«Schwarzer Engel in Mönchskutte» - Elemente einer Reportage


Hausarbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ziel der Arbeit
1.2. Ausgangslage

2. Hauptteil
2.1. Die Definition
2.2. Das Porträt
2.3. Das Interview
2.4. Das Feature
2.5. Die Recherche
2.6. Die Gliederung
2.7. Zusammenfassung
2.8. «Schwarzer Engel in Mönchskutte»

3. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Ziel der Arbeit

«Es ist bezeichnend für die Situation des deutschen Journalisten, dass es für ihn bis heute kaum ein praktisches Lehrbuch gibt, dafür um so mehr Publikationen über‚ Zeit-tungswissenschaft’» hält Werner Friedmann in einem Vorwort aus dem Jahre 1966 fest.1 Auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erscheint zwar jährlich eine angehäufte Lesestoffsammlung zu wissenschaftlichen Themengebieten der Kommunikationswis-senschaft und Publizistik. Journalistische Hand- oder Lehrbücher bilden jedoch eher die Ausnahme insbesondere gibt es wenig praktische Ratgeber über das Verfassen von Reportagen.

Die vorliegende Arbeit stellt sowohl einen Erfahrungsbericht als auch im weitesten Sinne eine Kompilierung dar. In den zunächst folgenden Abschnitten werden die wich-tigsten Themengebiete einer Reportage kurz vorgestellt. Herangezogen werden vor allem zwei als mittlerweile Standardwerk geltende Handbücher: Aus dem eingangs zi-tierten «ABC des Reporters. Ein Handbuch für Journalisten» und «Das neue Handbuch des Journalismus».2 Beide Handbücher lehren das Schreiben einer Reportage. Mich interessierte, wie sich das empfohlene Vorgehen im Falle meiner Reportage in der Pra-xis gestaltet. Gibt es Übereinstimmungen mit den Lehrbuchmeinungen oder sieht eine Berichterstattung vor Ort ganz anders aus? Auf diese Fragen wird in einem Resümee jeweils kurz eingegangen.

1.2. Ausgangslage

Im späteren Hauptteil (unter Punkt 2.7.) liegt die Reportage «Schwarzer Engel in Mönchskutte» vor, wie sie in ihrem Umfang in einer regionalen Tageszeitung er-scheinen könnte. Ein Rockmusiker, der eines Tages Lederkluft gegen Mönchskutte ein-tauscht und statt dröhnendem Showbusiness die Stille eines Klosters sucht. Pater Bruno (63) hat diesen Schritt vor sechzehn Jahren gewählt. «Ich bin mir dessen bewusst, dass ich die Aufmerksamkeit der Medien auf mich ziehe»,3 nicht nur das Schweizer Fern-sehen DRS hat reagiert und ihn zu einer Talk-Sendung eingeladen,4 auch ein Zürcher Privatsender5 zeigte ein mediales Interesse an seiner Person. Darüber hinaus haben wei-tere Schweizer Tageszeitungen über ihn berichtet.

Nebst diesem ungewöhnlichen Lebensweg, der zweifelsfrei Stoff für neugierige Zei-tungsleser bietet, lagerte mein persönliches Interesse anderswo. Pater Bruno, sein bür-gerlicher Name lautet Bruno Greis, sein Künstlername war Harry Stone, wohnte wie ich in Schaffhausen in der Schweiz, von wo er seine Rockmusikkarriere startete, die ich als sein weit jüngerer Zeitgenosse mitverfolgte. Harry Stone spielte Keyboards in der Hard-rockband «Black Angels». Als sich deren musikalische Aktivitäten allmählich ein-stellten, kam die Nachricht über Bruno Greis’ Entschluss eines zurückgezogenen Le-bens im Kloster für alle sehr überraschend. Was gab den Anlass zu dieser Entschei-dung? Wo liegen die Bruchstellen, falls es überhaupt solche gibt? Nicht nur meine jour-nalistische Neugier war von Berufes wegen geweckt. Auch aus persönlichen Gründen beschloss ich, den Faden aufzunehmen, um diesem Hintergrund nachzuspüren.

