schweiz, der Gewerkschaften und lokaler Oragnisation oder Personen.
- Einrichtung eines Beschwerdesystems für die ArbeiterInnen, bei welchem keine Repressalien befürchtet werden müssen.
- Schaffung von Transparenz durch Veröffentlichung der Resultate, da sonst keine Unabhängigkeit gegeben ist.

In Schweden wurde 1999 ein Abkommen mit vier Unternehmen geschlossen. Bei dem Pilotprojekt ging es um Vorstudien in Bangladesch, Indien und China. 2001 wurde das Projekt beendet. Zunächst wurden dabei externe Audits durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft IST durchgführt. Die Ergebnisse wurden dem Pilotboard vorgelegt, welcher dann über Verbesserungsmaßnahmen entschied. Drei Monate nach Übermittlung der Verbesserungspläne an die Zulieferer wurden Checks durch Auditfirmen durchgeführt, die wiederum dem Pilotboard vorgelegt wurden. Zusätzlich fanden regelmäßige interne Audits der Unternehmen statt. 2001 gab es einen Vorschlag für einen allgemeinen Kodex, „DressCode“, und die Entwicklung eines Managmentsystems. „DressCode“ soll eine private Non-Profit-Organisation sein, die die Anwendung und Überwachung des Kodex überwacht. „DressCode Kontrol“ bietet seit September 2001 Dienste für die Einführung unabhängiger Überprüfungssysteme an (Köpke 2003, S.96).

9. Kritische Punkte der privaten Verhaltenskodizes

Problematisch erweisen sich in Hinblick auf private Verhaltenskodizes folgende Punkte:

- Die hohe und weiter oben bereits angesprochene Selektivität bezüglich der Inhalte der Kodizes. Dabei variieren die Inhalte je nach der Arbeitsproblematik des jeweiligen ökonomischen Sektors. So sind etwa Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz besonders für die chemische Industrie relevant. Zudem werden die Problematiken vielfach nach ihrer Wirksamkeit in der Öffentlichkeit ausgewählt; So ist etwa das Verbot von Kinderarbeit in vielen Kodizes vorzufinden, obgleich nur wenige Sektoren und Regionen von dieser Problematik betroffen sind. Die Inhalte bestimmen sich oft mehr daraus, was von den Unternehmen als akzeptabel gesehen wird als nach ethischen Maßstäben. Zudem, ebenso bereits angesprochen, wird intransparent und selten mit Beteiligung Dritter über die Inhalte bestimmt (Diller 1999, S.112).

