Die linguistische Kodierung der Kategorie Raum - Raumkodierung in Kilivila


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Topologische Relationen
2.1. Präpositionale und adverbiale Ortsangaben
2.2. Positionsverben

3. Bewegungsereignisse

4. Räumliche Bezugsrahmen
4.1. Intrinsische und relative Bezugsrahmen
4.2. Absolute Bezugsrahmen

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die Gesellschaft, in der ein Mensch aufwächst, prägt seine Überzeugungen, Wertevorstellungen und Normen. Die Kultur, besonders wenn es als Abgrenzungskriterium zwischen verschiedenen Ländern, Nationen, Religionen oder sozialen Gruppen betrachtet wird, ist viel zu allgemein um menschliches Verhalten zu erklären. In jeder Gesellschaft gibt es bestimmte Grundwerte und Überzeugungen, die sich im Allgemeinen als sehr beständig erweisen. Kulturbedingte Unterschiede, wie z.B. nationale Traditionen, religiös bestimmte Einstellungen oder geographische Verteilung der Länder, verursachen Hindernisse in der Kommunikation. Um die Voraussetzung zur zwischen kulturellen Kommunikation zu erfüllen, müssen sie berücksichtigt und erkannt werden. Die kulturellen Unterschiede spiegeln sich in den Kulturstandards und somit in der räumlichen Wahrnehmung wieder, die auch für die Entstehung der Missverständnisse verantwortlich sind.

Das menschliche Gehirn ist derart disponiert, dass es in allem nach Ordnung und Struktur sucht, auch dort wo diese fehlt. Die den Menschen umgebene Wirklichkeit wird ausgehend von der individuellen Wahrnehmung zur subjektiven Wirklichkeit. Basierend auf den gemachten Erfahrungen im Raum werden kognitive Raumstrukturen ausgeprägt, welche als Grundlage aller weiteren Handlungen dienen. Raum ist das Produkt der auf dieser Struktur aufbauenden Handlungen. In meiner Arbeit versuche ich darzustellen, wie die sprachliche Kodierung des Raumes in der Sprache Kilivila beschrieben wird.

Kilivila ist eine Sprache der Trobriand-Inseln, die direkt unterhalb des Äquators im Südpazifik liegen und zu Papua Neuguinea gehören. Die größte Insel ist Kiriwina, welche 50 km lang und bis zu 16 km breit ist. Auf der Insel leben 12.000 Einwohner in 60 Dörfern. Die Inselgruppe besteht noch aus den Inseln Kitava, Vakuta, Kaileuna und aus mehr als 100 kleinen unbewohnten Inseln. Die Trobriand-Inseln sind flache Korallenatolle. Das Klima ist heiß und feucht mit regelmäßigen Regenfällen. Kiriwina hat als einzige Insel eine leichte Erhöhung. Da der Süden vor allem aus Mangrovensümpfen besteht, liegen die Dörfer zum größten Teil im Norden der Insel. Die Insel ist von ergiebigen Fischgründen umgeben, welche sich im offenen Meer als auch in der von Riffen geschützten Lagune befinden. Obwohl sich die Bevölkerungen der einzelnen Insel kulturell unterscheiden, sprechen alle eine Form von Kilivila. Diese gehört zu den etwa 500 austronesischen Sprachen, welche in Polynesien, Mikronesien, Indonesien und auf den Inseln Melanesiens verbreitet sind.[1]

Abbildung 1: Trobriand Inseln

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://content.answers.com/main/content/wp/en/thumb/1/17/350px-Trobriand.png

2. Topologische Relationen

Die sprachliche Beschreibung von Raumrelationen wird oft von Präpositionen und Adverbien vorgenommen. Man sagt zum Beispiel, dass ein Gegenstand „a“ sich vor/hinter, links/rechts, über/unter (von) einem Gegenstand „b“ befindet. Bedingung für solche Aussagen ist, dass Objekte entsprechende Pole besitzen. Nach welchen Prinzipien werden Objekten solche Pole zugewiesen? In diesem Zusammenhang werden auch die verschiedenen Möglichkeiten von Objektrelationen diskutiert. Objekte können aneinander angrenzen, ineinander enthalten sein oder sich in der Nähe anderer Objekte befinden. Entsprechend der Varianz der Wahrnehmung existieren verschiedene Möglichkeiten der sprachlichen Verdeutlichung.

2.1. Präpositionale und adverbiale Ortsangaben

Im Fachgebiet der Sozialgeographie treffen die Fragestellungen und Interessen der klassischen Geographie („Raum“) und die der Soziologie („Gesellschaft“) aufeinander. Die Sozialgeographie betrachtet im Allgemeinen das Verhältnis zwischen Raum und Gesellschaft unter der Perspektive des Menschen als sozialen Akteur. Sie postuliert, dass der Mensch und somit die Gesellschaft Raum durch die alltäglichen Aktivitäten gestaltet. Das tägliche Leben verursachte, dass die Kilivila-Sprecher Körperteile und Umgebungsbegriffe als lokative Relationsbeschreibung benutzen (Beispiel 1). Manche Worte, die man als Präposition oder Adverb gebraucht, kommen von Substantiven, die Körperteile beschreiben, wie z.B. Gesicht um die räumliche Relation „vor“ auszudrücken (Beispiel 2). Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Benutzung von anderen Orientierungspunkten wie Haus oder geographische Bezugspunkte wie z.B. Meer oder Land. Dies entsteht durch den Grammatikalisierungsprozess. In unten gegebenen Beispielen findet man zwei Positionsangaben wie - o - und - olopola -. Aus dem Körperteilwort - lopola - verbunden mit der richtigen Präposition - o - entwickelte sich die heutzutage gebrauchte Präposition, die die Bedeutung „sich drin befinden“ trägt.[2] [3]

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Die lokative Ausdrücke können sowohl als Präpositionen als auch als Adverbien bei Orientierungsbeschreibung wie bei - olakeva - (oben, über, im Himmel) (Anhang 1) benutzt werden. Außerdem können sie auch als lokative Adverbien in einem präpositionalen Ausdruck mit dem präpositionalen/lokativen - o - und dem Substantiv klassifiziert werden (Beispiel 2). Dies passiert, wenn man alle Wortteile einzeln betrachtet.

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In diesem Fall hat der Grammatikalisierungsprozess mit - o mata-la - angefangen und durch Umwandlung hat sich der konkrete Orthinweis - omatala - als Produkt ergeben.

In den oben genannten Beispielen kann man die bestimmte Ortbeschreibung erkennen. Die Kilivila-Sprecher unterscheiden auch, welche Orte sie beschreiben. Der Lokativ - o - hat auch einen anderen Gebrauch. Man verwendet - o - wenn man bestimmte Lokalisierung angeben will (Beispiel 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[4]

Dies betrifft auch das Ziel oder die Lokalisierung, wenn sie mit den Körperteilen verbunden sind (Beispiel 1a). Kommt es in einer Frage zu einer allgemeinen Beschreibung, oder man möchte allgemeine Richtungsangaben angeben, benutzt man den Lokativ - va - (Beispiel 4).

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Der Lokativ wird bei Lokalisation mit Eigennamen nicht verwendet. (Beispiel 5).

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2.2. Positionsverben

Das lokative System der Kilivila-Sprache bevorzugt die topologischen Relationen bei Beschreibungen. Dabei benutzt man die lokativen Adverbien oder Präpositionen, wie sie im Kapitel 2.1 beschrieben wurden. Außerdem ist es möglich Positional- oder Bewegungsverben zu verwenden. Diese Verwendung hängt davon ab ob die beschreibenden Sachen zum Bezugspunkt gehören oder nicht. Zur ersten Gruppe gehören Beschreibungen von Objekten, die keine feste Zugehörigkeit mit dem Bezugspunkt haben. Hier kommt es oft zur Verdoppelung von Verben, die die gleiche Situation beschreiben können. Für Sachen, die sich über etwas befinden, verwendet man im Allgemeinen das Verb - esoya -, das „über etwas hängen“ bedeutet (Beispiel 6).

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Für Beschreibungen von Sachen, die sich auf, in oder unter etwas befinden, verwendet man im allgemeinen Sinn das Verb – ekwanukwenu -, welches „bleiben, beruhen, legen“ bedeutet (Beispiel 7).[5]

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Dazu gehört auch die Beschreibung von Sachen, die sich auf einer Fläche befinden. Veranschaulicht wird das beim Beispiel mit der Tasse auf dem Tisch (Beispiel 9). In diesem Fall kann das allgemein verwendbare Verb - ekwanukwenu - durch das Positionsverb – etota - ersetzt werden.