2. Hauptteil

2.1. Die Definition

Carl Warren gilt als ein unbestrittener Fachmann des Journalismus seit dem frühen Auf-kommen der Massenmedien in den Vereinigten Staaten von Amerika. Seine erworbenen Kenntnisse hielt er bereits 1934 im zunächst auf englisch erschienenen Buch «Modern News Reporting» fest, worin er verschiedene Methoden der Berichterstattung ent-wickelte. Dem eigentlichen Thema Reportage ist jedoch nur ein kleiner Teil gewidmet. Warren beleuchtet vorwiegend andere Themengebiete wie beispielsweise «die Nach-richt» oder «das Interview» etc. Trotz den «Ratschlägen eines ‚alten Hasen’»6 findet sich bei Warren keine bündige Kurzdefinition einer Reportage. Doch darüber gibt das «Sachwörterbuch der Literatur» wie folgt Auskunft:

«Reportage (franz. =) Berichterstattung für Zeitung oder Rundfunk als journalistische Gebrauchsform, gekennzeichnet durch Nähe zur objektiven und dokumentarisch nach-prüfbaren Wirklichkeit und leidenschaftslos sachliche Schilderung des Details im Ideal-fall ohne einseitige Tendenz, allenfalls aus der Perspektive des Berichters, in der Praxis jedoch vielfach ein Exercitium in Parteilichkeit. Als tagesgebundene Sachdarstellung rasch vergessen und nur in seltenen Fällen (...) von grösserem lit. Wert».7

Paul-Josef Raue und Wolf Schneider sind im deutschen Sprachraum als ausgezeichnete Stilisten und Sprachbeobachter längst bekannt. Alleine Wolf Schneider schrieb, nebst seiner Dozententätigkeit an verschiedenen renommierten Journalistenschulen, 23 Sach-bücher, wovon fünf als journalistische Standardwerke gelten. «Das Neue Handbuch des Journalismus» widmet der Reportage zwei grössere Kapitel. Folgende Reportage-Defi-nition findet sich dort:

«Wer schlicht, anschaulich und wahr erzählt, der schreibt eine Reportage. Ihr Spektrum reicht von der literarischen Reportage bis zur chronologisch erzählten Kurzreportage, die unmittelbar nach einem spektakulären Ereignis eilig geschrieben wird. Leser schätzen die Reportage mehr als die Nachricht, weil die Reportage ihnen die Chance bietet, ein Geschehen zu verfolgen, als wären sie selber dabei. So lässt der Reporter den Leser über die Schulter schauen».8

2.2. Das Porträt

Wurden weiter oben zwei Definitionen einer Reportage kurz umrissen, so ist zu be-rücksichtigen, dass es auch denkbare Mischformen der Reportagetechnik gibt. In einer Reportage fliessen Porträt, Interview und Bericht gleichsam mit ein. Darüber hinaus kann eine literarische Form entstehen. Letztendlich ist die Form gleichgültig, solange das Thema das Genre bestimmt. Menschen stehen im Mittelpunkt einer Reportage, und von ihnen soll so lebendig wie möglich erzählt werden. Ele Schöfthaler schreibt: «Das Porträt rechnet mit der Neugier der Lesenden»,9 um gleich an einer anderen Stelle anzu-schliessen, «im Porträt soll ein Mensch nicht so vorgestellt werden, wie ihn alle kennen. Es geht um das Hintergründige, um eine oder mehrere andere Seiten einer Person, die (...) kaum beachtet wurden».10 Antworten auf Fragen sind gewünscht, die der Leser selbst gerne stellen würde, hätte er die Gelegenheit dazu. Das können sehr persönliche Fragen oder freche (keine unverschämten) Fragen oder auch irritierende Fragen sein, welche möglicherweise einen unerwarteten Verlauf provozieren.

Ein Porträt lässt hinter die Kulissen blicken, der Leser fühlt sich angesprochen und fragt: Warum ist einer so, wie er ist? Was treibt jemanden dazu, das zu tun, was andere für merkwürdig oder ausserordentlich halten? Solcherlei Fragen haben im Laufe der Zeit die Aufmachung einer Zeitung geändert. Geschichten mit «human touch» sind gefragter denn je; die objektive Nachricht gehört zum Pflichtteil der Zeitung, Porträt und Reportage bilden die Kür.

