Leseförderung von Kindern in Familien und sozialpädagogischen Einrichtungen


Diplomarbeit, 2006

143 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Einleitung

1 (Lese-)Kompetenz in Deutschland
1.1 PISA: Lesefrust in der Sekundarstufe I
1.2 IGLU: Leselust in der Grundschule
1.3 Exkurs in die Bildungspolitik

2 Zum Begriff Lesen
2.1 Definition des Lesens in Theorie und Praxis
2.2 Definition des Buches
2.3 Definition des Lesers
2.3.1 Knick und Karriere des Lesers
2.4 Definition der Leseförderung

3 Die historische Entwicklung des Bücherlesens
3.1 Exkurs in die Geschichte der Kindheit und die Anfänge der Kinder- und Jugendliteratur
3.2 Die Entwicklung der Lesesozialisation im Bürgertum

4 Die Bedeutung des Lesens im Medienzeitalter
4.1 Prestige des Buches
4.2 Verändertes Leseverhalten
4.3 Das Buch der Zukunft

5 Buch- und Lesekompetenz als Grundlage zur Medien-kompetenz
5.1 Lesen zur Sprachentwicklung
5.2 Lesen zur Phantasieentwicklung
5.3 Lesen als Lustgewinn
5.4 Lesehemmungen
5.5 Lesen im Internet

6 Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen im Medien-umfeld
6.1 Lesemotivation
6.2 Lesefrequenz
6.3 Der literarische Stoff
6.4 Wege zum Buch

7 Lesesozialisation und Leseförderung in der Familie
7.1 Bildungsniveau und Leseverhalten der Eltern
7.2 (Un-)erwartetes Leseverhalten der Kinder
7.3 Buch- und Medienbesitz der Familie
7.3.1 Gemeinsame Buch und TV-Interessen im Alltag der Familie
7.4 Die Kommunikation in der Familie
7.4.1 Kommunikations- und Interaktionsmuster der Familien .
7.5 Formen der familialen (Früh-)Leseförderung für Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter
7.5.1 Die Leseentwicklung im Kleinkind- und Vorschulalter .
7.5.2 Schichtspezifische Unterschiede bei der Bilderbuch-betrachtung
7.5.3 Empirische Ergebnisse zur Leseförderung im Kleinkind- und Vorschulalter
7.6 Leseförderung im schulischen Alter
7.7 Tendenzielle Entwicklungen der familialen Leseförderung

8 Vorschulische Bildung und Leseförderung im Kindergarten ...
8.1 Exkurs über den richtigen Zeitpunkt des Lesenlernens
8.2 Die Anwendung von Bilderbüchern im Kindergarten
8.3 Rahmenbedingungen für eine kompetente Leseförderung
8.4 Bilanz eines erfolgreichen Projektes zur Leseförderung im Kin-dergarten

9 Leseförderung in außerschulischen Einrichtungen
9.1 Leseförderung in Bibliotheken am Beispiel eines Vorlese-projektes..
9.1.1 Zum Hintergrund von Lesewelt e.V.
9.1.2 Voraussetzungen für das Vorlesen in Gruppen
9.2 Leseförderung in der Kinder- und Jugendarbeit am Beispiel von Lesenächten
9.2.1 Definition und Ursprung der Lesenacht
9.2.2 Einige Eckdaten zur Einrichtung
9.2.3 Lesen im Stadtteilzentrum allgemein
9.2.4 Lesenächte im Stadtteilzentrum

Schlussbetrachtung

Anhang
(1) Fotos
(2) Kopien

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Danksagung

Vorwort

„Man habe einfach keine Zeit, mal wieder ein gutes Buch zu lesen“[1], so beschreibt die Mehrzahl der erwachsenen Deutschen 1999 ihr Verhältnis zum Buch.

Dies macht mich nachdenklich, und ich frage mich, haben wir wirklich keine Zeit mehr für Bücher, oder wollen und können wir uns die Zeit für Bücher nicht mehr nehmen?

Dabei haben wir statistisch gesehen mehr Freizeit als früher (Kreibisch 2003, S.11) und mehr Medien, mit denen wir uns (möglichst zeitgleich, um Zeit zu sparen) beschäftigen. Wir haben uns dieser schnelllebigen Zeit angepasst. Aber können wir damit unseren Kindern ein gutes Vorbild sein? Wenn wir als Erwachsene, aus Zeitgründen, wie wir sagen, kein Buch in die Hand nehmen, tun sie es auch nicht! Aber sie sollen lesen, weil es wichtig ist für ihre Schul- und spätere Berufskarriere! Was passiert, wenn Kinder Bücher lesen müssen ? Sie tun es, wie PISA gezeigt hat, leidenschaftslos und die Leseleistung ist wenig erfolgreich.

In der vorliegenden Arbeit untersuche ich, ob Kinder, in unserer heutigen Mediengesellschaft, überhaupt noch freiwillig Bücher anschauen oder lesen und ob sie es gerne tun. Wie geht die erste Instanz der Lesesozialisation, die Familie, mit der Leseförderung ihres Nachwuchses um und welchen Einfluss hat, kann und will sie in diesem Bereich übernehmen?

Weiter möchte ich als künftige Sozialpädagogin zeigen, welches Potential in der außerschulischen Arbeit liegt, fernab von allem Leistungsdruck, und wie es ausgeschöpft werden kann.

Die Leseförderung von Kindern in Familien und sozialpädagogischen Einrichtungen ist der Schwerpunkt dieser Arbeit, dem ich mich aus verschiedenen Blickpunkten nähere. Zum einen beziehe ich mich auf die Ergebnisse von IGLU und Pisa bezüglich der Leseleistung und der Lesemotivation, zum anderen hinterfrage ich die Bedeutung des Lesens für die Gesellschaft und die Notwendigkeit des Lesenkönnens für eine kompetente Mediennutzung. Um einen Überblick über das Leseverhalten der Kinder zu erhalten, nutze ich die Untersuchungsergebnisse der Bertelsmann Stiftung Leseklima in der Familie Anfang der 90er Jahre, worin sich Bettina Hurrelmann auf die Familie als früheste und wichtigste Instanz der Lesesozialisation konzentriert.

Die Wichtigkeit und Präsenz der Familie im Bereich Leseförderung belege ich anhand von weiterführenden Untersuchungen im Grundschul- und Sekundarschulalter. Dabei stütze ich mich auf die Ergebnisse von Karin Richter und Monika Plath zur Bedeutung der Entwicklung von Lesemotivation in der Grundschule und die Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Einfluss von Schullektüre und Leseempfehlungen von Lehrern auf die Freizeitlektüre und private Medienpraxis von SchülerInnen der achten Klassen.

