Euthanasie - Wie aus sozialdarwinistischen und eugenischen Thesen eine Maßnahme nationalsozialistischer Sozialpolitik hervorging


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1.Einleitung

2.DieEuthanasie-Maßnahmen im Dritten Reich
2.1 Die politische und juristische Vorbereitung
2.1.1 Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
2.1.2 Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens
2.2 Die Maßnahmen
2.2.1 Kinder-Euthanasie
2.2.2 Die T4-Aktion
2.2.3 Inoffizielle Euthanasie ab 1941

3.Theoretischeund ideologische Grundlagen
3.1 Sozialdarwinismus
3.1.1 Die Erkenntnisse Charles Darwins
3.1.2 Sozialdarwinismus in Deutschland: Ernst Haeckel
3.2 Eugenik und „Rassenhygiene“
3.3 Nationalsozialistische Ideologie

4.Fazit

5.Quellenverzeichnis

6.Erklärung

Abstract

Ziel dieser Arbeit ist es, folgende Leitfrage zu beantworten:

Wie konnte aus den im 19. Jahrhundert aufgekommenen Thesen des Sozialdarwinismus und der Eugenik die vom nationalsozialistischen Regime durchgeführte sozialpolitische Maßnahme der Euthanasie hervorgehen?

Im Zuge der Beantwortung dieser Frage wird versucht zu klären, wie aus anfangs eher nebulösen wissenschaftlichen Thesen praktisch umgesetzte Politik werden konnte und welche Faktoren es waren, die die entsprechenden Positionen so gestärkt haben, dass sie letztlich auf derart brutal-direkte Weise verwirklicht werden konnten.

1. Einleitung

Die Euthansie-Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung sind noch heute auf Grund ihrer menschenverachtenden Brutalität in vielfältiger Erinnerung. Am bekanntesten ist hierbei die von Hitler angeordnete T4-Aktion, bei der systematisch Behinderte und Kranke ermordet worden sind.

Das Gedankengut, das die Ausrottung bzw. schon die Verhinderung der Geburt „minderwertigen“ und „lebensunwerten“ Lebens forderte, existierte jedoch schon lange, bevor der Begriff des Nationalsozialismus überhaupt erfunden war. Die ersten Ansätze zur Einteilung in lebenswertes und –unwertes Leben kamen auf mit dem Entstehen des Sozialdarwinismus Mitte des 19. Jahrhunderts, der nach eigener Definition die sozialphilosophische und später auch politische Konsequenz aus Charles Darwins biologischen Thesen zur Evolution bildete: Man interpretierte Darwins Erkenntnisse und versuchte, aus ihnen Schlussfolgerungen für die Gesellschaft und ihre künftige Entwicklung zu ziehen. Nach den Forderungen der dann aufgekommenen Eugenik solle der Mensch gewissermaßen bei der Evolution „nachhelfen“, um das Starke in seinen Anlagen zu entwickeln und das Schwache auszusondern, und somit die Menschheit evolutionär noch weiter voranzutreiben. Dieses Gedankengut fand mit zunehmenden sozialen Nöten bei der Bevölkerung auch Einzug in die sozialpolitische Debatte, in der man die Schwäche der Gesellschaft auf Grund vermeintlicher Asozialer anprangerte.

Diese Arbeit geht nun der Frage nach, wie es möglich war, dass sich aus diesem anfangs nebulösen Gedankengut zunächst eine klare sozialpolitische Konzeption heraus kristallisierte, die in letzter Konsequenz dann von den Nationalsozialisten in der bekannten Härte verwirklicht worden ist. Es soll geklärt werden, welche Faktoren es waren, die diesen Prozess vorangetrieben und die Realisierung derartiger Ideen begünstigt haben.

Zu diesem Zwecke soll zunächst einmal eine Beschreibung der durch das NS-Regime vorgenommenen Euthanasie-Maßnahmen erfolgen. Im zweiten Teil sollen die theoretischen und ideologischen Grundlagen näher beleuchtet werden, die man in Sozialdarwinismus, Eugenik und NS-Ideologie unterteilen kann. Die im zweiten Teil beschriebene Geschichte ihres Aufkommens und ihrer Ausgestaltung soll die Erklärungsgrundlage bilden für den dritten und letzten Teil, das Fazit, in dem die Leitfrage der Arbeit schließlich beantwortet werden soll.

2. Die Euthanasie-Maßnahmen im Dritten Reich

2.1 Diepolitische und juristische Vorbereitung

2.1.1 Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

Die Euthanasie-Maßnahmen des NS-Regimes fußten auf der juristischen Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN), welches am 14. Juli 1933, also bereits kurze Zeit nach der Machtergreifung, verabschiedet wurde. Dieses Gesetz ermöglichte die Sterilisierungen all solcher, die als erbkrank galten. Hierunter fielen Personen, die unter angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, erblicher Fallsucht, erblichem Veitstanz, erblicher Blindheit, erblicher Taubheit, schwerer erblicher körperlicher Missbildung oder schwerem Alkoholismus litten (vgl. Mattner 2000: 60). Als Missbildungen galten zudem auch „Kleinwüchsigkeit, spastische Lähmungen, Muskeldystrophie, fehlende Gliedmaßen (...), Klump- und Spaltfuß und Gaumenspalte oder Nachtblindheit“ (Mattner 2000: 61). Das Gesetz legte nicht nur die Gruppen fest, die aus nationalsozialistischer Sicht fortan als „Volksschädlinge“ galten und dadurch zu potenziellen Opfern von Euthanasie-Maßnahmen wurden, sondern bildete somit auch den ersten politischen und juristischen Schritt hin zur Tötung behinderter und kranker Menschen.