- Freiwilligkeit. Auch wenn viele Unternehmen mittlerweile private Verhaltenskodizes haben und in manchen Sektoren der Druck von außen sie zur Verfassung eines Kodex zwingen mag, ist es nach wie vor und im Unterschied zur Arbeitsgesetzgebung den Unternehmen selbst überlassen, einen Kodex zu führen oder nicht.
- Kosten/Ressourcen. Die Überwachung von Einhaltung von Standards erfordert von Unternehmen eine klare Unternehmenspolitik, manageriale Ressourcen, Training und die Entwicklung und Einführung von Werkzeugen zur Überwachung, zur Berichterstattung und zu Verbesserungsmaßnahmen. Anders ausgedrückt werden Kosten verursacht.
- Standards können für Fabriken in den Entwicklungsländern auch negative Folgen haben, wenn sie zur Schließung und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
- Warenketten. „The longer the production chain and the more complex the levels of contractors, subcontractors and buying agents, the more daunting the code’s application becomes.(...)retailers removed from their suppliers must use bargaining power to ensure compliance with code standards“ (Diller 1999, S.109). Der Trend zum Auslagern (outsourcen), also zum Kaufen statt selber produzieren, führt zu längeren Warenketten. Problematisch ist das, weil viele Gesetze nur für die größeren Hauptkonzerne gelten, nicht jedoch für die kleinen Subzulieferer (Sobczak 2003, S.226). Gap etwa bezieht seine Waren aus 4000 Fabriken in 55 Ländern. Diese alle durch NGOs (und damit unabhängig) zu überprüfen ist kaum möglich, womit man wieder bei dem Problem der Ressourcen ist. Die Lieferketten sind nicht nur lang, sondern auch mobil. Wenn Überprüfungen nicht regelmäßig durchgeführt werden, können durch den Wechsel von Zulieferern Standards umgangen werden.
- Reichweite. Auch hier gilt: es wird meist nur der Hauptlieferant erreicht. Die Subzulieferer werden zwar ebenso in den Kodizes angesprochen, praktisch jedoch kaum auditiert und, wie oben angesprochen, wechseln sie ständig. Im übrigen geben Unternehmen oft nur ungern ihre Zulieferer preis, da diese Information als betriebswirtschaftliche Ressource gesehen wird. Vormateriallieferanten wie etwa Gerbereien stehen nicht mal in den Kodizes, können also noch schlechter erreicht werden. Zudem werden auch die vielen Arbeiter im informellen Sektor nicht erreicht.
- Empirische Lücke. Es gibt kaum Daten darüber, wie erfolgreich private Kodizes tatsächlich umgesetzt werden. Die begrenzte Transparenz macht die Auswertungen noch schwieriger.
- Unglaubwürdigkeit. Durch die marginale Beteiligung von NGOs und Gewerkschaften bei der Ausarbeitung, Implementierung und Überwachung der Kodizes verliert die private Regulierung von Arbeitsstandards an Glaubwürdigkeit: „...contemporary discussions of codes of conduct persistently exclude the voices of employees, communities and their representatives, as much in the codes‘ design as in their implementation“ (Seidman 2003, S.403). Die unabhängige Überwachung, die hier vielfach angesprochen wurde, ist in der Praxis kaum relevant. Statt dessen wird die externe Überwachung von Auditgesellschaften und Wirtschaftsprüfern durchgeführt, deren Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden kann.
- Implementierung: „There is no direct relation between the fact that an organisation has a code of conduct and the level of responsible behaviour within companies. That „document“ has to be embedded in the processes and culture of the organisation. This need is accentuated by the fact that the stakeholders have become increasingly sensitive to the difference between words and deeds“ (Nijhof 2003, S.66). Ein Kodex allein garantiert noch keine Verbesserungen, er muss auch in die organisatorischen Prozesse und Routinen eines Unternehmens eingebettet werden. Es muss innerhalb des Unternehmens über die soziale Verantwortlichkeit reflektiert werden, die Werte, die in dem Kodex zum Ausdruck kommen, müssen internalisiert werden, Barrieren beseitigt werden, das Verhalten überwacht und nach außen kommuniziert werden. Offensichtlich sind die Kodizes des eigenen Unternehmens vielen Mitarbeitern unbekannt. So heißt es zum Feedback der oben bereits erwähnten Umfrage unter großen deutschen Unternehmen zu Verhaltenskodizes:

„Es befinden sich bei den Antwortverweigerern auch Unternehmen, deren Kodex bekannt ist, jedoch offensichtlich nicht den jeweiligen PR-Abteilungen, was bereits eine sehr konkrete Aussage über den Wirkunsbereich des Kodex ist. Andere Unternehmen betreiben aufgrund internationalen Aufsehens eine relativ offene Informationspolitik bezogen auf ihre Unternehmensver­antwortung. Das ist z.B. integraler Bestandteil der Unternehmenspolitik von Nike, was in Deutschland wichtigen MitarbeiterInnen offensichtlich unbekannt ist“ (Köpke 2003, S.56).

10. Schluss

Gay W. Seidman untersuchte Unternehmenskodizes in Südafrika, die dort bereits seit 1977 unter der Apartheid unter den so genannten „Sullivan Principles“ eingerichtet worden waren, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zum Ende schließt er von diesen historischen Erfahrungen allgemein auf private Verhaltenskodizes und zwar recht skeptisch. Demnach ging es den Unternehmen bei der Umsetzung weniger um die Involvierung der Arbeiter als um persönliche Karrieren im Betrieb, weiter wird die Wichtigkeit des ständigen, institutionalisierten Drucks durch soziale Bewegungen auf die Unternehmen betont, der weitaus nachhaltiger sei als individuelle Konsumentenentscheidungen. Das Beispiel Südafrika, welches speziell ist und wo der externe Druck besonders groß war, zeigt, wieviel Druck von außen nötig ist, um Unternehmen selbst zu kleinen Auflagen zu zwingen: „If the Sullivan experience show that corporations can be persuaded to accept „voluntary“ regulation, it also shows how difficult that persuasion can be, and what kind of persistent pressure is required to ratchet up that regulation beyond the barest minimum“ (Seidman 2003, S. 402). Am Beispiel Südafrika kommt Seidman zu weiteren Schlüssen über die gegenwärtigen Unternehmenskodizes:

„Above all, the Sullivan experience reminds us that corporate codes of conduct offer only a feeble substitute for nationally based systems of corporate regulation. In the end, the Sullivan experience surely raises more warning notes than salutary models. Given the limitations of both code design and monitoring, the Sullivan experience reminds us that corporate codes have not yet improved upon the old state-centered standart: a combination of union representatives working with democratically elected representatives, or a local department of labor, as an institutional system for designing and implementing workplace regulations“ (Seidman, S.403).

Demnach soll stärker darauf gesetzt werden, die Regulationsfähigkeit von Entwicklungsländern zu stärken, als an das gute Unternehmen zu appellieren. Dies ist eine andere Strategie-Möglichkeit. Von heute auf morgen ist allerdings auch diese Strategie nicht umzusetzen.

Es wird aber auch anderswo darauf hingewiesen, dass private Verhaltenskodizes die staatliche Gesetzgebung nicht ersetzen sollen:

„...steps should be taken to ensure that codes of conduct do not replace, but rather complement the standards developed by States, the European Union or the social partners. In no event may the codes of conduct weaken the guarantees granted to workers under labour law“ (Sobczak 2003, S.228).

Selbst unter der Voraussetzung bestimmter Bedingungen sieht O’Rourke die Rolle nichtstaatlicher Überwachung nur ergänzend zur staatlichen Regulierung:

„With increased transparency, improved technical capacities, and new mechanisms of accountability to workers and consumers, nongovermental monitoring could complement existing state regulatory systems“ (O’Rourke 2003, S.25).

Voraussetzungen für funktionierende Kodizes sind Fragen der Legitimität, also ob alle Teilhaber in die Standardsetzung und Standardüberwachung involviert sind, weiter ob die Kodizes den Konventionen der IAO entsprechen, ob sie messbar sind und ihre Überprüfung technisch kompetent durchgeführt wird. Außerdem muss die Überwachung unabhängig und transparent sein und sollte durch staatliche Regulierung ergänzt werden (O’Rourke ebd.).