Vorzugsweise werden berühmte Personen porträtiert, das scheint in der Natur der Sache zu liegen. Wenn die Person (noch) keinen Bekanntheitsgrad hat, so sollte zumindest sein Leben oder seine Beschäftigung für einen Bericht interessant sein. Ein Fehler, der dabei vielfach begangen wird: Der Reporter möchte die noch nicht bekannte Person all-zu betont als etwas Besonderes darstellen. Dies sollte jedoch aus dem Porträt selber her-aus deutlich werden. An beliebte Persönlichkeiten heranzukommen, ist insofern schwierig, da diese häufig keine Zeit für ein Gespräch finden. Alexander Osang bringt das so zum Ausdruck: «Verlierer haben oft mehr Zeit als Gewinner».11 Er erwähnt dies im Zusammenhang mit der Recherchetechnik des amerikanischen Reporters Gay Talese, der seine Methode «The Fine Art Of Hanging Around»12 nannte. Geduld haben und sich Zeit nehmen, seinen eigenen Beobachtungen trauen, das sind bestimmt drei Schlüsselqualifikationen beim Schreiben einer Reportage.

Das Porträtschreiben verlangt nach der Fähigkeit der Distanz zur eigenen Person. Nur dadurch erlangt man die Nähe zum anderen. Das heisst aber nicht, dass man das Fremde unkritisch ablehnt oder umgekehrt, das, was einem vertraut scheint, unkritisch ak-zeptiert. Das Ich des Schreibers hat in der Reportage nichts verloren. Jede Reportage mag zwar eine Selbsterfahrung des Schreibenden sein, damit sollte man es aber nicht übertreiben. Den Leser interessiert nicht, wie der Reporter sein Gegenüber einschätzt, der Leser will sich darüber selbst ein Bild machen und selbst urteilen.

Die meisten Porträts sind nach einem einfachen, jedoch wirkungsvollen Muster ge-schrieben:

1. Zuerst das Besondere, was gerade diese Person ausmacht. Dafür eignen sich Zitate aus einem Gespräch, das eigens für das Porträt geführt wurde. Am besten eine ver-blüffende oder widersprüchliche Aussage oder eine charakteristische Beschreibung. Im Idealfall aber eine Mischung von allem.
2. Im nächsten Schritt folgt die Karriere des Porträtierten. Eine zusammengefasste Form des Lebenslaufes, ohne jedoch einer monotonen Aufzählung zu folgen.

Resümee: «Reportagen sind ohne Menschen nicht denkbar (...)».13 Pater Bruno ist die zentrale Figur meiner Berichterstattung. Um ihn baue ich die ganze Geschichte auf, was insofern wichtig ist, als als es sich eben nicht um eine Sensationsreportage mit hohem Aktualitätsgrad handelt, sondern um eine sensible Annäherung an einen ausser-gewöhnlichen Menschen in seinem speziellen Aktionsfeld handelt. Auch wenn viele Medien, im Wissen um die Leserneugier, die porträtierten Menschen regelrecht in den Mittelpunkt zerren: Ein gewissenhafter Reporter schildert die Hauptperson mit genauen Beobachtungen, möglichst objektiv und respektvoll und veranschaulicht ein Stückweit die Biographie, die hinter der Person steckt. «Spiegel»-Reporter Jürgen Leinemann schreibt, «man möge seiner Zielperson unbefangen und unbelastet von zu viel Voraus-material entgegentreten».14

Vielfach stellt sich die Frage, ob man sich während des Gesprächs Notizen macht oder besser ein Tonband mitlaufen lässt. Persönlich würde ich zu Stift und Papier raten und den Kassettenrecorder ganz beiseite schieben. Es gibt Personen, die beinahe panikartig auf Aufnahmegeräte reagieren und darauf nur zögernd Einzelheiten von sich preis-geben. Dagegen können Stift und Papier mühelos weggeschoben werden. Seinem Ge-genüber demonstriert man damit, dass man sich voll und ganz auf ihn konzentrierte. Zu Hause am Schreibtisch werde ich mich dennoch an viele Einzelheiten erinnern können. Gerade im auditiven Zugang bleibt oftmals mehr im Gedächtnis haften, als man üblicherweise annimmt. Dazu nochmals Alexander Osang, wie er seine Begegnung mit Gay Talese schildert: «Ich stellte mein kleines Diktiergerät auf den Gartentisch, Talese sah es an. Ich hatte gelesen, dass er Diktiergeräte nicht mochte, weil sie Situationen zer-störten, weil sie für die Hatz und Oberflächlichkeit standen, für den Irrtum, mit ein paar Originaltönen, die jemand auf ein Band spricht, irgendetwas Originelles einzufangen. Wie Telefone untergraben sie die Kunst des Interviews, sagte er. Talese schrieb seine Beobachtungen am liebsten auf klein geschnittene Pappen aus einer Wäscherei».15 Es funktioniert also auch ohne die modernsten Mittel, vorausgesetzt, man arbeitet ziel-gerichtet und geht entsprechend gut vorbereitet an die Reportage.

