Problematisierung nonverbaler Kommunikation im Mittelalter am Beispiel des Nibelungenliedes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. nonverbale Kommunikation im Mittelalter

3. Wahrheitsgehalt nonverbaler Zeichen im Nibelungenlied
3.1. Steigebügelszene
3.2. Der Königinnenstreit
3.3. Der Racheplan

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis
5.1. Quellen
5.2. Forschungsliteratur

1. Einleitung

Gebärden sind etwas völlig Leibliches und sie sind etwas völlig Seelisches. Da gibt es nicht ein Inneres, das sich von der Gebärde unterscheidet, sich in ihr verrät. Was die Gebärde als Gebärde sagt, ist ganz ihr eigenes Sein. […] Denn es ist Sein von Sinn, dass in der Gebärde aufleuchtet, und nicht Wissen von Sinn.[1]

Ob Gadamer mit dieser Äußerung richtig liegt oder sich eher auf einen idealen Zustand bezieht, soll in dieser Arbeit kritisch hinterfragt und beleuchtet werden.

Oftmals kann man an mittelalterlichen Quellen ablesen, welche Bedeutung den symbolischen Handlungen zu kam. Präziser ausgedrückt, inwieweit Zeichen (Z) und Symbole (S) große Kommunikationsbausteine waren.[2] Als Zeichen sollen im folgenden Symbole, Gesten, Gebärden (G) und komplexe symbolische Handlungen angesehen werden. Ganz gleich, ob dabei ein Handeln mit Symbolen oder Handlungen vorliegen, die selber Symbol sind. Stets geht es um Akte, deren Bedeutung sich nicht immer im unmittelbar vorgegebenen Sinn der Sache oder des Tuns erschöpft.[3]

Demonstrative Gesten zählten im Mittelalter zu einer nicht minder bedeutungsreichen Sprache, die wohl kalkuliert eingesetzt wurde, womit die Möglichkeit der Manipulation gegeben war.

In der mediävistischen Literaturwissenschaft gibt es eine Fülle einschlägiger Arbeiten zur Thematik nonverbaler Kommunikation im Mittelalter, doch nur wenige die sich ausführlich und ausschließlich dem Problem des manipulativen Gebrauchs von Zeichen gewidmet haben. Daher zielt die hier vorliegende Analyse darauf ab, den Wahrheits- bzw. den Täuschungsgehalt von Zeichen zu untersuchen, ohne den Anspruch zu erheben, flächendeckend alle zeichenhaften Kommunikationsformen des Epos neu zu bewerten. Im mittelalterlichen 'Nibelungenlied', das hier als Untersuchungsgrundlage diente, wurde dieses Problem aufgegriffen und literarisch verarbeitet. Die Appell- und Erziehungsfunktion des 'Nibelungenliedes' soll im Folgenden transparent gemacht werden.

Als wissenschaftliche Materialvorlage dienten mir hauptsächlich die Arbeiten von Heiko Wandhoff[4] und Maren Jönsson[5], die sich differenziert mit dem Täuschungscharakter der Zeichen auseinander gesetzt haben. Des Weiteren stützte ich mich bei meiner Untersuchung auf die Essays von Horst Wenzel[6], Jan-Dirk Müller[7] und Joachim Heinzle[8], die über ein großes und detailliertes Wissen der mittelalterliche Zeichenwelt verfügen und sich in letzter Zeit mit den Funktionen der Zeichen im Epos beschäftigt haben.

Auch die Aufsätze von Ruht Schmidt-Wiegand und Karl Leyser[9] stellten sich als umfangreicher Wissensfundus zum Thema Gebärden dar.

'Geste und Inszenierung. Wahrheit und Lesbarkeit von Körpern im höfischen Epos' von Silke Philipowski und die wissenschaftliche Arbeit von Stefan Petersen 'Zur Bedeutung von Gesten und Gebärden im Nibelungenlied' halfen das erworbene Wissen abzurunden und zu bestätigen.

Der vorliegende Artikel geht in vielen Punkten von diesen Arbeiten aus und diskutiert sie,

wodurch eine differenzierte Beantwortung, der im Laufe der Analyse entstehenden Fragen, zu erwarten ist.

2. Nonverbale Kommunikation im Mittelalter

Bekannterweise war das Mittelalter ein Zeitalter, in dem der zeichenhaften Kommunikation in nahezu sämtlichen Lebensbereichen eine andere und umfassendere Bedeutung zukam als in unserer heutigen Zeit. In der adligen Laiengesellschaft, die in Deutschland noch weitgehend schriftlos lebte, obwohl sie mit der Schriftkultur der Kirche und der Literarizität der Hofgeistlichen in Berührung kam, muss den Körperzeichen eine große Bedeutung zugemessen worden sein.[10]

Der mittelalterliche Mensch sah und dachte in Bildern und Bildfolgen. Die Zeichen waren daher ein großer Bestandteil der Kommunikation, des gesellschaftlichen Lebens und des Normenkanons. Allerdings postulierte dies besondere Verhaltensmuster und Zeichen, die der Herrschafts- und Gewaltreglementierung gerecht werden konnten. Zu diesem Zweck stand ein beachtliches Reservoir an Zeichen und Verhaltensweisen zur Verfügung.[11]

Die Wertbegriffe der höfischen Ethik waren dabei immer sowohl auf die innere Gesinnung wie auf die äußere Gebärde gerichtet. Voraussetzung dafür war der ideale antike Anspruch, dass Innen und Außen als eine harmonische Einheit auftraten. Demzufolge strebte die höfische Kultur nach einer Entsprechung von Form und Inhalt. Das Resultat war ein komplex ausdifferenziertes Regelwerk sinnlich wahrnehmbarer Zeichen, welches in formalisierter Sprache, Geste und Gebärdik, Körperhaltung, Kleidung und in der Zuordnung der Personen im Raum konkretisiert wurde.[12]

Die zeichenhafte Kommunikation unterlag Regularitäten, die sich aber auch des Öfteren als dynamische, formbare Konventionen erwiesen. Die öffentliche Inszenierung repräsentierte zugleich ethisch normierende Wertvorstellungen, denen jeder Zugehörige der feudaladligen Gesellschaft verpflichtet war.[13] Teilnehmer dieses kulturellen Systems mussten schlichtweg davon ausgehen, dass man im Umgang mit anderen auf die Zeichen vertrauen konnte. Ein Konsens der Beteiligten war erforderlich; dabei widersprach regelwidriges Verhalten dem

êre -Verständnis. Beispielsweise wurde eine unvorbereitete Konfrontation mit einem Anliegen als ungeheuere Verletzung der öffentlichen Spielregeln ausgelegt.[14]

Festzuhalten sei auch, dass die für die Öffentlichkeit geschaffene demonstrative Geste ihr Gewicht auch nicht verlor, wenn dieser öffentliche Rahmen fehlte oder nur rudimentär vorhanden war.[15]

Indem ritualisierte Handlungen öffentlich zur Schau gestellt wurden, d. h. vor Zeugen, wurde in der hochhöfischen Gesellschaft über die Zeichen Rechtsverbindlichkeit garantiert.[16] Wenn aber die Ritualisierung von Interaktionen Verhaltenssicherheit in einer vorerst kaum institutionell gefestigten Welt bot,[17] weist dies zugleich auf die Verletzbarkeit einer derart auf verbindlichen Zeichen beruhenden Welt. Konnten Zeichen also letztendlich keine vollkommene Rechtssicherheit garantieren, da sie angeblich manipulierbar waren? Welche Folgen konnte der Missbrauch von Zeichen für eine Gesellschaftsordnung haben, die strukturell auf die zeichenhafte Kommunikation angewiesen war?