Private Verhaltenskodizes stellen noch einen relativ jungen Trend dar, dessen Entwicklung in der Zukunft noch ungewiss ist. Zum einen stellen sie eine Möglichkeit dar, auf Regulierungslücken da zu reagieren, wo Staaten zu schwach sind. Zum anderen bergen sie Gefahren, wenn sie zu einem Ersatz für die staatliche Gesetzgebung werden, die in der Umsetzung nicht funktionieren. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht von einem Erfolg gesprochen werden: „While it is difficult to predict the future of private sector initiatives, as to both their sustainability and their direction, the fact remains that the market alone has so far failed to produce generally accepted principles for their content or implementation“ (Diller 1999, S.122). Zugleich muss gesehen werden, dass diese Kodizes auch eine Reaktion auf Schwächen von Staaten und Gewerkschaften darstellen. Viele gerade große Unternehmen haben ihre Produktion der niedrigeren Kosten wegen in Entwicklungsländer verlagert. Trotz vielfach schlechten Arbeitsbedingungen wollen die Entwicklungsländer die Zulieferbetriebe nicht schließen. Für diese Länder stellen diese Betriebe eine Chance auf Arbeitsplätze und etwas Wohlstand dar und dementsprechend reagieren sie mit dem Vorwurf des Protektionismus, wenn aus den Industrieländern etwa der Ruf nach höheren Löhnen in ihren Ländern laut wird, da sie damit ihren (den der Entwicklungs­länder) Standortvorteil gefährdet sehen. Der globale Wettbewerb darf jedoch nicht auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen werden. Zumal höhere Standards langfristig auch ökonomisch von Vorteil sind. Höhere Löhne beispielsweise, welche die Lebenskosten decken, führen zu weniger Überstunden, damit zu mehr Lebensqualität, damit wiederum zu weniger gesundheitlichen Beschwerden, weniger Unfällen, besserer Produktqualität und längeren Lebensarbeitszeiten. Mehr Lohn bedeutet somit Entwicklung.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht davon gesprochen werden, dass die privaten Verhaltenskodizes ein Erfolg sind. Sie befinden sich jedoch noch in der Entwicklung und es gibt kleine Ansätze, die sich positiv weiterentwickeln könnten. Was sie spannend und kritisch zugleich macht ist, dass sie eine neue Rollenverteilung darstellen. Mit ihnen übernehmen Unternehmen Aufgaben, die bisher in den Händen von Regierungen lagen. Arbeitsgesetzgebungen und die dahinter stehenden Staaten, die ihnen erst die Wirksamkeit verliehen und verleihen, haben sich jedoch über einen langen Zeitraum entwickelt und es erscheint fraglich, dass ihre Rolle auch nur mittelfristig von anderen Akteuren gleichwertig übernommen werden kann. In Ländern mit schwachen Regierungen, welche unter Umständen noch weniger Legitimität aufweisen als jeglicher privater Verhaltenskodex, mag der Ansatz der Selbstregulierung ein pragmatischer Ansatz sein. Ob dieser stabile und demokratische Staaten langfristig ersetzen kann, ist aber fraglich und käme einer Revolution gleich. Vorerst gilt es, die verschiedenen Ansätze und Akteure, also Regierungen, Unternehmen, Gewerkschaften, NGOs und andere, pragmatisch miteinander zu verknüpfen, um die Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern.

Literatur:

Diller, Janelle (1999): A social conscience in the global marketplace? Labour dimensions of codes of conduct, social labelling and investor initiatives, in: International Labour Review, Vol.138, No. 2, page 99-129

Köpke, Ronald / Röhr, Wolfgang (2003): Codes of Conduct. Verhaltensnormen für Unternehmen und ihre Überwachung, Köln

Nijhof, Andre / Cludts, Stephan / Fisscher, Olaf / Laan, Albertus (2003): Measuring the Implementation of codes of conduct. An Assessment Method Based on a Process Approach of the Responsible Organisation, in: Journal of Business Ethics, Vol. 45, No. 2, page 65-78

O’Rourke, Dara (2003): Outsourcing Regulation: Analyzing Nongovernmental Systems of Labour Standarts and Monitoring, in: The Policy Studies Journal, Vol. 31, No.1, page 1-29

Scherrer, Christoph / Greven, Thomas (2001): Global Rules for Trade. Codes of Conduct, Social Labeling, Workers‘ Rights Clauses, Münster Seidman, Gay W. (2003): Monitoring Multinationals: Lessons from the Anti-Apartheid Era, in: Politics & Society, Vol. 31, No.3, page 381-406

Senghaas-Knobloch, Eva (2003):Interdependenz, Kokurrenz und Sozialstandarts.

Probleme und Strategien bei der internationalen Normendurchsetzung, paper des Forschungszentrums Arbeit-Umwelt-Technik (artec) der Universität Bremen

Sobczak, André (2003): Codes of Conduct in Subcontracting Networks: A Labour

Law Perspective, in: Journal of Business Ethics, Vol. 44, No. 2, 225-234

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Risiken und Möglichkeiten privater Verhaltenskodizes
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Internationale Arbeitsstandards in Zeiten der Globalisierung
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V111600
ISBN (eBook)
9783640096497
ISBN (Buch)
9783640161201
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhaltenskodizes, Internationale, Arbeitsstandards, Globalisierung, Codes of Conduct, Freiwillig, Regulierung, ILO, soft law, Soziallabel, Kodizes
Arbeit zitieren
Oskar Marg (Autor:in), 2004, Risiken und Möglichkeiten privater Verhaltenskodizes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111600

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