Zwangsmigration - Ursachen und Auswirkungen


Facharbeit (Schule), 2006

38 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung-Begriffsklärung

2 Ursachen der Migration
2.1 Zwangsmigration-allgemeine Betrachtung
2.2 Armut fördert Bürgerkriege
2.3 Menschenrechtsverletzungen
2.4 Push- und Pullfaktoren
2.5 Umweltmigration
2.6 Abschließender Betrachtung

3 Folgen der Migration
3.1 Folgen der Migration für Herkunftsländer
3.1.1 Negative Auswirkungen für Herkunftsländer
3.1.2 Positive Auswirkungne für Herkunftsländer
3.2 Folgen für das Aufnahmeland
3.2.1 Allgemeine Betrachtung
3.2.2 Folgen für aufnehmende Entwicklungsstaaten
3.2.3 Folgen für aufnehmende Industriestaaten

4 Leben von Migranten in Neubrandenburg
4.1 Allgemeine Betrachtung
4.2 Wohnen von Migranten in Neubrandenburg
4.3 Vereine und Verbände, die Migranten helfen
4.4 Abschließende Betrachtung

5 Möglichkeiten zur Eindämmung von Zwangsmigration
5.1 Die Notwendigkeit globalen Umdenkens
5.2 Marktöffnung und institutionelle Politik
5.3 Entwicklungshilfe
5.4 Umweltpolitik
5.5 Abschließende Betrachtung

6 Quellenangaben und Fußnoten

7 Bildnachweis

1 Einführung-Begriffsklärung

Wir leben in einer geteilten Welt. Denn trotz inflationärer Bemühungen internationaler Konferenzen die Armut und den Hunger auf der Welt zu lindern, gibt es bedrückende Anzeichen, dass sich unsere Welt in eine Richtung entwickelt, die nicht ihre Einheit sondern ihr Auseinanderbrechen zur Folge haben könnte. Die internationale Ungleichheit der Lebensverhältnisse und das millionenfache Leid der Menschen, die nicht das Glück hatten, in einem reichen Industriestaat wie Deutschland geboren worden zu sein, zeigen uns deutlich, vor welchen Problemen und Aufgaben unsere Welt steht. Gleichwohl war unsere Welt noch nie so reich. Das jährliche Einkommen der Erdbevölkerung hat sich in den letzten 30 Jahren von 15 auf 30 Trillionen Dollar verdoppelt. Trotzdem hat dieser beispielslose Anstieg an Reichtum nicht etwa dazu geführt, dass die Anzahl der Armen absolut abnimmt oder dass sich das signifikante Wohlstandgefälle zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern verkleinert. Im Gegenteil: Der neu erworbene Wohlstand kam nur einem Fünftel der Erdbevölkerung zu Gute, während 2/3 der Menschheit nach wie vor in den Entwicklungsländern lebt.

Unsere heutige Weltordnung produziert millionenfaches Leid:

30 000 Kinder sterben täglich aus vermeidbaren Gründen, 300 Millionen Jungen und Mädchen gehen nicht zur Schule, fast eine Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und lebt mit weniger als einem Dollar am Tag, zwei Milliarden Menschen, also fast ein Drittel der Erdbevölkerung, lebt von weniger als zwei Dollar am Tag. /2;S.8/ Die Schreckenszahlen ließen sich seitenlang fortführen.

„ Die krasse Armut eines großen Teils der Weltbevölkerung stellt eine permanente Verletzung des Rechts auf Leben dar“, konstatiert Ex-Greenpeace-Chef Thilo Bode.

/1, S.22/ Diese Verletzung des Rechts auf Leben wird von den Industriestaaten größtenteils billigend in Kauf genommen, ein überzeugendes Konzept Armut weitreichend zu bekämpfen fehlt. Um den lebensunwürdigen Verhältnissen ihrer Heimat zu entkommen, bleibt vielen nur der Weg in eine andere Region. So machen sich jährlich mehr als 6 Millionen (Zwangs-)migranten auf den Weg aus dem Elend.

„Migration ist die physische Transplantation einzelner bzw. Gruppen von Menschen aus einer angestammten und vertrauten zu einer anderen fremden soziokulturellen Umwelt.“/3, S.22/

Die Definition Hans der Migration als „physische Transplantation“ verdeutlicht in besonderem Maße den (gewaltsamen) Einfluss äußerer Faktoren auf die Migrationsentscheidung. Der Begriff Transplantation, der im herkömmlichen Sprachgebrauch als „Verpflanzung“/7/ verwendet wird, hebt zudem die Anstrengungen und Probleme hervor, die beim Verlassen(„Entwurzeln“) der Heimatregion und der Integration der „Entwurzelten“ in der Zielregion entstehen können.

Die UNO schätzt, dass rund 175 Millionen Menschen momentan weltweit unterwegs sind./4/ Welche Ursachen hat diese „Neue Völkerwanderung“/4/ und in welchem Maße beeinflusst sie das Leben und die Entwicklung in den Aufnahmeländern und in den ehemaligen Heimatstaaten? Wie muss die Menschheit auf solche Erscheinungen reagieren und wie ist sowohl den Ursachen als auch den Folgen der Migration entgegenzutreten? Dass wir Lösungen für eine der „[größten] Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert“/4/ brauchen, zeigen uns sowohl die Probleme in Frankreich mit den nicht richtig integrierten Jugendlichen der zweiten und dritten Generation afrikanischer Immigranten, als auch die täglichen Tragödien, die sich bei den verzweifelten Versuchen Wohlstandsinseln wie Amerika und Europa zu erreichen, abspielen. Inhalt dieser Arbeit wird es demnach sein, oben gestellte Fragen zu beantworten und Lösungsansätze für die Zwangsmigration zu entwickeln.

2 Ursachen der Migration

2.1 Zwangsmigration-allgemeine Betrachtung

In der Migrationsforschung wird meist eine Unterteilung der Migration in „freiwillige“ und „erzwungene“ Migration unternommen.

Dabei verbindet man mit „freiwilliger Migration“ die Vorstellung einer freien, individuellen Migrationsentscheidung. Dies ist zum Beispiel bei Pensionären der Fall, die ihr Rentnerdasein im Süden verbringen. Weitaus komplexer und problematischer ist hingegen die „Zwangsmigration“. Sie entsteht durch die Vertreibung von Menschen mit Gewalt oder durch Angst vor Gewalt. Ob und in welchem Maße eine Migrationsentscheidung freiwillig getroffen oder erzwungen wurde, ist meist eine nominative Frage und nicht genau einzuordnen, oft ist es eine Entscheidung mit fließenden Übergängen. Denn nicht alle Menschen, die den gleichen Umständen ausgesetzt sind, verlassen ihre Heimat. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, ein Ursachengefüge zu entwickeln, das die Gründe für die Migration von Millionen Menschen verdeutlichen soll.

„Die Zwangsmigration ist das Ergebnis menschlicher Ausnahmesituationen, die nur die Alternative zwischen Unfreiheit, Verelendung oder Tod im angestammten Lebensraum oder aber die Hoffnung auf Überleben an anderer Stelle zulassen.“ Mit diesem Zitat ist das Thema meiner Hausarbeit überschrieben. Es verdeutlicht, in welcher Situation sich Menschen befinden, die sich entscheiden müssen, ihre Heimat zu verlassen, um in einer neuen, unbekannten Welt ein besseres Leben führen zu können. Hiermit sei jedoch auch auf die Problematik der Bezeichnung eines „angestammten“ Lebensraumes hingewiesen. Durch diese biologistische Begrifflichkeit wird die ideologisch-soziale Konstruktion von „Völkern“, „Kulturräumen“ und Staaten als quasi natürlich angesehen. Dieser Ansatz bietet rassistisch, völkischen Wertemodellen einen dankbaren Ansatz./6/

Die Migrationsgründe sind vielfältig. Doch insgesamt kann gesagt werden, dass eine Migrationsentscheidung getroffen wird, wenn die Gesellschaft die an sie gestellten Erwartungen nicht mehr erfüllen kann, wenn menschliche Ausnahmesituationen herrschen. Diese enttäuschte Erwartungshaltung kann in drei Bereiche unterteilt werden:

1. Die bloße physische Existenz der Menschen ist nicht mehr gesichert (dies ist zum Beispiel bei Migranten aus Kriegs- und Krisengebieten, aber auch aus Regionen mit einem hohen Maß an Umweltzerstörung der Fall)
2. Die gesellschaftliche Struktur kann die materiellen Wünsche und Erwartungen nicht erfüllen (Wirtschaftsmigranten aus schwach entwickelten Gebieten)
3. Die Lebensvorstellungen unter dem herrschenden politisch-ideologischen System können nicht verwirklicht werden (z.B. bei Migration wegen religiöser Diskriminierung oder politischer Verfolgung)/5/

2.2 Armut fördert Bürgerkriege

Meistens vermischen und bedingen sich die unterschiedlichen Bereiche. Hauptursachen sind statistisch gesehen jedoch die Suche nach Arbeit sowie der Schutz vor Verfolgung (aus den Bereichen 2 und 3)/4/. Große Fluchtwellen brechen jedoch ebenso bei kriegerischen Auseinandersetzungen aus, da die eigene Existenz stark gefährdet ist. Hier ist ein Teufelskreis zu beobachten, der für die entsprechenden Länder schwer zu verlassen ist.

Diese Grafik der Welthungerhilfe zeigt die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Konflikts in Prozent im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt (BSP) je Kopf in US-Dollar. Es ist deutlich zu erkennen, dass bei steigendem Wohlstand das Risiko eines Krieges deutlich abnimmt.

Kriege hingegen verschärfen die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung, da sie ihre Lebensgrundlage(z.B. Felder, Industrieanlage) bedrohen oder gar zerstören- sie schaffen also abermals die Grundlage neuer Konflikte indem sie mehr statt weniger Armut schaffen.

Die drei Länder mit dem höchsten Anteil an Armen an der Gesamtbevölkerung (über 70 Prozent) sind die Demokratische Republik Kongo, Somalia und Afghanistan. In allen drei Ländern herrschen Krieg und Willkür. Kongo ist eines der an Bodenschätzen reichsten Länder der Welt. Armut ist also nicht vorrangig die Folge armer Böden, Naturkatastrophen oder klimatisch ungünstiger Bedingungen. Sie ist hausgemacht und Folge einer verantwortungslosen Politik und einer Vetternherrschhaft, die oftmals von den reichen Ländern geduldet oder gar unterstützt wird. Die Schicksale, die sich täglich abspielen, wenn zum Beispiel Afrikaner versuchen, in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla/8/ zu gelangen oder zu Tausenden auf verrosteten Schlepperschiffen vor der europäischen Küste dahinvegetieren, sind nicht nur eine Schande für das reiche Europa, diese Schicksale haben wir durch eine seit Jahrzehnten verfehlte und vernachlässigte Entwicklungspolitik mit zu verantworten.