Da die nonverbale Konversationsform prinzipiell die Möglichkeit der Manipulation oder Unterhöhlung in sich barg, forderte dies geradezu zu einer künstlerischen Problematisierung auf. Dabei wurde die Literatur zu einem Forum, um Wert- und Normvorstellungen der Gesellschaft widerzuspiegeln und gesellschaftliche Funktionsmechanismen auf ihre Gültigkeit hin zu diskutieren.[18]

Allerdings ist das Problem des Wahrheitsgehalt von Gesten etc., kein „Spezifikum des 'Nibelungenliedes'“[19], wie Wenzel zutreffend bemerkt, aber in keinem ist es Ursache für ein derart tragisches Ende wie im 'Nibelungenlied'. Es zwängt sich also unvermeidlich die Frage nach der Intention des Textes auf.[20]

3. Wahrheitsgehalt nonverbaler Zeichen im Nibelungenlied

Teilsweise funktionierten Zeichen und Symbole auch eindeutig, wie uns einige Szenen des 'Nibelungenliedes' verdeutlichen. D. h. Inhalt und Form entsprachen einander.[21] Dies geschieht auf der Ebene der Protagonisten als Ausdruck der höfischen Form. Auf derartige Gesellschaftsgebärden wird später ganz kurz eingegangen, da sie dem Anliegen dieses Aufsatzes nicht dienlich sind.

Die Eindeutigkeit der Zeichen ist im Epos jedoch nicht durchgehend gewährleistet, da beispielsweise eine doppelte Handlungsstruktur zwischen öffentlicher Zurschaustellung und verborgener Innenseite entsteht. Wenn also im Epos Zeichen und Worte einander widersprechen, wenn Form und Inhalt der Zeichen auseinander gleiten, wenn Zeichen manipulativ verwendet werden oder wenn die Zeichen mehrdeutig werden, kommt es auf allen Ebenen zum Bruch mit der höfischen Form. Dieser Bruch vollzieht sich über die Zeichen, indem die Figuren sie vereinnahmen. Entweder tun oder denken sie etwas anderes, wenn ein Ritual vollzogen wird, oder die Ritualhandlung wird selektiv statt kollektiv verwendet und wirkt dadurch gezielt provozierend. Die Protagonisten missbrauchen sozusagen die zeichenhafte Kommunikation.

An dieser Stelle sollen einige Beispiele angeführt werden, die die Aussage nachvollziehbar machen. Im Nibelungenlied gibt es Rituale, die widersprüchlich sind. Ausgerechnet beim friedlichen Turnier wird der Rangstreit der Königinnen ausgetragen; der Schlichtungsversuch des Königs am Hof ist Ausgangspunkt einer Verschwörung, die feierliche suone Auftakt zu neuen Verbrechen. Hinter Ritualen deutet sich etwas anderes an. Hinter Brünhilds Begrüßung ihrer Xantener Verwandten verbirgt sich die argwöhnische Beobachtung ihres Ranges, hinter Kriemhild und Etzels Hochzeitsfest […] steht die Erinnerung an vergangenes leit (1371); hinter ihrer vorbildlichen Erscheinung als Königin am Hunnenhof maskiert sich die Racheabsicht, hinter Kriemhilds Gruß für die Brüder und ihr Gefolge eine Kampfansage usf. Im Streit der Königinnen tritt zutage, dass die Bedeutung, die einem Akt gewöhnlich zugeschrieben werden muss (Ritterspiele als Gelegenheit, sich als Bester zu erweisen, und als Selbstbeweis der ritterlichen Festgesellschaft) und die Bedeutung, die jemand ihm tatsächlich zuschreibt (Statusprobe) auseinanderfallen können.

Im nachfolgenden Text soll auf drei Szenen näher eingegangen werden, die das Problem der Zeichenwelt veranschaulichen.

3.1. Steigbügelszene

Ähnlich wie im ‛König Rother’ ist hier die Durchführung einer hinterlistigen Täuschung mit dem Ziel der erfolgreichen Werbung unter lebensbedrohlichen Voraussetzungen zu beobachten, denn jedem der Brünhild unterliegt, ist der Tod geweiht. Daher greift auch der Burgunder zu einer List, um der drohenden Gefahr zu entgehen und sein Unternehmen erfolgreich zu gestalten. Denn „die Figuren sind sich bewusst, mit ihren Handlungen, soziales Verhalten in bestimmte Bahnen zu lenken.“[22] Die Täuschung dient hier einzig dem Ziel, dass Brünhild in Gunther und nicht in Siegfried den Brautwerber erkennt, womit der Stratorendienst eine unabdingbare Vorrausetzung für das in Gang setzen der Brautwerbung wird. Der Missbrauch einer Rechtsgeste wird hier problematisiert.

Siegfried und Gunther hoffen, dass Brünhild sich von der Aussagekraft der Geste des Steigbügelhaltens überzeugen lässt.[23] Beide gehen davon, dass die isländische Jungfer weiß, welche rechtliche Bedeutung das officium strepae hat, und sie daher die nicht-rechtskonforme Geste in regelkonformer Weise interpretieren wird. Denn “[d]ie Verständigung über ein konventionalisiertes, durch Konsens gesichertes Zeichenrepertoire impliziert[e]”, betont Wenzel, “grundsätzlich die strategische Beherrschung und Verfügung über signifikante Teilbestände des gültigen Repertoires.”[24] Zeitgenössisches Wissen und die Einstellung über die Manipulierbarkeit von Zeichen kommt hier zum Tragen.

Mit der Ankunft der Werber in Island wird nun eine Szenenfolge in Gang gesetzt, die das Gelingen oder Scheitern einer List-Strategie thematisiert. Vor allem wird dabei in frappierender Radikalität das Problem des öffentlichen Sehens fokussiert.