Die Leseförderung in sozialpädagogischen Einrichtungen betreffend, habe ich meine Fragestellung der professionell-pädagogischen Leseförderung auf Kindergarten und Bibliothek ausgeweitet. Erstens um der Bedeutung der vorschulischen Bildung im Kindergarten einen angemessenen Blick zu zuwenden und zweitens um den Kindergarten als Arbeitsfeld von SozialpädagogInnen mit einzubeziehen. Die Bibliothek erscheint mir als außerschulische Einrichtung ebenfalls wichtig, da sie zunehmende Bedeutung als multimediale Erlebnisstätte erhält und interessante Kooperationsmodelle mit schulischen und außerschulischen Trägern entwickelt (vgl. Bertelsmann Stiftung 1997).

Zu guter Letzt bringe ich meine eigenen Praxiserfahrungen im Bereich Leseförderung von Kindern ein. Anhand der Organisation und Durchführung von Lesenächten lege ich dar, welche kreativen Handlungsmöglichkeiten SozialpädagogInnen in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit haben.

Einleitung

Astrid Lindgren sagte einmal, „Lesen ist ein grenzenloses Abenteuer der Kindheit“.[2] Würde sie diesen Satz heute vor einer deutschen neunten Schulklasse und einer Grundschulklasse wiederholen, würden 42% der Jugendlichen und 18% der Kinder sie verständnislos ansehen und sich fragen, wie sie wohl darauf kommt (vgl. Baumert 2001; vgl. Bos 2003). Das Lesen von Büchern im Medienzeitalter wird von einem nicht unerheblichen Teil der Kinder und Jugendlichen eher als Frust denn als Lust oder gar Abenteuer empfunden.

Im ersten Kapitel betrachte ich die Ergebnisse der PISA[3] - und IGLU[4] - Studie im Bereich Lesekompetenz, die mir als unverzichtbar erscheinen, sobald man sich mit dem Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Anschließend wende ich mich in einem Exkurs der deutschen Bildungspolitik zu. Diese ist in engem Zusammenhang zu den schlechten Schülerleistungen zu sehen. Gleichzeitig werfe ich einen Blick nach Skandinavien, wo Bildung besser gefördert wird und die SchülerInnen bessere Leistungen im Lesen erbringen.

Im zweiten Kapitel unterziehe ich den Begriff des Lesens einer genauen Betrachtung, indem ich Lesen, Buch und Leser definiere. Dadurch ist es mir möglich den Stellenwert zu ermitteln, den das Bücherlesen für den/die NutzerIn hat. Daraus ergibt sich die Definition der Leseförderung, weil durch eine erfolgreiche Leseförderung wiederum die Lust an Büchern gefördert wird.

Einen Einblick in die historische Entwicklung des Bücherlesens gebe ich im dritten Kapitel, um auf die lange Tradition von Buch und Lesen aufmerksam zu machen.

Ende des 20. Jahrhunderts wird die Lesesozialisation Teil einer umfassenden Mediensozialisation. Kapitel vier erörtert die moderne Bedeutung des Lesens im Zeitalter der elektronischen Medien und die damit einhergehenden Veränderungen des Buchprestiges und der literarischen Rezeptions-weise.

Je mehr neue Medien hinzukommen und je anspruchsvoller sie in ihrer Anwendung werden, desto kompetenter muss sich der Leser in seinen Fähigkeiten entwickelt haben. Dass das Lesen im fortschreitenden Medien- und Informationszeitalter weiterhin die Basiskompetenz für jede Art von Medienalphabetisierung bleibt, zeige ich im fünften Kapitel und gehe dabei auf die Sprach- und Phantasieentwicklung ein. Weiter beschäftige ich mich mit dem, was bei PISA mangelhaft war: der Freude am Lesen. Im Anschluss wende ich mich den Kindern zu, die nicht gern lesen und wenn, dann mit den größten Schwierigkeiten.

Kapitel sechs legt anhand statistischer Zahlen dar, welchen Stellenwert das Buch in der medial geprägten Freizeit von Kindern und Jugendlichen einnimmt. Dabei nehme ich Bezug auf ihre Lesemotivation und -frequenz, die Wahl des literarischen Stoffes und die Zugriffsmöglichkeiten auf Literatur.

Die Familie ist die Lesesozialisationsinstanz Nummer eins. Ihr wende ich mich in Kapitel sieben zu. Ausgehend vom Bildungsniveau und Leseverhalten der Eltern stelle ich den Zusammenhang zum Leseverhalten der Kinder als auch zur Kommunikations- und Interaktionsstruktur der Familie her. Anschließend widme ich mich den Formen der Leseförderung, angefangen bei der frühen Bilderbuchbetrachtung von Kleinkindern bis hin ins schulische Selbstlesealter. Besonders interessant sind hierbei die unterschiedlichen (Vor-)Leseinteraktionsprozesse der einzelnen Bildungsschichten. Ein Ausblick auf die tendenziellen Entwicklungen der familialen Leseförderung, inwiefern die Familie ihre Aufgabe der Lesesozialisation ernst nimmt und noch Einfluss auf ihre Kinder hat, beendet das Kapitel.

Kapitel acht erläutert die Möglichkeiten der pädagogischen Herangehensweise an die Leseförderung im Kindergarten. Anhand eines Exkurses über den richtigen Zeitpunkt des Lesenlernens verdeutliche ich, über welche Fähigkeiten Kinder bereits im Vorschulalter verfügen. Anschließend stelle ich eine Bestandsaufnahme von Sigrid Strecker zur literarischen Ausstattung von Kindergarteneinrichtungen vor, aus denen Rahmenbedingungen für eine kompetente Leseförderung resultieren. Am Beispiel des dreijährigen Modellprojektes Kinder wollen Bücher, das zwischen 1995 und 1997 in Kindertagesstätten in Mainz und Wiesbaden stattgefunden hat, wird der Erfolg kompetenter Leseförderung deutlich.

Kapitel neun beschäftigt sich mit der Leseförderung in außerschulischen Einrichtungen und mit der Fragestellung, inwieweit SozialpädagogInnen und MitarbeiterInnen von Bibliotheken Kindern Spaß am Lesen vermitteln können, außerhalb von Schule und jeglichem Leistungsdruck.

Die Möglichkeiten von Leseförderung in Bibliotheken stelle ich anhand eines Berliner Vorleseprojektes in Kapitel 9.1 vor. Dabei hebe ich unter anderem die Voraussetzungen für das Vorlesen in Gruppen hervor, da diese sich von den Voraussetzungen in der Familie wesentlich unterscheiden.

Um das Potential von Leseförderungsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendarbeit darzustellen, erläutere ich die Form der Lesenacht. Anschließend gebe ich einen Einblick in meine pädagogische Praxis bezüglich der organisatorischen Voraussetzungen sowie Vorbereitung, Dekoration, Inhalt und Ablauf von Lesenächten.

In der abschließenden Betrachtung bündele ich meine Ergebnisse und ziehe entsprechend meiner Fragestellung (siehe Vorwort) ein Resümee. Ferner stelle ich ein Beispiel vor, wie es trotz der Übermacht der elektronischen Medien gelingen kann, dem Medium Buch mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu schenken.

1 (Lese-)Kompetenz in Deutschland

Was meinen Sie: dreht sich die Erde um die Sonne, oder dreht sich die Sonne um die Erde?[5]

1989 antworteten 82% der Deutschen auf die Frage des Allensbacher Instituts für Demoskopie (IfD), dass sich die Erde um die Sonne dreht. 1996 waren es nur 74%, die die richtige Antwort wussten. Folglich drängt sich die provokante Frage auf: verdummt Deutschland?

Das neue Jahrtausend hat zumindest bestätigt, was viele aufgrund von finanziellen Kürzungen in der Bildungspolitik gefürchtet haben: Deutschlands Bildungssystem schneidet bei Vergleichstudien deutscher SchülerInnen mit SchülerInnen anderer Länder unterdurchschnittlich ab, und das sowohl im Bereich der Naturwissenschaften als auch im Bereich der Lesekompetenzen.

1.1 PISA: Lesefrust in der Sekundarstufe I

Bei der PISA-Studie, der ersten weltweit vergleichbaren Schulstudie, landeten die deutschen SchülerInnen im Alter von 15 Jahren im Bereich Lesekompetenz[6] nur im Mittelfeld des OECD[7] -Durchschnitts.

9,9% der 15-Jährigen SchülerInnen fehlte die Fähigkeit zum Verstehen der vorgelegten Texte, damit lagen sie unterhalb der Kompetenzstufe I. 8,8% der SchülerInnen erreichten zwar die höchste Kompetenzstufe V[8], schnitten dennoch schlechter ab als der OECD-Durchschnitt mit 9,5%. (Schön 2002, S. 72)

Die schlechten Ergebnisse der deutschen SchülerInnen bei PISA sind seit 2000 unter Bezeichnungen wie PISA-Schock, Lesemisere, Bildungsdilemma ein immer wiederkehrendes Thema in den Medien als auch Gegenstand von zahlreichen Lehrveranstaltungen an Universitäten und Fortbildungstagen für Lehrer.[9]

Dabei ist PISA 2000 nicht die erste internationale Vergleichsstudie, an der Deutschland teilgenommen und mittelmäßig bis schlechte Ergebnisse erzielt hat. So hagelte es bei der IEA[10] 1991 schon Kritik für deutsche Schulen, als die Jahrgangsstufen der Dritt- und Viertklässler und die der Achtklässler ähnliche Ergebnisse wie bei PISA erzielten (Schön 2002, S.72ff.). Erich Schön weist jedoch darauf hin, dass Deutschland selten an solchen Vergleichsstudien teilgenommen hat, „[...] eben weil die Ergebnisse absehbar waren, weil man sie aus politischen Gründen nicht wissen wollte [...]“ (ebd. S. 77).

Ebenso bedenklich wie die schlechten Leseleistung stimmt die geringe Lesemotivation deutscher SchülerInnen. Becker macht darauf aufmerksam, dass fast 42% der deutschen SchülerInnen „[...] niemals zum Spaß zu lesen [...]“ (Becker 2003, S. 29).

Für Becker steht dies kontrovers zum kulturellen Phänomen Harry Potter. Der publizistische Erfolg des vierten Bandes Harry Potter und der Feuerkelch[11] (im Herbst 2000) wird in Bezug gesetzt zu einem gesellschaftlich sehr erwünschten Bild einer (deutschen) Lesekultur in der Öffentlichkeit.[12] „Lesemuffel“ (ebd.) haben durch die Romane Rowlings zu ihrer Lesefreude zurück gefunden, obwohl diese in Bezug auf ihre Informationsfülle und Komplexität sehr anspruchsvoll sind. Trotz der Länge dieser Romane werden sie „[...] gelesen, gerne gelesen und kompetent gelesen [...]“ (ebd.). Hat letztendlich nur das richtige Buch gefehlt, damit die Kinder und Jugendlichen ihre Leselust wiederentdecken?

Harry Potter wird gelesen, weil es Spaß macht. Die Genussfähigkeit des Mediums steht hier im Vordergrund. Die Schule ist nur in geringem Maße für Leselust, hauptsächlich aber für die Vermittlung von Lesekompetenz zuständig, die wiederum nur durch die praktische Anwendung von Lesen vorangebracht werden kann. Becker vermutet, dass es bei den 42% der NeuntklässlerInnen, die nicht gern lesen, weder durch Familie noch durch Schule gelungen ist, die „[...] Fähigkeit zum Genuss am Lesen [...]“ (ebd.) zu vermitteln. Die fehlende literarisch-ästhetische Genussfähigkeit ist letztlich die Hauptursache für die nur mangelnde Herausbildung von Lesekompetenz.

Während Schön die Vermittlung von Lesekompetenz durch die Deutschlehrer aufgrund ihrer eigenen Leseunlust in Frage stellt[13] (Schön 2002, S. 90), kritisiert Franzmann die „[...] pädagogische [...] Vergewaltigung von literarischen Werken [...]“ (Franzmann 2002, S.26) im Literaturunterricht.

Da werden die seit 50 Jahren gleichen „klassischen Lektüren“ durchgenommen, damit man anschließend Arbeiten darüber schreiben kann, gemäß der – natürlich vom Lehrer vertretenen – „richtigen“ Interpretation. Überhaupt wird alles zu Tode interpretiert, bevor man überhaupt die Chance hat, einen eigenen Draht zu diesem Stück Literatur zu spannen. (ebd., Herv.i.O.)

Damit bezieht Franzmann Stellung zu der Diskussion, ob die Freizeitliteratur der Kinder und Jugendlichen in der Schule gelesen werden sollte. Laut DFG-Studie wollen 54% SchülerInnen der achten Klassen ihre Freizeitlektüre in den Unterricht einbeziehen. 49% wünschen sich als Schullektüre lustige Bücher und 42% Bücher über Probleme von Jugendlichen. Genres, die privat nur wenig gelesen werden, wie politische Bücher oder klassische Literatur, werden von ca. 23% der Jugendlichen als Schullektüre auch erwünscht, da sich nur 8% von ihnen sich in ihrer Freizeit damit auseinandersetzen (Franz 2002, S.14f.).

Auch Schön spricht sich für anspruchsvolle Lesestoffe zur Förderung der Lesekompetenz aus.

Wenn den Schülern nur das zugemutet wird, was ihnen „Spaß macht“, was genau ihrem bereits erreichten Kompetenz-Niveau entspricht, dann bleiben sie in letzter Konsequenz infantil, dann kann es keinen Entwicklungsfortschritt geben. (Schön 2002, S. 87; Herv.i.O.)

Ein gewisser Zwang zur schöngeistigen Literatur muss also sein, zugunsten der eigenen Weiterentwicklung. Allerdings sollte der Verlust der Lesemotivation so gering wie möglich bleiben. Durch die Befragung von Studierenden zu ihren Erinnerungen an die Literaturbehandlung im Unterricht, kamen Richter und Plath zu dem Ergebnis, dass der Deutschunterricht wenig Folgen für den Aufbau von Lesemotivation hat, „[...] weil die Literaturauswahl und die Art der Literaturbehandlung an den Interessen junger Menschen vorbeigehen[...]“ (Plath/ Richter 2002, S. 53).

Um sowohl Lesemotivation als auch Lesekompetenz bei den Jugendlichen zu erzielen, fordern Richter und Plath von den Lehrenden, auf die thematischen Wünsche und Lektüreinteressen der Kinder und Jugendlichen einzugehen (ebd.).

Wer keinen Spaß am Lesen findet, liest nicht gern! Wer nicht gern liest, liest nicht oft! Wer nicht oft liest, liest nicht gut! Der Mangel an Leselust steht mit mangelnder Lesekompetenz in engem Zusammenhang.[14]

1.2 IGLU: Leselust in der Grundschule

Im Vergleich zu Lesekompetenz und Lese(un-)lust der 15-Jährigen schnitten die GrundschülerInnen besser ab. Bei der IGLU-Studie, in der 2001 das Leseverständnis von ViertklässlerInnen am Ende der Grundschulzeit geprüft wurde, landeten diese mit Platz 11 im oberen Drittel von 35 beteiligten Staaten.[15]

Damit ist die Lesekompetenz in der Grundschule relativ hoch und über die letzten zwölf Jahre im internationalen Vergleich stabil geblieben. Bos u.a. sprechen sogar von einer leichten Tendenz zur Verbesserung (Bos 2003, S.51ff.).

18,1% der SchülerInnen erreichten die Kompetenzstufe V. Weitaus erfreulicher ist die Tatsache, dass 50,2% der Kinder eine „[...] hoch positive Einstellung gegenüber dem Lesen [...]“ (ebd., S.51) haben und nur ca. 18% nicht zum Vergnügen lesen. Während 10% eine negative Einstellung zum Lesen haben (ebd.).

In Klasse zwei ist der Anteil von Kindern, denen der Deutschunterricht Spaß macht noch relativ hoch. Als Grund nennen Plath und Richter die Lesefähigkeiten und –fertigkeiten, die in diesem Alter bereits so weit ausgebildet sind, dass Texte selbst gelesen werden können (Richter/ Plath 2002, S.50f.).

Klasse drei hingegen wird zum Umschlagpunkt (ebd.), da sich hier herausstellt, ob Kinder nach dem Erwerb der grundlegenden Lesefähigkeiten den persönlichen Wert des Lesens erfahren. Bis Klasse vier hat die Freude am Deutschunterricht bei Jungen wie bei Mädchen kontinuierlich abgenommen (ebd.).

Das die Unterstützung von Lesemotivation durch den Deutschunterricht schon in der Grundschule zu wünschen übrig lässt, bestätigen die Untersuchungsergebnisse von Hurrelmann. 80% der Kinder zwischen neun und elf Jahren haben das Gefühl, dass sich ihre Lehrerin kaum für ihre Freizeitlektüre interessiert. Gerade mal 20% geben an, mit ihrer Klasse schon einmal eine öffentliche Bibliothek besucht zu haben, während ein Viertel der SchülerInnen über eine eigene Klassen- bzw. Schulbibliothek verfügt (Hurrelmann 1993, S.48f.). Das Vorhandensein einer Schulbibliothek allein reicht für die Leseförderung nicht aus, denn ohne Anreize aus dem Unterricht werden die Bücher auch nicht ausgeliehen (ebd.).

21% der Kinder werden beim Lesen intensiv gefördert, durch didaktische Anregungen und Bemühungen der LehrerInnen, die außerschulische Lektüre zu unterstützen. Bücher aus dem Unterricht werden hier von der Hälfte der Kinder regelmäßig zu Hause weiter gelesen. Dem gegenüber steht eine Gruppe von 40% Kindern, die schlechte schulische Bedingungen im Bereich Bücherausstattung vorfinden und wenig Unterstützung erfahren. Daher lesen hier nur halb so viele Kinder ihre Bücher zu Hause weiter als in der Gruppe der intensiv Geförderten (ebd.). Für Hurrelmann ein Indiz dafür, dass die Schule in erster Linie zur Verbesserung der Lesefertigkeit beiträgt, aber kaum Einfluss auf die quantitative Seite des Lesens in der Freizeit der Kinder hat. Zwar entfaltet die Schule ein gewisses kompensatorisches Potential, wenn die familiale Leseförderung schwach ausgeprägt ist, ein regelmäßiger und dauerhafter Leser wird jedoch eher von der Familie geprägt als von der Schule (ebd.).

Kinder, die in diesem Alter keine oder nur wenig Lust am Lesen finden, stellen, laut Hurrelmann, noch keine Problemgruppe dar. Erst wenn sich langfristig geringe Lesefreude mit seltenem Lesen und niedrigen Lesezeiten verbindet, hat das Bücherlesen für das Kind so wenig Attraktion, dass es seine Lesekompetenzen kaum weiterentwickeln kann und vermutlich spätestens in der Pubertät mit dem Lesen aufhört (Hurrelmann 1993, S.31).

1.3 Exkurs in die Bildungspolitik

Der OECD-Jahresbericht Bildung auf einen Blick von 2004 prognostiziert, dass es Deutschland trotz eingeleiteter Bildungsreformen passieren kann, „[...] den Anschluss zu verlieren[...]“[16] im Vergleich zu anderen OECD-Staaten, in denen „[...] ein rasanter, dynamischer Aus- und Umbau der Bildungssysteme[...]“[17] stattfindet.[18]

1998 wurden in der Bundesrepublik 4,35% des Bruttoinlandproduktes (BIP) für Bildung ausgegeben. Damit lag Deutschland im unteren Drittel aller OECD-Länder (Platz 20) und somit an derselben Stelle wie bei den Testleistungen im Lesen (Platz 21) (Schön 2002, S.79).

Skandinavische Länder gaben bis zu 7% des BIPs für Bildung aus und landeten beim Lesen auf höheren Plätzen (ebd.). Eine direkte Kausalbeziehung zwischen Bildungsausgaben und Bildungserfolg lässt sich nach Schön zwar nicht herstellen, auffällig bleibt die Rangfolge Deutschlands auf beiden Plätzen im unteren Bereich.

Das gesellschaftlich für die Bildung aufgewandte Geld ist für Kritiker Erich Schön „[...] Symptom der Einstellung zu[r] Bildung [...]“ (ebd.).

Nach PISA sind viele schulpolitische Entscheidungen in Deutschland auf den Prüfstand gekommen, z.B. Zeitpunkt der Trennung der Kinder in verschiedene Schulformen, die Dauer der Schulzeit, Vertretung statt Ausfall durch Lehramtsstudenten usw.

Fakt ist, die bildungspolitische Debatte um den „[...] richtigen Reformweg des deutschen Bildungssystems [...]“[19] dauert an. Wichtig dabei ist, dass auch das Lernen im Kindergarten oder Hilfe für Migrantenkinder beim Erlernen der deutschen Sprache neben dem Ausbau von Ganztagsschulen in die Überlegungen der Reformierung einbezogen werden.

Das Bundesland Hessen hat mit seinem 1. Entwurf des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von 0-10 Jahren erstmals einen Bildungsplan vorgelegt, der die gesamte kindliche Entwicklung zwischen dem ersten und zehnten Lebensjahr umfasst und sich sowohl an Bildungsinstitutionen als auch an Familien richtet. Die Einbeziehung der gesamten kindlichen Entwicklung ist meines Erachtens eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung unseres Bildungssystems.

Die Schule kann nur an den Grundlagen ansetzen, die einem kleinem Menschen bis zum achten bzw. neunten Lebensjahr durch das Elternhaus mitgegeben werden (Reisch 2002, S.12).

PISA kann daher als Ergebnis einer „[...] verkommenen frühkindlichen Erziehung angesehen werden [...]“ (ebd.).

2 Zum Begriff Lesen

Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist.

Joseph Addison[20]

2.1 Definition des Lesens in Theorie und Praxis

Die Leseforschung hat für den Begriff Lesen drei Theorien entwickelt:

- Lesen als Handeln (d.h. Lesen, um aus eigener Entscheidung heraus ein gewähltes Ziel zu erreichen),

- Lesen als Tun (betrifft das Auseinanderfallen von subjektiver Intention und objektiver Motivation)

- und Lesen als Verhalten (d.h. Reaktionsweisen des Individuums sind von der Umwelt abhängig) . (Groeben/ Vorderer 1988[21], zit.n. Hurrelmann 1993, S. 74ff.)

Die Theorie des Lesens als Tun kommt dem Gegenstand der Lesesozialisation (siehe Kap.7) dabei am nächsten, weil kulturelle Vermittlungsprozesse im Zentrum des Interesses stehen und diese für die Entwicklung fester Lesegewohnheiten und der Stabilisierung positiver Gratifikationserwartungen an die Buchlektüre bei Heranwachsenden sorgen. (ebd.)

Für diese Arbeit steht die Theorie des Lesens als Handeln im Vordergrund, wonach Leser aus eigenem Interesse heraus lesen, mit dem Ziel der Genussfähigkeit.

In der Praxis äußert sich lesen darin, dass Menschen täglich eine Vielfalt von Informationen allein durch das Auge aufnehmen und den Sinn des Gelesenen entsprechend verarbeiten. Christmann und Groeben sprechen von mehreren Teilprozessen des Lesens. Erst müssen Buchstaben und Wörter erkannt werden, um Wortbedeutungen erfassen zu können. Auf der nächsten Ebene steht die Herstellung semantischer und syntaktischer Beziehungen zwischen den Sätzen, um eine zusammenhängende, satzübergreifende Bedeutung des Textes zu erkennen und zu verstehen (Christmann/ Groeben 2001, S. 145ff.).

Viele Informationen basieren auf Geschriebenem, egal ob Werbung auf Litfasssäulen und Schaufenstern oder das gezielte Lesen eines Busfahrplanes. Über die Schrift werden neben Infos und Fakten auch Wertevorstellungen und kulturelle Inhalte vermittelt.

Lesen geschieht beiläufig, eröffnet jedoch die Möglichkeit, sich im Laufe der Zeit Lebensbereiche zu erschließen. Ulrich Saxer setzt sogar ein intensives Teilhaben an der Lesekultur voraus, um sich in breiterer Form am sozialen Leben und an kulturellen Gütern beteiligen zu können. (Saxer 1991, zit. n. Baumert 2001, S.11f.) Dies betrifft zum Beispiel Ankündigungen über Veranstaltungen im Ort, die man fast ausschließlich durch die Tagezeitung oder Informationsplakate erfährt.

Doch das Lesen von Plakaten kann nicht mit dem Lesen von Büchern gleichgesetzt werden. Die Personen, die keine Bücher lesen, lassen sich in drei Gruppen einteilen:

- Personen, die aufgrund von negativen Leseerfahrungen kein Buch mehr in die Hand nehmen (siehe Kap. 5.4 )
- Iliterate, die nur kurze und einfache Texte lesen[22]
- Aliterate, die Gebrauchstexte lesen können, aber keine Bücher[23]

Die von Schön bezifferten Zahlen der Iliterate und Aliterate (siehe Anmerkung) stellen eine beträchtliche Anzahl von erwachsenen Personen dar, die es nie gelernt haben, Bücher zu lesen. Die Ergebnisse der PISA-Studie (siehe Kap. 1.1) wirken aus diesem Grund noch alarmierender, weil es in Deutschland schon allein unter den 50.000 untersuchten 15-Jährigen SchülerInnen 10% gibt, die die Lern- und Lesekompetenzdefizite wohl kaum bis zum Verlassen der Schule bzw. zum Einstieg in die Berufswelt aufholen können.

Bettina Hurrelmann unterscheidet zwischen zwei Funktionskategorien des Lesens:

- Erstens zur Wissenserweiterung, das heißt zur Information, zum Nachdenken über die vermittelten Infos und zum Aufbau von Wissen.
- Zweitens bedeutet Lesen Lebensbewältigung. Das heißt, das durch Lesen angeeignete Wissen kann bei der Bewältigung reeller Probleme behilflich sein, indem Konfliktlösungen imaginär behandelt werden. Lebensbewältigung heißt aber auch Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen, dabei kann es zur Identifikation mit Figuren sowie zur generellen Phantasieerweiterung kommen kann. (Hurrelmann 1993, S.15ff.) (siehe Kap. 5)

2.2 Definition des Buches

Ein Buch ist ein ausgesprochen mobiles Medium. Es lässt sich überall lesen, in der Badewanne ebenso wie im Flugzeug.

Unter Büchern versteht man bewegliche Schrift- oder Bildträger, die erhalten und durch Vervielfältigung verbreitet werden sollen und deren Zweck durch die Vermittlung eines geistig-immateriellen Inhalts und durch den Wert für die Allgemeinheit gegeben ist. (Schmidt 1955, zit. n. Kerlen 2001, S.247)

Die Allgemeinheit der Gesellschaft erlangt den Zugang zum Buch durch Buchhandlungen, Internet, Bibliotheken, ja sogar durch Supermärkte[24]. Durch die Vervielfältigungsmöglichkeiten des Buchdrucks, können je nach Auflagenhöhe mehrere tausend Menschen ein Buch gleichzeitig lesen.

Das Buch ist ein persönlicher Gegenstand. So entsteht z.B. durch handschriftliche Anmerkungen im Text ein Dokument, das auch Jahre später noch Rückschlüsse auf die Gedanken des ehemaligen Lesers zulässt.[25]

Jedes Buch hat seine individuelle Note. Durch den Zustand seines Einbandes, umgeknickte Seiten, vergessene Lesezeichen oder den herausrieselnden Sand des letzten Strandurlaubes erzählt es seine eigene Geschichte und verrät viel über seine Herkunft. Allein am Geruch merkt man, ob es einem Raucher gehörte oder in einem feuchten Keller gelagert wurde.

Ein Buch ist ein Prestige-Objekt, das man sich ins Regal stellen kann, um zu zeigen, dass es gelesen wurde. Außerdem lässt es Rückschlüsse auf die Gesinnung seines Besitzers zu.

Ein Buch schafft Atmosphäre und weckt Erinnerungen an bestimmte Lebensabschnitte (Oldewage 1999, S.276).

Viele Philosophen und Dichter haben sich mit der Definition des Buches beschäftigt. Für K.J. Weber dient das Buch als „Lehr- und Freudenmeister“ und damit als „Beistand [...] für Millionen besserer Menschen.“[26]

Für Elisabeth Noelle-Neumann stehen Lesen und Denken auf einer Stufe: „Nur eine Gesellschaft, die liest, ist eine Gesellschaft, die denkt“ (zit.n. Franzmann 2001, S.40).

2.3 Definition des Lesers

Es gibt dreierlei Arten Leser: eine, die ohne Urteil genießt, eine dritte, die ohne zu genießen, urteilt; die mittlere, die genießend urteilt und urteilend genießt.

Johann Wolfgang von Goethe[27]

Anders als bei Goethe gibt es im Lesebarometer nur eine Art von Leser, unabhängig davon, ob er aus Nutzen oder Genuss liest. Hier wird derjenige als Leser bezeichnet, der „[...] in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Buch (gleich welcher Sachgruppe und zu welchem Zweck) gelesen hat [...]“ (Harmgarth 1999, S.9).

Folgt man dieser Definition, dann lag der Leseranteil der erwachsenen Bevölkerung ab 14 Jahren 1996/ 97 bei 69% und ist im Rückblick auf Lesestudien der letzten dreißig Jahre relativ stabil geblieben.[28]

Allerdings zählen nur 19% zu den Intensiv-Lesern[29]. Während 41% der Bundesbürger als „buchfern“ (ebd.) zu bezeichnen sind und selten ein Buch zur Hand nehmen. Damit scheint es bei den Erwachsenen zu einer Polarisierung zu kommen, weil immer mehr Wenig-Leser immer weniger Viel-Lesern gegenüber stehen (ebd. S.13ff.).

2.3.1 Knick und Karriere des Lesers

Die Ergebnisse von PISA und IGLU haben gezeigt, dass die Leselust von der Grundschule bis zur Sekundarstufe I abnimmt. Im Alter von zwölf Jahren, bei Jungen sogar noch eher als bei Mädchen, stellt sich der erste „Leseknick“ (Harmgarth 1999, S.18) ein.

Während bei den 8-10-Jährigen noch mehr als die Hälfte zu den Intensiv-Lesern zählt, sind es bei den 11-17-Jährigen ein Drittel und bei den Erwachsenen nur noch 19% (ebd.).

Bettina Hurrelmann sieht den Grund der Lesekrise in der Kindheit in den körperlichen und psychischen Veränderungen der Pubertät und den damit einsetzenden Neuorientierungen im sozialen und kommunikativen Verhalten. Eine große Gruppe der Kinder zieht sich in dieser Entwicklungsphase vom Lesen zurück. Lesebiographische Studien beschreiben die Zeit ab der Pubertät als „[...] geprägt von starken Ausschlägen zwischen zeitweilig völliger Abstinenz und suchthaftem Lesen [...]“ (Hurrelmann 2004, S.185). Damit zeigen sich die zwei Gesichter des Lesens.

- Lesen kann einerseits als Rückzugsraum und Chance für ein imaginäres Probehandeln genutzt werden, das sich der sozialen Kommunikation und Kontrolle entzieht.
- Andererseits kann es unattraktiv erscheinen, weil es eine häusliche und von den Eltern gewünschte Tätigkeit ist. Jugendliche haben das Bedürfnis aus dem engen Familienkontext herauszutreten und etwas mit Freunden zu erleben, um ihre praktische Selbstständigkeit gegenüber den elterlichen Normen zu demonstrieren (ebd.).

Mit dem Eintritt in den Beruf sinkt der Anteil der Leser erheblich ab. Die Funktion des Buches als Unterhaltungsmedium verliert an Bedeutung, dafür dient es verstärkt der Wissensvermittlung im Zusammenhang mit Berufs-, Aus- und Weiterbildung (Stiftung Lesen 1993, S.11f.)

Die Schule und insbesondere die Schulform hat einen maßgeblichen Anteil an der Weichenstellung für die Lesekarriere der Kinder und Jugendlichen. Im Alter von 13 bis 17 Jahren trennen sich Lesefans von Lesemuffeln entlang ihres Bildungsgrades in unterschiedliche Schulformen. Daraus resultieren die unterschiedlichen Entwicklungen der SchülerInnen. So sind 46% der Gymnasiasten als Intensiv-Leser zu bezeichnen, lediglich 22% der Realschüler und nur 11% der Hauptschüler (Harmgarth 1999, S.21).

Die Abnahme der Leselust mit zunehmendem Alter ist kein deutschlandtypisches Problem. Auch in den europäischen Nachbarländern stagniert der Leseeifer, allerdings auf einem höheren Niveau. In den Niederlanden lesen 77% der Erwachsenen ab 14 Jahren ein Buch pro Jahr, in Großbritannien 74%, in Ungarn 70%. Mit 69% seines Leseranteils landet Deutschland hier im Mittelfeld, bei den täglichen Lesern mit 18% an letzter Stelle (Harmgarth 1999, S.18).[30]

2.4 Definition der Leseförderung

Wer liest, missbraucht seinen Wahrnehmungsapparat für eine nicht artgerechte Tätigkeit.

Ernst Pöppel[31]

Laut Hirnforschung besitzt das menschliche Gehirn, anders als bei den Fähigkeiten Sprechen, Hören und Sehen, keine Region, die speziell der Entwicklung der Lesefähigkeit dient. Demnach muss Lesen erarbeitet und gezielt gefördert werden.

Der Begriff der Leseförderung entstammt der Deutsch- und Grundschuldidaktik der 70er Jahre und beinhaltet die Stärkung der Lesefähigkeiten und –motivation (Buhrfeind 2001, S.471ff.).

Die Leseförderung ist sowohl in allen Lebensphasen der Kinder und Jugendlichen als auch in allen von ihnen durchlaufenen Bildungsinstitutionen von Bedeutung. In Kindertagesstätten und Schulen sind alle Kinder und Jugendliche Zielgruppe der Leseförderung, egal ob aus lesenahen oder lesefernen Elternhäusern. In außerschulischen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Kinderkulturzentren sind es nur die Kinder und Jugendlichen, die das freiwillige Angebot wahrnehmen.

Die wichtigste Instanz der Lesesozialisation ist die Familie. Empirische Untersuchungen zur Leseförderung ergeben, dass Kinder, die viel und gern lesen, aus Familien stammen, in denen das Prädikat der sozialen Erwünschtheit versehen wird.