2.3 Menschenrechtsverletzungen

Die massive Verletzung von Menschenrechten ist nach wie vor ein Hauptmigrationsgrund. Laut UN sind 17 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg und massiven Menschenrechtsverletzungen.

Hinter diesem recht abstrakten Begriff der Menschenrechtsverletzungen steckt die tagtägliche Bedrohung des eigenen Lebens sowie das der Familie. In einem totalitären Staat werden vor allem ethnische Minderheiten und Oppositionelle Opfer staatlicher Verfolgung oder der staatlich tolerierten Verfolgung. Die Anzahl der Länder, die die Menschenrechte massiv verletzen, wird auf etwa 130 beziffert./12; S.109/

Besonders totalitäre Staaten schränken die Gewissens- und Religionsfreiheit und die politische Selbstverwirklichung durch Meinungs-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit extrem ein. Bei Kritik an rassistischer Benachteiligung, Korruption oder Misswirtschaft reagieren alle Machthaber diktatorischer Staaten meist mit dem Versuch, die Kritiker mundtot zu machen. Hauptbetroffene sind in der Regel Intellektuelle, besonders schriftstellerisch und journalistisch tätige Personen sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, gewerkschaftlich und in Menschenrechtsorganisationen Aktive, aber auch Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten.

Eines der größten Beispiele permanenter Menschenrechtsverletzung ist China.

Tausende politische Gefangene werden dort ohne Gerichtsverfahren inhaftiert oder verbüßen nach unfairen Prozessen, in denen Systemkritiker als gewöhnliche Kriminelle diffamiert werden und zu unverhältnismäßig hohen Freiheitsstrafen verurteilt werden. Momentan befinden sich zahlreiche politische Gefangene in Lagern, wo sie durch Arbeit "umerzogen" werden sollen. Nach offiziellen Angaben bestanden 1997 280 solcher "Umerziehungslager", in denen 230000 Personen ohne Gerichtsurteil einsaßen./13/ Selbst die wieder aus der Haft entlassenen gewaltlosen politischen Gefangene sehen sich polizeilichen Kontrollen und Schikanen ausgeliefert, was einige veranlasst, ins Exil zu gehen. China ist dabei nur ein Beispiel der Länder, die durch Verfolgung und Unterdrucksetzen politisch Andersdenkender versuchen, Kritiker entweder mundtot zu machen oder dazu zu bewegen, das Land zu verlassen.

Neben politischer Verfolgung spielt auch die Verfolgung aus religiösen Gründen eine entscheidende Rolle bei der Migrationsentscheidung. Selbst wenn sie nicht unmittelbar von staatlichen Institutionen ausgeht, spricht man von Menschenrechtsverletzungen immer dann, wenn ein Staat entsprechende Verhaltensweisen seiner Bürgerinnen und Bürger deckt oder seiner Schutzpflicht gegenüber bedrohten Mitgliedern nicht genügt und damit seiner staatlichen Verantwortung nicht gerecht wird./13/

Extreme Beispiele finden wir hier vor allem in islamischen Ländern(z.B. Pakistan, Saudi-Arabien oder Iran). Hier wird oftmals durch die „Scharia", eine mittelalterliche islamische Rechts- und Lebensordnung, die im wesentlichen auf einer bestimmten Auslegung des Korans sowie der Handlungsweise Mohammeds beruht, die Diskriminierung und Degradierung der Frau zum Verfügungsobjekt des Mannes legitimiert. Nach der „Scharia“ sind Prügelstrafen und Verstümmelungen des Körpers in etlichen islamischen Ländern erlaubt. Auch hier werden z.B. Andersdenkende unter dem Deckmantel religiöser Riten verfolgt. Besonders die Belastung für Frauen in solchen Ländern ist extrem hoch und kann zu erhöhtem Migrationsdruck führen, der jedoch maßgeblich dadurch eingeschränkt wird, dass die Frauen durch ihre Rechtlosigkeit erschwerten Fluchtbedingungen unterliegen.

Ein besonderer Auswuchs menschenunwürdiger Behandlung stellt die geplante Vernichtung einer oder mehrere Bevölkerungsgruppe aus rassischen, religiösen, nationalen oder wirtschaftlichen Gründen dar. Der Genozid treibt die Angehörigen einer solchen Bevölkerungsgruppe zwangsläufig ins Exil. Ein klassisches Beispiel solcher Verbrechen statuierte Saddam Hussein 1988 gegen die Kurden in seinem Land. Um den Widerstand kurdischer Freiheitskämpfer zu brechen, setzte seine Armee gezielt Giftgas gegen Zivilisten ein und verschleppte mindestens 100’000 Menschen in den Süden des Landes, wo sie erschossen wurden. Als sich im Gefolge des Golfkrieges 1991 bei den Kurden neue Hoffnungen und neuer Widerstand regten, zeigte sich die geschlagene irakische Armee stark genug, deren Aufstand niederzuwerfen und über eine Million flüchtende Menschen mit Phosphor- und Napalmbomben anzugreifen.

In Europa richtete Slobodan Milošević, der wegen seiner Vergehen momentan vor dem europäischen Kriegsverbrechertribunal sitzt, im ehemaligen Jugoslawien an den Serben den größten Völkermord der Nachkriegsgeschichte an. In Folge dessen stiegen auch die Zahlen der Migranten aus diesem Gebiet drastisch an. 1993 war die Gruppe der nach Deutschland eingewanderten ausländischen Immigranten aus Bosnien-Herzegowina die größte Einzelgruppe. /15/

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch die Einwanderungsstatistik Deutschlands zwischen 1999-2003 zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Verfolgung ethnischer Minderheiten und der Migrationsbewegung aus diesen Ländern.

So waren die beiden zuzugstärksten Gruppen in Deutschland in diesem Zeitraum die aus dem Irak und aus Ex-Jugoslawien./15/

Natürlich gehen vor allem solche Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand mit Bürger- und Staatenkriegen. Sie bedingen sich teilweise und stellen damit wesentliche Migrationsursachen dar.

2.4 Push- und Pullfaktoren

Wichtig bei der Betrachtung der Ursachen der Migration ist, dass die Migrationsentscheidung immer auf zwei Gesellschaften Bezug nimmt: die Abwanderungs- und die Zuwanderungs­gesellschaft. Hierbei spricht man von „Push-“(engl. stoßen) und „Pull-„(engl. ziehen) faktoren. Beschrieben wird das Zusammenwirken von negativen, abstoßenden(Push) und positiven, anziehenden(Pull) Faktoren, die die Migration begründen und ihr eine Richtung geben. Ein ganz zentraler „Push and Pull“-Faktor ist die Arbeitsmarktsituation. Diese wird in dem Herkunftsland negativ beurteilt und scheint in der Zielregion attraktiver. Es bestehen Unterschiede zwischen dem Angebot an Arbeit sowie in der Einkommenssituation. Ein krasses Beispiel spielte sich in den neunziger Jahren ab. Albanische Flüchtlinge versuchten zu Tausenden per Schiff nach Italien zu gelangen. Der Grund war die horrende Arbeitslosigkeit von 70%. Damals wollten 2/3 der Albaner das Land verlassen./9; S.17/ Die Arbeitsmigration kann durchaus als erzwungen angesehen werden, da oftmals die Lebensgrundlage der Migranten ohne Arbeit gefährdet ist. Um ihr Familie ernähren zu können, müssen sie meist in eine andere Region umsiedeln.

Die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich auf der Welt trägt weiterhin deutlich zu Fluchtbewegungen bei. Gerade bei den internationalen Einkommensunterschieden werden Push- and Pullfaktoren deutlich. Das durchschnittliche Einkommen der 20 reichsten Industrieländer ist heute fast 40mal so hoch wie das der 20 ärmsten Länder, eine Verdopplung des Abstandes in den letzten dreißig Jahren. Diese krassen Gegensätze werden auch den Menschen in den Entwicklungsländern deutlich und sie geben damit einen entscheidenden Migrationsgrund.

2.5 Umweltmigration

Ein größer werdendes Problem stellt die Umweltverschmutzung dar. Mit schätzungsweise 25 Millionen Flüchtlingen überstieg die Zahl der Umweltflüchtlinge 2001 erstmal in der Geschichte der Menschheit die der Kriegsflüchtlinge. So wird der fortschreitende Klimawandel einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels, eine zunehmende Stärke von Stürmen, Zyklonen und Flutwellen zur Folge haben. All diese Phänomene können wir schon heute beobachten und sie werden in Zukunft weiter zunehmen und in naher Zukunft zu größeren Wanderbewegungen führen, da besonders arme Länder gegen etwaige Katastrophen sowohl weniger geschützt sind als es ihnen auch an finanziellen Mittel mangelt, entstandene Schäden adäquat zu beheben und die Lebensgrundlage ihrer Bevölkerung zu sichern und wieder herzustellen. Es gilt heute als weitgehend unumstritten, dass diese globalen klimatischen Veränderungen zum Beispiel den Untergang von Inselstaaten und anderen dicht bevölkerten Tieflandzonen in den nächsten Jahrzehnten bewirken werden. Ein signifikanter Anstieg von Wanderungs­bewegungen wird direkte Folge solcher Ereignisse sein. So befürchten Experten, dass aufgrund des Treibhauseffektes der Meeresspiegel in Bangladesh um einen Meter steigen könnte und somit mehr als 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssten./4/

Die fortschreitende Umweltverschmutzung und die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen führt neben einem signifikanten Anstieg von Naturkatastrophen gleichfalls global zu Entwaldung, Versteppung - und die nicht rückgängig zu machende Erosion von Ackerland, wodurch traditionelle Kulturlandschaften unbewohnbar werden. Diese Entwicklungen sind zwar auch in reichen Industriestaaten wie Amerika(„Dust-Bowl“) zu beobachten doch treffen sie z.B. die Länder Afrikas mit besonderer Wucht, da sie weder die technischen Möglichkeiten haben, weniger fruchtbares Land durch Düngung und Bewässerung zu bewirtschaften, noch alternative Gunsträume innerhalb ihres Territoriums haben, auf die sie gegebenenfalls ausweichen könnten. Zudem existieren in vielen Entwicklungsländern keine großen landwirtschaftlichen Betriebe, sondern eine konsumtive Landwirtschaft, die nur das kärgliche Überleben der familiären Gemeinschaft sichern kann. Eine Vernichtung landwirtschaftlichen Raumes hat somit die direkte Gefährdung der Existenz der Gemeinschaft zur Folge und gibt oftmals den Anlass für das Verlassen des aktuellen Lebensraumes.

Zudem führt die Erschöpfung natürlicher Rohstoffe zu einer Verschlechterung der Wirtschaftslage. Dies wiederum führt zur Bedrohung der Existenz Tausender, die ihre Existenz durch Arbeit im Heimatland nicht mehr gesichert sehen und sich oftmals entschließen, ihre Gemeinschaften zu verlassen um in einer anderen Region ihr Auskommen zu suchen. Darüber hinaus verstärken Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen die Gefahr kriegerischer Konflikte im betroffenen Land aber auch zwischen verschiedenen Staaten. Wie bereits dargestellt, ist die Flucht vor Krieg und Gewalt nach wie vor eine der Hauptbeweggründe für Migration.

2.6 Abschließender Betrachtung

All die dargestellten Ursachen können meiner Meinung nach nur als Symptom einer massiven Schieflage der internationalen Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsstaaten gesehen werden. Wie in der Einführung bereits dargestellt, ist die ungleiche Verteilung von Reichtum auf der Erde unübersehbar.

Es spielt jedoch noch ein anderer Faktor eine entscheidende Rolle. Durch die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologie und die damit verbundene weltweite Vernetzung werden zusätzliche Migrationsanreize geschaffen. Denn die Bilder des Luxus der Industriestaaten erreichen leichter auch ärmere Regionen. Das real existierende Wohlstandsgefälle wird so sichtbar und bewusst gemacht. Dies führt zu einer verstärkten Wahrnehmung der oben beschriebenen Push- und Pullfaktoren.

Die medialen Bilder verschweigen jedoch die Schwierigkeiten der Migration und vermitteln eine konstruierte Scheinwelt. Daraus ergeben sich zahlreiche Probleme bei der Integration von Ausländern, die ihre Erwartungshaltung dann im Aufnahmeland nicht erfüllt sehen.

3 Folgen der Migration

3.1 Folgen der Migration für Herkunftsländer

3.1.1 Negative Auswirkungen für Herkunftsländer

Die Beurteilung der Folgen von Migrationsbewegungen für die Herkunftsländer muss aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden.

Ein Hauptproblem für die Herkunftsländer ist der so genannte „brain drain“(engl. wörtlich Gehirn-Abfluss). Damit ist die verstärkte Abwanderung gut ausgebildeter und akademisch gebildeter Menschen gemeint. Der Anteil junger, gut ausgebildeter Männer ist unter Migranten besonders hoch, da sie aufgrund ihrer Bildung und ihrer vergleichsweise besseren finanziellen Situation eher fähig sind, ihre Heimat zu verlassen und in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen./8/

So schätzt die Weltbank, dass rund 100’000 ganz oder teilweise in Afrika ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker ihr Land verlassen haben und nun in den westlichen Industriestaaten arbeiten. Extreme Beispiele sind hierbei Ghana und Sambia. So verließ jeder dritte Bürger Ghanas nach seinem Studium seine Heimat. In Sambia haben gar 75 Prozent aller einheimischen Ärzte innerhalb von wenigen Jahren das Land verlassen; in Nigeria waren es 21 000 Ärzte, die gen Westen zogen. Die Entwicklung ist doppelt dramatisch in Staaten, deren medizinische Versorgung schon heute bei weitem nicht im Stande ist, die Grundversorgung ihrer Bevölkerung zu sichern. Die UN schätzt, dass allein in Schwarzafrika rund eine Million medizinisch Beschäftigter fehlen, um auch nur die Basisversorgung sicherstellen zu können. Momentan ist diese Region mit 600 Millionen Einwohnern und gerade einmal 600.000 Ärzten, Schwestern und Hebammen(das entspricht einem Verhältnis von tausend Einwohnern zu einer medizinisch ausgebildeten Fachkraft) drastisch unterversorgt./10/ Die Schieflage der medizinischen Versorgung wird besonders deutlich, wenn wir sie mit der Situation in den Industriestaaten vergleichen. Das bereits erwähnte Beispiel Ghanas soll hier abermals angebracht werden: in Ghana kommen auf 100 000 Menschen nur neun Ärzte(hier ist das Verhältnis insgesamt noch schlechter als in ganz Schwarzafrika).

Gleichwohl aber arbeiten viele ghanesische Ärzte in Großbritannien, wo bezogen auf die Bevölkerung 18-mal mehr Ärzte arbeiten als in Ghana. In den USA, Australien und Großbritannien arbeiten zwischen 23 und 28 Prozent ausländische Mediziner./10/ Davon stammen in Großbritannien 75 Prozent aus den Entwicklungsländern, wo sie ein marodes Gesundheitssystem hinterlassen. Für die Entwicklungsländer ist diese Entwicklung folgenschwer. Denn die Herkunftsländer verlieren nicht nur medizinische Kapazitäten, die sie so dringend z.B. im Kampf gegen Aids, Malaria etc. bräuchten, sie verlieren daneben auch wichtige finanzielle Mittel.

„Da die betroffenen Länder erhebliche Ressourcen in den Nachwuchs investieren, stellt der Exodus letztlich einen Diebstahl der Industrieländer an den Entwicklungsländern dar.“, konstatiert das Ärzteblatt./10/ Der Schaden allein für Schwarzafrika wird auf rund 100 Millionen Dollar geschätzt. Dabei liegt der Emigrationsfaktor bei Ärzten in gesamt Schwarzafrika „nur“ bei 14 Prozent. In Jamaika liegt dieser schon bei 42 Prozent.

Die Problematik des „Abflusses von Intelligenz“ findet selbstverständlich in allen Wissensbereichen statt. So schätzt die UN etwa, dass 400 000 Wissenschaftler und Ingenieure aus Entwicklungsländern in den Industriestaaten arbeiten./4/ Doch soll auf die Problematik des massiven Abzugs medizinischen Personals hier besonders hingewiesen werden, da er für die Bevölkerung von besonderer Wichtigkeit ist und als besonders schwerwiegendes Beispiel des „brain drain“ dient.

Durch die Abwanderung hoch produktiver Bevölkerungsteile entstehen in den Ursprungsländern Lücken, die den Aufbau einer selbsttragenden Wirtschaftsstruktur verhindern. Die Menschen, die ihr Land verlassen, um in ein Industrieland wie z.B. Deutschland zu kommen, gewöhnen sich schnell an die besseren Lebensbedingungen und sind in den wenigsten Fällen dazu bereit, in ihr Herkunftsland zurückzukehren um beispielsweise den wirtschaftlichen Aufbau durch ihre Fähigkeiten direkt zu unterstützen. Zudem trägt die Übersiedlung erfolgreicher Aussiedler dazu bei, dass andere es ihnen nachtun. Durch Vermittlung von Kontakten entsteht ein Netzwerk, das einen immer größeren Personenkreis erfasst. Die Ausblutung des Landes gerät in einen Teufelskreis, der schwer aufzuhalten ist. Des Weiteren scheint es regelrecht zur Ausbildung von Migrationsketten zu kommen. Die Lücke der in Industrieländer abgewanderten Hochqualifizierten wird durch Fachkräfte aus noch weniger entwickelten Ländern ersetzt.

Es kommt jedoch nicht nur zu wirtschaftlich negativen Auswirkungen von Fluchtbewegungen. Auch die Flucht von Oppositionellen aufgrund von Kriegen und Unterdrückung wirkt sich negativ auf die politisch, gesellschaftliche Entwicklung aus. Opposition lässt sich im Keim ersticken, wenn in einem diktatorisch regierten Staat die Oppositionsführer durch Inhaftierung, Folter und Entführung von Familienangehörigen zur Flucht gezwungen werden. So wird jegliches kritisches Potential und damit die Chance auf eine positive Entwicklung solcher Länder zerstört. Zudem hat in Staaten, in denen diktatorische Verhältnisse herrschen und korrupte Strukturen die Bevölkerung terrorisieren, in der Regel nur ein sehr kleiner Personenkreis Zugang zu Macht und profitablen Wirtschaftsbereichen. Während der Reichtum Weniger extrem zunimmt, verarmt die breite Bevölkerung zusehends.

3.1.2 Positive Auswirkungne für Herkunftsländer

Wie bereits am Anfang des Abschnitts erwähnt, müssen die Folgen der Migration für die Herkunftsländer verschiedenartig betrachtet werden. Denn die Auswirkungen auf sie sind keinesfalls nur negativ. Einige Migrationsforscher sind sogar der Meinung, dass der „brain drain“ so gar nicht stattfinde./11/ Da das Individuum nur so leistungsfähig sein könne, wie es sein gesellschaftliches Umfeld erlaubt, hat nicht das Herkunftsland die Fähigkeiten des Immigranten entwickelt bzw. in Wert gesetzt, sondern erst das Aufnahmeland. Demzufolge kann statt von dem „brain drain“(„Gehirn-Abfluss“) vielmehr von „brain gain“(„Gehirn-Zunahme“) gesprochen werden.

Einhellig wird bestätigt, dass unter besonderen Voraussetzungen die sozialen und professionellen Vernetzungen hochqualifizierter Migranten durch die Kooperation mit ihrem Herkunftsland entwicklungsfördernd wirken können. Insbesondere am Beispiel des IT-Sektors in Indien sind solche positiven Aspekte nachgewiesen worden./11/

Nicht nur die anscheinend teilweise positiv rückwirkende Nutzung „heimischer Intelligenz“ im Ausland scheint den Herkunftsländern zu nutzen. Sondern auch der empirisch nachweisbare Rückfluss von Geld, das Flüchtlinge ihren in der Heimat gebliebenen Familien rücküberweisen. Manche Familien und Regionen leben förmlich von dem Geld, das ihre im Ausland arbeitenden Familienmitglieder ihnen zu Verfügung stellen. Oft spart eine ganze Familie ihr gesamtes Vermögen auf, um einem ihrer Mitglieder die Chance zu ermöglichen über teure Schlepper und mit viel Glück dem trostlosen Leben zu entkommen, in einem der reichen Industriestaaten arbeiten zu können und damit auch für die Zurückgebliebenen ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Rücküberweisungen machen jährlich etwa 88 Milliarden US-Dollar aus./4/ Das sind 54 Prozent mehr als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe (57 Milliarden US- Dollar), die die Emigrationsländer erhalten. Gleichwohl vermag dieses Geld eher selten langfristig die wirtschaftliche Entwicklung der Heimat zu stärken. Es lindert meist nur kurzzeitig das Leid der Familie in der Heimat. Der Wunsch vieler, ihre Heimat zu verlassen um an anderer Stelle ein Überleben zu finden und gleichzeitig für die zurückbleibende Familie Geld zu erarbeiten, ist natürlich verständlich. Gelingt es beispielsweise einem Flüchtling aus Bangladesh nur einen Monat in Japan für die Hälfte des Durchschnittslohns zu arbeiten, hat er so viel verdient, wie im Heimatland in 4 Jahren, wenn er überhaupt Arbeit gefunden hätte.

Die Beurteilung der Auswirkung von Migration auf die Herkunftsländer fällt also insgesamt zwiespältig aus. Für einzelne mag sie zwar positive Effekte hervorrufen, die langfristige Entwicklung des Landes jedoch wird eher negativ beeinflusst. Auch wenn die negativen Wirkungen der Abwanderung von Intelligenz von einigen Forschern teilweise relativiert werden, scheint für mich der Verlust produktiven Potentials eher kritisch zu sein. So schwindet selbstverständlich nicht nur eine Gruppe Hochqualifizierter sondern auch Geringqualifizierter und Ungelernter, die z.B. die Landwirtschaft und einfachere Produktionen am Leben erhalten. Sie haben einerseits sehr viel schlechtere Chancen in der Zielregion Arbeit zu finden und andererseits leiden sie besonders unter der Abwanderung von Hochqualifizierten, wenn sie in ihrer Heimatregion bleiben, da dies die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Heimat und damit auch ihre Situation verschlechtert. So muss abschließend festgehalten werden, dass die Rückwirkungen von Migration auf die Ursprungsländer eher negativ zu beurteilen sind und damit ihrerseits wieder zu weiterem Migrationsdruck führen. Hier wird die Notwendigkeit einer entwicklungspolitischen Dimension von Migrationseindämmungspolitik deutlich. Diese Problematik wird im Abschnitt

„Politische Lösungsansätze“ zu diskutieren sein.

3.2 Folgen für das Aufnahmeland

3.2.1 Allgemeine Betrachtung

Wer Migration hört, denkt meist wohl sogleich an die Bilder von Flüchtlingsströmen, die versuchen die Wohlstandinsel Europa oder Deutschland zu erreichen. Ebenso mag manch einer Parolen wie „Kinder statt Inder“ oder „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ im Ohr klingen haben. Die Angst vor Ausländern, ja gar die nackte Ablehnung jeglichen Fremdseins scheint breite Schichten der Bevölkerung erreicht zu haben. Viele glauben fest daran, dass Ausländer per se der Grund fast aller unser Probleme seien. Wenn man die Debatte in der Bevölkerung über Ausländer, Migration usw. verfolgt, wird einem schnell klar, dass große Teile ein recht verdrehtes Bild von Migration und Ausländern haben. Bisweilen glauben manche, der Ausländeranteil liege bei mindestens 20 %. Dabei sei bemerkt, dass in deren(und meinem) Lebensumfeld, Mecklenburg-Vorpommern, der Ausländeranteil tatsächlich nur bei 2,3% liegt.

Oftmals herrscht Unverständnis über die Gründe der Migration und auch über die Lebenssituation von Ausländern in unserer Gesellschaft. Es erscheint fast lächerlich zu behaupten, „das Boot ist voll“ angesichts einer massiv schrumpfenden Bevölkerung.

3.2.2 Folgen für aufnehmende Entwicklungsstaaten

Es ist meist unbekannt, dass die reichen Industrieländer(und Deutschland schon gar nicht) bei weitem nicht die Hauptlast der weltweiten Migration tragen. Laut UN erreichen „höchstens ein bis zwei Prozent aller Migranten und Flüchtlinge“ Europa. /4/

Die Industrieländer befinden sich nicht unter den Ländern, die pro Tausend Einwohner die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Berücksichtigt man die finanziellen und institutionellen Kapazitäten der Aufnahmeländer, so liegt die "Flüchtlingslast"

(Quotient aus der Anzahl der Flüchtlinge und dem Pro-Kopf-Einkommen) in Afrika über 25mal höher als in Europa./14/ Die Hauptlast der Migration tragen also in der Tat die Länder der südlichen Halbkugel.

Die meisten Migranten haben gar nicht die finanziellen Möglichkeiten, die teuren Schlepper zu bezahlen, die sie z.B. von Afrika über die Straße von Gibraltar nach Europa bringen. So fliehen die meisten Migranten in das Nachbarland oder gar nur in ihrem Herkunftsland als Binnenvertriebene. Solche gibt es z.B. auf dem Balkan, in Afghanistan, in Sri Lanka, dem Sudan oder Kolumbien. Weltweit gibt es schätzungsweise 20 bis 25 Millionen dieser „Binnenvertriebenen“./4/ Bei ihnen ist es um einiges schwieriger Schutz zu gewähren als bei Flüchtlingen gemäß der Genfer Konvention.

Für die armen Aufnahmestaaten ergeben sich zahlreiche Probleme. Sie sind dem Flüchtlingsansturm meist nicht gewachsen. Ein solches Szenario spielte sich beispielsweise in Pakistan ab, als hunderttausende Afghanen unmittelbar vor und nach der Kriegserklärung der USA und ihrer Verbündeten ihr Land Richtung Pakistan verließen. Pakistan konnte den Migranten kaum helfen, sie benötigten internationale Unterstützung. Doch auch andere arme Nachbarländer haben mit dem Problem zunehmender Flüchtlingszahlen aus benachbarten Ländern(z.B. Sudan) zu kämpfen.

Dabei haben sie weder die wirtschaftlichen Potenzen, den Flüchtlingen eine angemessene Nahrungsgrundlage zu bieten, noch die politische Stabilität um sie zu integrieren. Meist vegetieren die Migranten in schlecht versorgten Flüchtlingslagern dahin ohne Ausblick auf Besserung ihrer Situation. Durch ökonomische und politische Instabilität des Aufnahmelandes kann es auch zu erhöhtem Migrationsdruck für dieses Land kommen. Vor allem die reichen Industriestaaten müssen dieses Faktum beachten und dies bei einer ehrlichen Entwicklungspolitik berücksichtigen.

3.2.3 Folgen für aufnehmende Industriestaaten

Ganz so einfach, wie es sich einschlägige politische Gruppen machen, ist es nicht über die Auswirkungen und Folgen von Migration auf Industrieländer und speziell die EU und Deutschland zu urteilen. Neben offensichtlichen Problemen wie Ausländerfeindlichkeit oder auch den gewaltsamen Ausbrüchen von Migranten zweiter und dritter Generation in Frankreich gibt es neben einer humanitären Pflicht europäischer Staaten eine augenscheinliche Notwendigkeit für Europa, Migranten aufzunehmen. Oder um es mit Kofi Annan zu sagen: „Einwanderer brauchen Europa, aber Europa braucht auch Einwanderer.“ Der signifikante Geburtenrückgang der europäischen Staaten und der damit verbundene Bevölkerungsrückgang birgt Probleme in sich. Eine „durchschnittliche europäische Frau“ müsste 2,1 Kinder zur Welt bringen um die Bevölkerungsgröße annähernd konstant zuhalten. In Wirklichkeit sind es EU-weit jedoch nur 1,3 Kinder, wobei Deutschland die niedrigste Kinderquote hat. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen würde somit die Bevölkerung der jetzigen EU ohne Bestandsmigration von 454 Millionen auf 400 Millionen bis 2050 zurückgehen. Für Deutschland hat die UN verschiedene Varianten der Bevölkerungsentwicklung errechnet/18/: Die 1.Variante entspräche einer Fortschreibung der mittleren Variante der Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen. Demnach würde die Bevölkerung Deutschlands bei einer Nettozuwanderung von 11 Millionen im Jahr 2050 auf rund 73 Millionen sinken. Nur zum Vergleich: ohne Nettozuwanderung würde die Bevölkerung Deutschland von heute etwa 82 Millionen auf 59 Millionen bis 2050 sinken! Bei einer Konstanthaltung der Bevölkerung wäre eine Nettozuwanderung von 18 Millionen notwenig, was einer jährlichen Nettozuwanderung von 324.000 entspräche. Die Dimension dieser Zahlen wird deutlich, wenn wir betrachten, wie viel Asylanträge heute gestellt werden: Im vergangenen Jahr 2005 wurden 48.102 Asylanträge gestellt, wovon 57,1% abgelehnt wurden und nur 0,9% die Anerkennung als Asylberechtigte bekamen(Rest: Abschiebeschutz, Abschiebeverbot, Formelle Entscheidungen)/15/ Die UN hat noch zwei weitere Szenarien errechnet, die ich hier nicht anführe, da selbst die UN sie für unrealistisch hält.

Eine so extrem alternde und schrumpfende Gesellschaft bringt Probleme mit sich. „Falls die Bevölkerung um ein Viertel schrumpft, hätte dies katastrophale Folgen für die Industrieländer, für die Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung, für den Bestand von Kindergärten und Schulen.“, urteilt die UN. Deshalb kommt auch das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln zu dem Schluss, dass Einwanderer Balsam für die deutschen Rentenkassen seien. Die absolute Lösung des Problems des demographischen Wandels kann Zuwanderung natürlich nicht sein. Alleine schon weil auch die meist jüngeren Migranten älter werden und sie zudem auch allmählich die Geburtenrate der Aufnahmegesellschaft annehmen.

Neben der demographischen Bereicherung kann Migration auch als kulturelle Bereicherung angesehen werden. Die Vision(und Wirklichkeit) einer multikulturellen Gesellschaft entfacht starke Diskussionen in Gesellschaft und Politik.

Zunächst ist der Begriff im öffentlichen Kontext nicht eindeutig definiert. Miksch (als damaliger Vorsitzender des ökumenischen Vorbereitungsausschusses für den Tag des ausländischen Mitbürgers) sieht die multikulturelle Gesellschaft als „ die Realität des Zusammenlebens mit ethnischen Minderheiten“. So lebe der heutige Westeuropäer bereits multikulturell: „Der moderne Mensch reist, raucht und kleidet sich multikulturell.“/16; S.145/ Diese Auffassung darf wohl als kitschig bezeichnet werden und sie beschreibt keinesfalls das reale Zusammenleben verschiedener Ethnien bei gegenseitiger Respektierung der kulturellen Unterschiedlichkeiten. Oft wird unter dem Begriff einer multikulturellen Gesellschaft lediglich Toleranz für die hier und heute beobachtete Vielfalt im Einwanderungsland eingefordert. Dabei geht die Grundidee des Multikulturalismus vielmehr davon aus, dass „alle kulturellen Gruppen unterstützt werden, ihre eigene kulturelle Identität zu wahren.“/17/ Dies sei somit die Voraussetzung für das Wohlergehen eines Individuums. Der liberale Multikulturalismus geht allerdings davon aus, dass eine gemeinsame politische Kultur die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft sei.

Klassische Einwanderungsgesellschaften wie Kanada haben eine multikulturelle Gesellschaft zum Staatziel gemacht indem sie Minderheiten unterstützen, ihre Kultur zu bewahren und zu pflegen. Somit soll die Integration und Partizipation dieser Gruppen erleichtert werden.