Nicht nur Gunther und Siegfried lassen bei der Anreise ihre Blicke schweifen, sondern auch die Damen auf der Burg mustern die Ankömmlinge auf ihren Schiffen (V 390,3). Damit ist das sehende Beobachten von Beginn an ein wechselseitiges und das impliziert, dass jede Seite weiß, dass sie beobachtet wird und ihre Handlung entsprechend ausrichtet.

Gegen den unkunden strichen si ir lîp, des ie site hêten diu waetlîchen wîp. an diu engen venster kômen si gegân, dâ si die helde sâhen; daz wart durch schóuwén getân (V 395ff.)

In der nächsten Szene wird berichtet, wie Gunther und seine Mannen ans Land gehen. Textexterne Personen werden nun Zeugen einer durch und durch inszenierten Choreographie, in der Siegfried das Pferd Gunthers an Land führt und sich so mit Hilfe des officium strepae vor ihren Augen als Untertan des Königs ausgibt (Str. 396-398).

Die „demonstrative Schau-Geste“[25] des Steigbügelhaltens vor den Augen der höfischen Öffentlichkeit produziert Informationen, die einerseits von rechtlicher Relevanz sind, anderseits jedoch von den Hörern und Lesern des Textes sogleich als gezielte Fehlinformation erkannt werden. Schließlich weiß man durch das Verfolgen des bisherigen Erzählverlaufs, dass es sich um eine von Gunther und Siegfried vereinbarte Intrige handelt (Str. 386). Der exklusive Blick des Textes verschafft hier seinen Anwendern einen Informationsvorsprung gegenüber den Beobachtern auf der Burg und lässt so den Betrug und seine Einbettung in die Welt sichtbar werden. Anders als beispielsweise im 'König Rother' funktioniert die Täuschung jedoch nicht mehr reibungslos, so dass die Rahmungen der Intrige selbst brüchig werden.

Neben dem visuellen Kanal erhält Brünhild, auch auf dem auditiven Kanal durch einen ihrer Späher, Nachricht von den Ereignissen vor der Burg. Die Einspeicherung der Nibelungensage in die schriftlichen Archive der Höfe wird offenbar dazu genutzt, den alten Stoff mit seinen überlieferten Motivschemata „in eine neue Dramaturgie der Sichtbarkeit einzubinden, wie sie auch in anderen Epentexten beobachtet werden konnte.“[26]

Die Szene gewinnt zwar durch die Zusatzinformationen (Str. 411.) des Spähers an Komplexität, aber die handlungslogisch redundante und stofflich gedoppelte Sichtung der Nachrichtenkanäle trägt dazu bei, die Eindeutigkeit des Sichtbaren zu untergraben. Denn die Vorinformationen des Spähers lassen es als unwahrscheinlich erscheinen, dass Siegfried nur ein Lehensmann Gunthers und nicht der eigentliche Brautwerber sein könnte. Die Unsicherheit über die widersprüchlichen Informationen wird auf die Spitze getrieben und so ist es nicht verwunderlich, dass Brünhild zuerst Siegfried anspricht und nicht Gunther (Str. 419). Um das Missverständnis aus dem Weg zu räumen, muss Siegfried verbal zum Ausdruck bringen, dass Gunther der potentielle Werber ist (Str. 420).

Erstaunlich ist, dass Siegfried und Gunther in fast identischer Kleidung (weiße Pferde, gleicher Stoff; Str. 399ff) auftreten, zumal Ethnologen und Soziologen der Kleidung beim Betonen und Bestätigen von Unterschieden im sozialen Status und Range eine große Rolle zuschreiben.[27] Die Kleidung machte Statusunterschiede sichtbar. Außerdem verkündete sie Rang und Stellung sowie Ansprüche auf Macht, was beide anscheinend mit ihrer Kleidung zum Ausdruck bringen. Diese Fülle an visuellen Informationen, angefangen von der gleichen Kleiderfarbe bis hin zum Glitzern der Edelsteine (V 403,1ff.), ergibt zusammen mit der Steigbügelszene kein eindeutiges Bild mehr.

Die Grenzen, die die unterschiedlichen Realitätsebenen der Täuschenden und der Getäuschten voneinander trennen, sind bereits durchlässig und drohen daher jederzeit einzustürzen. Als genau dies im „König Rother“ geschieht, weil die Königstochter den Werber durch ihr Lachen verrät, dient das allein dem Ziel, zu demonstrieren, dass Rother, auch jenseits seiner Maskerade am fremden Hof, jederzeit Herr der Lage ist, der Konstantin auch in offener Schlacht besiegen kann. Genau die darin offenbarte Legitimität des Werbungsanspruches ist im ‛Nibelungenlied’ nicht mehr gegeben. Die listige Täuschung ist hier nicht mehr durch reale Machtverhältnisse gedeckt, wodurch ein Scheitern der Operation fatale Folgen hätte. Da die Hörer und Leser das stets wissen, müssen sie umso mehr befürchten oder erhoffen, je nach Standpunkt, dass die (artifizielle) Mauer, die den Betrug sichern soll, einstürzt, aber genau daraus resultiert die Spannung dieser Passagen.

Im Folgenden ist der „epische Blick“[28] auch immer wieder darauf gerichtet, was Brünhild zu sehen bekommt, woraus die Frage erwächst, ob und wann es ihr gelingt, durch die Simulation hindurch den Betrug zu erkennen. Der Text zeigt, dass „das Sichtbare mit dem sozialen Relevanten und Folgenreichen nicht mehr in Übereinstimmung ist“ und vertieft dies zu der Einsicht, „dass Interaktion und Gesellschaft letztendlich nicht mehr als identisch aufgefasst werden können.“[29]

Zunächst ist nämlich festzustellen, dass der Betrug trotz der zahlreichen Missverständnisse funktioniert und zwar vor allem deswegen, weil Siegfried seine Tarnkappe (Zeichen der Täuschung schlechthin) als Hilfsmittel verwendet und so eine magische Unsichtbarkeit erzeugt. Denn nur so kann Gunther den Wettkampf mit der isländische Königin erfolgreich für sich gestalten und zwar vor den Augen der höfischen Gesellschaft, also der Öffentlichkeit.

In letzter Instanz aber führt gerade dieses Gelingen einer nicht mehr gedeckten Täuschungsaktion zu Chaos und Vernichtung.[30]

Bemerkenswerterweise geht Gernot Müller im Kontext des Stratorendienst von einer ganz anderen These aus und zieht vorherige getroffene Bemerkungen dieser Arbeit gar nicht in Betracht. Für ihn symbolisiert Siegfrieds Selbstverleugnung seine überaus große Bereitschaft für den Minnedienst.[31] Es ist ihm zwar bewusst, dass die Szene nicht als „lustiger Streich oder als bedeutungslose List“[32] aufgefasst werden kann, doch bleiben seine Deutungen hinsichtlich der Täuschungsgefahr von Zeichen zu kurz. Er stellt alles unter dem Blickwinkel des Minnedienstes, was gerade für diese bedeutungsreiche Szene des Steigbügelhaltens nicht ausreichend ist.

Philipowski meint hingegen, „dass die Geste so mächtig ist, dass sie, wenn sie mit der Wahrheit nicht korreliert, nicht lügt, sondern sich der Wahrheit unterwirft.“[33] Siegfried stirbt durch Gunthers Machenschaften, unterliegt ihm also.[34] Unter diesem Aspekt wäre der Stratorendienst keine Inszenierung, sondern eine Geste, die Realität schafft, indem sie vorwegnimmt und damit die Wahrheit über die Körper aussagt.[35] Ich kann jedoch diese These nicht teilen. Woher sollen die Figuren wissen, was kommt? Der Text sagt aus, dass Siegfried königlichen Geblüts ist, also ebenbürtig. Außerdem werden signa data (gesetzte Zeichen) eingesetzt, die auf eine Täuschung schließen lassen. Zudem laufen Gebärden bewusst ab, Siegfried und Gunther haben bewusst geplant und Absprache geführt. Eine Geste verselbstständigt sich ja nicht und lässt die Personen als Marionetten erscheinen, die gar nicht anders handeln können, da sich der eigentliche Kern durchsetzt. Auch mit anderen Auffassungen der mediävistischen Literaturwissenschaft kollidiert die These Philipowskis. So wird davon ausgegangen, dass der Heros immer nur er selbst sein kann, und nur sich selbst zum Ausdruck bringt, selbst dort noch, Siegfrieds vergeblicher Steigbügeldienst offenbart dies, wo er zu lügen vermeint.[36]

Philipowski unterscheidet zwar zwischen bewusster Inszenierung (Täuschung) und Geste,[37] wodurch sich für sie gar nicht die Frage des Wahrheitsgehaltes der Geste stellt. Denn nur die Inszenierung verleugne die Wahrheit, während die Geste, die mit dem Körper verschmolzen ist, für „die untrennbare Einheit von Innen und Außen steht.“[38] Doch verwechselt Philipowski die Ebenen der Zeicheninterpretation (S. 460), denn was sie sagt, gilt allenfalls aus der Perspektive der Rezipienten. Folgt man also ihrem Definitionsschema, müsste der Szene das Prädikat Inszenierung verliehen werden, denn die Täuschung ist nicht zu leugnen.

Abschließend sei herauszustellen, dass das gesellschaftliche Normverhalten und die Autorität der Herrscherrolle hier durch die Unterwerfungs-Geste pervertiert werden. In der Szene des Vasallitätsbetruges erkennt man mit aller Deutlichkeit, wie das 'Nibelungenlied' die Spielregeln der Gesellschaft anhand der zeichenhaften Kommunikation diskutiert.

Joachim Heinzle wendet nicht zu Unrecht ein, dass die ganze Steigbügel-Manipulation des ′Nibelungenliedes′ eigentlich überflüssig, gar störend sei, da die Werbung allein durch den betrügerischen Einsatz der Tarnkappe erfolgreich hätte absolviert werden können.[39]

Des Weiteren ist man gerade geneigt, zu ergänzen, dass die ganze Inszenierung von Anfang an dilettantisch durchgeführt wird und an mangelnder Konsequenz und Absprache leidet. Oder warum achten Gunther und Siegfried nicht auf ihre Kleidung?

Doch es scheint eher, dass der Text gar kein Interesse hat, glatte Lösungen und Erfolge zu präsentieren und als liege der eigentliche Sinn und Zweck der szenischen Beobachtungen gerade in der Demonstration widersprüchlicher Wirkungen von intriganten Inszenierungen.

Auf diese Weise wird den Textbenutzern die Augenwahrnehmung „als äußerst prestigereiches und allgemeinverbindliches Medium heroisch-höfischer Kommunikation gerade in ihrer heiklen Labilität vorgeführt.“[40]

Mit dem Beginn der Steigbügelszene, die mit ihrer Aussagekraft zu „einer Schlüsselszene des ganzen Epos“[41] avanciert, setzt sich die Kette der „Schaubilder“[42] fort, in denen immer wieder die Uneindeutigkeit und Widersprüchlichkeit der traditionell unanfechtbaren Augenwahrnehmung abzulesen ist. So konstatiert Wenzel, dass „bis zur Ermordung Siegfrieds und zum Nibelungenuntergang der ostentative Stratorendienst der Ankunftsszene nachwirkt.“[43]

3.2. Königinnenstreit

Da Kriemhild bisher weder von Siegfrieds Vasallität unterrichtet war, noch irgendeine Unterwerfungsgeste ihres Mannes gesehen hat, kann sie in ihrem Ehemann nur den berühmten und angesehenen Bezwinger der Sachsen und Dänen, den treuen Freund der Burgunden und den Herrscher in den Niederlanden erblicken. Aus diesem Grund muss sie das verteidigen, was sich ihr als Recht darstellt. Doch auch Brünhild muss das vertreten, was sie als Recht ansieht. Demzufolge hält sie an Siegfrieds Vasallität fest (V. 823,1ff.).

Der Streit der Königinnen, dessen Wurzeln letztendlich in der Problematik der Zeichenwelt liegen, bzw. durch sie begründet wird, spitzt sich zu und wird erneut auf die Bühne der Öffentlichkeit projiziert. Als Kriemhild dabei ihre Widersacherin als Kebse diffamiert, ehe sie als Erste das Münster betritt, steht sie in der Pflicht, ihre Behauptung mit sichtbaren Beweisen zu untermauern. Denn Reden lasse sich viel, dagegen verspreche allein die optische Wahrnehmung letzte Gewissheit, so die mittelalterliche Meinung:

dô sprach diu vrouwe Prünhilt: ‘ir sult noch stille stân.

ir jâhet mîn ze kebesen: daz sult ir lâzen sêhen. (V 846,2ff)

Da Kriemhild den geforderten Beweis antreten kann, indem sie vor aller Augen Ring und Gürtel Brünhilds vorzeigt, ist ihre Anschuldigung öffentlich und sichtbar bewiesen (Str. 847ff.).

Aber auch diesmal wissen die textexternen Personen mehr als der Beobachter in Worms. Sie sind nämlich längst davon in Kenntnis gesetzt, dass das sozial hoch angesehene und vermeintlich unfehlbare Beweisverfahren des Augenscheins in diesem Fall selbst in die Irre führt. Denn im Gegenteil zu der der 'Thidrekssaga', in der Gunnar und Sigurd die Kleider tauschen, um so Brünhild zu täuschen und Sigurd auch wirklich mit Brünhild den Beischlaf vollzieht[44], hat Siegfried in der Nibelungenliedversion Brünhild zwar in der Brautnacht überwältigt, jedoch nicht, wie Kriemhild behauptet in ehebrecherischer Weise, sondern lediglich, um Gunther den Weg zur Ehe zu ebnen.

Man könnte gewillt sein zu sagen, dass gerade dies „die wesentliche Motivation für diese Veränderung der Überlieferung“[45] sein muss, dass damit ein Mal mehr „das öffentliche Sichtbarmachen als Verfahren der Produktion von Wahrheit und Verbindlichkeit“[46] in Frage gestellt wird.

Im Anschluss betritt Siegfried die Bühne und beteuert für alle sichtbar und unter Eid seine Unschuld (V 859,1). Die Hofgesellschaft sieht sich erneut widersprüchlicher Informationen ausgesetzt. Da die Hörer und Leser bereits wissen, dass beide öffentlich zur Schau gestellten Ansprüche in ihrer Art ‘wahr’ sind, obwohl sie sich doch eigentlich gegenseitig ausschließen,

wird der Fokus erneut auf eines der Hauptthemen des Textes gelenkt. Nämlich auf das Funktionieren des traditionellen Beweisverfahrens öffentlichen Sichtbarmachens, von dem keine eindeutigen Ergebnisse mehr hervorgehen und das daher selbst obsolet wird.

Es ist anzunehmen, dass der Text auf eine Auffassung im Rechtswesen, die sich aber erst im 13. Jh. durchsetzt, verweist, wonach eine Urkunde einen Rechtsvorgang besser bezeugen könne als eine Person mit ihrer Zeichenwelt (Memorialzeichen): Wir sprechen, daz brieve besser sint danne geziuge. Wan geziuge die sterbent: so beliebent die brieve immer staete.[47]

Ring als Zeichen der Bindung und Gürtel als Zeichen der Lösung galten im mittelalterlichen Rechtsverständnis als Symbol der unehelichen Preisgabe.[48] Ausgestattet mit der zeitgenössischen Rechtsauffassung können diese Zeichen in Kriemhilds Händen nur so interpretiert werden und müssen jene Wirkungskraft entwickeln, die der vergegenwärtigenden Kraft der Memorialzeichen eigentümlich ist. Fälschlicherweise ist Gernot Müller der Annahme, dass Kriemhild bewusst die Öffentlichkeit mit der Überzeugungskraft des Rings und des Gürtels belügt, um über ihre Gegnerin zu triumphieren.[49] Doch kann sie von nichts anderem ausgehen, da ihr die Beweismittel der Entjungferung vor Augen gehalten werden.

Wie Brünhild kann Kriemhild nur auf das vertrauen, was sie gehört und gesehen hat.

Ring und Gürtel müssen für Kriemhild zu Symbolen eines - tatsächlich nicht existenten – Rechts werden, da die höfische Kommunikation auf diese Zeichenwelt basiert.

Erneut wird das Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem und heimlichem Handeln aufgezeigt. Öffentlich stehen die Zeichen für den Regelfall, deshalb erscheint die (heimliche) Abweichung von der Norm unwahrscheinlich.[50] Auf der einen Seite verliert die Handlung weiter an kausaler und psychologischer Kohärenz – warum nimmt Siegfried Gürtel und Ring mit? Auf der anderen Seite entsteht aber gerade dadurch eine zusätzliche Möglichkeit, die Produktion von Wahrheit im Medium öffentlicher Visualisierung als leer und falsch zu entlarven.[51] Denn die öffentlich vorgebrachten Indizien, die schînlichen dinge, stimmen nicht mit den heimlich hergestellten Tatsachen überein. Die Erzählung demonstriert die „Problematik einer widersprüchlichen Doppelsemantisierung der Zeichen,[52] “ die zu einer gefährlichen Eigendynamik der Symbole führen kann.

Damit zeigt der epische Blick etwas, wo die oralen Erzählungen und noch die Sagas nur berichten. Zudem ist das Gelingen höfischer Kommunikation nur dann gewährleistet, wenn Objektivität und Eindeutigkeit des Sichtbaren gegeben sind.

3.3. Der Racheplan

Da Gunther und seine Getreuen nach außen die Freundschaftsgesten weiterhin benutzen, haben Siegfried und Kriemhild keine Möglichkeit, den Verrat (vgl. V. 877,4; 881,1; 887,3; 906,3) ihrer Verwandten zu durchschauen (vgl. V. 881,2ff; 1111,2ff). So hält Siegfried an der Hilfsverpflichtung für die Verwandten fest.[53] Kriemhild appelliert stattdessen an Hagens Wohlwollen (V. 901,1). Im Unterschied zu Siegfried bietet Hagen jedoch in verräterischer Weise seine Hilfe an. Ihm geht es nicht darum, Siegfrieds Leben zu retten, sondern darum, ihn zu töten. Später strebt Kriemhild danach, diese hinterlistige Ermordung mit allen Mitteln zu sühnen.

Kriemhild kann Siegfried und den feigen Mordanschlag nie vergessen und so mündet sämtliches Gedankengut in Rache. Die treibende Kraft bei der Entscheidung, in den Einflussbereich, also in die Vormundschaft ihrer Familie zurückzukehren, ist der Wille zur Rache, die Kriemhild an den Mördern Siegfrieds ausüben will. Diese Absicht verkündet sie mehrmals, auch öffentlich (Str. 1024,2 f. 1033). Noch unter dem Eindruck der Bahrprobe[54] klagt sie öffentlich an (1046,1-6) und wunderlicherweise bestätigt sie ihre im Grunde unversöhnliche Haltung auch noch kurz dem ‛formalen’ Versöhnungsakt mit Gunther (Str. 1106; 1112;). Auffallend ist also wieder die scheinbar fehlende Kohärenz, denn einerseits täuscht sie, anderseits spricht sie öffentlich ihre Rachegedanken aus. Doch verfolgt der Text ein Mal mehr das Interesse den implizierten Täuschungscharakter der Zeichenwelt aufzuzeigen.

Auch gerade an der Figur der Kriemhild wird deutlich, welches Gefahrenpotential in den Zeichen steckt, wenn sie von der falschen Person angewandt werden. Kriemhild nutzt die gesellschaftliche Auffassung über die Gebärden, Gesten und Rituale aus. Da diese im Rechtsleben allgemeine Gültigkeit und damit Verbindlichkeit besaßen, demzufolge auch nicht hinterfragt oder angezweifelt wurden,[55] stellen sie für Kriemhild ein ausgezeichnetes Instrument zur Durchführung ihres Plans dar. Die bewusste Inszenierung um persönliche Interessen realisieren zu können, wird hier vom Text aufgegriffen.

Ihrer bewusst durchgeführten Täuschung liegt Kriemhilds Racheplan zugrunde. Sie mimt vor Gunther die liebe Schwester, die ihre ‘guten Absichten’ gar mit einem Versöhnungskuss untermauert (Str. 1293). In der mittelalterlichen Welt kam beim Kuss solidarisches Einvernehmen zustande. Außerdem versinnbildlichte er gegenseitige Teilhabe an Empfindungen und Leiden („ comparticipatio fit passionum“[56]). Er war also ein rechts- und friedenssicherndes Symbol. Daher wird Kriemhild aus mittelalterlichen Verständnis sogar zur Rechtbrecherin[57], da sie später die vorgespielte friuntschaft bricht.

In der Version von Handschrift C werden, wie in der B Handschrift im Blick auf die Konkretisierung des Racheplans, Kriemhilds Gedanken und innerer Monolog mitgeteilt:

Ez lag ir an dem herzen spât’ unde vruo (V. 1395,1); Des willen in ir herzen kom si vil selten abe (V. 1396,1).

Hier ist Kriemhild wieder einmal nicht, was sie äußerlich darstellt.

Ihre arglistige Täuschung lässt sich auch gut durch den Erzählerkommentar erahnen, wodurch der Rezipient, erneut mehr weiß als die textinternen Personen. Allein die Erwähnung der Teufelsgestalt, die ja schlechthin für Blendung, Prellung und Betrug steht, suggeriert dem textexternen Betrachter, den trügerischen Charakter dieser Szenerie.

Ich wæne der übel vâlant Kriemhilde daz geriet, daz sie sich mit friuntschefte von Gunthere schiet, den si durch suone kuste in Burgonden lant. da begonde ir aber salwen von heizen trehen ir gewant. (Str. 1394)

Kriemhild scheint sich in perfekter Weise dem Plan und dem höfischen Protokoll der Vermählung mit Etzel zu fügen. In der Öffentlichkeit verhält sie sich normgetreu und demzufolge glaubt man ihr auch.

Sie ist bemüht, ihre Trauer zu verbergen (V 1313,3), doch denkt sie ständig mit Tränen[58] an Siegfried zurück, selbst als sie mit dem Hunnenkönig bereits vermählt ist (V. 1371,1). Damit entsteht an dieser Stelle die bereits zuvor erwähnte Diskrepanz zwischen Kriemhilds Innern und ihrer äußerlichen Erscheinung.[59] Zwar feiert sie scheinbar fröhlich die Hochzeit mit Etzel, insgeheim jedoch sind ihre Gedanken durch die Erinnerung an Siegfried getrübt. Sie geht die Verbindung mit den Hunnen nur ein, um ihr Rachestreben in die Tat umsetzen zu können.

Besonders deutlich wird Kriemhilds Hinterhältigkeit, wenn sie sagt:

Nâch den getriuwen jâmert dícke daz hérze mîn. die mir dâ leide tâten, möhte ich bî den sîn, sô würde wol errochen mînes vriundes lîp. (Str. 1397)

Hiermit kündigt Kriemhild ihrem Mann die Bereitschaft zur Rache an. Etzel kann die

Ankündigung jedoch nicht verstehen, da er in einem Fest nur eine „bündnis- und friedensstiftende Veranstaltung“[60], keinesfalls jedoch den Austragungsort einer Fehde, sehen kann. Denn mit dem gemeinsamen Mahl, ein wichtiges Kommunikationsmittel in der mittelalterlichen Öffentlichkeit, zeigte man seine Bereitschaft zu einem friedlich-freundlichem Verhältnis.[61] Diesmal wird nicht nur ein Zeichen oder eine Gäste kritisch hinterfragt, sondern eine ganze Zeremonie.

Dadurch wird die höfische Form zum Deckmantel und Vehikel der Rache.“[62] Indem sie die regelnden Gesten des Zusammenlebens, Gebärden und Rituale pervertiert. Die Stützpfeiler der auf Treue beruhenden Gesellschaftsstrukturen sind stark rissig.

Im 'Nibelungenlied' löst sich zum ersten Mal und in spektakulärer Weise die Täuschung von den Täuschenden ab.[63] Die öffentlich sichtbare Handlung gewinnt eine Eigendynamik, die zu keiner Zeit mehr durch die Identität der Handelnden gedeckt und am Ende von ihnen auch nicht mehr zu kontrollieren ist.

Außerdem lässt sich deduzieren, dass wenn sich eine inszenierte Realität verselbstständigen kann, auch das Netzwerk aus visueller Legitimierung und Vergewisserung in sich zusammenfallen. Die einst absolut gesetzte Bedeutung der Augenwahrnehmung für das soziale Band der höfischen Kommunikationsgemeinschaft wird zerstört, ohne dass ein alternatives Konzept zur Verfügung stünde.[64]

Der Mechanismus, dass „die Inszenierung der Gemeinschaft im Schauraum des Festes automatisch zur Akkumulation von êre und zu allgemeiner vreude führt[65], ist damit unterbrochen. In geradezu bezeichnender Abkehr von diesem Schema mündet das letzte Fest im Nibelungenlied in einer infernalischen Katastrophe.

Diu vil michel êre was dâ gelegen tôt.

diu liute heten alle jâmer unde nôt.

mit leide was verendet des küniges hôhgezît,

als ie diu liebe leide z´aller jungéste gît. (Str. 2378)

4. Zusammenfassung

Die Liste der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Zeichen im Epos ließe sich lang machen, doch kommt es hier in erster Linie darauf an, durch Beispiele das Potential symbolischer Kommunikation zu verdeutlichen.

Aus diachronischem Blickwinkel betrachtet, ist das Nibelungenlied u. a. eine Erzählung vom Zusammenbruch der verlässlichen Zeichenwelt. Folgt man den Ausführungen Wenzels so entspricht dieser Relativierung der Zeichen, […], der Imagination komplexer Handlungsräume im Medium der Schrift, was durch den Übergang der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit begründet ist. Allein im schriftlichen Kontext werden die Gebärden, Memorialzeichen und (Wörter) vollständig einsichtig, wenn die situativen Bedingungen ihrer Verwendung aufgezeigt werden. Das Nibelungenlied wird somit Zeugnis der Schriftlichkeit, das Probleme der alten Kommunikation deutlich macht, obwohl dabei Pfeiler der oralen Tradition berührt werden.[66] Weitere Ausführungen zu dieser Thematik können an dieser Stelle nicht vollzogen werden, weil sie nicht mit der eigentlichen Analyse dieser Arbeit harmonieren.

Für Heinzle wird das Problem der Zeichen nicht angesprochen, er ist der Auffassung, „wenn der Dichter hier ein Problem gesehen hätte, hätte er es vermutlich artikuliert“.[67] Dieser Einstellung kann ich keineswegs Folge leisten, was anhand meiner Argumentationsführung abzulesen ist.

Es wird im Nibelungenlied ein Diskurs über die Unzuverlässigkeit sichtbarer Zeichen […] geführt.[68] Diesbezüglich ist es bemerkenswert, dass die Rezipienten nicht getäuscht werden; die Täuschung durch Zeichen erfolgt lediglich figurenintern.[69]

Am Ende erscheinen zeremonialisierte Inszenierungen häufig nur noch als bloßes Theater, das von einer neuen, bürgerlichen Position aus kritisiert werden kann, weil es die eigentliche Wahrheit verschleiere.[70] Beispielsweise macht eine Person einen Fußfall, weil die Gesellschaftsnormen es verlangen und auf diese Weise das Ziel der Begnadigung erreicht werden kann. Innerlich jedoch ist diese Person von der Bußgeste nicht berührt. Die Manipulierbarkeit der Welt blinkt als Zentralthema vor den Augen des Rezipienten, was zur skeptischen Wachsamkeit auffordert. Gernot Müller sieht hier die kritische Haltung des Nibelungenmeisters gegenüber dem „Symbolschematismus“[71] der Zeit.

Erst aufgrund dieser Skepsis des Dichters seien die zahlreichen provokativen Durchbrechungen höfischer Formen im Nibelungenlied denkbar.[72] In einer Gesellschaft ohne ideale Werte werden die Zeichen und Worte trügerisch manipulierbar. „Schon von Anfang an ist die Form, das höfische Normverhalten, nicht mehr wie im arthurischen Roman ein Idealkonzept.“[73] Die Kritik an die Gesellschaft ist allgegenwärtig.

In diesem Kontext spricht J.-D. Müller vom Scheitern der Rituale.[74] Dem kann jedoch nicht ganz zugestimmt werden. Die Zeichen versagen insofern, als sie nicht länger eindeutig sind oder weil sich unter dem Deckmantel der Zeichen etwas anderes abspielt als das, was vorgegeben wird. Das Ideal der Einheit zwischen Form und Inhalt wird, wie die angeführten Beispiele belegen, aufgehoben. Die Rituale und Zeichen scheitern jedoch nur für den Empfänger, nicht aber für den Sender. Die Zeichen erreichen nämlich genau die Ziele, die die Protagonisten anvisiert haben. Gerade das ausdifferenzierte Zeichenbewusstsein der nibelungischen Welt führt also dazu, dass die Handlung durch den gezielten Missbrauch der Zeichensetzung vorangetrieben wird. Das Epos demonstriert die Manipulierbarkeit einer Gesellschaft durch Zeichen. Außerdem scheint auch immer wieder die zeitgenössische Hofkritik, dass der Hof auf nichts als Lüge aufgebaut ist[75], durch.

Jedoch hat dies nicht nur mit dem Gefahrenpotential und Scheitern von Zeichen zutun, sondern auch mit der schwarzen Seele der menschlichen Existenz. Wenn die heutige Ritualforschung zeigt, wie in literarischen Texten die Schwachstellen des Zeichensystems problematisiert werden, werden Schlussfolgerungen erzielt, die schon in der älteren Nibelungenforschung mit ganz anderen Ausgangspunkten erkannt wurden. Bereits 1965 formulierte Nagel aus einer eher idealistischen Perspektive als Kernthematik des Nibelungenliedes: “Was hier zum Scheitern führt, ist also nicht die höfische Ritterkultur, sondern die Unzulänglichkeit des Menschen [der Gesellschaft], der gegenüber den Idealen und Ansprüchen dieser Kultur versagt.”[76]

Des Weiteren zeigt das Nibelungenlied mit aller Deutlichkeit, wie sehr sich der Epiker mit zeitgenössischen Kommunikationsformen auseinandersetzte. Das Epos ist im Hinblick auf sein kompromissloses Experimentieren mit Subjektivität und Individualität eines der rasantesten Werke des deutschen Mittelalters. Aber einen angemessenen Lösungsansatz kann auch der Dichter nicht bieten.

5. Literaturverzeichnis

5.1. Quellen

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5.2. Forschungsliteratur

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[...]


[1] Gadamer, Hans-Georg: Bild und Gebärde. In: ders. Kleine Schriften. II. Interpretationen. Tübingen 1967. S. 214.

[2] Kamp, Hermann: Die Macht der Zeichen und Gesten. Öffentliches Verhalten bei Dudo von Saint-Quentin. In: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. Hrsg. v. Gerd Althoff. Stuttgart 2001.S. 135ff.

[3] Vgl. Eco, Umberto: Zeichen. Eine Einführung in einen Begriff und seine Geschichte. Frankfurt 1992.

[4] Der epische Blick. Eine mediengeschichtliche Studie zur höfischen Literatur.

[5] Zur Funktionalität der Zeichen im Nibelungenepos.

[6] Szene und Gebärde.

[7] Visualität, Geste, Schrift. Zu einem neuen Untersuchungsfeld der Mediävistik.

[8] Das Nibelungenlied. Eine Einführung.

[9] Ritual, Zeremonie und Gestik. das ottonische Reich.

[10] Bumke, Joachim: Höfischer Körper-Höfische Kultur. In: Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche. Hrsg. v. Joachim Heinzle. Leipzig 1994. S. 72.

[11] Althoff, Gerd: Das Privileg der deditio. Formen gütlicher Konfliktbeendigung

in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft. In: ders. Spielregeln der Politik im Mittelalter. Darmstadt 1997. (=Wissenschaftliche Buchgesellschaft). S.101.

[12] Vgl. Wenzel; Horst: Höfische Repräsentation. Zu den Anfängen der Höflichkeit im Mittelalter. In: Kultur und Alltag. Hrsg. v. Hans Georg Soeffner. Göttingen 1988. S. 109.

[13] Ebd. S. 108

[14] Leyser, Karl J.: Ritual, Zeremonie und Gestik: das ottonische Reich. In: Frühmittelalterliche Studien 27. 1993. S 33.

[15] Kamp 2001: S. 135ff.

[16] Wenzel, Horst: Szene und Gebärde. Zur visuellen Imagination im Nibelungenlied. In: ZfdPh 111. 1992. S. 330. “Sichtbarkeit ist das Grundprinzip adliger Selbstinszenierung, die an die öffentliche Statusdemonstration gebunden bleibt, solange eine Teilhabe an Herrschaft weniger durch Institutionen als durch Personen gewährleistet wird.”

[17] Siehe: Müller, Jan-Dirk: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes. Tübingen 1998. S. 345.

[18] Jönsson, Maren: Funktionalität der Zeichen im Nibelungenepos. In: Studia Neophilologica. 2003. S. 189.

[19] Vgl. Wenzel 1992: S. 33 und dagegen Heinzle 1994: S. 81ff.

[20] erzieherische Fkt. zeigt Gefahr (Täuschungsfunktion) dieser tradierten, in der Gesellschaft verankerten Zeichen, die (Gefahr) der Agierende nicht unbedingt wahrnimmt. Daher: kritisches Hinterfragen von Z. W. G.

[21] Beispiele: Str. 1225; Str.1783; Str. 2196.

[22] Althoff, Gerd: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde. Darmstadt 1997 (=Wissenschaftliche Buchgesellschaft). S. 43.

[23] Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter. Darmstadt 1990. S. 182f. weist darauf hin, dass die Funktion von Gesten und Gebärden darin bestand, ,,bereits vor oder anstelle einer verbalen Kommunikation vieles [klarzustellen] und Einschätzungen, Einordnungen und Verhaltensweisen“ zu ermöglichen. Voraussetzung dafür sei, ,,dass die Zeichen verstanden wurden“. Gerade dies wird jedoch an dieser Stelle zum Problem.

[24] Wenzel 1992: S. 339.

[25] Heinzle 1994: S. 69.

[26] in Ahnlehnung an: Wandhoff, Heiko: Der epische Blick. Eine mediengeschichtliche Studie zur höfischen Literatur. Berlin 1996. S. 232.

[27] Leyser 1993: S. 18ff.

[28] Wandhoff 1996: S. 233.

[29] Ebd.

[30] Ebd.

[31] Müller, Gernot: Zur sinnbildlichen Repräsentation der Siegfriedgestalt im Nibelungenlied. In: Studia Neophilologica 47. 1975. S. 108.

[32] Müller, G. 1975 S. 105.

[33] Philipowski Silke: Geste und Inszenierung. Wahrheit und Lesbarkeit von Körpern im höfischen Epos. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 22. 2000. S. 460.

[34] Jan-Dirk Müller hingegen vertritt den Standpunkt, dass Siegfried im gesamten Verkauf der Überlegene bleibt, der bloß durch Lug und Trug beseitigt werden kann.

[35] Philipowski 2000: S. 460.

[36] Vgl. Müller, J. D. 2003: S. 122ff. und Heinzle 1994: S. 80ff.

[37] Philipowski 2000: S. 463.

[38] Ebd., S. 477.

[39] Vgl. Heinzle 1994: S. 70. Dazu Wenzel 1992. S. 339.

[40] Wandhoff 1996: S. 238.

[41] Wenzel 1992: S. 337.

[42] siehe Schaubildtechnik. In: Heinzle 1994: S. 81ff.

[43] Wenzel 1992: S. 339.

[44] in Anlehnung an: Jönsson 2003: S. 193.

[45] Wandhoff 1996: S. 236.

[46] Wandhoff 1996: S. 236.

[47] Bumke 1992: S. 636.

[48] Wenzel 1992: S. 332.

[49] Müller, G. 1975: S. 110.

[50] Vgl. Wenzel, Horst: Hören und Sehen. Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter. München 1995. S. 71ff.

[51] In Anlehnung an Wandhoff 1996: S. 239.

[52] Wenzel 1995: S. 70.

[53] Vgl. Althoff 1990: S. 55, 78.

[54] Sicherlich sind nicht alle Schaubilder als Trugbilder konzipiert, doch ist dies auch nicht nötig, um die Intention des Textes hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes von Zeichen herauszustellen. Es wird auf die Augustinische Zeichentheorie angespielt, in der zwischen signa data und signa propria unterschieden wird. Das natürliche Zeichen (signa propria) des blutenden Leichnams überführt den listigen Hagen trotz aller seiner Worte als Mörder Siegfrieds. Demzufolge scheinen allein die natürlichen Zeichen als verlässlich, wohingegen die gesetzten Zeichen (signa data) letztendlich auch ihre Meister blenden und in die Irre führen.

[55] Vgl S. 1411 Schmidt-Wiegand, Ruth: Gebärden. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG). Hrsg. v. Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, mitbegründet von Wolfgang Stammler, Bd. I. Berlin 1971.Sp. 1411-19.

[56] Schreiner, Klaus: 'Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes' (Osculetur me osculo oris sui, Cant 1,1). Metaphorik, kommunikative und herrschaftliche Funktionen einer symbolischen Handlung. In: Höfische Repräsentation. Das Zeremoniell und die Zeichen. Hrsg. v. Hedda Ragotzky und Horst Wenzel. Tübingen 1990. S. 91.

[57] in Ahnlehnung an: Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied. durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart 2003 (= Reclams Universal-Bibliothek. 17604). S. 243.

[58] Tränen sind Zeichen für den textexternen Rezipienten, dieser erfährt auf diese Weise, dass der dargestellte Sachverhalt nicht stimmig ist. Die Tränen zeigen einen intimen Bereich und ermöglichen den Blick hinter die Kulissen. Sie besitzen damit einen hohen Wahrheitsgehalt, wenn sie nicht gerade für trügerische Absichten instrumentalisiert werden.

[59] Diese Doppelzüngigkeit Kriemhilds wird vom Dichter immer wieder betont (vgl. V. 1400,4ff; 1404,4; 1420; 1502,3ff.).

[60] Vgl. Althoff 1990: S. 203-211.

[61] mehr in: Leyser 1993: S. 39.

[62] Haug, Walter: Montage und Individualität im Nibelungenlied. In: Nibelungenlied und Klage. Sage und Geschichte, Struktur und Gattung. Passauer Nibelungengespräche 1985. Hrsg. v. Fritz Peter Knapp. Heidelberg 1987. (=Germanische Bibliothek ) S. 281.

[63] Vgl. Wenzel 1992: S. 339 und 341ff.

[64] Vgl. Wandhoff 1996: S. 240.

[65] Wandhoff 1996: S. 241.

[66] Wenzel 1992: S. 342.

[67] Heinzle 1994: S. 70.

[68] Siehe Müller, J. D.1998: S. 275.

[69] Ebd., S. 270. “Das “Nibelungenlied” reflektiert den unterschiedlichen Modus des Zeichengebrauchs, indem es von der Verwirrung der Zeichen in einer Welt ohne Schrift erzählt, doch so, dass die Schriftlichkeit des Buchepos dem Rezipienten die Verwirrung zu durchschauen erlaubt.”

[70] Müller, J. D. 2003: S. 125ff.

[71] Müller, G. 1975: S. 110.

[72] Ebd., S. 106.

[73] Haug 1987: S. 18.

[74] Müller, J. D. 1998: S. 345 ff.

[75] Müller, J. D. 2003: S. 131.

[76] Nagel, Bert: Das Nibelungenlied. Stoff - Form - Ethos, Frankfurt 1965. S. 269.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Problematisierung nonverbaler Kommunikation im Mittelalter am Beispiel des Nibelungenliedes
Hochschule
Universität Rostock
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V111437
ISBN (eBook)
9783640094974
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problematisierung, Kommunikation, Mittelalter, Beispiel, Nibelungenliedes
Arbeit zitieren
Stephan Terrey (Autor:in), 2007, Problematisierung nonverbaler Kommunikation im Mittelalter am Beispiel des Nibelungenliedes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111437

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