2.3. Das Interview

Der Aspekt Interview ist hier als Bestandteil einer Reportage und nicht als eigen-ständige Gattung aufgeführt. Das Interesse gilt dem Gespräch mit beteiligten Personen innerhalb eines Berichtsumfeldes. Der Reporter spielt dabei eine vielfältige Rolle, um an Tatsachen und Meinungen aus erster Hand heranzukommen. Nach Warren tritt er gleichermassen «als Untersuchungsrichter und Detektiv, als aufmerksamer Zuhörer und vertrauter Freund auf».16 Hierbei erweist sich eine gute Vorbereitung als effizient, denn es ist absolut notwendig, aus einem vorliegenden Material den roten Faden zu spinnen.

Das Interview ist auch als geeignete Recherche-Form nicht zu unterschätzen, weil

< sich Fachleute zu einem aktuellen oder latent aktuellen Thema äussern;

< Meinungen darüber geniert werden;

< Ideen direkt aus erster Quelle entspringen;

< Menschen hinter einer Idee, einer Meinung oder einem ungewöhnlichen Ereignis sichtbar gemacht werden;

< Gewissheit darüber verschafft wird, ob ähnliches auch irgendwo anders stattfinden könnte.

Das Interview (franz. entrevue, aus dem englisch abgeleiteten Interview) ist eine leben-dige journalistische Form und hat die beste Wirkung live im Fernsehen oder über den Rundfunkkanal, wogegen das gedruckte Interview Änderungen benötigt, um als an-sprechend vom Leser aufgenommen zu werden. Raue/Schneider meinen sogar, dass der Reporter das «Endprodukt bis dicht an die Verfälschung des Originals herantreiben»17 sollte, falls der Befragte damit einverstanden ist, damit es der Lesefreundlichkeit diene. Inwieweit darf man in den originalen Wortlaut eingreifen? Raue/Schneider geben dazu zwei prägnante Lehrsätze: a.) Der Befragte erklärt, er wünsche nicht, dass der soeben von ihm gesprochene Satz verwendet werde. b.) Der Befragte hat sich mehrfach verhaspelt. Dies exakt wiederzugeben wäre ein Affront.18 Das gedruckte Interview ist somit immer ein Kunstprodukt. Von den gesammelten Notizen, Stenogrammen, Ton-bandprotokollen weicht das Interview um etwa 30% ab, wie im «neuen Handbuch des Journalismus» nachzulesen ist.19

[...]


1 Warren, 1966: S. 8.

2 Raue/Schneider, 1998.

3 Gespräch mit Pater Bruno am 22. Juni 2006.

4 Schweizer Fernsehen DRS, in der Sendung «Aeschbacher» vom 22.12.05.

5 Tele Züri, in der Sendung «Talk täglich» vom 17.04.2006.

6 Warren, 1966: S. 16.

7 Wilpert, 1979: S. 674.

8 Raue/Schneider, 1998: S. 118.

9 Hess, 1992: S. 177.

10 Hess, 1992: S. 177.

11 Osang, 2005: S. 8.

12 Osang, 2005: S. 8.

13 Raue/Schneider, 1998: S. 131

14 Leinemann in Raue/Schneider, 1998: S. 134.

15 Osang, 2005: S. 10.

16 Warren, 1966: S. 72.

17 Raue/Schneider, 1998: S. 84.

18 Raue/Schneider, 1998: S. 81f.

19 Raue/Schneider, 1998: S. 79.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
«Schwarzer Engel in Mönchskutte» - Elemente einer Reportage
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Neue deutsche Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Praxis des Schreibens: Die Kunst der Reportage
Note
1.0
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V110914
ISBN (eBook)
9783640156511
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Engel, Mönchskutte», Elemente, Reportage
Arbeit zitieren
Michael Heisch (Autor:in), 2006, «Schwarzer Engel in Mönchskutte» - Elemente einer Reportage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110914

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: «Schwarzer Engel in Mönchskutte» - Elemente einer Reportage



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden