Analyse: Askar Akaev - Politische Kultur in Kirgistan


Hausarbeit, 2006

40 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Landeskunde

II. Askar Akaev und die politische Kultur Kirgistans
2.1. Kindheit und Schuljahre: die traditionelle politische Kultur
2.2. Studium und wissenschaftliche Laufbahn: die Sowjetunion der 1960er und 1970er Jahre
2.3. Erste politische Erfahrungen: die Sowjetunion der 1980er Jahre
2.4. Der Präsident: die politische Kultur im unabhängigen Kirgistan
2.5. Der gestürzte Autokrat: Machtwechsel im März 2005
2.6. Kirgistan heute: ein „faltering state“ (International Crisis Group 16.12.2005)?

III. Die Politische Kultur Kirgistans: eine spezifische Form der Moderne
3.1. Formelle und informelle politische Institutionen
3.2. Informelle Dynamiken in Kirgistan
3.3. Internationale und Regionale Interessen: ein destabilisierender Faktor

Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Kirgistan[1], eine kleine Bergrepublik inmitten des ehemals sowjetischen Zentralasiens, rückt selten in den Blickpunkt der westeuropäischen Öffentlichkeit. Das Land ist weder besonders ressourcenreich, noch ist es für internationale Strategen von großem Interesse. Im Zeitalter der Globalisierung sieht sich das Land verschiedenen Anforderungen der internationaler Organisationen und Geldgeber gegenüber. Es ist wie alle postsozialistischen Staaten mit der Einführung der Marktwirtschaft und den daraus entstehenden sozioökonomischen Folgen konfrontiert. Gleichzeitig soll Kirgistan, das noch nie als souveräne staatliche Einheit bestanden hatte und innerhalb dessen Grenzen eine Vielzahl unterschiedlicher Nationalitäten lebt, ein politisch tragfähiges System aufbauen. Hierfür muss jedoch eine Staatsidentität geschaffen werden, in der möglichst alle Einwohner berücksichtigt werden. In einem Land ohne demokratische, rechtsstaatliche Erfahrung, sollen diese Prinzipien etabliert werden. Kurz nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 mussten all diese Probleme gleichzeitig gelöst werden. Bis Mitte der 1990er Jahre wurde das Land als ein „island of democracy“ (u.a. Anderson 1999) hoch gelobt. Die Probleme gewannen jedoch schließlich die Oberhand. Im März 2005 wurde die Regierung, die bereits deutlich autoritäre Züge zeigte, in einer so genannten Revolution gestürzt. Dies führte aber nicht zu einer Stabilisierung der Situation und inzwischen droht das Land in Chaos und Anarchie zu verfallen.

In dieser Arbeit soll nun die politische Kultur Kirgistans untersucht werden und folgenden Fragen nachgegangen werden: Wieso scheiterte das westliche Konzept von Demokratie und Staatlichkeit bisher in Kirgistan? Inwiefern entzieht sich das politische Verständnis der Kirgisen der europäischen Perspektive? Wieso werden die Reformforderungen und Richtlinien der internationalen Geldgeber, der Hilfswerke und westlichen NGOs nicht befolgt bzw. führen nicht zum gewünschten Ergebnis?

Die zu diesem Thema gesichtete Literatur lässt sich in zwei grobe Gruppen einteilen. Einerseits ethnographische, historische, geographische Beschreibungen des Landes und der Region (u.a. Abazov 2004; von Gumppenberg 2004; Krader 1963), andererseits politikwissenschaftliche, ökonomische Analysen (u.a. Koichumanov et. al. 2005; Halbach/ Eder 2005; Eschment 2005).

Besonders interessant scheint der Band „Demokratie und Staatlichkeit – Systemwechsel zwischen Staatsreform und Staatskollaps“ (Bendel et. al. 2003). Konzeptionelle und theoretische Überlegungen werden mit detaillierten Regional- und Länderanalysen verbunden. Der Aufsatz von Christoph Stefes (2003) über die kaukasischen Staaten enthält eine aussagekräftige Analyse der informellen Sphäre, die sich auch auf die kirgisische Situation anwenden lässt. Schließlich hat Shmer Eisenstadt, ein bekannter israelischer Soziologe, in „Die Vielfalt der Moderne“ (2000) die Notwendigkeit herausgestellt, verschiedene politische Kulturen im Rahmen ihrer eigenen internen Dynamiken zu betrachten. Er betont dabei die Wichtigkeit einer pluralistischen Denkweise, nämlich dass es nicht den Weg zu dem modernen, demokratischen System gibt, sondern viele Varianten und Möglichkeiten. In jeder gegenwärtigen politischen Kultur verschmelzen lokale Traditionen mit dem „Kernprogramm der Moderne“ (Eisenstadt 2000: 20ff), wie es in Westeuropa entstanden ist, und bilden neue Varianten der Moderne.

Die Arbeit gliedert sich analog zur Literaturlage in drei Teile. Im ersten Teil werden wichtige landeskundliche Fakten dargestellt, ohne die die folgenden Ausführungen nicht verständlich wären. Im zweiten Teil wird die politische Kultur, ihre lokalen Traditionen und ihre geschichtliche Entwicklung beschrieben. Der Begriff «politische Kultur» wird hier verstanden als „jene generalisierten Wertmuster von Gesellschaften, die Anknüpfungspunkte für die Herstellung von verbindlichen kollektiven Entscheidungen liefern und Spezifizierungen der Sozialstruktur darstellen.“ (Geiß 2004c: 172). Solche Wertmuster können am besten aus emischer Sicht dargestellt werden. Die Biographie Askar Akaevs, des Präsidenten Kirgistans von 1990 bis zu seinem Sturz im März 2005, soll den Zugang zu solch einer Sicht ermöglichen. Hierfür stütze ich mich auf die biographischen Daten, die Askar Akaev selbst auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Da es sich dabei nicht um objektive Wahrheit handelt, sind alle biographischen Fakten der Homepage besonders gekennzeichnet. Diese Zitate fungieren als Überschriften und Einleitungen. Sie werden im jeweils folgenden Abschnitt durch Hintergrundinformationen ergänzt und historisch eingeordnet, da die Biographie für sich allein stehend nicht verständlich wäre. Gleichzeitig werden die ethnographischen Fakten durch die Einbeziehung des persönlichen Lebenslaufs Akaevs anschaulicher und viele Vorgänge in Kirgistan können dadurch besser eingeordnet werden.

Die den zweiten Teil abschließende Beschreibung des Regimewechsels 2005 und der gegenwärtigen, aktuellen Lage soll die Probleme im politischen System offen legen. Im dritten Teil der Arbeit wird darauf aufbauend die spezifische kirgisische Moderne untersucht. Dabei werden die obigen Fragen zwar nicht abschließend beantwortet, jedoch um einen weiteren Aspekt ergänzt, der in der Diskussion um politische Kultur in außereuropäischen Gesellschaften oft vernachlässigt wird: Die informellen Dynamiken der gegenwärtigen Situation werden dargestellt und lokale Traditionen in ihrer Auswirkung auf die politische Kultur analysiert. Ausgehend von dieser Analyse soll ein Ausblick auf zukünftige Gefahren und Chancen unternommen werden.

I. Landeskunde

Dieses Kapitel informiert über die Umgebung Askar Akaevs. Der Fokus verengt sich dabei von Gesamtkirgistan als Heimatland Akaevs zum Dorf Kyzyl-Bairak, seinem Geburtsort.

„In der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik, dem heutigen Kirgistan,…“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Kirgistan liegt in Zentralasien. Mit diesem Begriff werden meist die fünf ehemals sowjetischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Kirgistan, sowie Afghanistan, die Mongolei und die westlichsten Teile Chinas (die Provinz Xinjiang) bezeichnet. Teilweise werden auch Tibet und das südliche Sibirien dazugezählt (u.a. Rasuly-Paleczek et. al. 2003: 6f). Kirgistan ist der zweitkleinste der genannten Staaten nach Tadschikistan, etwa halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Seine Ausdehnung beträgt 900 km in W-O Richtung und 410 km von N-S (u.a.. von Gumppenberg 2004: 153). Im Südosten grenzt Kirgistan an China, im Norden und Westen an Kasachstan, im Süden und Westen an Usbekistan. Kirgistan wird von den Gebirgszügen des Tian Shan und des Pamirs, die bis zu 7000 m aufragen, dominiert. 60% der Fläche liegen höher als 2500 m ü. NN (u.a. Abazov 2004: 1). Nur rund 7% des Landes sind landwirtschaftlich nutzbar. Es gibt kaum Wälder, stattdessen bestimmen Steppe und Gebirgssteppe die Landschaft (u.a. von Gumppenberg 2004: 153).

Auf dem Gebiet Kirgistans mischten sich unterschiedliche kulturelle Einflüsse. Bevor ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. die arabische Kultur und islamische Religion an Einfluss gewannen, prägten Buddhismus und Christentum, gemeinsam mit Schamanismus und Zoroastrismus die religiös-kulturelle Sphäre. Zahlreiche ethnische Gruppen siedelten im Laufe der Geschichte in Kirgistan und wechselten sich in ihrer Vorherrschaft ab. Ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. kam es zu einer Einwanderung turksprachiger Gruppen aus dem Altai (u.a. von Gumppenberg 2004: 155). Die heutigen Kirgisen als so genannte ‚Titularethnie’ Kirgistans sind aus mongolischen und türkischen Stämmen hervorgegangen und lassen sich schwer von anderen Völkerschaften in Sibirien, im östlichen Zentralasien und im Pamir abgrenzen (vgl. Mangott 1996: 7).

Die dominante Lebensform des Landes, der Hirtennomadismus, wurde von den zahlreichen ethno-politischen und religiösen Veränderungen in der vorkolonialen Geschichte kaum berührt. Im Sommer zogen die Nomadengruppen auf die Hochweide, das jailoo, im Winter suchten sie geschütztere Plätze in den Tälern auf. Ergänzend wurde in tieferen Lagen manchmal Anbau betrieben. Im Süden Kirgistans, dem fruchtbaren Fergana-Tal, siedelten zudem sesshafte Ackerbauern, die in einem lockeren Verbund kleiner, auf die Hauptstädte orientierter, Staaten lebten. Die beiden Kulturweisen standen in symbiotischen und rivalisierenden Beziehungen (u.a. von Gumppenberg 2004; Abazov 2004).

Territorialreichen mit Zentren in der heutigen Mongolei, in China oder in Usbekistan gelang es teilweise die kirgisischen Stämme tributpflichtig zu machen. Diese Reiche definierten sich jedoch nicht nach nationalen Kriterien, sondern nach territorialen und dynastischen Bindungen. Im 19. Jahrhundert eroberte das Khanat Khokand, dessen Hauptstadt im Fergana-Tal lag große Teile des kirgisischen Berglandes. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es im Zuge der kolonialen Eroberungen Russlands zum Krieg zwischen Russland und Khokand, das dann 1876 eingenommen wurde. Kirgisen hatten in diesem Krieg sowohl auf beiden Seiten als auch unabhängig von den Kriegsparteien gekämpft. Das ehemalige Khokander Gebiet wurde dem Russischen Reich einverleibt und nach der Oktoberrevolution 1917 Teil der UdSSR. Im Oktober 1924 wurden die Grenzen Zentralasiens durch die neuen Machthaber verändert und das «Kara-Kirgische Autonome Gebiet» innerhalb der Russischen SSR abgegrenzt. Diese Grenzziehung orientierte sich primär an sprachlichen Kriterien und nur sekundär an ökonomischen Erfordernissen. Einzelne lokale Dialekte wurden zu Amtsprachen ernannt und mit einer Schrift ausgestattet. Das Kirgisische kann dabei beinahe als Kunstprodukt gelten, besteht es doch zu 70% aus Lehnwörtern (vgl. Tabyshalieva 2005b: 282). Die Sprecher dieser Sprachen wurden als so genannte «Titularethnien» zu selbständigen Völkern erhoben und mit einer spezifischen Kulturtradition ausgestattet (u.a. Segars 2003: 81f). Politisch sollte durch die Grenzziehung die zentralasiatische Bevölkerung geteilt werden, denn die Pan-Turkistische Bewegung hatte den Sowjets im Bürgerkrieg erbitterten Widerstand entgegengebracht. 1936 erhielt das neue Kirgistan als «Kirgisische Sozialistische Sowjetrepublik» nominell gleichberechtigten Status mit den anderen Sowjetrepubliken. Am 31. August 1991 erfolgte die formale Unabhängigkeitserklärung.

Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion wurden die zentralasiatischen Republiken regelrecht in die Unabhängigkeit gedrängt (u.a. Abazov 2004; von Gumppenberg 2004).

Kirgistan hatte 1926 nur eine Million Einwohner. Diese Zahl ist bis heute auf knapp über fünf Millionen gewachsen (vgl. CIA World Factbook 26.02.2006). Die kirgisische Republik ist ein multiethnischer Staat mit rund 80 unterschiedlichen Nationalitäten (vgl. Auswärtiges Amt Juli 2005). Die größte ethnische Gruppe, die Kirgisen, machten 1926 knapp 67% der Bevölkerung aus, 1989 waren es nur noch 52% (vgl. Tabyshalieva 2005b: 280). Aufgrund der verstärkten Abwanderung der anderen Nationalitäen, stieg der Bevölkerungsanteil der Kirgisen bis 2002 wieder auf 68% (vgl. Abazov 2004: 5). Russen, 1989 die zweitgrößte ethnische Gruppe mit 21,5% (vgl. Tabyshalieva 2005b: 280), machen 2002 nur noch 10% aus (vgl. Abazov 2004: 5). Usbeken bilden heute mit 14% die zweitgrößte ethnische Gruppe. Die übrigen 8% verteilen sich auf verschiedene Nationalitäten, darunter Uiguren, Kasachen und Russlanddeutsche (vgl. ebd.). 80% der Bevölkerung bekennen sich zur sunnitischen Richtung des Islam, 17% zum russisch-orthodoxen Christentum und die übrigen 3% zu anderen Glaubensrichtungen (vgl. Auswärtiges Amt Juli 2005).

…im Bezirk (Oblast) Tschui,…“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Kirgistan kann geographisch, kulturell und politisch in drei Teile, Nord-, Süd- und Zentralkirgistan, gegliedert werden (vgl. Karten im Anhang).

Der nördliche Teil besteht aus den zwei Bezirken (Oblasti) Tschui mit der bezirksfreien Hauptstadt Bishkek und Talas. Der Norden des Issyk-Kul-Oblasts kann ebenfalls zu Nordkirgistan gezählt werden. Die Täler des Tschui und des Talas, sowie eine Vielzahl kleiner Bäche und Flüsse entwässern die Region. Die Bewohner Nordkirgistans waren zum größten Teil Vollnomaden, die in enger Beziehung zu den kasachischen Steppennomaden standen. Über diese bestanden schon früh Beziehungen zum russischen Staat. Der Islam konnte hier nur verhältnismäßig oberflächlich Fuß fassen und schamanistische Traditionen bestanden bis in die Neuzeit fort. Als im 19. Jahrhundert das Khokander Khanat aus dem Fergana-Tal die Region eroberte, kam es zu wiederholten Aufständen. Einige Stammesführer erbaten russische Unterstützung, die schließlich gewährt wurde. 1860 erstürmten russische Truppen gemeinsam mit Kirgisen die Khokander Festung Pishkek, die in der Nähe der heutigen Hauptstadt Bishkek lag.

In der folgenden Kolonialzeit und in der Ära der Sowjetunion siedelten sich besonders viele Slawen, meist Russen und Ukrainer, und andere freiwillige und unfreiwillige Einwanderer im Norden an. Die Region wurde stark russifiziert, urbanisiert und auch stärker industrialisiert (u.a. Tchoroev 2003: 119)

Der zweite Teil, Südkirgistan, wird gebildet aus den drei Bezirken (Oblasti) Osch, Dshalal-Abad und Batken und grenzt an Usbekistan und Tadschikistan. Batken-Oblast im äußersten Süden ist dünn besiedelt und liegt hoch im Pamirgebirge. Im Gegensatz dazu sind Osch-Oblast mit der gleichnamigen zweitgrößten Stadt des Landes Osch und Dhalal-Abad-Oblast die am dichtesten besiedelten Bezirke Kirgistans. Beide haben Anteil am so genannten Herzen Zentralasiens, dem Fergana-Tal. Das fruchtbare und äußerst dicht besiedelte Fergana-Tal wurde bei der Grenzziehung in den 1920er Jahren zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan aufgeteilt. Dabei entstanden verschiedene Enklaven und kompliziert verlaufende Grenzen. Die Bewohner des Fergana-Tals waren seit Jahrtausenden sesshafte Ackerbauern. In den umliegenden Bergen wurden verschiedene Formen der Mischwirtschaft betrieben bis hin zum Vollnomadismus in den höheren Lagen. Der Islam hat in der Region einen traditionell starken Einfluss. Während der Expansion des Khokander Khanats im 19. Jahrhunderts wehrten sich auch Teile der südlichen kirgisischen Stämme gegen die Steuerforderungen Khokands. Gleichzeitig stiegen aber viele Kirgisen, Angehörige derselben südlichen Stämme, zu hohen Positionen bei Hofe auf und wurden stark von der iranisch-türkischen Oasenkultur Khokands beeinflusst (u.a. Bregel 2003: 78). Der russischen Eroberung setzten die südlichen Kirgisen zusammen mit den anderen Bewohnern der Region heftigen Widerstand entgegen und auch in der Kolonialzeit und im nachrevolutionären Bürgerkrieg nahmen Aufstände gegen die russische Vorherrschaft ihren Anfang meist im Fergana-Tal (vgl. Abazov 2004: 11). Im heutigen kirgisischen Teil des Fergana-Tals lebt eine große usbekische Minderheit. Sie macht ein Drittel der Bevölkerung aus (u.a. Halbach/Eder 2005: 5). Die gesamte südkirgisische Region ist ländlich und islamisch-traditionell geprägt und weniger industrialisiert und russifiziert als der Norden (u.a. Tchoroev 2003: 119).

Zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil Kirgistans liegt das Tien Shan Gebirge als dritter klar unterscheidbarer Landesteil. Der größte Bezirk des Landes, Naryn-Oblast, der beinahe ein Viertel der Landfläche Kirgistans bedeckt, sowie der südliche Teil des Issyk-Kul-Oblasts werden von diesen Gebirgsketten bestimmt.

Die Osch-Bishkek Verbindungsstraße ist die einzige Straße durch diese Region, die Nord- und Südkirgistan verbindet. Sie überquert mehrere Gebirgspässe und ist bei heftigen Schneefällen oft für Wochen geschlossen (vgl. Abazov 2004: 2f). In Zentralkirgistan wird bis in die Gegenwart Hirtennomadismus betrieben, da Ackerbau in der Region nur an wenigen Stellen möglich ist.

„…im Landkreis (Rajon) Kemin, im Dorf Kysyl-Bairak,…“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Die sieben Bezirke (Oblasti) sind wiederum in 39 Landkreise (Rajony) untergliedert. Der Landkreis Kemin im Chon-Kemin-Tal befindet sich im Nordosten des Tschui-Oblasts, parallel zur kasachischen Grenze und ungefähr 150 km von der Hauptstadt Bishkek entfernt. Das Tal liegt zwischen 1400 und 2800 m ü. NN zwischen zwei Gebirgszügen. Die meisten Bewohner des Landkreises sind wie rund 55% der arbeitenden Bevölkerung Kirgistans in der Landwirtschaft beschäftigt (vgl. CIA World Fact Book 26.02.2006). Zwei Drittel der Einwohner kirgisischer Nationalität leben auf dem Land Sie sind empfänglicher für nationalistische Forderungen und traditioneller geprägt als die russifizierten und europäisierten Stadtbewohner (vgl. Lowe 2003: 125).

II. Askar Akaev und die politische Kultur Kirgistans

„…am 10. November 1944 wird Askar Akaevitsch Akaev als jüngster von fünf Söhnen geboren. Der älteste Sohn der Familie fiel zwei Jahre vor seiner Geburt bei der Verteidigung Leningrads.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

2.1. Kindheit und Schuljahre: die traditionelle politische Kultur

„Das kleine Dorf Kysyl-Bairak bestand 1944 aus nicht einmal 40 Häusern. Seit alters her ist diese Gegend für ihre außergewöhnliche Natur berühmt. Nicht wenige Legenden und Lieder wurden über die wilde Schönheit des Chon-Kemin-Tals, in dem der Ort liegt, verfasst. Akaevs Eltern waren wie die meisten Bewohner des Dorfs in der örtlichen Kolchose tätig.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Die Vorfahren der Dorfbewohner waren jedoch Nomaden gewesen. Noch in den späten 1890er Jahren lebten 85% der kirgisischen Bevölkerung in jenem Gebiet um Bishkek als Nomaden oder Halbnomaden (vgl. Anderson 1999: 5). Bereits zur Kolonialzeit und verstärkt in der stalinistischen Ära, vor allem von 1929 bis 1932 kam es zur Zwangsansiedelung der Nomaden und zur Kollektivierung der Landwirtschaft (u.a. von Gumppenberg 2004: 153f). Kolchosen, als Zusammenschluss bäuerlicher und nomadischer Einzelwirtschaften, und Sowchosen, bestehend aus mehreren Kolchosen, wurden gegründet. Dörfer und Amtsbezirke waren dabei jedoch nicht selten mit Abstammungsgruppen identisch. Erweiterte Familienverbände wurden als Brigaden, der Arbeitseinheit einer Kolchose, in das System integriert. Die alten tribalen Bindungen blieben so weitgehend erhalten und wurden sogar durch die räumliche Isolierung der Abstammungsgruppen voneinander gestärkt (vgl. Tabyshalieva 2005: 276b; Giese 1973: 262f; Anderson 1999: 12; Geiß 2004a: 49; ebd. 2004b: 90).

„Der kleine Askar begleitete oft seinen Vater, wenn dieser die ‚Aksakali’, die ‚Weißbärtigen’, aufsuchte, um bei einer Tasse Tee die Charakteristiken der Kirgisen zu erörtern. Für Askar waren diese Besuche eine gute Schule. Von diesen, durch lebenslange Erfahrung, weise gewordenen Ältesten konnte er viel Nützliches und Interessantes lernen.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Die kirgisische Gesellschaft war patrilinear und patrilokal organisiert. Genealogien der väterlichen Linie waren sehr wichtig. Noch heute wird, zumindest auf dem Lande, von allen Kindern erwartet, sieben männliche Vorfahren der Patrilinie benennen zu können (vgl. Geiß 2004a: 52).

Die kleinste gesellschaftliche Einheit war die patriarchale Großfamilie. Sie bestand aus einem Mann, seiner Frau oder Frauen, ihren verheirateten Söhnen mit deren Frauen und Kindern, sowie den unverheirateten Söhnen und Töchtern. Zusätzlich konnten noch Dienstboten und andere (verarmte) Verwandte zur Großfamilie gerechnet werden. Diese Großfamilie bildete eine Produktions-, Konsum- und Residenzeinheit. Der älteste Mann entschied als Pater familias allein über alle Familienangelegenheiten und vertrat die Familie nach außen hin. Nach dem Tod des Haushaltsvorstandes bildeten die Söhne des Verstorbenen einzelne individuelle Haushalte (vgl. Rasuly-Paleczek et. al. 2003: 122; Krader 1963: 141ff).

Rings um die Großfamilie war die Identität des Einzelnen durch eine immer größer und entfernter werdende Verwandtschaft bestimmt. Die Lineage als nächstgrößere Gesellschaftseinheit bestand aus mehreren patrilinear miteinander verwandten Großfamilien, deren Abstammung auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückging. Ein Klan, als Zusammenschluss mehrerer Lineages, berief sich zwar ebenfalls auf einen gemeinsamen Vorfahren, dieser war aber zumeist nur noch fiktiver Art. Innerhalb der Lineage, und auch teilweise innerhalb des Klans, herrschte Exogamie. Durch die Exogamieregeln wurden die Abstammungsgruppen ständig gemischt und es bestanden enge Verbindungen zu weiter entfernt lebenden Gruppen. Mehrere Klans bildeten als nächsten, schon recht lockeren, Bezugspunkt einen Stamm. Einzelne Stämme konnten sich zeitweise oder auch für längere Perioden in Stammeskonföderationen zusammenfinden, die dann oft fiktive Verwandtschafsbeziehungen vorweisen konnten (vgl. Krader 1962: 150ff).

Die kirgisische Gesellschaft zeichnete sich durch eine große Fluktuation aus. Prozesse der Ent- und Retribalisierung, der sozialen und politischen Umschichtung wurden durch innere und äußere Konflikte angestoßen. Das Gefühl einer gemeinsamen kirgisischen Nation, jenseits der Genealogien war kaum entwickelt (u.a. Geiß 2004a: 50).

„Der Vater Askar Akaevs, Akai Tokoev, entstammte einem adligen Geschlecht. Er wurde im Dorf sehr geehrt, auch weil er für seine Zeit eine gute Bildung empfangen hatte. Er hatte sogar die berühmte Medressa [Koranschule, Anm. J.D.] in der nahegelegenden Stadt Tokmak abgeschlossen. Er galt als gerechter, strenger Mann, dessen Wort im Dorf viel Gewicht hatte. Kennzeichen der Familie Akaev waren die tiefe Ehrfurcht der Kinder vor dem Alter und der Wissensdurst aller Familienmitglieder.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Alter, Geschlecht und sozialer Status bestimmten die Stellung eines Individuums, einer Großfamilie, einer Lineage und eines Klans im Vergleich zu anderen. Der ältere Bruder stand höher als der jüngere, seine Linie überragte die des jüngeren auch noch nach mehreren Generationen. Auf diese Art und Weise entstanden relative Ranglisten der Abstammungslinien, die den sozialen Status eines Individuums definierten. An der Spitze standen die «senior lineages», die Nobilität.

Die Abkunft eines politischen Führers war somit sehr wichtig. Daneben war die politische Position, die eine Person erlangte, aber auch abhängig vom eigenen Verdienst (vgl. Rasuly-Paleczek et. al. 2003:126f; Krader 1962: 142ff).

Die Kirgisen kannten keinen gemeinsamen Führer und hatten keinen Staatsapparat. Jede Verwandtschaftsgruppe war gleichzeitig eine politische Einheit. Genau wie die Großfamilie vom ältesten Mann, wurde jeder Stamm oder Klan von seinem eigenen Biy, normalerweise das Oberhaupt der nobelsten, ältesten Familie geführt. Die Position des Biy war im Allgemeinen erblich und ging nach seinem Tod an den ältesten Sohn über (vgl. Bregel 2003: 78). Ein Biy hatte große Autorität, war aber auch wie jeder einzelne für das Wohlergehen, den Ruf und die Integrität der gesamten Gruppe verantwortlich (vgl. Geiß 2004c: 172f). Reiche Stammesmitglieder mussten die ärmeren unterstützen (vgl. Tabyshalieva 2005a: 82). Der Biy herrschte keineswegs absolut, das Gewohnheitsrecht, Adat, regelte bereits die meisten Angelegenheiten, wie zum Beispiel den Zugang zu Wasser, Weiden, Beistandspflichten etc. (vgl. Geiß 2004c: 172ff). Zusätzlich musste er sich bei seinen Entscheidungen stets mit den untergeordneten Klanführern beraten, die wiederum auf die Unterstützung der Familienoberhäupter angewiesen waren.

Die Hierarchien waren nicht unumstößlich. Die politische Zugehörigkeit innerhalb der großen Verwandtschaftsgruppen war relativ frei wählbar und so kam es häufig zu innerkirgisischen Kämpfen. Meist ging es dabei um Weideland. Streit konnte zur Abspaltung einer Gruppe aus dem größeren Verbund führen (vgl. Rasuly-Paleczek et. al. 2003: 127). Ein Stamm sprach nicht immer mit einer Stimme. Dies wurde Ende des 19. Jahrhunderts offensichtlich, als Vertreter ein- und desselben Stammes im Krieg zwischen Russland und Khokand auf beiden Seiten kämpften (vgl. Abazov 2004: 9).

„Das Schicksal der Eltern Akaevs war sehr schwer. In den 1920er Jahren, als der unnachgiebige Kampf gegen die ‚Bourgeoisie’ stattfand und diese grausam verfolgt wurde, musste sich Akai Tokoev [Vater Akaevs, Anm. J.D.] in Kasachstan verstecken. Dort traf er auch seine zukünftige Frau, Asel. Zur Zeit des Stalinismus ging das Unglück auch an ihrem Haus nicht vorbei. Akai Tokoev wurde verhaftet und allein aufgrund seiner edlen Vorfahren für schuldig befunden. Mehr als ein Jahr verbrachte er im Gefängnis, wo er seine Gesundheit einbüßte. Kurz nach seiner Freilassung verlor er sein Augenlicht.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

In der Kolonialzeit waren die tribalen Führungspositionen in administrative Ämter umgewandelt worden. Ihre Inhaber konnten die damit verbundenen Ressourcen redistributiv nutzen und ihre Stellung deutlich verstärken (u.a. Geiß 2004c: 172f).

Nach der Oktoberrevolution 1917 kam es zu einer grundlegenden Umgestaltung der kirgisischen Gesellschaft. Die alte Elite wurde fast komplett vernichtet. Die Biys wurden in der Geschichtsschreibung der Sozialistischen kirgisischen Sowjetrepublik zu «bourgeoisen Klassenfeinden» umdefiniert (u.a. Abazov 2004: 22f; Tabyshalieva 2005b: 277). Der Islam wurde weitgehend aus dem öffentlichen Leben verdrängt und Moscheen und Koranschulen geschlossen. Stattdessen wurden staatliche Strukturen wie allgemeine Schulpflicht, Wehrpflicht, staatliche Kontrolle über Wirtschaft und Polizei flächendeckend durchgesetzt. Die größeren Verbände der Stammeskonföderationen und Stämme verloren an Bedeutung und verschwanden fast völlig. Die kleineren Verwandtschaftseinheiten lebten aber als Bezugsrahmen fort und wurden ein „informeller Anknüpfungspunkt für die Herstellung von Vertrauen und für die Verteilung von Ressourcen.“ (Geiß 2004a: 51)

Häufig übernahmen Personen russischer Herkunft die führenden Posten. Gleichzeitig wurden aber im Rahmen der so genannten Koronizatiya, der nationalen Verankerung, 1925 bis 1930 Partei- und Staatsapparat nationalisiert. Nach dem Motto: «National in der Form, sozialistisch im Inhalt», wurden einheimische Eliten gefördert, die lokalen Sprachen in der Verwaltung verstärkt und nationale Literatur und Kunst unterstützt. Die kirgisische Nation erhielt die, für sie heute wieder bedeutsame, kulturelle Eigenständigkeit. Dabei wurden Minderheiten in die titelgebende kirgisische Nation integriert oder untergeordnet (vgl. Eisener 2004: 206f; Everett-Heath 2003: 3).

2.2. Studium und wissenschaftliche Laufbahn: die Sowjetunion der 1960er und 1970er Jahre

„1961 schloss Askar Akaev die Mittelschule im Heimatdorf mit der goldenen Medaille [ einer Auszeichnung für die besten Schüler,Anm. J.D.] ab.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Nach 1930 wurde die Koronizatiya aufgegeben und stattdessen eine verstärkte Politik der Assimilierung, der Verschmelzung der Völker zu einem sowjetischen Volk verfolgt. Die allgemeine Schulpflicht wurde überall durchgesetzt. Die Alphabetisierungsrate liegt aus diesem Grund in Kirgistan im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern sehr hoch, bei heute fast 100% (vgl. UNDP Report 2005). In den Grund- und Mittelschulen auf dem Land wurde zwar kirgisisch unterrichtet, sonstige «nationale Merkmale» aber möglichst verdrängt.

Das Erlernen der russischen Sprache nahm im Lehrplan großen Raum ein und im technischen, administrativen und universitären Bereich wurde praktisch nur Russisch gesprochen (vgl. Eisener 2004: 206f).

„Nach der Schule ging der junge Askar nach Frunze [dem heutigen Bishkek, Anm. J.D.] und begann das Arbeitsleben als Schlosser in der Autoteile-Fabrik ‚Frunzemasch’. Nebenher schrieb er sich für das Fernstudium an der gerade wiedereröffneten Fakultät für Mechanik an der Polytechnischen Oberschule in Frunze ein.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Als Ergebnis der forcierten Modernisierung und Europäisierung hatte die kirgisische Gesellschaft eine duale Grundstruktur ausgebildet. Neben der ländlichen, stärker von Tradition und Religion geprägten Lebensform, existierte die urbane, moderne und säkularisierte Welt. Dies führte zum Nebeneinander divergenter Wertsysteme (vgl. Geiß 2004b: 91).

Frunze, das heutige Bishkek, war eine typische sowjetische Stadt. Die Uniformität des sowjetischen Alltagsleben in einem geographisch und kulturell so vielfältigen Rahmen verdankte die UdSSR ihrer Verwaltung, die straff von oben nach unten organisiert war. Die KPdSU hatte zwar in jeder der Unionsrepubliken ihre eigenen Zweige, de facto waren diese aber keineswegs autonom und wurden zentral von der Moskauer Parteispitze gelenkt. Allein diese besetzte die Positionen der örtlichen Führungsspitze und konnte, sollte jene nicht in ihrem Sinne handeln, sie auch sofort wieder absetzen. Um den Anschein einer Autonomie zu wahren, war es üblich, dass die Präsidenten der einzelnen Sowjetrepubliken auch aus diesen stammten, also im Falle der zentralasiatischen Republiken, der «Titularethnie» angehörten. Von 1961 bis 1986 war Turdakun Usubaliev Präsident der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Sein Stellvertreter war, ebenfalls dem allgemeinen Muster entsprechend, ein russischer, ortsfremder Funktionär. Er sollte den Präsidenten überwachen. Moskau wollte keine «nationalistisch-bourgoisen» Tendenzen riskieren. Nach außen funktionierte dieses Modell ganz im Sinne Moskaus. Usubaliev versicherte der Moskauer Führung öffentlich seine Loyalität, trieb die Russifizierung voran, verdrängte das Kirgisische immer weiter aus dem öffentlichen Leben und schimpfte auf die «Rückständigkeit» seiner Landsleute. Dabei handelt es sich um eine zu dieser Zeit übliche Umschreibung weiterhin vorhandener religiöser Tendenzen in der Bevölkerung (vgl. Hanselmann 1973: 107). Lediglich als kulturelle Besonderheiten, wurden einzelne Elemente kirgisischer Kultur herausgepickt und museal gefördert (vgl. ebd.: 108). Auch in wirtschaftlicher Hinsicht, meldete Usubaliev regelmäßig die ordnungsgemäße Planerfüllung (vgl. Abazov 2004: 22ff).

Als Gegenleistung für seine Loyalität, forderte er von der Moskauer Parteispitze jedoch immer weitergehende Autonomie in inneren Angelegenheiten. Lokale Positionen in Verwaltung und Wirtschaft konnte Usubaliev allein vergeben. Er beförderte Verwandte und Anhänger in lukrative Positionen, die dann mit weiteren Rekrutierungsmöglichkeiten und dem Zugang zu Ressourcen verbunden waren, durch welche die jeweils eigene Gefolgschaft versorgt werden konnte (vgl. Geiß 2004c: 174). Unter seiner Führung verdoppelte sich der Beamtenapparat beinahe, da er immer mehr Kirgisen neben die bereits vorhandenen Russen in Führungspositionen holte. Die ortsfremden, als Kontrolle entsandten russischen Stellvertreter auf allen Ebenen wurden schnell mit in das auf Korruption und Nepotismus basierende System einbezogen (vgl. Anderson 1999: 16). Auch nichtverwandte Personen konnten durch ihre Loyalität gegenüber hohen Funktionären auf gewinnbringende Positionen hoffen. Es entstanden die bis heute typischen politischen Klans aus einer Vermengung alter Traditionen mit sowjetischem Bürokratismus, als „regional verankerte Allianzen, die um den Zugang zu Staatsressourcen konkurrieren“ (Geiß 2004a: 49). Die Zugehörigkeit zu einem solchen Klan gab den Ausschlag bei der Ämterzuteilung. Politische Führer mussten sich nicht vor den von ihnen Regierten legitimieren, sondern vor allem nach oben hin Loyalität wahren. Es war also völlig legitim von einer führenden Position finanziell zu profitieren und Mitglieder des eigenen Klans in gute Stellungen zu bringen, dies durfte nur nicht öffentlich geschehen und einen bestimmten Rahmen nicht überschreiten (u.a. Anderson 1999: 16f; Mangott 1996: 15, 63; Tabyshalieva 2005b: 279).

Ergebnis dieser Politik war es, dass starke lokale und regionale politische Eliten bestimmte Verwaltungseinheiten dominierten, was zu starken Regionalismus, Fraktionalismus und Partikularismus führte. Die Moskauer Führung versuchte diesen Partikularismus zu überwinden und hatte eine Art Schiedsrichterstellung inne. Sie achtete darauf, dass möglichst alle Regionen in den zentralen Institutionen vertreten waren und bei der Neubesetzung eines Postens wurde in der Regel die regionale Zugehörigkeit des Amtsinhabers gewechselt (vgl. Geiß 2004c: 174).

„Askar Akaev verließ das Polytechnische Institut in Frunze bereits nach weniger als einem Jahr, da sich ihm eine neue Möglichkeit bot. Er immatrikulierte sich in Leningrad [dem heutigen St. Petersburg, Anm.J.D.], am Institut für Feinmechanik und Optik. Natürlich war die erste Zeit dort keineswegs leicht für ihn. Er beherrschte die russische Sprache zwar gut auf einer alltäglichen Ebene, konnte aber sich aber anfangs nicht so gut in wissenschaftlichem Russisch ausdrücken.[…]1967 schloss Askar Akaev das Studium mit Auszeichnung als mathematischer Ingenieur ab. Im Folgenden veröffentlichte er viele hochgelobte Arbeiten auf dem Gebiet der Optik und Physik.

Ein naturwissenschaftlicher Kollege sagte über Akaev, dass dieser alle Lektionen sowohl der östlichen als auch der europäischen Kultur verinnerlicht hätte. 1969 traf er auf einem Fest kirgisischer Studenten in Leningrad seine zukünftige Frau, Mairam. Sie studierte am Institut für Leichtindustrie u585nd Textilien. Kurz nach ihrer Heirat wurden, noch in Leningrad, die ersten beiden Kinder der Akaevs geboren. 1977 kehrte der junge Wissenschaftler mit seiner jungen Familie in die Heimat zurück. Und hier waren erst einmal die Annehmlichkeiten des Leningrader Lebens beendet, die Familie hatte nicht einmal eine eigene Wohnung. Ein Lehrer Akaevs schrieb daher einen Brief an den Generalsekretär des Zentralkomitees der Kirgisischen KP, Usubaliev. 1978 konnte die Familie sich in einer Drei-Zimmer-Wohnung niederlassen, wo sie 10 Jahre lebte. Akaev begann am Polytechnischen Institut in Frunze zu unterrichten“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

2.3. Erste politische Erfahrungen: die Sowjetunion der 1980er Jahre

„1981 trat Akaev der kirgisischen KP bei und stieg sofort zum Mitglied des Zentralkomitees auf, da sein Name inzwischen auch außerhalb der Wissenschaft bekannt war. Etwas später wird er as Vertreter der Kirgisischen SSR nach Moskau berufen.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

1985 begann mit der Amtszeit Michael Gorbatschows eine neue Ära in der Sowjetunion. In den 1960er und 1970er Jahren sich, wie für Kirgistan beschrieben, die einzelnen Republiken zunehmend dem zentralen Griff Moskaus entzogen und waren ihrer eigenen politischen Dynamik gefolgt. Diese Verhältnisse wurden durch Gorbatschows Politik der Dezentralisierung zementiert. Gleichzeitig kündigte Gorbatschow aber auch einen harten Kampf gegen die Korruption an. Usubaliev, der langjährige Präsident Kirgistans, wurde abgesetzt. Stattdessen wurde zum ersten Mal ein Vertreter des Südens zum kirgisischen Staatschef ernannt, nämlich Absamat Masaliev. Dieser gab vor, das korrupte Regime seines Vorgängers beenden zu wollen. Tatsächlich schrumpfte der Staatsapparat unter ihm wieder auf eine überschaubarere Größe, indem er Usubalievs Gefolgsleute entließ und, sofern möglich, durch eigene ersetzte (u.a. Anderson 1999: 17f).

„1989 wird Askar Akaev zum Präsidenten der kirgisischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Im selben Jahr wählten ihn die Bewohner eines Landkreises im südlichen Bezirk Osch zum Abgeordneten des Obersten Sowjets der Kirgisischen SSR.“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Masaliev gehörte der konservativen Fraktion innerhalb der KPdSU an und stand Glasnost und Perestroika skeptisch gegenüber (vgl. Anderson 1999: 17). Beide verfehlten aber auch in Kirgistan nicht ihre Wirkung. Viele, insbesondere ökologische zivilgesellschaftliche Initiativen wurden gegründet. Junge Kirgisen vom Land, denen bisher eine Niederlassungsgenehmigung in der Hauptstadt verwehrt wurde, gründeten ein Netzwerk zur gegenseitigen Hilfe und besetzten Land rings um Bishkek (u.a. Tabyshalieva 2005b: 279). Masaliev musste einlenken.

Im Juni 1990 kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken im südlichen Bezirk Dshalal-Abad. Hier ging es vor allem um ökonomische Interessen und die Angst, bei der Neuvergabe der Führungsposten und bei der Landverteilung benachteiligt zu werden (u.a. Eschment 2004: 164). Bei diesen Zusammenstößen gab es hunderte Todesopfer. Masaliev wurde öffentlich massiv für sein laxes Management der Krise kritisiert und er verlor zunehmend an Unterstützung in der Bevölkerung (vgl. ebd.).

2.4. Der Präsident: die politische Kultur im unabhängigen Kirgistan

„1990 wurde Askar Akaev vom Obersten Sowjet der Kirgisischen SSR zum Präsidenten des Landes gewählt. [Er galt als Kompromisskandidat, nachdem eine vorherige Abstimmungsrunde keine Entscheidung zwischen zwei anderen Kandidaten gebracht hatte. Anm. J.D.] 1991 wurde er dann durch allgemeine Wahl im Amt bestätigt.“ (www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Am 08.12.1991 wurde die Sowjetunion auf Betreiben der europäischen Sowjetrepubliken formal aufgelöst und die GUS gegründet. Askar Akaev war der Einzige unter den Präsidenten der jetzt selbstständigen zentralasiatischen Republiken, der nicht schon in sowjetischer Zeit ein hohes politisches Amt innegehabt hatte. Dennoch war auch Akaev im sowjetischen System politisch integriert gewesen. Als Präsident der nationalen Akademie der Wissenschaften, als Mitglied des kirgisischen Zentralkomitees und als Abgeordneter in Moskau und Bishkek hatte er bereits einige praktische politische Erfahrung gesammelt. Die Anhänger Akaevs kamen 1990/1991 vor allem aus der in Bishkek konzentrierten national-liberalen Bildungsschicht, den alten Technokraten und Bürokraten, sowie aus der wachsenden Gruppe privater Kleinunternehmer (vgl. Abazov 2004: 34).

„Auf dem Weg der Reform“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Kirgistan ist ein ressourcenarmer Staat und bestritt bereits in sowjetischer Zeit 25% des nationalen Einkommens mit Finanzhilfen aus Moskau (u.a. Koichumanov et. al. 2005: 20). Nach der Unabhängigkeit verfolgte Akaev das «shock therapy»–Programm des IWF und der Weltbank. Im Austausch für schnelle Reformen, wurde dem Land finanzielle Unterstützung zugesprochen (u.a. Koichumanov et. al. 2005: 21). Liberalisierung der Märkte, Privatisierung des Staatseigentums und radikale Sparmaßnahmen wurden den GUS-Ländern als schnellster Weg zur wirtschaftlichen Konsolidierung empfohlen. Kirgistan wurde „the favourite student of the IMF […] obediently listening to recommendations.“ (Koichumanov et. al. 2005: 25) und wurde zum „höchsten Pro-Kopf-Empfänger westlicher Finanzhilfen.“ (Halbach/Eder 2005: 2). 1998 wurde das Land als erstes der GUS in die WTO aufgenommen. Gleichzeitig sank jedoch das BIP seit 1990 um 25%. (u.a. von Gumppenberg 2004: 32). Ende der 1990er Jahre kam es zwar zu einer schrittweisen Erholung, das Niveau von 1990 konnte aber nicht wieder erreicht werden. Seit 1990 wuchs die Schattenwirtschaft und die Auslandsschulden des Landes erreichten astronomische Höhen (u.a. Koichumanov et. al. 2005: 22; Halbach/Eder 2005: 2). Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte in Kirgistan immer weiter auseinander. Gewinner der Privatisierungen, Personen, die zur «rechten Zeit am rechten Ort» waren, konnten sich stark persönlich bereichern, während die Mehrheit der Bevölkerung verarmte. Der Staat sparte massiv Ausgaben im sozialen Bereich ein. Das zu sowjetischer Zeit erreichte, vergleichsweiße hohe Niveau im Bildungs-, Gesundheits- und Rentenbereich ging verloren (u.a. Tabyshalieva 2005b: 284). Kirgistan ist heute nach Tadschikistan das ärmste Land Zentralasiens (ebd.). Die Großfamilie als sozialer Bezugsrahmen tritt jetzt wieder in den Vordergrund. Sie kommt für die Altersvorsorge und sonstige bis dahin staatliche soziale Sicherungen auf (vgl. von Gumppenberg 2004: 91).

„Akaev - der Garant von Demokratie und Freiheit“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Kirgistan entwickelte zu Beginn der 1990er Jahre das formal liberalste politische System Zentralasiens (vgl. Abazov 2004: 34). Die Verfassung vom 05.05.1993 sieht eine Gewaltenteilung nach westlichem Vorbild vor. Dem direkt gewählten Präsidenten, als Staatsoberhaupt, wird dennoch viel Macht zugestanden. Er ernennt nicht nur den Premierminister und die Verfassungsrichter, sondern kann auch Gesetze anregen und sein Veto gegen Entscheidungen des Parlaments, der Jogorku Kenesh, einbringen. Die Zustimmung der Jogorku Kenesh ist aber bei Personalentscheidungen notwendig und sie kann präsidiale Entscheidungen umändern (u.a. ebd.: 35f). Bei den von der OSZE als „insgesamt demokratisch“ (vgl. Mangott 1996: 109) eingestuften, ersten Neuwahlen zum Parlament 1995 traten 1021 Kandidaten für 105 Sitze an, aber nur 163 dieser Kandidaten waren von Parteien nominiert (vgl. Mangott 1996: 107; Abazov 2004: 35). Beinahe die Hälfte wurde nach sowjetischer Tradition von den Arbeitskollektiven der Fabriken und noch existierender Kolchosen vorgeschlagen, der Rest waren unabhängige Kandidaten. Die politischen Parteien haben wenig Bedeutung (vgl. ebd.). Sie sind auf eine bestimmte Persönlichkeit zentriert, Inhalte spielen kaum eine Rolle (vgl. Anderson 1999: 21). Ende 1995 gewann Akaev mit einer Zustimmung von 71% zum zweiten Mal die Präsidentschaftswahlen. Im weiteren Verlauf setzte Akaev immer mehr präsidiale Rechte mittels Verfassungsänderungen durch. Angesichts der sich verschlimmernden sozialen und ökonomischen Probleme, galt auch für westliche Beobachter „ein starker Präsident, als einzige Möglichkeit, die wachsenden sozialen, regionalen, ethnischen und Stammesgegensätze auszugleichen“ (Mangott 1996: 102). Auf Kritik reagierte Akaev mit Entlassungen. Er war zunehmend bemüht die obersten Staatspositionen nur noch mit ihm völlig loyalen Personen aus seinem eigenen nördlichen Klan zu besetzen. Die aus der Exekutive Ausgestoßenen fanden sich dann zumeist in der Opposition wieder (vgl. Halbach 2005: 3). Vielfach übte Akaev auf diese Abweichler massiven Druck aus, es kam zu Verhaftungen unter der Anschuldigung «Missmanagement» und zum Ausschluss einzelner Politiker von Wahlen. In der Parlamentswahl und auch der Präsidentschaftswahl 2000 kam es dann zu Unregelmäßigkeiten.

„Unser gemeinsames Haus Kirgistan“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Unter diesem offiziellen Motto, kann die Nationalitätenpolitik Akaevs subsumiert werden. Es handelte sich vor allem um eine moderate Politik des Ausgleichs und den Versuch, eine staatliche Identität zu schaffen, die möglichst alle Nationalitäten mit einbezog. So hat es seit der Unabhängigkeit in Kirgistan relativ wenige ethnische Konflikte gegeben. Das Problem der neuen zentralasiatischen Länder bestand darin, einen modernen Staat mitsamt dazugehöriger Ideologie gleichsam aus dem Nichts zu schaffen (vgl. Lowe 2003: 106). Akaev versuchte eine gemeinsame kirgisische Identität zu etablieren, indem er bestimmte „Ethnosymbole“ (Everett-Heath 2003: 3) der nomadischen tribalen Vergangenheit, unter anderem die Jurte und das Epos Manas, eine Sammlung oraler kirgisischer Traditionen , zu nationalen Integrationssymbolen umdefinierte (u.a. ebd.). 1995 wurde das 1000. Jahr der Entstehung des Manas Epos, ein fiktives Datum, mit großen Festivitäten begangen. Die neue kirgisische Flagge zeigt die Jurte, das alte nomadische Zelt der Kirgisen. Islamischen Würdenträgern wurde wieder eine gewisse Rolle im öffentlichen Leben zuerkannt. Allerdings wird politischer Islamismus nicht geduldet. Akaev setzte sich dafür ein, dass die ethnische Herkunft des Präsidenten keine Rolle spielte und dass die Staatsbürgerschaft allen Bewohnern des Landes offen stand. Dennoch wird die «Titularethnie» der Kirgisen deutlich bevorzugt. Kirgisisch wurde Amtssprache. Dieser kirgisische Alleinanspruch wurde jedoch im Vergleich zu anderen postsowjetischen Staaten recht moderat durchgesetzt. So wurde Russisch 1996 neben Kirgisisch als offizielle Sprache anerkannt (u.a. Abazov 2004: 34f). Gleichzeitig wurden traditionelle Institutionen reaktiviert. Die Abstammungszugehörigkeit zu bestimmten Lineages und Klans, spielte im öffentlichen Leben wieder eine zunehmende Rolle (u. a. Lowe 2003: 125ff). Zum Beispiel kam es an nationalen Feiertagen zu großen Zeremonien, in denen sich Angehörige aller Stammesgruppen mit der Regierung treffen. In einigen Gesellschaftsschichten kam es parallel dazu zu einer «Retraditionalisierung».

Heiratspartner für die Kinder werden wieder häufiger traditionell gewählt und die Religion spielt eine bedeutendere Rolle (u.a. von Gumppenberg 2004: 52,175f).

„Bermet, das älteste Kind der Familie Akaev, wurde 1972 in Leningrad geboren. Sie studierte in Moskau und in der Schweiz, beherrscht einige Fremdsprachen und arbeitet nun bei der UN. Aidar, der älteste Sohn, wurde 1976 ebenfalls in Leningrad geboren. Er ist nach kirgisischer Tradition das Familienoberhaupt in Abwesenheit des Vaters. Er studierte in Moskau und den USA und begann im Finanzministerium Kirgistans zu arbeiten. Die jüngere Tochter, Saadet, wurde 1978 bereits in Frunze geboren. Sie besuchte eine Schule in der Schweiz und studierte danach in Boston. Sie arbeitet zurzeit bei der Weltbank in Washington. Das jüngste Kind, Ilim, wurde 1984 geboren. Er beendete seine Schule ebenfalls in der Schweiz und begann 2002 an der George Washington Universität in den USA zu studieren“ ( www.askarakaev.kg, Übersetzung J.D.)

Politik und Ökonomie waren zwar offiziell getrennt. Die Aufstellung über den Werdegang der Kinder Akaevs verdeutlicht jedoch, wie hohe Politiker ihre Posten auch weiterhin zu ihrem persönlichen materiellen Vorteil nutzten. Bei Personalentscheidungen sind Herkunft und Klanzugehörigkeit inzwischen noch entscheidender als zu sowjetischer Zeit. Auf nationalstaatlicher Ebene dominierten die Klans aus den Herkunftsgebieten Akaevs und seiner Frau, aus den Bezirken Tschui und Talas. (vgl. von Gumppenberg 2004: 174f). Regional herrschten je nach Amtsbezirk unterschiedliche Klans vor.

2.5. Der gestürzte Autokrat: Machtwechsel im März 2005

„Solche Revolutionen, die eigentlich nichts anderes sind als Coups d´etats, verlassen den Rahmen der Legalität“

„Der Export der Demokratie durch bunte Revolutionen ist nichts anderes als der Export der Revolution durch die Bolscheviken.“

(Askar Akaev 2004, zitiert nach Rossiskaja Gaseta, 08.06.2004, Übersetzung J.D.)

Die Zitate Akaevs beziehen sich auf ein neues Muster der politischen Entwicklung im postsowjetischen Raum. Im Jahr 2003 zwang die so genannte «Rosenrevolution» Präsident Eduard Schewardnadse in Georgien zum Rücktritt. Im Jahr darauf kam es nach massiven Wahlfälschungen zu großen öffentlichen Protesten in der Ukraine, der «orangenen Revolution». Die von ihr erreichte Neuwahl, konnte der Kandidat der Opposition, Viktor Juschtschenko für sich entscheiden (u. a. Eschment 2005; Halbach/Eder 2005). Die Botschaft dieser Revolutionen war, dass „Wahlfälschung […] innerhalb eines noch halbwegs pluralistischen Systems für die amtierenden Machthaber gefährlich [wird].“ (Halbach/Eder 2005: 1). Tatsächlich führte Wahlfälschung schließlich zum Sturz Akaevs im März 2005.

Die Spaltung zwischen Nord- und Südkirgistan vertiefte sich in den Jahren nach der Unabhängigkeit (vgl. Eschment 2005: 2).

Im Süden herrschte nun ein ausgeprägtes Gefühl politischer Benachteiligung. Im Januar 2002 wurde ein führender Vertreter des Südens, Azimbek Beknazarov, verhaftet und im März wegen «Missmanagement» angeklagt. Die südkirgisischen Klans fassten die Verhaftung Beknazarovs als direkten Affront auf, mobilisierten ihre Anhänger zu Massendemonstrationen und forderten den Rücktritt des Präsidenten. Polizeikräfte eröffneten das Feuer auf die Demonstranten, töteten dabei sechs und verwundeten dutzende. Dieser so genannte «Aksy-Konflikt » war einer der blutigsten Ereignisse in der postsowjetischen Geschichte des Landes (u.a. Abazov 2004: 66f). Akaev gab nach und ließ den verhafteten Beknazarov frei. Der «Aksy-Konflikt» zeigte bereits, wie sehr das Akaev-Regime an Rückhalt in der Bevölkerung, vor allem der des Südens, verloren hatte und wie wenig Akaev noch in der Lage war, die Führer der unterschiedlichen Klans in seine Herrschaft einzubinden. Als Reaktion darauf stärkte Akaev durch eine letzte, durch Referendum ratifizierte Verfassungsänderung im Februar 2003 noch einmal seine Position als Präsident.

Als zwei Jahre später, im Jahr 2005, Parlamentswahlen anstanden, hatte sich Akaevs Position weiter verschlechtert. Er konnte nur noch durch Wahlfälschungen an der Macht bleiben. Seine ältesten Kinder, Bermet und Aidar, erhielten Sitze in der umstrittenen Wahl am 27.02.2005. Nach der zweiten Wahlrunde am 13.03.2005 kam es zu intensiven Protesten gegen die Wahlfälschungen. Am 18.03.2005 besetzten Tausende Demonstranten den Gouverneurspalast im südlichen Dschalal-Abad. In den folgenden Tagen kam es zu weiteren Protesten und Besetzungen, zunächst vor allem in Dschalal-Abad und Osch. Die Sicherheitskräfte unternahmen keine Anstrengungen, die Regierung zu schützen. Sie rückten ab, zogen ihre Uniformen aus oder wechselten offiziell die Seiten. Ab dem 23.03.2005 kam es zu ersten Demonstrationen in der Hauptstadt Bishkek. Diese wurden vor allem von Oppositionsanhängern getragen, die aus dem Süden und aus umliegenden Dörfern angereist waren. Am folgenden Tag stürmte eine Menschenmenge den Regierungssitz Akaevs. Weder Polizei noch Armee unternahmen etwas zum Schutz der Regierung. Askar Akaev floh mit seiner Familie über Kasachstan nach Moskau. Die „Hilflosigkeit des Regimes Akaev erstaunte selbst seine Kritiker“ (Halbach 2005: 3). Für die Ereignisse wird der Begriff «Tulpenrevolution» in Anlehnung an die «bunten, samtenen» Revolutionen Georgiens und der Ukraine verwendet. Dennoch lief der Regimewechsel in Kirgistan nicht friedlich und in so geordneten Bahnen ab, wie es in den beiden anderen Staaten der Fall gewesen war.

Es kam stattdessen zu ausgiebigen Plünderungen und Straßenschlachten mit einigen Todesopfern[2] (vgl. Eschment 2005: 1). Ab dem 28.03.2005 beruhigte sich die Situation, das neugewählte Parlament übernahm die Macht, obwohl es bei dessen Wahl zu massiven Fälschungen gekommen war. Auch die Tochter Akaevs, Bermet Akaeva, beanspruchte ihren Sitz im Parlament.

Die neuen Machthaber kamen aus vielfältigen Gruppierungen, die durch Akaev von der politischen Teilhabe ausgeschlossen waren. Die führenden Politiker der Opposition waren zum größten Teil ehemalige Vertreter der Exekutive, die sich mit Akaev überworfen hatten. Zum Zeitpunkt der Proteste waren sie nicht geeint und ließen dadurch mehr Raum für spontane Ereignisse. Später rückten jedoch zwei Persönlichkeiten in das Zentrum des Protests. Erstens Kurmanbek Bakiev, der neue Interimspräsident und seit den Wahlen am 10.07.2005 neue Präsident Kirgistans. Er stammt aus der südlichen Provinz Dschalal-Abad. 1995 war er dort Gouverneur, später Parlamentsabgeordneter und von 2000-2002 Premierminister unter Akaev gewesen. Als es im März 2002 zum « Aksy-Konflikt» zwischen den südkirgisischen Klans und der Zentralregierung kommt, verlässt er aus Protest die Regierung. Seitdem waren die südlichen Klans nicht mehr in der Akaev-Regierung vertreten (vgl. Eschment 2005: 3f). Der zweite und prominenteste Führer der Opposition, Felix Kulov, sorgte als Sicherheitsbeauftragter kurz nach dem Umsturz 2005 für eine Beruhigung der Situation und wurde später Bakievs Premierminister. Er stammt aus dem Norden, spricht sehr schlecht Kirgisisch und ist eindeutig der Kandidat der urbanen, russifizierten Einwohner Nordkirgistans. Als ehemaliger KGB-General und Innenminister der kirgisischen Sowjetrepublik, kann er eine lange politische Erfahrung und einen hohen Einfluss auf die Sicherheitskräfte des Landes vorweisen. Anfang der 1990er Jahre war er ein Vertrauter Akaevs und sein Stellvertreter gewesen. 1993 verließ Kulov zwar die Regierung, war aber danach noch nacheinander als Sicherheitschef, Gouverneur der Provinz Tschui, sowie Bürgermeister von Bishkek politisch aktiv. 1999 kam es zum offenen Streit mit Akaev und Kulov trat von allen Ämtern zurück. In den Parlamentswahlen 2000 trat er als unabhängiger Kandidat an, wurde aber von den Präsidentschaftswahlen im selben Jahr aus «Verfahrensgründen» ausgeschlossen. Im Januar 2001 wurde Felix Kulov wegen «Machtmissbrauchs» während seiner Zeit als Sicherheitschef zu sieben Jahren Haft verurteilt. Aus dieser Haft wurde er am 24.03.2005 befreit, dem Tag der Erstürmung des Regierungssitzes (vgl. Eschment 2005: 3f).

Der Machtwechsel kann kaum als hoffnungsfroher Sieg der Demokratie bezeichnet werden, sondern eher als Symptom für fragile Staatlichkeit. Die Proteste waren Ausdruck traditioneller, personeller, verwandtschaflticher und lokaler Bindungen und hatten nicht einen demokratischen Wandel zum Ziel, sondern vor allem eine rasche Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung und eine bessere politische Beteiligung bisher ausgeschlossener Klans (vgl. ebd.).

2.6. Kirgistan heute: ein „faltering state“ (International Crisis Group 16.12.2005)?

„More recently, disrespect for legal parameters has been manifested in the abilitiy of anarchic tempers in the street to shake the foundations of statehood“ (Koichumanov et. al. 2005: 17)

Mitte Mai 2005 formierten Bakiev und Kulov ein Wahlbündnis für die anstehenden Präsidentschaftswahlen. Tatsächlich wurde Kurmanbek Bakiev am 10.07.2005 mit 89% der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Im August ernannte er Felix Kulov zu seinem Premierminister. Die Verbindung zwischen beiden gilt als ein kluger Schachzug, gelang es doch so, sowohl Vertreter des Nord- als auch des Südteils des Landes in die Regierung einzubinden (vgl. Eschment 2005: 4). Politisch zeichnen sich aber zwischen beiden immer mehr prinzipielle Unterschiede ab. Das Parlament, dessen umstrittene Wahl den Sturz Akaevs ausgelöst hatte, blieb weiterhin bestehen. Es wird stark von Geschäftsleuten dominiert, denen vielfach enge Kontakte zum kriminellen Milieu nachgesagt werden (vgl. Eschment 2005: 5). Als Bakiev eine Neubesetzung der Ämter anordnete, brachen in Südkirgistan regelrechte Kämpfe um diese aus. Viele Menschen setzen nun auf Selbsthilfe, um ihre Interessen durchzusetzen. Das Erstürmen von Gerichten, Verwaltungsgebäuden und Industriebetrieben ist zu einem regelrechten «Volkssport» geworden (Eschment 2005: 3). Vielfach kommt es, vor allem im Umkreis der Hauptstadt, zu Landbesetzungen durch Zuwanderer, die „nicht länger auf die Einlösung ihres gesetzlichen Anspruchs auf Zuweisung von Bauland warten wollen“ (Eschment 2005: 3). Der eigene Gewinn und alte Loyalitäten stehen bei diesen Aktionen im Vordergrund, politische Inhalte für die Gesamtgesellschaft werden kaum ernsthaft formuliert. Die grassierende Armut und der Wegfall staatlicher sozialer Systeme hat in der Bevölkerung zu dieser Mentalität der Selbsthilfe geführt. Damit geht jedoch eine Atmosphäre generellen Mißtrauens einher und es sinkt die Akzeptanz für Andere, denn der Gewinn des einen wird stets als Verlust des anderen aufgefasst (vgl. Koichumanov 2005: 14).

Viele internationale Beobachter betrachten Kirgistan jetzt als das unstabilste Land der Region (u,a. Pannier 04.02.2006). Die International Crisis Group bezeichnet Kirgistan sogar als „faltering state“, da der Staat nicht mehr für die innere Sicherheit sorgen kann und die Regierung in interne Kämpfe verstrickt ist (International Crisis Group 16.12.2005). „There is a real risk, that the central government will lose control of institutions and territory, and the country will drift into irreversible criminality and permanent low-level violence.“ (ebd.)

III. Die Politische Kultur Kirgistans: eine spezifische Form der Moderne

3.1. Formelle und informelle politische Institutionen

„[In Kyrgyzstan] two economies, and thus two ‚policies’ existed: the official policy of the state, and real policy. The latter determined the hierarchy and ‚rules of the game’ for both the shadow economy and government itself.“ (Koichumanov et. al. 2005: 13f)

Die politische Kultur Kirgistans ist demnach charakterisiert durch das Nebeneinander zweier Institutionen. Eine Institution ist nach O’Donnell "a regularized pattern of interaction that is known, practised, and accepted (if not necessarily approved) by actors who expect to continue interacting under the rules sanctioned and backed by that pattern" (O’Donnell 1996:36, nach: Stefes 2003: 121). Institutionen können einerseits formell sein, das heißt ihre Form ist niedergeschrieben und damit veränderbar. Der Staatsaufbau, wie er von der Verfassung geregelt ist, ist ein Beispiel für eine formelle Institution. Informelle Institutionen erscheinen demgegenüber als „naturwüchsig“ (Stefes 2003: 121), sie sind nirgendwo niedergeschrieben und dennoch allen Akteuren bekannt (vgl. ebd.: 121f). Die Klans in Kirgistan, als Netzwerke gegenseitiger Hilfe, sind solche informellen Institutionen.

Der Staat, als formelle Ordnung, ist gekennzeichnet durch seinen absoluten Geltungsanspruch. Nach Anter ist der "Staat [eine] politische Gemeinschaft, die sich nach außen von anderen Einheiten abgrenzt und nach innen die potentiellen Konflikte innerhalb der durch das Gewaltmonopol gewährleisteten Ordnung zu lösen vermag" (Anter 2003: 39). Als „Ordnung der Ordnungen“ (ebd.: 37) hat der Staat also eine friedensstiftende Funktion. Die Garantie von Ordnung und Sicherheit ist die wesentlichste Funktion eines Staates (vgl. ebd.). Im Rahmen dessen soll er vor allen Dingen das materielle Überleben der Bevölkerung sichern. In einem demokratischen System gewährleistet er zusätzlich den Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen und soll möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen innerhalb seiner Grenzen mit einbeziehen. Dies geschieht, indem er zum Beispiel den Respekt gegenüber Minderheiten institutionalisiert (vgl. Rüb 2003: 60). Der demokratische Rechtsstaat soll Pluralität gewährleisten, indem er in dieser Pluralität Ordnung garantiert (ebd.: 42). „Demokratie verlangt eben effektive Staatlichkeit ebenso wie die Akzeptanz einer von den Bürgern als legitim erachteten politischen Gemeinschaft.“ (Bendel/Krennerich 2003: 21). Für die Erfüllung dieser Aufgaben werden ihm Machtmittel, nämlich das charakteristische Gewaltmonopol, zugestanden.

Informelle Ordnungen können neben den staatlichen formellen Institutionen existieren. Sie sind auch charakteristisch für nichtstaatliche Kulturen. In Kirgistan, genau wie in vielen anderen Entwicklungsländern, sind Netzwerke gegenseitiger Hilfe eine solche informelle Institution (vgl. Stefes 2003: 120). Traditionell beruhte die politische Organisation auf verwandtschaftlich organisierten Einheiten, den Großfamilien, Lineages, Stämmen und Stammeskonföderationen. Sie waren vertikal durch die Prinzipien Alter, Geschlecht, sozialer Status (vgl. Krader 1963) differenziert. Jeder Einheit stand ein Führer vor. Auf horizontaler Ebene standen die Führer gleichgroßer Einheiten miteinander in enger, nicht immer friedlicher, Beziehung. Mit der Etablierung des Staates in sowjetischer Zeit, entwickelten sich aus diesen informellen, verwandtschaftlich organisierten Einheiten, die für Kirgistan typischen Netzwerke gegenseitiger Hilfe, die charakteristischen Klans (vgl. Stefes 2003: 123). Vertikal durch Patron-Klient-Beziehungen integriert (vgl. ebd.), wurden diese Netzwerke in Kirgistan nie allein entlang ethnischer Grenzen gebildet. Mitglieder unterschiedlicher Ethnien können, wie in vorstaatlicher Zeit, demselben Klan angehören und die Brüche innerhalb der kirgisischen «Titularethnie» sind teilweise größer, als die zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen (vgl. Lowe 2003: 125).

Die politische Kultur der Sowjetunion, zumindest diejenige ab den 1960er Jahren, bestand aus zwei eng miteinander verwobenen Strängen, den staatlich-formalen Institutionen und den informellen korrupten Netzwerken. Beide legitimierten sich dadurch, dass sie das materielle Überleben der Bevölkerung sicherten, Ordnung und Verlässlichkeit ermöglichten. Dabei gelang es ihnen, sich in weiten Teilen gegenseitig zu bedingen und zu ergänzen. Die „klientelistischen Austauschbeziehungen wurden hochgradig institutionalisiert“ (Stefes 2003: 125), der Staatsapparat bekämpfte nicht die Korruption, sondern sie war sein integraler Bestandteil. Die staatlichen Institutionen hatten einen totalitären Machtanspruch, wollten zentral alle Angelegenheiten im Leben der Bürger regeln. Dieser Anspruch wurde in der Praxis nie ganz durchgesetzt, dafür sorgte die Korruption. Sie schränkte die Machtfülle des Staates ein und erlaubte Freiräume. Dabei speiste sie sich nach Stefes (2003) aus drei Quellen: den Schmiergeldern, die für alle staatlichen Leistungen gezahlt wurden, der Veruntreuung großer Beträge, und der Mangelwirtschaft. Diese Mangelwirtschaft, wiederum bedingt durch Veruntreuung und Schmiergeldzahlungen, ließ einen gewaltigen Schwarzmarkt entstehen.

Dieser Schwarzmarkt überbrückte Versorgungsengpässe, die ansonsten zu einem Legitimitätsverlust staatlicher Strukturen geführt hätten. Er war auch die wichtigste Quelle für das illegale Einkommen der staatlichen Vertreter (vgl. Stefes 2003: 126). Einfache Bürger ohne die nötigen Ressourcen, nämlich Geld und Beziehungen, waren von diesen Netzwerken ausgeschlossen. Sie hatten wenig bis gar keinen Einfluss auf die Profiteure des Systems. Es gab nur einen Weg zu Macht und Reichtum, denjenigen über die Partei und den Staatsapparat. Die einfachen Bürger wurden so von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Dennoch war ihr materielles Überleben durch den Staat gesichert. Der Staat erfüllte also seine wesentlichen Funktionen und wo er versagte, so auf dem Feld politischer Teilhabe und in der Versorgung mit Konsumgütern, standen die informellen Netzwerke denjenigen offen, die über die nötigen Ressourcen verfügten.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre hat sich das Gleichgewicht zwischen formeller und informeller Sphäre in der Region eindeutig zu Gunsten letzterer verändert. Nicht nur in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, sondern weltweit, kam es zu einer „Krise der Staatlichkeit“ (Anter 2003: 45), höhlte die „Entgrenzung der Ökonomie“ (ebd.: 48), die neoliberale Globalisierung, die Staatssouveränität aus. Ganz besonders in den postsozialistischen Staaten wurde ein radikaler Rückzug des Staates propagiert. Die marktwirtschaftlichen Empfehlungen des IWF sahen vor, durch schnellstmögliche Privatisierung und Liberalisierung den Anschluss an den kapitalistischen Weltmarkt zu finden. Es kam zu einer tief greifenden wirtschaftlichen Krise, zur Verarmung großer Bevölkerungsschichten. Indem sich der Staat gerade aus dem sozialen Bereich massiv zurückzog, verlor er an Legitimität. Er erfüllte die an ihn gestellten Erwartungen, nämlich die Grundversorgung zu sichern, nicht mehr. Stattdessen gewannen die informellen Netzwerke an Macht. Ihre Führer waren es, die am meisten von der Privatisierung profitiert hatten und nun über große Ressourcen verfügten. So waren es meist dieselben Personen, dieselben Klans, die an der Macht blieben (vgl. Stefes 2003: 127). Das Klan-System, das sowohl in vorsowjetischer als auch in sowjetischer Zeit wurzelte, wurde zum dominierenden Bezugsrahmen und schloss immer mehr Personen ein. Neben den vorrangig politisch-ökonomischen Funktionen der Sowjetzeit, übernahmen die Klans der Neuzeit auch wieder soziale Aufgaben, waren wieder stärker an Verwandtschaft und persönlichen Bindungen orientiert. So wurde beispielsweise eine Lehrerin in der Stadt, der so gut wie kein Lohn mehr gezahlt wurde, von Teilen ihrer Großfamilie aus dem Dorf mit dem Lebensnotwendigen versorgt.

Im Gegenzug verhalf sie vielleicht dem Nachbarskind zu einem guten Diplom, indem sie ihre Beziehungen an Schule und Universität nutzte. Ein Bankangestellter aus demselben Dorf besorgte der Lehrerin einen besonders günstigen Kredit. Die Lehrerin, ihre engere und weitere Familie, wie auch die übrigen Dorfbewohner waren bereit, dem Bankangestellten einen Gefallen zu tun, nämlich bei der nächsten Kommunalwahl für dessen angeheirateten Onkel zu stimmen.

Die Klans sorgen für die Grundversorgung, die Altersversorgung, Gesundheit und Bildung ihrer Mitglieder und setzen dabei staatliche, formelle Regeln außer Kraft. Die Netzwerke der Klans reichen über Patron-Klient-Beziehungen bis in die abgelegenen Dörfer und Regionen, verbinden Subklans mit den dominierenden Klans der Hauptstadt (vgl. Stefes 2003: 128f).

Es war vor allem der Legitimitätsverlust des Staates, der umso schwerer wog, je massiver die wirtschaftlichen Probleme ausfielen, der eine tatsächliche Demokratisierung in den postsozialistischen Staaten verhinderte. Das Problem wird durch Claus Offe folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Marktwirtschaft kommt nur unter vordemo­kratischen Bedingungen in Schwung. Um sie zu fördern, müssen demokratische Rechte zurückgedrängt werden.“ (Offe 1995: 70-71, zitiert nach Tetzlaff 1997: 32). Die Marktwirtschaft wurde als ein politisches Projekt in Rekordgeschwindigkeit eingeführt, der Aufbau eines funktionsfähigen, effizienten Staates als Voraussetzung für eine Demokratie (vgl. Bendel/Krennerich: 21ff) wurde jedoch vernachlässigt. Es lassen sich demzufolge in den postsowjetischen Ländern, die sich durch hohe Erwartungen an den Staat bezüglich der materiellen Grundsicherung auszeichnen, zwei idealtypische Regimeformen abgrenzen.

Einerseits die autoritär-repressiven Regime. Hier wird der Legitimitätsverlust des Staates durch Repression ersetzt. Die informellen Netzwerke sind auf den Präsidenten zentriert und sind vordergründig politisch-ökonomische Seilschaften. Wie zu sowjetischer Zeit, werden Macht und Einfluss von oben nach unten verteilt, kann von unten kaum politischer Einfluss ausgeübt werden. Staatsapparat, wirtschaftliche Elite und Klan des Präsidenten sind mehr oder weniger deckungsgleich (vgl. Mangott 1996: 103). Wer weder über Geld, noch über Beziehungen zum Präsidentenklan verfügt, kann nur noch sporadisch auf die Minimalversorgung durch den Staat vertrauen. In autoritären Regimen sind insgesamt relativ wenige Menschen in den überregionalen Klans integriert. Opposition wird mit Repression beantwortet, die Souveränität des Staates nach innen und nach außen ist nicht in Gefahr. Turkmenistan unter Niyazov, Weißrussland unter Lukaschenko und Usbekistan unter Karimov sind sicherlich die extremsten Beispiele. Aber auch Putins Russland weist zunehmend solch autoritär-repressiven Züge auf (vgl. Human Rights Watch 2006: 337ff).

Die zweite Regimeform wird unter anderem von Stefes als „illiberale Demokratie“ (Stefes 2003: 120) bezeichnet. Darunter versteht er „alle politischen Regime […], in denen zwar demokratische Grundfreiheiten gewahrt bleiben, jedoch weitergehende Rechte - wie das Recht auf Eigentum, einen fairen Prozess und Privatsphäre - von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren regelmäßig verletzt werden.“ (ebd.) Die Verfassung des Staates ist nicht nur rein formal demokratisch, es finden tatsächlich regelmäßig verhältnismäßig freie Wahlen statt. Informelle Klans bilden jedoch ein System der Korruption, das «echte» Demokratie nach westlichem Vorbild verhindert (vgl. ebd.: 123). Es existiert nicht nur ein einziger Klan, sondern verschiedene Netzwerke konkurrieren um Einfluss. Das korrupte System ist dezentralisiert. Die Regierungspartei und der Präsident sind nicht die Zentren, auf die sich alle klientelistischen Netzwerke beziehen. Verschiedene Klans gehören entweder selbst der Opposition an oder profitieren davon, Regierungsvertreter mit der möglichen Unterstützung der Opposition unter Druck zu setzen (ebd. 134f). Bürger ohne die notwendigen Ressourcen, Geld und Beziehungen, können auch in solchen „illiberalen Demokratien“ kaum ihre Rechte durchsetzen (ebd.: 130). Da die Verteilung der Macht jedoch nicht nur von oben nach unten verläuft, sondern jeder Staatsbürger zumindest über eine Stimme verfügt, die er ‚verkaufen’ kann, hat er etwas mehr Einfluss als in autoritär-repressiven Regimes (vgl. Lowe 2003: 125f).

Im Folgenden sollen diese theoretischen Überlegungen auf die Situation im unabhängigen Kirgistan angewandt werden.

3.2. Informelle Dynamiken in Kirgistan

In Kirgistan wurden nach der Unabhängigkeit 1990 formell demokratische Strukturen geschaffen. Präsident Askar Akaev wurde in recht fairen Wahlen gewählt. Der Staat und seine Institutionen verloren jedoch in der sich immer weiter verschärfenden wirtschaftlichen Krise in den 1990er Jahren auf die gerade beschriebene Weise ihre Legitimität, während das Vertrauen in die persönlicheren Klans stieg.

Dennoch bezeichneten internationale Beobachter Kirgistan unter der Führung Askar Akaevs in den 1990er Jahren als ein „Island of Democracy“ (vgl. Anderson 1999; Koichumanov et. al. 2005: 25) inmitten der ansonsten autoriär regierten Länder Zentralasiens. Tatsächlich kann Akaevs Führungstil zumindest in der ersten Hälfte der 1990er Jahre nach der Klassifizierung von Jackson und Rosberg als „oligarchic, princely Rule“ (Jackson/Rosberg 1982:77f) bezeichnet werden. Ein solcher „Prince“ verfolgt die «Teile und Herrsche»-Devise (vgl. ebd.). Auch Akaev versuchte möglichst alle Klans und sonstige gesellschaftlich bedeutenden Kräfte in seine Herrschaft einzubinden und dabei gleichzeitig den eigenen, nördlichen Klan in das Zentrum des Staates zu stellen. Das Motto «unser gemeinsames Haus Kirgistan» kann als Stichwort für diese Politik gelten.

Als sich die wirtschaftliche Lage in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre immer weiter verschlechterte, schwanden auch die staatlichen Ressourcen. Die Legitimitätskrise des Staates verschärfte sich, gleichzeitig politisierten sich immer mehr Gruppen und stellten Forderungen nach Teilhabe. Die Zivilgesellschaft, genau wie die korrupten Klans, wurde stärker und differenzierte sich aus. Als Reaktion darauf wurde Akaevs Politikstil beständig autoritärer (vgl. Jackson/Rosberg 1982: 78). Er konzentrierte mittels Verfassungsänderungen immer mehr politische Macht in seiner Hand und marginalisierte dadurch andere staatliche und nichtstaatliche Institutionen (u.a. Eschment 2005: 2f). Er bemühte sich seine Macht trotz der sich beständig verschärfenden Krise zu konsolidieren. Schließlich beherrschte der Akaev-Klan nicht nur den Staat, sondern auch die profitabelsten Wirtschaftszweige und die wichtigsten Medien (vgl. Halbach/Eder 2005: 3). Auf diesem Weg schloss Akaev immer mehr gesellschaftliche Gruppen aus, verschärfte er die Repression gegen Oppositions­politiker. Um die Jahrtausendwende wurde es immer offensichtlicher, dass der kirgisische Staat nicht mehr in der Lage war, die an ihn gestellten Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen. Weder konnte er angesichts des Eindringens usbekischer Terroristen und verschiedener gewalttätiger Konflikte, zum Beispiel den «Aksy-Konflikt» im März 2002, die innere Sicherheit und Ordnung garantieren, noch schaffte er es die sozialen Systeme wieder zu beleben. Dem Regime Akaev wurde das Vertrauen entzogen. Um sich angesichts der Unzufriedenheit der Bevölkerung weiter an der Macht halten zu können, fälschte Akaev die Wahlen, änderte die Verfassung und versuchte die Opposition auszuschalten. Ihm mangelte es jedoch an den nötigen Machtmitteln für eine härtere Gangart (Eschment 2005: 2). Als es im März 2005 zum Umsturz kam, wurde dies besonders offensichtlich.

Die Polizei erklärte sich sogleich mit den Demonstranten solidarisch. Akaev war es nicht gelungen, den eigenen Klan zum Zentrum der klientelistischen Beziehungen zu machen, zugleich hatten andere Klans ihren Einfluss keineswegs verloren. Die Legitmitätskrise des Staates war zu einer Legitimitätskrise auch des Akaev-Regimes geworden, der der Präsident nichts entgegenzusetzen hatte.

Seit dem Umsturz im März 2005 konsolidiert sich das korrupte System der verschiedenen Klans. Stefes weist in Georgien und Armenien nach, wie sich verschiedene Klans absprechen und Einflusssphären demarkieren (Stefes 2003: 128f). Ähnliches kann heute auch in Kirgistan beobachtet werden: Der neue Präsident Bakiev aus dem Süden und sein Premierminister Felix Kulov, der Vertreter des Nordens, teilen sich zur Zeit die politische Macht im Land. Patron-Klient-Beziehungen sind im Rahmen von Klans, Netzwerken gegenseitiger Hilfe, zur alles andere dominierenden gesellschaftlichen Ordnung geworden. Zwischen den einzelnen Netzwerken, zwischen Individuen und Gruppierungen und zwischen Bürgern und Regierung herrscht „an atmosphere of collective mistrust“ (Koichumanov et. al 2005: 14), da alle in Abwesenheit einer staatlichen „Ordnung der Ordnungen“ (Anter 2003: 37) um knappe Ressourcen konkurrieren. Die Ankündigungen der Regierung, die Korruption zu bekämpfen, bleiben auf Absichtsebene. Im besten Fall kann ein politischer Konkurrent durch den Vorwurf der Korruption ausgeschaltet werden. Das Gewaltmonopol des Staates kann immer weniger aufrechterhalten werden, es kann nicht durch Leistungen des Staates legitimiert werden. Tatsächlich scheint es so, dass nun lediglich der Bakiev-Klan den Akaev-Klan ersetzt, ohne dass sich wirklich etwas in der politischen Landschaft Kirgistans verändert (vgl. Eschmont 2005: 6ff). Die Lokalherrschaft der Gouverneure verselbständigte sich stark im Verlauf des letzten Jahres, Antikorruptionsmaßnahmen verliefen mangels Engagement der Regierungsvertreter im Sande (ebd.).

3.3. Internationale und Regionale Interessen: ein destabilisierender Faktor

Im 21. Jahrhundert steht kein Staat isoliert von globalen Entwicklungen. Politische, ökonomische und auch zivile Institutionen und Organisationen agieren weltweit. Kirgistan liegt in einem sehr sensiblen Gebiet, in dem sich verschiedenste Interessen überschneiden. China, Russland, die USA, sowie die EU haben spätestens seit Beginn des «Kampfs gegen den Terrorismus» ein starkes Interesse an der Region und konkurrieren um militärischen und ökonomischen Einfluss. Die Rohstoffvorräte der an Kirgistan angrenzenden, zentralasiatischen Staaten sind immens, das Interesse der Großmächte und multinationaler Konzerne dementsprechend groß. Gleichzeitig sind Kirgistan und die anderen postsowjetischen Staaten Zentralasiens Zielpunkte für eine islamische «Remissionierung», vor allem von Saudi-Arabien ausgehend, und für islamisch-fundamentalistische Ideologien. Sowohl Russland als auch amerikanische und internationale Initiativen stehen im Verdacht, Unruhen in Kirgistan zu schüren. Der Machtwechsel 2005 wurde zumindest finanziell von internationalen Stiftungen unterstützt.

Auch regional kann Kirgistan kaum isoliert betrachtet werden. In den umliegenden Ländern sind mehr oder weniger autoritative Regime an der Macht. Aus dem Machwechsel 2005 und der folgenden Destabilisierung in Kirgistan, ziehen sie den Schluss, oppositionelle Tendenzen im eigenen Land möglichst schnell und radikal zu unterdrücken (vgl. International Crisis Group 16.12.2005). Als am 13.05.2005 eine große Menschenmenge im usbekischen Andijan, im Fergana-Tal, gegen die autoritäre Regierung Karimov demonstrierte, erteilte der Präsident den Schießbefehl. Hunderte Tote und Verletzte waren die Folge und bedeuteten ein vorläufiges Ende der Protestbewegung in Usbekistan.

Fazit und Ausblick

In Kirgistan hat sich demzufolge aus der lokalen Tradition, der geschichtlichen Entwicklung und aus globalen, vor allem europäischen, Einflüssen eine spezifische Form des politischen Systems entwickelt. Wie in anderen außereuropäischen Staaten, sind es hier im Endeffekt auf persönlichen Beziehungen beruhende Klans, die eine große informelle Macht besitzen. In den Analysen westlicher NGOs (u.a. International Crisis Group; Human Rights Watch) und Politikwissenschaftler (u.a. Koichumanov et. al. 2005; Eschment 2005; Halbach/Eder 2005) wird gerade dieser Aspekt vernachlässigt. Es wird häufig in europäischen Kategorien, z.B. von «Zivilgesellschaft», «Korruption», «Partei» etc. gedacht, ohne zu erkennen, dass diese Begriffe in der kirgisischen Kultur mit anderem Inhalt gefüllt sind. Westliche Beobachter konzentrieren sich stark auf die formelle Sphäre, da sich das moderne, westeuropäische System durch eine Trennung von Staat und Gesellschaft auszeichnet. Dies wird besonders in den Konzepten «Zivilgesellschaft» und «Korruption» deutlich. Diese Trennung findet sich, wie gezeigt wurde, nicht in Kirgistan. Hier fallen Staat, Gesellschaft und Ökonomie weitgehend zusammen. Forderungen nach einer Stärkung des Staates gegenüber der Gesellschaft (u.a. Koichumanov et. al. 2005), nach einer effektiven Bekämpfung der Korruption (u.a. Eschment 2005) werden somit ohne praktische Konsequenz bleiben. Konflikte werden häufig auf ethnische Unterschiede reduziert ohne ihre informellen Aspekte zu beachten. Dabei wurden die Grenzen der informellen Klans bisher kaum entlang ethnischer Linien gezogen, spielte die ethnische Komponente in den Auseinandersetzungen eine verhältnismäßig geringe Rolle. Dies ist eine interessante Komponente in der politischen Kultur Kirgistans, welche sie von derjenigen anderer fragiler Staaten, zum Beispiel Afghanistan und Irak unterscheidet. Ethnische Konflikte sind in multinationalen Staaten nicht gleichsam naturbedingt vorprogrammiert, sie setzen eine Politisierung der ethnischen Gruppen voraus, ein „ethnic consciousness“ (Wallerstein 1973: 168ff).

Der Zusammenbruch der staatlichen formellen Institutionen ist also „[…] nicht mit Chaos und Anarchie gleichzusetzen, man muss auch nach informellen Normen und Regeln suchen, die das Handeln der staatlichen Akteure bestimmen.“ (Stefes 2003: 130). Im Folgenden soll davon ausgehend dieser Aspekt berücksichtigt werden, Gefahren und Chancen der zukünftigen Entwicklung aufgezeigt werden.

Im gegenwärtigen Kirgistan herrscht nicht nur ein Klan, wie in vielen autoritären Regimes. Dadurch versuchen immer mehr Gruppen, sich politisch durchzusetzen. Ethnische Gruppen sind im Vergleich zu anderen relativ leicht politisierbar, da Sprache, bestimmte Traditionen oder ähnliches, als gruppendefinierende distinktive Merkmale zur Verfügung stehen (vgl. Wallerstein 1973: 168ff). In Kirgistan kam es im vergangen Jahr immer häufiger zu Zusammenstößen zwischen ethnischen Gruppen. Falls es zu einer umfassenden Politisierung der Ethnizität bzw. Nationalität kommt, besteht die Gefahr, dass Gewalt auch gegen völlig Unbeteiligte ausgeübt wird, die nur zufällig der konkurrierenden ethnischen Gruppe angehören. Dies könnte zu einer weiteren Destabilisierung und im schlimmsten Falle zu Bürgerkrieg führen. Eine andere Gefahr besteht darin, dass sich ein Klan, zumindest regional, durchsetzt und immer mehr Macht in den Händen seines Führers konzentriert. Der ausbalancierende Effekt der Wahlen würde in diesem Falle, mangels Opposition und aufgrund von Wahlfälschungen wegfallen. Autoritär-repressive Regime, Warlords wie in Afghanistan, würden letztlich dafür sorgen, dass tatsächlich nur noch das Recht des Stärkeren gilt.

Es gibt aber auch einige positive Aspekte der gegenwärtigen Situation in Kirgistan. Die Klans sind dezentralisiert und profitieren eher von einer horizontalen Verteilung der Einflusssphären. Sie haben kein Interesse an der Rückkehr eines autoritären Systems. Aufgrund regelmäßiger Wahlen sind die Mächtigen gezwungen, zumindest einen kleinen Teil ihres Reichtums im Rahmen der gegenseitigen Hilfe nach unten umzuverteilen. Sie müssen sich schließlich beständig der Gunst ihrer Anhänger versichern. Die Bevölkerung ist politisch sehr aktiv, auch wenn es nicht um politische Inhalte, sondern vor allem um Personen geht. Viele Menschen setzen auf Selbsthilfe und schließen sich in Gruppen zusammen, um ihre Rechte durchzusetzen. Die Schwäche des Staates sorgt so zu einer Verlagerung auf die „Input-Seite der Politik“ (Rüb 2003: 65). Das politische System wird so von immer mehr Menschen als «machbar», als selbst gestaltbar, erfahren. Dies sind prinzipiell gute Voraussetzungen für die Ausbildung einer kirgisischen Form des modernen Staates, einer Verbindung lokaler Merkmale mit modernen Prinzipien, wie der Beteiligung aller Bürger an der Politik.

Angesichts vielfältiger, einander widersprechender, internationaler Interessen an der Region und der Vorliebe internationaler Geldgeber für einen einzelnen Ansprechpartner, ist es jedoch wahrscheinlicher, dass ein autoritäres Regime die Macht übernimmt oder das Land durch den Kampf um die Vorherrschaft in tatsächliche Anarchie abgleitet. Die vielfältigen Einwirkungen von außen erschweren also eine Stabilisierung Kirgistans und verhindern lokale Lösungsversuche.

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[...]


[1] Der offizielle Name des Landes ist Kirgiskaja Respublika, Kirgisische Republik. Als Kurzform wird er auf verschiedene Arten ins Deutsche übersetzt: Kirgisien, Kirgisistan, Kirgistan. Hier wird, analog zur kirgisischen, russischen und englischen Version, der Name Kirgistan verwendet.

[2] Die Zahl der angegebenen Opfer schwankt zwischen 3 und 10 für die Zeit des Umsturzes.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Analyse: Askar Akaev - Politische Kultur in Kirgistan
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Völkerkunde)
Veranstaltung
Politische Führung und politische Kultur in außereuropäischen Gesellschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
40
Katalognummer
V111014
ISBN (eBook)
9783640091225
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Askar, Akaev, Politische, Kultur, Kirgistan, Politische, Führung, Kultur, Gesellschaften
Arbeit zitieren
Jana Dümmler (Autor:in), 2006, Analyse: Askar Akaev - Politische Kultur in Kirgistan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111014

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