Deutschland, das selbst im Verständnis vieler Menschen keine „typische Einwanderungs­gesellschaft“ darstellt, tut sich schwer mit dem Begriff einer multikulturellen Gesellschaft. Hierzulande wird über eine „deutsche Leitkultur“ geredet und selbst etablierte Politiker sprechen von „Kindern statt Indern“/18/. Ohne Zweifel darf es nicht zu Parallelgesellschaften kommen. Wenn Zuwanderer nicht integriert sind, nutzt das Gerede einer „multikulturellen Gesellschaft“ niemanden. Doch wie sollte Integration aussehen? Geht man von dem lateinischen Ursprung des Wortes aus, heißt dies soviel wie: „zu einem Ganzen zusammen fügen“(von lat. integrare). Dies kann jedoch nicht nur den oft in den Vordergrund gestellte Zwang zu Assimilation bedeuten. Grundlage jeglicher Integrationsbemühungen muss es sein, eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Integration ist somit als ein Prozess zu gestalten, bei dem beide Seiten gefordert sind. Ausländer müssen zunächst ihren Teil zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen wollen. Im Gegenzug werden sie mit den umfangenden Rechten ausgestattet, die Staat und Gesellschaft bieten. Des Weiteren ist eine Kultur der Akzeptanz herzustellen, die es ermöglicht, dass Migranten ihr religiöse und kulturelle Identität waren können und ihren Lebensmittelpunkt in dieser Gesellschaft finden und sichern. Kinder von ehemals Immigrierten müssen die Chance bekommen, ordentlich lernen zu können und nicht in ein Ghetto abgeschoben zu werden ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Diesbezüglich hat Deutschland großen Nachholbedarf. Ebenso muss zwischen „Einheimischen“ und „zugezogenen Einheimischen“ vermittelt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Akzeptanz der ausländischen Bevölkerung ganz wesentlich auch davon abhängt, wie nah die Bevölkerung an dem „Andersartigen“ dran ist. So haben Untersuchungen in Köln gezeigt, dass das Kopftuch, das z.B. von der netten Nachbarin her bekannt ist, kaum als störend empfunden wird.

Wenn jedoch noch kein Kontakt mit der „fremden Kultur“ stattgefunden hat, tun sich die meisten Kölner (wohl auch die meisten anderen in Deutschland Lebenden) schwer, die fremde Kultur zu akzeptieren. /16; S. 147/

Ich bin der festen Überzeugung, dass aus dem Zusammenleben verschiedener Kulturkreise ein toleranter, respektvoller und fruchtbarer Umgang erwachsen kann. Migration kann damit durchaus als Bereicherung angesehen werden. Es gilt jedoch, sie als Prozess zu gestalten. Einwanderer dürfen nicht allein gelassen werden und viele Deutsche müssen den Umgang mit „dem Anderen“ wohl erst lernen.

4 Leben von Migranten in Neubrandenburg

4.1 Allgemeine Betrachtung

In Neubrandenburg lebten zum 31.12.2004 1135 Ausländer./21/ Abzüglich der EU-Ausländer und der ausländischen Studenten etc. geht der Ausländerbeauftragte der Stadt Herr Ferch von etwa 800 Flüchtlingen (sowohl Ausländer, die nur geduldet sind als auch solche, die schon eine Aufnahmegenehmigung haben) aus. Dabei spiegelt sich in Neubrandenburg die allgemeine Verteilung der Herkunftsstaaten der in Deutschland lebenden Ausländer tendenziell wider. So ist das herkunftsstärkste Land die Türkei, gefolgt von Serbien-Montenegro und Polen. Neubrandenburg hat jedoch noch einmal so viele deutsche Staatsbürger russischer Herkunft. Etwa 800 Aussiedler leben in Neubrandenburg. Sie zählen jedoch nicht als Ausländer, da sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Sie haben jedoch meist die gleichen Integrationsprobleme wie Ausländer aus anderen Regionen.

Die zentrale Unterkunft für Asylsuchende in Neubrandenburg ist in Fritscheshof im Markschneiderweg. Nachdem ein Asylsuchender in Mecklenburg-Vorpommern ankommt, wird er zum zentralen Auffanglager in Horst gebracht, wo ein Asylantrag gestellt wird. In der Zeit der Bearbeitung lebt der Asylsuchende in einem Asylheim in Horst oder aber in einem anderen Auffanglager im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern- etwa in Neubrandenburg. In unserer Stadt leben etwa 200 Ausländer in der zentralen Wohnunterkunft. Wird der Asylantrag angenommen, verlässt der Asylbewerber das Wohnheim und darf dann mit einem Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik leben. Geschieht dies nicht, kann er Rechtsmittel einlegen- das Verfahren wird nochmals behandelt(dieser Prozess kann sich über Jahre hinziehen), er lebt weiter im Wohnheim. Wird das Verfahren jedoch abgeschlossen und der Asylsuchende bekommt kein Asyl bewährt, kann er aus verschiedenen Gründen(Situation im Heimatland, Krankheit etc.) geduldet werden. Auch in diesem Falle wohnt er weiter im Ausländerheim. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass vor allem jene zentral untergebracht werden, die in einem laufenden Asylverfahren sind oder als „geduldet“ gelten.

4.2 Wohnen von Migranten in Neubrandenburg

Das Asylheim besteht aus insgesamt drei Plattenbauten. Zwei dieser Häuser wurden zu DDR-Zeiten als Internat genutzt. Sie versprühen den „Charme“ kahler, langer Gänge mit einer endlos scheinenden Reihe einfacher Holztüren. Die Toiletten und Duschen sowie die Kochgelegenheiten sind im Flur als Gemeinschaftsnutzräume untergebracht. Besonders die Gemeinschaftsduschen sind als problematisch zu betrachten, da es z.B. für Muslime oder Musliminnen ein religiöses Problem darstellt, mit anderen Männern oder Frauen zu duschen.

Jeder Ausländer hat eine gesetzlich geregelte Mindestausstattung an Kochgeschirr und sonstigen Utensilien. Die Schlafräume konnte ich zwar nicht sehen, doch die Richtlinie für die Unterbringung eines Ausländers in diesen Unterkünften billigt diesem eine Wohnfläche von lediglich 6,5 qm zu./24/ Wie man sich leicht vorstellen kann, ist damit der zur Verfügung stehende Raum sehr gering. Es gibt sowohl Einzel- als auch Mehrbettzimmer. Dabei wird bei der Zimmerbelegung darauf geachtet, wie verschiedene Nationalitäten zusammengelegt werden. So gebe es z.B. Probleme zwischen Arabern und Afrikanern, erfuhr ich im Wohnheim.

Neben den beiden ehemaligen Internatsgebäuden gibt es zudem noch einen normalen Wohnblock. Dieser wird vorrangig Familien zur Verfügung gestellt, die dort in „normalen“ Wohnungen leben. Das Wohnheim beinhaltet neben den Schlaf-, Sanitär- und Kochräumen auch Gemeinschaftsräume, in denen Freizeitaktivitäten für die Bewohner zur Verfügung gestellt werden. So findet zweimal wöchentlich ein Deutschkurs statt, der für (was gesetzlich nicht vorgesehen ist) Asylsuchende und Geduldete offen steht. Daneben gibt es noch einen Alphabetisierungskurs, der vor allem für die Frauen von großer Bedeutung ist, da sie in ihrer Heimat oft nur eine unzureichende Schulbildung genossen haben und ihnen ohne diese jegliche Emanzipations- und Partizipationschance genommen wäre. Neben diesen Bildungsangeboten bietet die Unterkunft zahlreiche Freizeitangebote wie Keramik- und Computerkurse oder Fußballturniere sowie eine Fahrradwerkstatt an. Außerdem findet eine Betreuung von Schulkinder bei den Hausaufgaben sowie die Beaufsichtigung noch nicht schulpflichtiger Kinder durch die Integrationshelfer des „genres e.V.“ statt. Doch hier zeigen sich auch deutliche Probleme bei einigen Migranten. Besonders jene, die lange auf einen Abschluss ihres Verfahrens warten, zeigen sich oft teilnahmslos und tun sich schwer, sich zu engagieren und integrieren, da sie befürchten, bald abgeschoben zu werden. Ebenso schwer wiegt, dass Asylbewerber nicht arbeiten dürfen und ihnen somit die gesellschaftliche Teilhabe weitgehend verwehrt bleibt.

Neben der zentralen Wohnunterkunft gibt es auch die Möglichkeit, dezentral in Stadtwohnungen untergebracht zu werden. Dies geschieht vordringlich bei Familien, die länger als zwei Jahre hier leben. Aber auch Alleinstehende, die länger als drei Jahre hier leben, haben die Möglichkeit, dezentral untergebracht zu werden.

Ihnen obliegen natürlich die gleichen Auflagen wie den im Wohnheim lebenden Ausländern- sie dürfen die Stadt Neubrandenburg ohne Erlaubnis nicht verlassen und müssen regelmäßig bei der Ausländerbehörde vorstellig werden.

4.3 Vereine und Verbände, die Migranten helfen

Um ausländische Mitbürger besser integrieren zu können, bieten zahlreiche Organisationen und Verbände ihre Hilfe an. An vorderste Stelle darf da wohl das Soziokulturelle Zentrum genannt werden, das seit Jahren in seinem Wieckhaus ausländische Mitbürger empfängt und ihnen bei Problemen gerne hilft. So werden Amtsschreiben übersetzt, Antworten formuliert und sonstige Dienste angeboten, die den schweren Prozess der Integration unterstützen können. Doch auch kulturelle Angebote unterstützt der Verein. So wird am Reitbahnsee im Haus Arche N ein interkultureller Garten unterhalten, mehrmals jährlich multikulturelle Fußballturniere organisiert, eine Trommlergruppen wurde ins Leben gerufen und zahlreiche Feste (z.B. zu Feiertagen wie Weihnachten, Ostern etc.) veranstaltet. Bis vor kurzem bot das Zentrum zudem privaten Deutschunterricht an. Neben dem Soziokulturellen Zentrum ist auch die AWO mit ihrem Migrationszentrum in der Demminer Straße 44 ein aktiver Partner für Migranten in unserer Stadt. Hier werden unterschiedliche Angebote unterbreitet.

Zunächst ist die Aussiedlerberatungsstelle der AWO für russische Aussiedler da. Hier wird Unterstützung z.B. für den Besuch bei Ämtern und Behörden geleistet. Um die Integration zu erleichtern, werden die Migranten z.B. bei der Lösung von Konflikten mit Institutionen und Mitmenschen beraten, zudem können sie durch die gezielte Vermittlung anderer Dienste durch die AWO verschiedenste Hilfen zusätzliche wahrnehmen. Um der besonderen Situation junger Migranten gerecht zu werden, unterhält die AWO einen Jugend-Migrationsdienst (JMD) für Migranten im Alter von 12-27 Jahren. Er versucht, Integrations- und Bildungsangebote bereitzustellen und begleitet den Integrationsprozess der jungen Menschen z.B. auch durch Sprachkurse. Zudem macht er Angebote für die Freizeitgestaltung in Form von Kursen und Gruppenangeboten. Die Zusammenarbeit mit und die Vermittlung zu anderen sozialen Netzwerkpartnern wird natürlich auch intensiv betrieben.

Für alle Migranten (und auch Einheimischen) steht dann noch die Freizeit- und Bildungsstätte bereit. Hier werden neben diversen Freizeitangeboten ( Tanzkurse, Computerkurse, Hausaufgabenhilfen etc.) auch Sprachkurse sowie Informationsveranstaltungen und Interkulturelle Treffen angeboten.

Für Migranten ist auch die „Gesellschaft für die „Gesellschaft für nachhaltige Regional­entwicklung und Strukturforschung e.V.“ (genres e.V.) ein wichtiger Partner.

Migranten finden bei den dort beschäftigten Integrationshelfern kompetente Beratung bei allen Fragen, die die Alltagsbewältigung in einem neuen Heimatland mit sich bringen.

Neben der Form der individuellen Beratung durch die Integrationshelfer werden im Rahmen des Projektes IKUTRAIN (vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert) speziell auf die Problemlagen und Informationsbedürfnisse der Zuwanderer zugeschnittene Veranstaltungen angeboten. Das Wissen um das „wer, wie, wann und wo“ ermöglicht Hilfe zur Selbsthilfe und schafft somit die Vorraussetzungen für Selbstorganisation.

IKUTRAIN bietet des weiteren Interkulturelle Trainings zur Förderung der interkulturellen Öffnung der Verwaltung, Behörden und Regeldienste. Das „Interkulturelle Training“ hat die Aufgabe, Fähigkeiten im Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Hintergründe zu erweitern und die professionelle Zusammenarbeit in interkulturell geprägten Alltags- und Arbeitssituationen zu verbessern. So hat sich die Stadt Neubrandenburg per Kooperationsvereinbarung dazu verpflichtet, die interkulturelle Öffnung ihrer Verwaltung durch die Inanspruchnahme der Trainings zu forcieren. /22/

Das Deutsche Rote Kreuz zielt mit seinen Angeboten auf die Bedürfnisse von Spätaussiedlern ab. Sie gestalten vor allem die Erstberatung. Es werden Beratungen durchgeführt, Übergangswohnungen bereitgestellt sowie bei Amtsgängen geholfen. Außerdem helfen sie Migranten beispielsweise bei der Familienzusammenführung oder um den Aufenthaltsort von Freunden und Verwandten in Deutschland zu ermitteln. Natürlich steht auch bei ihnen der Gedanke an einen gelungenen Integrationsprozess an erster Stelle. Nebenbei sei noch erwähnt, dass das Deutsche Rote Kreuz sich auch um EU-Ausländer kümmert, die in Deutschland arbeiten.

Neben den hier dargestellten Vereinen, die Neubrandenburger Ausländern mit kontinuierlichen Angeboten helfen, stellen natürlich auch andere Vereine und Verbände (z.B. Sportvereine, Kirchen, ins Besondere die Friedenskirche in der Oststadt) Angebote zur Verfügung. Die aufgezählten Verbände sind jedoch jene, die sich in besonderem Maße das Wohl der Migranten zum Ziel gesetzt haben.

Von behördlicher Seite ist der Ausländerbeauftragte Herr Ferch der Ansprechpartner für Migranten, wenn diese Probleme mit Behörden, Einrichtungen, der Polizei etc. haben, sich ungerecht behandelt fühlen z.B. durch eine Entscheidung der Stadtverwaltung oder aber auch Probleme in ihrem Lebensumfeld (Arbeitsplatz, Unterkunft) haben. Er vermittelt dann zwischen den Interessen der Migranten und der Behörden. Die Stadt selbst stellt die für die mit Daueraufenthaltsgenehmigung Ausgestatteten obligatorischen Sprachkurse auch mit Hilfe der Vereine zur Verfügung und hilft zudem den Ausländern, die einen Aufenthaltstitel bekommen haben, mit der Arbeits- und Wohnungssuche.

4.4 Abschließende Betrachtung

Ausländer in Deutschland leben sicher nicht im Schlaraffenland. Abgesehen von einem ihnen gegenüber nicht immer freundlich gesonnen Klima in der Bevölkerung, gibt es auch von staatlicher Seite, entgegen vieler weit verbreiteter Vorurteile, keine „Rundumversorgung“. Dies zeigen vielerlei Fakten. So ist die Quote der Asylentscheidungen im Jahre 2005 auf einem historischen Tief gewesen. Von den insgesamt im ganzen Bundesland eingereichten 48.102 Asylanträgen wurden gerade einmal 0,9% genehmigt. Dies entspricht in absoluten Zahlen 411 Asylberechtigte im ganzen Bundesgebiet! Diejenigen, die kein Asyl gewährt bekamen, aber aufgrund eines Abschiebschutzes oder –verbotes (2005 waren das 5,7 % relativ und absolut 2710 Ausländer) im Bundesgebiet weiter leben dürfen, bekommen in Mecklenburg-Vorpommern 201,90€ im Monat.

Das sind etwa 58,5% dessen, was ein Bezieher von Arbeitslosengeld II bekommt (ausgehend von 345€). Hinzu kommt, dass einem allein stehenden Asylsuchenden im Asylwohnheim nur 6,5qm Wohnfläche zustehen. Angesichts dieser Zahlen und Fakten verliert die Behauptung vieler rechter und nationalistischer Gruppierungen sowie die Vorurteile einiger Teile der Bevölkerung, Ausländer würden übermäßig „verwöhnt“ und „dem Deutschen“ bevorzugt, jegliche Substanz. So leben also auch Neubrandenburger Ausländer unter schwierigen Bedingungen. Viele Migranten kamen mit einem klischeebehafteten Bild von Deutschland zu uns. Nun sehen sie sich der nicht immer bunt leuchtenden Realität (die oben beschriebenen Zustände sowie wachsende soziale Probleme in Deutschland und vor allem auch hier in Neubrandenburg) gegenüber. Möchte man also das Leben von Migranten in Neubrandenburg beurteilen, kann dies nur geschehen, wenn man die allgemeine Situation bedenkt.

Es stellt sich also die Frage, wie das Leben von Ausländern hier im Rahmen der Möglichkeiten gestaltet wird.

Wenn wir die Wohnsituation betrachten, kann das Urteil durchaus zwiespältig ausfallen. Erinnert man sich daran, wie die Migranten vor einigen Jahren noch in Containern bei Monkeshof untergebracht wurden, stellt die jetzige Situation eine deutliche Verbesserung dar. Trotz dessen strahlt die jetzige Wohnsituation auch nur bedingte Wohnlichkeit aus. Doch hier ist der oben genannte Rahmen der Möglichkeiten eher eng bemessen. Der Gesetzgeber gibt die Wohnsituation vor, die Gestaltungsmöglichkeiten des Malteserbundes, der das Wohnheim betreut, oder der Stadt sind eher gering. Gleichwohl habe ich hier einen sehr engagierten Heimleiter, Herrn Pencov (vormals Mitarbeiter im Soziokulturellen Zentrum), erlebt. Ebenso erfreulich erscheinen mir die Freizeitangebote etc. des Heims zu sein. Insofern scheint das Heim den Rahmen der Möglichkeiten auszunutzen.

Des weitern habe ich ein durchweg positives Bild Neubrandenburger Vereine und Verbände bekommen, die täglich versuchen, das Leben von Migranten in unserer Stadt zu erleichtern. Sowohl die Dichte als auch die Kompetenz (soweit ich das in der Zeit meiner Recherchen erfahren habe) der engagierten Vereine kann sich landesweit wohl durchaus sehen lassen. Ich habe das Gefühl bekommen, dass ein breites Spektrum an Integrationsarbeit hier geleistet werden kann und wird.

Trotz des recht guten Angebots für unsere ausländischen Mitbürger hat die Integrationsarbeit durchaus auch Grenzen und Probleme. So steht die Finanzierung der Vereine durch die Stadt und verschiedene Sozialfonds von EU, Bund und Land in regelmäßigen Abständen auf der Kippe, was eine langfristige Planung der Vereine erschwert. Ich halte es für unbedingt notwendig, dass auch in Zukunft eine so breite Palette an Engagierten sich um die Migranten kümmert und ihnen den Einstieg in das Leben hier erleichtert. Besonders positiv ist mir auch aufgefallen, dass jene, die von staatlichen Deutschkursen ausgeschlossen sind(Geduldete und Asylsuchende) private Angebote von den Vereinen bekommen. Dies stellt einen Grundstein für die Integration dar.

Was ich in diesem Kontext öfter hörte, ist, dass die von den Verbänden gewünschte Verständigung zwischen Einheimischen und Ausländern meist an ihre Grenzen stößt. Zum einen bildet die Sprachbarriere eine natürliche Grenze, doch auch der Wille sowohl der Einheimischen als auch der Ausländer scheint eher gedämpft zu sein. Daran zu arbeiten, muss jedoch das Ziel aller am Integrationsprozess Beteiligten sein.

Insgesamt glaube ich, dass die Neubrandenburger Vereine, Verbände, Initiativen und auch die Heimleitung des Asylheims das bestmöglichste aus dem möglichen Rahmen der Migrationsarbeit herausholen.

5 Möglichkeiten zur Eindämmung von Zwangsmigration

5.1 Die Notwendigkeit globalen Umdenkens

Egal wie Migration heute bewertet wird: sie ist sowohl für Herkunfts- und Aufnahmeländer aber auch und in besonderem Maße für die Migranten selbst ein unheimlich anstrengender und schwieriger Prozess. Angesichts der krassen Armut eines großen Teils der Weltbevölkerung (s. oben Einleitung), der anhaltenden Umweltzerstörung und dem damit verbundenen Zerfall vieler Gesellschaften der südlichen Halbkugel lässt sich die Frage einer veränderten globalen Politik nicht länger aufschieben. Migration kann, das habe ich bereits im Abschnitt 2.5 angedeutet, nur als Symptom eines insgesamt falschen Nord-Südverhältnisses verstanden werden. Wenn täglich 55.00 Menschen/4/ verhungern, ist das eine Schande für das reiche Viertel der Welt, dessen größtes gesundheitliches Problem darin besteht, mit dem vorhandenen Nahrungsangebot nicht sinnvoll umzugehen zu können.

Neben der humanen Dimension müssen wir uns jedoch vor Augen führen, dass uns die von uns verursachten Probleme auch mit rasantem Tempo einholen werden. Die Folgen der „terroristischen Bedrohung“, die besonders auf dem Nährboden desillusionierter, armer Menschen entsteht, spüren wir bereits heute. Denken wir an Migrationsbewegungen, müssen wir vor allem auch beachten, dass die Weltbevölkerung im Jahre 2043 voraussichtlich neun Milliarden Menschen betragen wird./4/ Wie wird sich das auf Migrationsbewegungen auswirken? Auf Dauer wird sich Europa nicht hermetisch abriegeln können. Schon heute ist die Bilanz der europäischen Einwanderungspolitik erschreckend: Über 10 Mrd. Euro Rüstungsausgaben, zehntausende Einsatzkräfte, 10.000e in Gewahrsam, mindestens 3777 Tote in den letzten zehn Jahren./19/ Kein noch so restriktives Ausländerrecht, keine noch so „sichere“ Grenze und kein Auffanglager für Afrikaner in der Wüste/20/ helfen bei der wirklichen Eindämmung von Migration. Zumal Untersuchungen zeigen, dass restriktive Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik lediglich zu einer Veränderung des Flüchtlingsverhaltens führen, neue Flüchtlingsrouten und –mittel eingesetzt werden. Die Profiteure sind meist organisierte verbrecherische Schlepperbanden. Wir müssen also vor allem die Ursachen der Migration bekämpft und dies bedeutet ein drastisches Umdenken der Industriestaaten.

5.2 Marktöffnung und institutionelle Politik

Zunächst werden wir uns der Frage widmen müssen, wie die Politik der Industriestaaten sich in Zukunft gestalten muss, damit sie das millionenfache Leid in den Entwicklungsländern rasch lindern kann und die aktuelle massive Ungleichheit zwischen Nord- und Südhalbkugel, Industrie- und Entwicklungsstaaten beenden und somit die Vorraussetzung zur Eindämmung von Zwangsmigration schaffen kann. Ohne Frage geht es dabei um die Notwendigkeit einer selbsttragenden Wirtschaftsstruktur in den Entwicklungsländern. Momentan tun die Industriestaaten jedoch alles, damit diese nicht entsteht. Denn während sie ständig von der Globalisierung der Gütermärkte reden, subventionieren sie alle zusammen ihre Landwirtschaft mit 360 Milliarden Dollar im Jahr. Den künstlich hohen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Entwicklungsländern zementieren sie zudem durch hohe Zölle sowohl für landwirtschaftliche Produkte als auch für verarbeitete Nahrungsmittel. Im Schnitt werden Produkte der Nahrungsmittelindustrie aus Entwicklungsländern mit dreimal so hohen Zöllen belastet wie vergleichbare Produkte aus Industrieländern. Besonders negativ wirkt sich dabei aus, dass die Zollhöhe sich je nach Verarbeitungsgrad erhöht. Damit wird der Aufbau einer auf eigenen Rohstoffen basierenden Industrie konsequent verhindert. Insgesamt kostet der Protektionismus der Industriestaaten die Dritte Welt etwa 100 Milliarden Dollar im Jahr. Wobei der eigentliche Schaden noch höher einzuschätzen ist, da dadurch auch die Wachstumsimpulse ausbleiben, die eine erhöhte Exportproduktion nach sich zöge. Somit muss von den Industrieländern vor allem eins verlangt werden: Öffnung der eigenen Märkte. Damit tun sie nur das, was sie beständig von allen anderen auch fordern. Die gegenwärtige Handelspolitik des Nordens befriedigt jedoch Interessen von Minderheiten auf Kosten der globalen Allgemeinheit. Dabei sticht das Argument, die Landwirtschaft der Entwicklungsländer würde ökologische Standards unterlaufen, kaum. Zum einen haben Entwicklungsstaaten bei der arbeitsintensiveren ökologischen Landwirtschaft Vorteile, die ihnen auch zugestanden werden sollten. Zum anderen ist es geradezu lächerlich, wenn sich die konventionelle Landwirtschaft gegen Importe aus der Dritten Welt wehrt, mit dem Argument diese würden unökologisch arbeiten. Kein Agrarsystem der Welt produziert derart ökologisch schädlich wie das der Industriestaaten, vor allem die EU. Denn nur die Industrieländer haben überhaupt die finanziellen Mittel, um derartig Chemikalien und Mineraldünger zu subventionieren. Die schlimmsten Formen der Massentierhaltung und des Einsatzes von Mastbeschleunigern und Antibiotika kommen in Europa und den USA vor, nicht in der Dritten Welt. Mittelfristig ist es selbstverständlich erstrebenswert, wenn international gültige Standards erhoben werden, um ein Absinken der Standards bei der Nutzung natürlicher Ressourcen zu vermeiden.

Die schlagartige Öffnung des Marktes ist beileibe jedoch kein Patentrezept, das die Armut auf der Welt von heute auf morgen beenden würde. Denn der Abbau von Marktverzerrungen, Handelsbeschränkungen und die Beseitigung ungleicher Machtverhältnisse auf Güter- und Finanzmärkten sind zwar notwendige Vorraussetzungen zur Bekämpfung der Armut, aber dies trägt nicht automatisch dazu bei, die Armut zu überwinden.

Die jüngere Vergangenheit zeigt uns auch, dass eine kontrollierte Öffnung der Märkte sinnvoller ist. Es ist richtig, dass Industriestaaten Entwicklungsländer am Handel teilhaben lassen müssen aber eine schnelle unstrategische Öffnung der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer, die für diesen Schritt nicht entsprechend vorbereitet sind, überwindet die Armut nicht, sondern erhöht sie. Keines der Länder, die heute als positives Beispiel der Integration in den Weltmarkt und für ihre wirtschaftspolitischen Erfolge gerühmt werden, hat seine Erfolge durch eine abrupte Öffnung seiner Märkte erreicht- weder China noch die asiatischen Tigerstaaten. In denen nämlich wurde versucht, den Export stark auszudehnen und ausländische Direktinvestitionen durch günstige Konditionen zu bewirken. Dabei blieben und bleiben die inländischen Märkte meist geschützt und öffnen sich erst allmählich. Deshalb müssen die ärmeren Entwicklungsländer auch die Möglichkeit bekommen, ihre Märkte gegen Dumpingimporte auch aus anderen Entwicklungsländern abzuschotten. Denn sonst wären vor allem die Schwellenstaaten mit einer meist industrialisierten Landwirtschaft die alleinigen Gewinner einer überschnellen Marktöffnung.

„Würde morgen in der ganzen Welt frei mit Nahrung gehandelt, könnten Brasilien oder Thailand mit ihrer hochindustriellen Landwirtschaft jeden Wettbewerb gewinnen- kleine Bauern aus Lesotho oder Ghana hätten dagegen kaum eine Chance.“, schreibt beispielsweise Petra Pinzler in DIE ZEIT im Vorfeld der Welthandelsrunde./23/

Die institutionellen Voraussetzungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung müssen neben den wirtschaftlichen ebenso gewährleistet sein. Ein funktionierender Rechtsstaat, eine funktionierende öffentliche Verwaltung und Bildungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen müssen vorhanden sein. Armutsbekämpfung erfordert gewisse institutionelle Voraussetzungen. Weil in vielen Dritte-Welt-Staaten Willkür statt gesicherten Rechts herrscht, ist der Anreiz für die Bevölkerung z.B. in ein Geschäft zu investieren oder einen Hof auszubauen oder zu gründen sehr gering, aus Angst über Nacht vertrieben zu werden. Zu diesen politischen Maßnahmen müssen noch zahlreiche andere hinzutreten. Elementar wäre beispielsweise, die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu stärken und in Renten und Sozialversicherung zu investieren, um das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen. Das ist nämlich eines der Ursachen für wachsende Umweltverschmutzung, wirtschaftliche Not, Perspektivlosigkeit, die damit einhergehende Verelendung und der damit verbundene wachsende Migrationsdruck.

Ohne die genannten Voraussetzungen ist der Kampf gegen Armut nicht zu gewinnen. Eine clevere Politik aus freigesetzten Marktkräften und institutioneller Politik scheinen, das hat z.B. China bewiesen, ein probates Mittel zu sein. Es liegt somit auch in der Verantwortung der Industrieländer, die die wirtschaftliche Globalisierung steuern und vorantrieben, dafür zu sorgen, dass eine angemessene institutionelle Politik diese Voraussetzungen erfüllt.

5.3 Entwicklungshilfe

Die Forderung nach einer höheren Entwicklungshilfe ist Allgemeingut. Doch verlogen erscheint dies, betrachtet man die Realität. Die staatliche Entwicklungshilfe sinkt seit einen Jahrzehnt kontinuierlich/26/

Statt der International vereinbarten 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes sind es im Schnitt der Industrieländer nur 0,22Prozent (Deutschland 0,27).

Viel bedenklicher erscheint jedoch die Wirksamkeit der internationalen Entwicklungshilfe. In Zeiten des Kalten Krieges wurde sie instrumentalisiert um Regime, die die jeweilige Ideologie (die östliche sowie die westliche) als Lippenbekenntnis annahmen, zu belohnen. So wurde ein schrecklicher Diktator wie Mobutu Sese-Seko als ehemaliger Präsident Zaires (heutige Demokratische Republik Kongo) schon mal als „Bollwerk gegen des Kommunismus“ geehrt und unterstützt. Der schreckliche Bürgerkrieg, der daraufhin später ausbrach, kann wohl als Folge seines Regimes und der Ignoranz der westlichen Länder gesehen werden. Auch heute scheint das Interesse an Afrika vor allem dann anzusteigen, wenn Rohstoffinteressen im Spiel sind. Besonders negativ an der aktuellen Entwicklungshilfeverteilung wirkt sich aus, dass in undemokratischen Systemen die Enwicklungshilfezahlungen dem jeweilig herrschenden Clan oder Stamm zu Gute kommen. Die daraus resultierende ungleiche Verteilung führte beispielsweise in Somalia zu dem schrecklichen Bürgerkrieg, nachdem die verschiedene Clans gegen den Clan des Präsidenten Siad Barre zurückschlugen. Auch ein wirklicher Demokratisierungsschub wurde in ganz Afrika noch nicht wesentlich in Gang gesetzt. Doch die westlichen Industrieländer und allen voran Europa zeigen sich weitgehend desinteressiert am entschiedenen Aufgreifen von Menschenrechtsverletzungen. Ebenso verantwortungslos zeigen sich Unternehmen, die durch ihre Aktivitäten zumindest indirekt bewaffnete Konflikte anheizen, indem sie z.B. durch die Unterstützung einer Bürgerkriegspartei auf lukrative Geschäfte in dem Land hoffen. Eine solche „Entwicklungspolitik“, die ihrem Namen nicht gerecht wird, kann keine positiven politischen Veränderungen erreichen.

Ebenso trostlos sieht die Bilanz der wirtschaftlichen Auswirkungen der Entwicklungshilfe aus. Während in den Ländern wie China, Indien oder auch Vietnam Fortschritte im Kampf gegen die Armut erreicht werden konnten, dies de facto aber ohne nennenswerte Effekte der Entwicklungshilfe stattfand, steigt der Hunger und das Elend südlich der Sahara, wo die Entwicklungshilfe bis zu 20 Prozent der inländischen Bruttoinvestitionen ausmacht/27/. Das Problem besteht darin, dass die Entwicklungshilfe keine nennenswerten Wachstumsprozesse in Gang setzen konnte. Denn neben einem großen Teil, der in Taschen korrupter Staatsdiener verschwand, geht ein anderer Teil direkt wieder in die Geberländer zurück (z.B. durch Kauf von Maschinen etc.)- die inländische Wirtschaft profitiert davon wenig. Ein weiteres Problem dieser Art der Entwicklungshilfe ist, dass vor allem Investitionen in Infrastrukturprojekte getätigt werden. Die Verwaltung und Instandhaltung dieser überfordert jedoch die Staatshaushalte der Nehmerländer, wenn die nötige Entwicklung der Produktivkräfte ausbleibt. So stieg die Auslandverschuldung der Länder Afrikas südlich der Sahara zwischen 1980 und 2000 von rund fünf Milliarden Dollar auf knapp 40 Milliarden Dollar./1/ Das Geld für den Schuldendienst fehlt beim Kampf gegen die Armut. Die hohe Verschuldung ist also auch Ergebnis einer falschen Entwicklungspolitik der Geberländer. Heute bezweifelt jedoch kaum ein Ökonom mehr, wie hinderlich die hohe Verschuldung der Entwicklungsländer für ihre Entwicklung ist. So muss neben der oben angesprochenen Öffnung der Märkte für Waren der dritten Welt auch eine veränderte Entwicklungshilfepolitik stattfinden, um den Kampf gegen die Armut und damit letztlich gegen das Ausbluten der Länder durch Zwangsmigration gewinnen zu können. Zunächst muss eine weit über den jetzigen Rahmen reichende Entschuldungspolitik stattfinden. Die Formen den Entwicklungshilfe müssen überdacht werden. Es könnte eine bessere Lösung darstellen, wenn Kredite und Zuschüsse an die Länder in Zukunft über nichtstaatliche Institutionen laufen, die Gelder und Kredite ausschließlich nach der Förderwürdigkeit vergeben. Zudem müssen die Industrieländer neben der Verbesserung der Nord-Süd Verhältnisse auch an der Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten in den Entwicklungsländern mitarbeiten. Es ist Zeit für eine Entwicklungspolitik, die mehr als die eigenen kommerziellen Interessen verfolgt und das Wohl der armen Länder in den Mittelpunkt stellt.

5.4 Umweltpolitik

Ich habe bereits im Abschnitt über die Fluchtursachen auf die wachsende Bedeutung der Umweltflüchtlinge hingewiesen. Es stellt sich also auch die Frage, wie unser zukünftiger Umgang mit unserer gemeinsamen Umwelt aussehen soll. Auch hier liegt die Verantwortung vordringlich bei den Industriestaaten. Denn obwohl sie nur ein Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, entfallen auf sie 60 Prozent der weltweiten Emissionen. Dabei sind aber besonders die armen Staaten von den Folgen betroffen, da sie sich wesentlich schlechter z.B. gegen die Folgen von Überschwemmungen wehren können. Die Industriestaaten haben sowohl die Pflicht als auch die Möglichkeit, Energie und damit CO2 Emissionen einzusparen. Dies muss durch neue Technologie geschehen, die „sauberen Strom“ produziert, aber auch durch massive Einsparungen von Energie. So schätzt der BUND, dass 30 Prozent der Energie ohne Mehraufwand eingespart werden könnte./26/ Letztlich profitieren wir alle von einer besseren Klimapolitik- denn der Klimawandel bedroht in absehbarer Zeit auch die Industriestaaten.

5.5 Abschließende Betrachtung

All diese Maßnahmen können nur als Ansatz einer gerechteren Politik gesehen werden. Die Komplexität der Frage, wie die zukünftige Nord-Süd Politik gänzlich gestaltet werden sollte, damit auch Zwangsmigration eingedämmt wird, sprengt bei weitem den Rahmen dieser Arbeit. Doch nur wenn die reichen Industriestaaten von der Verteidigung ihres status- quo abrücken und den Blick für den ärmeren und größeren Teil der Welt weiten, wird die globale Allgemeinheit vorankommen können. Ob wir in absehbarer Zeit vor dem Problem einer noch massiveren „Neuen Völkerwanderung“ stehen, wird sich zeigen. Doch wenn die Migrationsgründe sich vergrößern und der Ungleichheit auf der Welt kein sinnvoller globaler Politikentwurf, der Außen-, Handels- Entwicklungs- und eine globale Umweltpolitik sinnvoll vereint, entgegengestellt wird, wird sich der Zug der Menschen, die versuchen aus dem wachsenden Meer der Armut auf die wenigen Wohlstandinseln zu kommen, größer werden. Die globalen Probleme holen uns in Form von Terror, der „Neuen Völkerwanderung“, Naturkatastrophen etc. ein. Schon deshalb ist eine gerechtere Politik keine Träumerei sondern die einzige Strategie der „Selbsterhaltung“. Es gilt also in Zukunft zweierlei Aufgaben zu meistern: Zwangsmigration als Symptom ungerechter Verteilung auf der Welt einzudämmen und bleibende Migration sinnvoll zu gestalten. Wanderung bedeutet Leben und deshalb wird es immer Migration geben. Diese kann zum Vorteil aller gestaltet werden. Doch Ziel sollte es sein, dass kein Mensch seine Heimat „zwangsweise“ verlassen muss. Das muss zukünftige Politik leisten.

6 Quellenangaben und Fußnoten

/1/ Bode, Thilo: Die Demokratie verrät ihre Kinder. Der Ex-Greenpeace-Chef fordert die Mächtigen heraus, Stuttgart/München 2003

/2/ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Armutsbekämpfung- eine globale Aufgabe. Aktionsprogramm 2015. Der Beitrag der Bundesregierung zur weltweiten Halbierung extremer Armut, Bonn2004

/3/ Han, Petrus: Soziologie der Migration, 2005 Stuttgart /4/ UNO Basisinformation. Vereinte Nationen und Migration In: URL: www.dgvn.de/pdf/Publikationen/BI-Migration.pdf .[Stand 14.2.2006]

/5/ Kröhnert, Steffen: Migration-eine Einführung In: URL: www.berlin-institut.org/pdfs/ Kroehnert_Migration-Einfuehrung.pdf [Stand 14.02.2006]

/6/ siehe dazu auch: Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt 2005

/7/ Ursula Herrmann(Hg.): Die deutsche Rechtschreibung, Gütersloh/München 2004

/8/ Schwelien, Michael: Die Einfalltore. Ceuta und Melilla, die spanischen Exklaven in Marokko, sind riesige Umschlagplätze – für Menschen, für Waffen und Pornografie. Eine Geschichte voller Widersprüche In: DIE ZEIT, Nr. 42 13. Oktober 2005, Seite 4

/9/ Goppel, Thomas: Weltweite Migration als Problem europäischer Flüchtlings- und Außenpolitik. In: Wolfgang Ockenfels(Hrsg.): „Problemfall Völkerwanderung. Migration-Asyl-Integration“, Trier 1994

/10/ Ärzte-Exodus aus Afrika und der Karibik IN: URL: http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=21853 gesamte Studie: http://content.nejm.org/cgi/reprint/353/17/1810.pdf

/11/ Migration and Development- Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) In: URL: http://www2.gtz.de/migration-and-development/konferenz- /deutsch/debatte.htm [Stand: 18.2.2006]

/12/ Ermacora, Felix: Die Asyl- und Flüchtlingspolitik aus völkerrechtlicher Sicht In: Wolfgang Ockenfels(Hrsg.) „Problemfall Völkerwanderung. Migration-Asyl-Integration“ , Trier 1994

/13/ Klaus J. Bade/ Jochen Oltmer: Normalfall Migration, Bonn2004

/14/ Heimat, Integration und Migration - Ein Folgeprojekt aus dem Fumetto Comicwettbewerb 2005, in Zusammenarbeit mit der HSA Luzern und unterstützt durch den Integrationskredit des Bundes (EKA/BFM). www.fumetto.ch

/15/ Bundesministerium des Inneren: Zuwanderungsrecht und Zuwanderungspolitik, Berlin 2005

/16/ Scheuch, Erwin K.: Zur Soziologie und Ideologie einer multikulturellen Gesellschaft. In: Wolfgang Ockenfels(Hrsg.): „Problemfall Völkerwanderung. Migration-Asyl-Integration“, Trier 1994

/17/ Wikipedia: Multikulturalismus In: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Multikulturalismus [Stand: 19.02.06]

/18/ Mit dieser Parole ging Jürgen Rüttgers 200 in Nordrhein-Westfalen in den Landtagswahlkampf. Siehe auch: URL: http://www.loester.net/aktuell2.htm [Stand: 14.02.2006]

/19/ Georg Feigl: Wir haben eine intelligente Grenze gebaut In: URL: http://www.sjoe.at/startseite.php?content_id=791 [Stand: 19.02.06]

/20/ Otto Schily als ehemaliger Innenminister forderte angesichts der Tragödien in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, dass in europäischen Auffanglagern Beamte vor Eintritt in Europa prüfen sollten, ob die Flüchtlinge wirklich als solche einzustufen sind.

/21/ Ferch, Thomas: mündliche Befragung; 15.Februar 2006 (Tonmitschnitte auf Anfrage)

/22/ Büttner, Sylvia: mündliche Befragung, 7. Dezember 2004

/23/ Petra Pinzler: „Schluss mit den Totschlagargumenten“ In: DIE ZEIT 24.November 2005 Seite 38

/24/ Pencov, Irimie: mündliche Befragung; 17.02.2006 (Tonmitschnitte auf Anfrage)

/25/ Dies ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nur Migranten, deren Asylantrag angenommen wurde, können einen staatlich geförderten Deutschkurs besuchen. Für Asylanten, die nach dem 31.12.2004 eingereist sind und die einen Aufenthaltstitel haben,. ist dieser Kurs verpflichtend.

/26/ BUND/ Miseror, Wegweiser für ein zukunftsfähiges Deutschland München 2002

/27/ Nuscheler, Franz: Geld allein hilft nicht. In: DIE ZEIT,15.09.2005 Nr..38, Seite 35

7 Bildnachweis

Grafik 1 „Armut fördert Bürgerkriege“, In:URL: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/ archiv/05/03/ DWHHbuergerkriege.htm

Grafik 2 Bundesministerium des Inneren: Zuwanderungsrecht und Zuwanderungspolitik, Berlin 2005 Seite 14

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Zwangsmigration - Ursachen und Auswirkungen
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
38
Katalognummer
V111280
ISBN (eBook)
9783640093618
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schülerarbeit
Schlagworte
Zwangsmigration, Ursachen, Auswirkungen
Arbeit zitieren
Patrick Stegemann (Autor:in), 2006, Zwangsmigration - Ursachen und Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111280

Kommentare

  • Krista Ressüg am 14.1.2011

    Ich bin bei einer Recherche auch auf diesen Text gestoßen und bin absolut überrascht über das hohe Niveau. Da ich die Verhältnisse speziell in Neubrandenburg kenne, kann ich auch den Inhalt der Arbeit beurteilen. Klasse gemacht! Warum hat das bis heute noch niemand kommentiert?

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Titel: Zwangsmigration  -  Ursachen und Auswirkungen



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