Der zweite derartige Schritt lässt sich mit einer Neu-Verordnung des GzVeN ausmachen, die Ende 1933 die Pflicht einführte, jeden sogenannten Erbkranken anzuzeigen: „Eine Verweigerung der Anzeigepflicht war somit eine kriminelle Handlung“ (ebd.: 61 f.). Somit wurde seitens der Nationalsozialisten sicher gestellt, dass auch jeder „Volksschädling“ erfasst wurde.

Der dritte Schritt ist mit einer Änderung des GzVeN vom Juli 1935 erkennbar, welche bei sogenannten erbkranken, schwangeren Frauen zusätzlich zur Sterilisation auch eine Abtreibung gesetzlich ermöglichte. Es sei hierzu anzumerken, dass die Legalisierung der Tötung ungeborenen Lebens aus heutiger Sicht zwar nichts mehr ist, was von der Gesamtheit der Gesellschaft als gleichwertig mit der NS-Euthanasie angesehen wird, man jedoch die zu jener Zeit vorgenommene Legalisierung von Abtreibung durchaus als einen weiteren Schritt in Richtung NS-Euthanasie werten kann, insbesondere, wenn man die dahinter stehende Zwecksetzung der Verhinderung „erbkranken Nachwuchses“ bedenkt.

In der Konsequenz führte dieses Gesetz schließlich zur Sterilisation von ca. 400.000 sogenannten Erbkranken.

2.1.2 Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens

Das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ (GVG) schuf staatliche Gesundheitsämter, und somit Behörden, denen die Erfassung aller sogenannten Erbkranken unterlag und welche zudem eine beratende Funktion einnahmen, vermeintliche Expertise anboten. Des Weiteren war ihre Aufgabe, „Forderungen des „Eheschutzgesetzes“ zu überwachen, wonach angehende Ehepaare vor der Eheschließung ein Gesundheitszeugnis einzuholen hatten“ (ebd.: 69). Dadurch, dass die Gesundheitsämter ferner die für die Wohlfahrtspflege zuständigen Behörden darstellten, wurde das gesamte Gesundheitswesen nationalsozialistischen Grundgedanken unterworfen, was Folgen hatte, die zudem die Entscheidung zu Euthanasie-Maßnahmen weiter näher rücken ließ: „Maßstab für die Bemessung von Pflegeleistungen war von da an der Wert des jeweiligen Pflegebedürftigen für die Volksgemeinschaft“ (ebd.: 69).

Es bleibt also festzuhalten, dass auch das GVG einen weiteren Schritt auf dem Weg zur NS- Euthanasie darstellte: Es führte mit der Schaffung von Gesundheitsämtern zu einer Institutionalisierung der Rassenhygienepolitik der Nationalsozialisten, womit der Grundstein für die Vernichtungsmaschine der Euthanasie gelegt wurde.

2.2 Die Maßnahmen

2.2.1 Kinder-Euthanasie

Die Euthanasie im Dritten Reich nahm 1938 ihren Anfang, als ein Ehepaar bei der Reichskanzlei um die Tötung ihres behinderten Kindes bat, was bewilligt wurde. Von Hitler ging die Anweisung aus, Gesuchen dieser Art künftig immer nachzukommen.

Aus der bisher bloßen Möglichkeit zur Euthanasie wurde Zwang, als 1939 das Reichsinnenministerium in einem Erlass alle Ärzte und Hebammen verpflichtete, „alle „mißgestalteten und idiotischen“ Kinder an die zuständigen Gesundheitsämter zu melden“ (Drechsel 1993: 31). Die Meldungen wurden weitergeleitet an den Reichskommissar für das Gesundheits- und Sanitätswesen, Karl Brandt, welcher mit den Euthanasie-Maßnahmen beauftragt worden war. Die betreffenden Kinder wurden von seiner Stelle in „Kinderfachabteilungen“ eingewiesen, die man in Anstalten, Universitätskliniken und Kinderkrankenhäusern eingerichtet hatte. Dort wurden die Kinder – nicht selten nach Verwendung für „klinische Versuche, diagnostische Experimente und anatomische Forschungen“ (ebd.: 32) – schließlich durch Verhungern oder Verabreichung einer Überdosis Schlafmittel getötet. Die Eltern der Kinder wurden, sofern es möglich war, über die wahren Absi]chten hinter der Verlegung in die „Kinderfachabteilungen“ nicht informiert. Gleichzeitig war es auch ein Risiko für die Eltern, der Verlegung nicht zuzustimmen, da ihnen der Entzug des Sorgerechts und andere Sanktionen angedroht wurden: „Darüber hinaus bestand für die Familie die Gefahr, in den Sippenakten und erbbiologischen Karteien als „erbkrank“ eingestuft zu werden“ (ebd.: 32), was ebenfalls gravierende Folgen gehabt hätte.

Die Kinder-Euthanasie wurde nach 1941 auf einen noch größeren Kreis ausgedehnt, der auch

„schwer erziehbare“ Kinder und Jugendliche und jüdische Kinder umfasste. Man geht von ca. 5000 bis 8000 Kindern aus, die durch die Kindereuthanasie-Maßnahmen den Tod fanden.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Euthanasie - Wie aus sozialdarwinistischen und eugenischen Thesen eine Maßnahme nationalsozialistischer Sozialpolitik hervorging
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Soziologie)
Veranstaltung
Geschichte der Sozialpolitik
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V110890
ISBN (eBook)
9783640090297
ISBN (Buch)
9783640114542
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Euthanasie, Thesen, Maßnahme, Sozialpolitik, Geschichte, Sozialpolitik
Arbeit zitieren
Florian Sander (Autor:in), 2007, Euthanasie - Wie aus sozialdarwinistischen und eugenischen Thesen eine Maßnahme nationalsozialistischer Sozialpolitik hervorging, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110890

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