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Zur anderen Gruppe gehört die Beschreibung von Sachen, die feste Kontakt mit dem Bezugsort haben. In diesem Fall verwendet man die Bewegungsverben mit mehr oder weniger komplexer Beschreibung für eine Handlung, die ein Ergebnis ergibt (Beispiel 9).

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In Kilivila-Sprache ist es auch möglich, dass man einfache Sätze auf komplizierter Art und Weise ausdrückt. Gleichzeitig ist es damit verbunden, dass man den ganzen Prozess beschreibt, um das Ereignis vorstellen zu können (9d).

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In oben genannten Beispielen benutzt man den Lokativ zusammen mit den Positional- Bewegungs- oder Handlungsverben, die die Weise und andere charakteristische Merkmale der topologischen Relationen spezifizieren. Die am häufigsten verwendbaren Positionsverben in Kilivila sind – kanukwenu - (to rest, to lie down), - tota - (to stand), und – soya - (to hang). Die ersten zwei Positionsverben sind austauschbar (Beispiel 8). Das Verb – soya - beschreibt die Sachen, die sich in einem hängenden Zustand befinden.

Die zweite Gruppe neben den Positionsverben bilden die Bewegungs- und Handlungsverben, die auch positionelle Funktionen tragen (Beispiel 9). Zu den am meisten verwendeten gehören - sipu - (to tie), - sagi - (to stick), - sela - (to put), - karopusagi - (to spear), - sakalua - (to run), - suvi - (to enter) und – you - (to fly). Wie oben vorgestellt (Beispiel 9b, 9d), benutzt man oft für positionelle Beschreibungen solche Verben, die dynamische Handlungen nennen.

3. Bewegungsereignisse

Die Kilivila-Sprecher benutzen in der täglichen Sprache viele Bewegungsverben, die mehr oder weniger komplexe Strukturen haben und seriell verwendet werden (Beispiel 10).

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Einerseits verwendet man Verben, die Art oder Richtung der Bewegung zeigen. Andererseits benutzt man einen zusammengesetzten Bau, der die Art der Tätigkeit vorstellt.

In dem vorher genannten Beispiel stehen am Anfang die Verben – ikapusi-,ila- und – ikokuva- getrennt voneinander. Trotzdem beschreiben sie gemeinsam eine Art von Bewegung mit dem Ziel hinunter zu gehen um zu schwimmen. In diesem Fall beschreibt das Verb – ikapusi- die Richtung des Verbs – ila-. Weiter wurde das Verb – ivekeyawa- verwendet. Diese zusammengesetzte Konstruktion zeigt gleichzeitig Richtung und Art der Tätigkeit. Man stellt sich vor, dass man hinter jemandem geht und das Gehen gleichzeitig das Folgen bedeutet. Die Auswahl von derartigen Verben hängt davon ab, ob das Ziel der Bewegung bekannt ist, ob die Bewegung in die Richtung von oder zu dem Sprecher vorkommt, ob sie abgeschlossen ist oder nicht und auf welche Fläche die Bewegung erscheint. Berücksichtigt man das, kann man die Bewegungsverben unter anderem in die Gruppen „kommen“ und „gehen“ einteilen.

Der verbale Ausdruck - la - zeigt Bewegung vom Sprecher aus an. Dabei ist aber der Ort, in dem sich der Sprecher befindet, kein Startpunkt der Bewegung. Gleichzeitig muss der Weg und das Ziel der Bewegung nicht bekannt sein. Diese Art der Bewegung kann man als „gehen“ bezeichnen (Beispiel 10).

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Wenn eine Bewegung die umgekehrte Richtung annimmt, benötigt sie die Benutzung des Verbs - ma-.Diese Form drückt Bewegung zum Sprecher hin aus. Dabei muss aber das Ziel der Bewegung nicht unbedingt bekannt sein. Der Ort, in dem sich der Sprecher befindet, muss nicht das Ziel sein. Diese Art der Bewegung kann man als „kommen“ betrachten (Beispiel 11).

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Alle oben genannten Beispiele (10, 11) zeigen, dass es verbale Ausdrücke gibt, die Arten von Bewegung vorstellen. Diese und auch viele andere unterscheiden sich untereinander als Verben, die Bewegungsarten beschreiben, wie z.B. - weki - (to go and rush to). Eine andere Gruppe bilden die Verben, die den Täter oder eine Bezugsperson zeigen -sakauvali- (to run with) oder - vekeya - (to go and follow). Außerdem gibt es auch Verben, die horizontale oder vertikale Bewegung markieren - vilobusi - (to come out: of something on the horizontal plane) oder - tobusiya - (to climb down). Man kann auch verschiedene Verben finden, die eine konkrete Vorstellung der Bewegung haben, wie z.B. - vabusi - (to go down to the beach) oder - valagua - (to go up to the village). Man findet auch zahlreiche Beispiele für Bewegungen mit den Beinen, mit den Händen, mit den Fingern oder für verbale Ausdrücke bei Aktivitäten, wie z.B. sich hinlegen, schwimmen, stehen oder spazieren gehen (Anhang 2)[6].

Die Kilivila-Sprecher benutzen oft den seriellen Verbenbau um komplexe Bewegungsereignisse zu beschreiben (Beispiel 10). Ähnliches geschieht, wenn man einen Prozess des Hinein- oder Hinausgehen beschreibt (Beispiel 12).

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In diesem Beispiel verweist der Sprecher darauf, dass er hinein gehen will und zwar ins Haus herein. Dazu markiert er noch den Zustand vor und nach der Bewegung durch das Verb – etota- (he stands). Solche Bemerkungen werden sehr oft benutzt, um Anfang oder Ende der Handlung zu unterstreichen. Zusätzlich benutzt man in Kilivila andere verbale Ausdrücke um die Art des Hineingehens zu betonen (Beispiel 13).[7]

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4. Räumliche Bezugsrahmen

In räumlichen Beschreibungen wird eine Struktur auf eine Szene im Raum projiziert. Die Position eines Objekts wird in der Regel durch Bezug auf ein anderes Objekt beschrieben. Zum Beispiel wenn man erklären will, dass das Fahrrad vor der Kirche steht. Typischerweise liegt dabei der Fokus auf einem der beiden Objekte. Die Position des Fokus-Objekts (in diesem Fall das Fahrrad) wird dabei in Bezug auf ein Referenz-Objekt (in diesem Fall die Kirche) bestimmt und die Position des Referenz-Objekts wird dabei als bekannt vorausgesetzt. Das Referenz-Objekt unterscheidet sich normalerweise vom Fokus-Objekt dadurch, dass es größer und geometrisch komplexer ist. Es stand früher schon an der beschriebenen Stelle bzw. befand sich länger dort und insgesamt wird es eher als Hintergrund für das Fokus-Objekt wahrgenommen. Das Verhältnis zwischen beiden wird deutlich, wenn man versucht den Fokus umzukehren und man sagt, dass die Kirche vor dem Fahrrad steht. Dieser Satz ist ungeeignet die Position der Kirche näher zu spezifizieren, weil die Kirche normalerweise als Hintergrund wahrgenommen wird, vor dem die Position des Fahrrads bestimmt wird.

Das Verhältnis zwischen Fokus- und Referenzobjekt kann nun, je nachdem von welchem Bezugsrahmen ausgegangen wird, sprachlich unterschiedlich ausgedrückt werden. Levinson unterscheidet zwischen einem relativen, einem intrinsischen und einem absoluten Bezugsrahmen.[8]

Kilivila verwendet alle drei Referenzen im Sprachgebrauch. Dies hängt aber davon ab, welche Bezugsrahmen man annimmt um die Relation zwischen den Objekten zu zeigen. Die Kilivilasprechenden zeigen deutlich in welcher Situation und in welcher Funktion man die räumlichen Bezugsrahmen verwendet.

4.1. Intrinsische und relative Bezugsrahmen

Die relativen Bezugsrahmen gehen von einem Beobachter aus, der von Figur und Hintergrund getrennt ist und aus dessen Perspektive die Situation beschrieben wird.
Der intrinsische Bezugsrahmen orientiert sich im Gegensatz zum relativen an inhärenten Eigenschaften des Hintergrunds und bezeichnet eine zweiseitige Relation zwischen den Objekten. Die Position der Figur wird allein durch den Bezug auf diese Eigenschaften des Hintergrunds spezifiziert wie sie im folgenden Beispiel beschrieben wird (Beispiel 14).

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In dieser Aussage erfolgt die Beschreibung des Verhältnisses zwischen den Figuren durch den Bezug auf Merkmale des Mannes (Vorderseite des Objekts, Vorderseite des Beobachters, rechte Hand), die nicht an die Perspektive eines außenstehenden Beobachters gebunden sind. In diesem Fall werden solche Begriffe wie „rechts“ intrinsisch betrachtet und bedeuten immer die rechte Seite des Objekts. Zusätzlich kann man ein deiktisches System einfügen um die Orientierung des Objekts in seiner Gestalt zu zeigen (Beispiel 15).

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One person I find, a tree at the right, a walking stick at the right, a tree at his right only, and his eyes look at me.

Auf diese Weise beschreibt man den Standort von zwei Objekten, die sich in besonderer Relation zwischeneinander befinden. Zuerst verwendet man den Ausdruck – kakata- (rechts) ohne weitere Angaben und erst später wählt der Sprecher den intrinsischen Bezugsrahmen durch das Possessivpronomen – la- (sein). Außerdem benutzt man das deiktische System um seine Orientierung in dieser Situation zu zeigen.

Im intrinsischen und im relativen Bezugsrahmen können nun die gleichen Begrifflichkeiten wie rechts oder links verwendet werden. Dieses führt zu doppeldeutigen Aussagen, die in der Kilivila-Sprache durch die Verwendung von Possessivpronomen vermieden werden können (Beispiel 16).

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In diesem Beispiel wird gezeigt, wie das Pronomen die Begriffe rechts oder links im intrinsischen Gebrauch von dem relativen Gebrauch trennt. Man fügt das Pronomen ein, um den genauen Bezugsrahmen zu markieren. Ohne dies könnte der Satz bedeuten, dass sich der Eingang auf seiner rechten Seite (intrinsisch) oder auf der rechten Seite vom Beobachter (relativ) befindet. Die richtige Bedeutung ergibt sich dann nur aus dem Kontext.

Für die relative Beschreibung ist es zusätzlich wichtig, dass sich der Bezugsrahmen mit dem Beobachter bewegt. Typisch dafür ist, dass die Koordinaten des Beobachters auf das Hintergrund-Objekt projizieren werden. Der Mensch wird im Beispiel 15 deswegen so behandelt, weil er eigenes „Vorne“ hat, welches die Richtung dem Beobachter zeigt. Dadurch kann sich etwas vor, hinter, rechts oder links dieser Person befinden. Diese Koordinaten sind nun aber nicht fest, sondern ändern sich wiederum, sobald der Beobachter um den Mensch herumgeht. Dann befindet sich der Baum auf seiner linken Seite. Das heißt das, was vorher rechts war, ist nun links und umgekehrt. Auch die Beschreibung in Beispiel 15 vollzieht sich theoretisch in einem relativen Bezugsrahmen.

4.2. Absolute Bezugsrahmen

Der absolute Bezugsrahmen orientiert sich an festen Koordinaten, wodurch alle Raumverhältnisse ausgedrückt werden (Beispiel 17).

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Die Kilivila-Sprecher benutzen absolute ad hoc Bezugsrahmen. Dabei ist aber wichtig, dass diese Punkte keine Ziele der Bewegung zeigen sondern nur die Richtung bezeichnen. Zu dieser Gruppe gehören die geographischen Orientierungspunkte wie - loadila- (Gebüsch), - kwadewa- (Strand), -bwalita- (Meer), -valu- (Dorf), - tuyabwau- (Trinkwasserquelle),. - pilakeva- (Gipfelseite, Landseite), - pilitinava- ( Meerseite, Strandseite) oder die Häuser und seine Besitzer (Beispiel 18).

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This thing, well, the green, small thing they put there, its tip (eye), it goes to the sea, one half, the other half goes to the bush.

Die geographischen Achsen werden verwendet um die Weite des Objekts zum Sprecher oder zwischen den Objekten zu markieren. Diese Markierungen der Teile unterscheiden sich voneinander, je nachdem in welcher Situation man sie benutzt. Zu diesen gehören unter anderem die, die sich auf eine Aufteilung der Landschaft und der Oberfläche beziehen, wie z.B. – udila- (large tracts of forest) oder eine Funktion des Längenmaßes für die Bäume – lila- (part of tree), Gebäude – tabudo- (room, division within house), Körperteile – yam- (hand attached to body) oder Teile vom Essen – kabula- haben (Beispiel 18 und Anhang 3).[9] Alle diese verwendet man in besonderen Situationen. Es gibt aber auch Markierungen, die eine allgemeine Bedeutung für topographische Beschreibungen, für nähere Angaben der Teile, die zum Ganzen gehören oder für konkrete Angaben der Teile haben (Tabelle 1).

Tabelle 1: Vielfache Bezugsrahmen.

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Quelle: Lawton Ralph (1993): Topics in the description of kiriwina.

Wie oben angegeben, beziehen sich die zwei ersten Bezugsrahmen auf etwas konkretes. Der letzte Bezugsrahmen – pila- hat eine allgemeine Verwendung.

5. Zusammenfassung

Wie ich es in der Arbeit vorgestellt habe, bezieht sich das Ortsangabesystem in der Kilivila-Sprache auf die topologischen Beziehungen. Viele von den lokativen Ortsangaben übernehmen auch die Funktion der Adverbien oder der Präpositionen. Außerdem benutzen die Sprecher Positional- und Bewegungsverben in der Verbindung mit oder ohne Lokative.

Um die dynamischen Ereignisse zu äußern, benutzt man zahlreiche Bewegungsverben, die mehr oder weniger seriellen und komplexen Bau haben. Für ihre Analyse ist die Beschreibung entscheidend, wie man den Ort in dem sich der Sprecher befindet und seine Rolle in der Beschreibung erfühlt, wahrnimmt und zusätzlich Anfang, Richtung und Ende der Bewegung bestimmt.

Für die Markierung der räumlichen Bezugsrahmen verwenden die Sprecher intrinsische, relative oder absolute Bezugspunkte. Sie zeigen deutlich die Präferenzen für bestimmte Bezugsrahmen im bestimmten Zusammenhang und in der bestimmten Funktion. Die Sprecher bevorzugen die intrinsischen Bezugspunkte um eine zweiseitige Relation und Lage zwischen den Objekten zu zeigen oder um eine besondere Gestalt zu geben. Besonders wenn das Objekt eigene angeborene intrinsische Gesichtszüge besitzt. Die Beschreibung in relativer Form ist auch möglich aber selten benutzt. Trotzdem sind solche Begriffe wie links oder rechts, vorne oder hinter für beide Bezugsrahmen benutzbar. In solchem Fall ist jeweils die grammatikalische Markierung durch Possessivpronomen nötig. Dagegen ist für die Bezeichnung der besonderen Orientierungen von Objekten die absolute ad hoc Markierung bevorzugt.

Literaturverzeichnis

Herrmann Theo, Schweizer Karin (1998): Sprechen über Raum, Berlin: Hans Huber Verlag

Levinson Stephen (2006): Grammars of space. Explorations in cognitive diversity, Cambridge, S. 206-229, 516-568

Levinson Stephen (2003): Space in language and cognition, Cambridge

Lewton Ralp (1993): Topics in the description of kiriwina

Schmanks Dagmar (2002): Orientierung im Raum, Tübingen: Staffenburg Verlag

Senft Gunter (1986): Kilivila-The language of the trobriand islanders, Berlin: Mouton de Gruyter

Senft Gunter: Frems of spatial, Reference in Kilivila

http://content.answers.com/main/content/wp/en/thumb/1/17/350px-Trobriand.png

http://www.wikipedia.de

Anhang

Anhang 1

Ortadverbien

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Präpositionen

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Anhang 2

Bewegungsverben

1. – va- do with foot action; do while walking

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2. –ki- do with hands, vigorously

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3. –kanu- do by lying down

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4. –kaya-do by swimming

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5. –si- do by sitting or stopping in a place

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6. –to- do by standing (-totu- stand up)

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7. –lo- do by walking (-loula- walk about)

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Anhang 3

Bezugsrahmen

1. Topographische Bezugsrahmen, die sich auf Oberflächen beziehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Teil vom Ganzen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] www.wikipedia.de

[2] PPIV – Possessive pronoun series IV (indicating intimate, inalienable degree of possession)

[3] Dem - Demonstrative

[4] Loc - Locative

[5] CP – classificatory Particle

[6] Lewton Ralp (1993): Topics in the description of kiriwina, S. 95-96

[7] PPIII – possessive pronoun series III (indicating a more distant degree of possession)

[8] Levinson Stephen (2003): Space in language and cognition, Cambridge, S. 24-61

[9] Lawton Ralph (1993): Topics in the description of kiriwina, S. 206-213

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die linguistische Kodierung der Kategorie Raum - Raumkodierung in Kilivila
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V111293
ISBN (eBook)
9783640093731
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kodierung, Kategorie, Raum, Raumkodierung, Kilivila
Arbeit zitieren
Malgorzata Szudzik (Autor:in), 2007, Die linguistische Kodierung der Kategorie Raum - Raumkodierung in Kilivila, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111293

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