Problematisch ist die immense Bedeutung der Familie als Lesesozialisationsinstanz Nummer eins, weil es von außen schwer ist, Einfluss auf den soziokulturellen Status zu nehmen, den das Lesen innerhalb der Familie einnimmt (Hurrelmann 1993, S. 41).

Insbesondere in Familien der unteren sozialen Schicht gilt die Bücherlektüre als verpönt. Die Kinder werden weder zum Lesen aufgefordert, noch sehen sie es bei ihren Eltern.

Für Kinder aus Unterschicht-Familien, die unzureichende literarische Anregungen und Freizeitaktivitäten im Elternhaus erhalten, spielen daher öffentliche Einrichtungen wie das Stadtteilzentrum Baunsberg oder Vereine wie Lesewelt mit speziellen Angeboten zur Leseförderung eine bedeutsame Rolle in der Freizeit (siehe Kap. 9).

3 Die historische Entwicklung des Bücherlesens

Was der Mensch sei, sagt ihm nur die Geschichte.

Wilhelm Dilthey[32]

Die religions-, sozial- und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Zivilisation lässt sich nur anhand ihrer schriftlichen Fixierung historisch zurück verfolgen (Hanebutt-Benz 1985, S. 9f.).

Das abendländische Lesen und Schreiben hat seinen Ursprung im Gebrauch von Zählsteinen und symbolischen Tonfiguren, die vor ca. 7000 Jahren in Mesopotamien im Gebrauch waren (Schön 2001, S.1f.).

Um 700 v. Chr. beginnt sich die literarische Kultur anhand von schriftlich fixierten Texten zu entwickeln (ebd.).

In der griechischen Antike diente das Buch als Hilfsmittel zur Vorbereitung und als Gedächtnisstütze für mündliche Vorträge. An der eigentlichen Rezeptionssituation, dem Vortrag im öffentlichen oder kleinem Kreis, hatte der schriftlich fixierte Text wenig Anteil (ebd.).

Erst um die Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert ist der Beginn eines Buchhandels festzustellen. Seitdem gibt es Belege dafür, dass Textrollen auf dem Markt erworben werden konnten. Zunächst noch als Ersatz für einen nicht gehörten Vortrag genutzt, entwickelte sich das Lesen im 4. und 3. Jahrhundert allmählich zum individuellen Leseerlebnis und damit zu einer „Lesekultur“ (Schön 2001, S.6).

Im Römischen Reich, in dem Schreiben und Lesen zu den Alltagskompetenzen gehörten, entstand ein System der materiellen Buchverbreitung. Es gab Schreibstuben zur Vervielfältigung von Werken, ein Buchhandelssystem zur Verbreitung in allen Teilen des Imperiums und öffentliche Bibliotheken. Durch die Ausbreitung des Christentums und die „[...] vollends illiteraten [...]“ (ebd., S.9) Germanen verfiel die antike Lesekultur im 5./ 6. Jahrhundert.

Bis ins 12. Jahrhundert gab es die Fähigkeit des Lesens und Schreibens ausschließlich innerhalb des Standes der Geistlichen und Mönche, selbst die meisten Mitglieder der Oberschicht und die Herrscher waren Analphabeten (Schön 2001, S.2ff.).

Zunächst galt nur Latein als Schriftsprache, in der man lesen und schreiben lernte. Im 12./ 13. Jahrhundert traten verstärkt europäische Volkssprachen in die Schriftkultur ein.

Eine Besonderheit des mittelalterlichen Lernprozesses setzte sich bis ins 19. Jahrhundert fort: das Lesen erfolgte vor dem Schreibenlernen. Dies hatte zur Folge, dass eine große Gruppe von Menschen aufgrund einer nur unvollständigen Ausbildung oftmals zwar lesen, aber nicht schreiben konnte (Schön 2001, S.12).

Da Bibel und Psalter im Mittelalter immer wieder gelesen wurden, bedeutete Lesen zu dieser Zeit „[...] einen mehr oder weniger auswendig gekonnten Text mit lauter Stimme lebendig werden [zu] lassen [...]“ (ebd.).

Das Schriftbild zwang zum langsamen Lesen, z.B. wegen der Unleserlichkeit der Handschriften und dem Fehlen von Satzzeichen bzw. der verwendeten Kürzel (Bohnsack 1999, S. 18).

Beim monastischen Lesen[33] im frühen Mittelalter kam es weniger auf das kognitive Verständnis des Textes an, als viel mehr darauf, sich den Text durch eine Art „Wiederkäuen“ (Schön 2001, S.12) einzuverleiben. Ab dem 12. Jahrhundert ist vom scholastischen Lesen[34] zu sprechen. Die Gelehrten des hohen Mittelalters gestalteten ihre Texte bewusst auf den visuellen Leseakt hin. Um optimale Möglichkeiten für ein kognitives Verständnis der Texte zu bieten, wurden Satzzeichen entwickelt (ebd.).

Die wirtschaftliche Entwicklung des Handels im Spätmittelalter machte die elementare Lese- und Schreibfähigkeit zur notwendigen Qualifikation.

Durch Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Metall-Lettern 1440/ 50 entstanden einheitliche Bucheditionen. Außerdem konnte schneller, zahlreicher und billiger produziert werden, gemäß den Bedürfnissen der Gelehrten. (Bohnsack 1999, S. 19)

Die Schicht der literarischen Leser in Deutschland war im 15. Jahrhundert, zu Beginn der Neuzeit, noch recht klein. Von einem Lesepublikum im heutigen Sinne kann man nicht sprechen, da es nur eine kleine aktiv lesende Gruppe von humanistischen Gelehrten gab. Gelesen wurden antike Schriftsteller sowie die Bibel und Andachtsliteratur, aber auch Rechtsbücher und medizinische Lexika (Bohnsack 1999, S.8ff.).

Das Lesen im 14./ 15. Jahrhundert war ein anspruchsvoller Vorgang. Format und Gewicht des Buches verlangten ebenso wie der materielle Wert des Buches einen sorgfältigen Umgang mit ihm. Für längere Lektüren wurden Lesepulte verwendet, die zugleich Betpulte waren. Von professionellen Lesern wurden verstellbare bzw. drehbare Lesepulte mit Auflagemöglichkeiten für mehrere Bücher zur vergleichenden Lektüre benutzt (Hanebutt-Benz 1985, S. 20).

Abbildung 1: Verstellbares Lesepult Mitte des 15. Jahrhunderts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hanebutt-Benz 1985, S. 45

Die Zahl der regelmäßig Lesenden wird von Historikern um 1500 auf 2% geschätzt, um 1600 auf 4% (Schön 2001,S.27).

Der Dreißigjährige Krieg[35] minimierte nicht nur die Bevölkerung um 40-60%, sondern führte auch zu tiefen Einschnitten in der Buchproduktion, so dass am Ende des Krieges ca. 470 Bücher im Jahr hergestellt wurden. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts, fast 150 Jahre später, konnten die Zahlen der Vorkriegszeit mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 1239 Titeln wieder erreicht werden. (Hanebutt-Benz 1985, S. 96)

Abbildung 2: Zunahme von potentiellen Lesern im Bürgertum

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Schön 2001, S.27, Angaben in Prozent

Wie Abbildung 2 zeigt, setzte zwischen 1800 und 1900 eine deutlich zunehmende Alphabetisierung ein. Die Anzahl der Leser stieg innerhalb von 100 Jahren um 65% an. Dieser Trend lässt sich mit der Selbstbefreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit[36], dem Leitgedanken der Aufklärung, begründen. Die Menschen emanzipierten sich allmählich und es entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts als eigene Schicht: das Bürgertum. Damit kam es zu einer „Leserevolution“ (Schön 2001, S.27ff.), die in Deutschland besonders ausgeprägt war.

Die Entstehung des bürgerlichen Lesepublikums ging einher mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Handels und Gewerbe betreibenden Bürgertums in ganz Westeuropa.

Die autoritative Vorlesesituation, z.B. durch Pfarrer oder Schulmeister, wurde abgelöst durch „räsonierendes Lesen“ (Schön 2001, S. 28), also durch geselliges, gemeinsames Lesen.

Die Belletristik - und Romanproduktion weiteten sich explosionsartig aus. Während das Interesse an religiöser Erbauungsliteratur von 39,4% auf 14,5% sank, stieg der Anteil der Belletristik von 5,8 auf 21,5% an. Hinzu kam ein wachsendes Interesse an Sachbüchern bzw. berufsbezogener Fachliteratur sowie politischen Büchern (Schön 2001, S.28f.).

Da das stark ansteigende Leseinteresse des bürgerlichen Publikums aufgrund der nur begrenzten Buchproduktion[37] nicht ausreichend befriedigt werden konnte, stieg die Nachfrage an. Bücher, Journale und auch Zeitungen wurden teurer. Aus dieser Not heraus entwickelten sich Anfang des 18. Jahrhunderts die ersten selbst organisierten Lesegesellschaften, zu denen Frauen erst gegen 1800 Zutritt erhielten. Während Männer öffentlich in diesen Gesellschaften lasen, lasen Frauen im privaten und intimen Raum (Schön 2001, S.28f.).

Die Vorliebe der Frau zur belletristischen Lektüre war bis ins frühe 18. Jahrhundert verpönt, weil die fiktionale Wirklichkeit des Romans die Schöpfung aller Welten in Frage stellte. Lesen galt nicht nur als gefährlich, sondern die Lesezeit selbst wurde als verlorene Zeit betrachtet, in der die Frau häusliche Tätigkeiten hätte erledigen können. Das gesellschaftliche Bild der Frau war ausschließlich auf den Haushalt beschränkt war. Daher erschufen sich Frauen, z.B. durch einen Liebesroman wie Pamela oder Die belohnte Frau[38], ersatzweise neue Handlungsmöglichkeiten, die ihnen aufgrund der Geschlechterdifferenzierung in der realen Alltagswelt untersagt waren. Der Liebesroman diente als Ersatz für die Defizite in der eigenen Beziehung (Schön 2001, S.34ff.).[39]

3.1 Exkurs in die Geschichte der Kindheit und die Anfänge der Kinder- und Jugendliteratur

Im engen Zusammenhang mit der bürgerlichen Emanzipationsbewegung von der Vorherrschaft des Adels und der Kirche steht die Herausbildung der Kindheit, die einhergeht mit der Entwicklung einer eigenen literarischen Sparte: der Kinder- und Jugendliteratur, die „[...] ein bestimmtes Bild des Kindes verbreiten half und wiederum selbst von der Geschichte der Kindheit beeinflußt wurde [...]“ (Kaminski 1998, S.9).

Die Idee von der Kindheit im modernen Sinne entwickelte sich über die Verweltlichung der Abbildungen von Engeln, des Jesuskindes und der Maria mit dem Kinde (ebd.).

Erst im 17. Jahrhundert setzte eine „[...] Ausgliederung der Kinder aus dem Leben der Erwachsenen ein [...]“ (Gudjons 2003, S. 77). Das Kind wird als eigene Persönlichkeit entdeckt und so auch in der Kunst dargestellt (ebd.). Es gilt als unschuldig und schwach. Die Erwachsenen haben sich fortan um die Entwicklung von Charakter und Vernunft des Kindes zu bemühen und es „[...] vor den schmutzigen Erscheinungen des Lebens zu bewahren [...]“ (Kaminski 1998, S.10).[40]

Im Mittelalter noch als „reduzierte Erwachsene“(ebd. S.9) angesehen, werden die Kinder nun durch angemessene Kleidung als Kinder gekennzeichnet. Die „speziell für sie [die Kinder] geschriebene Unterhaltungs literatur“ (Schön 2001, S. 38, Herv.i.O.)[41] half dabei, „die moralische Auffassung vom Kinde“ (Kaminski 1998, S. 10, Herv.i.O.) zu verbreiten.

3.2 Die Entwicklung der Lesesozialisation im Bürgertum

Die Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur des 18./ 19. Jahrhunderts geht einher mit der Etablierung einer bürgerlichen Lesesozialisation ein. Die Mütter lasen ihren Kindern entweder vor oder mit ihnen gemeinsam. Zudem wurden in der Zeit der Romantik auch Kinderreime, Lieder, Rätsel, Märchen, Sagen, Legenden, Volksbücher und Puppenspiele wiederentdeckt.

Die Neudefinierung der Mutterrolle und die damit verbundene Erwärmung des Familienklimas sind Folgen der Dissoziation von Berufs- und Familienleben um 1830. Während der Mann gesellschaftlich-ökonomischen Verpflichtungen nachgeht, konzentriert sich die Frau auf die häusliche Sphäre. Die Qualifikation des Nachwuchses stellt eine zentrale Aufgabe für die Familie dar.

Das wichtigste Medium der Sozialisation wird die sprachliche Kommunikation. Vorrangige Erziehungsziele sind Verstandesbildung, moralische Bildung und Gemütsbildung. In der immer stärker literarisierten Gesellschaft wird Lesen-und-Schreiben-Können zur Voraussetzung für alle anderen Qualifizierungsprozesse.

Wegen des mangelhaften Zustandes des Schulsystems, ist die Vermittlung der Kulturtechniken Sache der Familie und fällt ebenso wie die Lesesozialisation, in die Zuständigkeit der Mutter.[42]

Im Zentrum des Vermittlungsmodells steht der Erwerb der Lesefertigkeit und die autoritative Moralbelehrung mit Hilfe von literarischen Texten.

In der Kaiserzeit, um 1900, sind alle bis heute bekannten Formen prä- und paraliterarischer Kommunikation[43] in der bürgerlichen Familie etabliert und auf Reziprozität und Genuss ausgerichtet. Außerdem zielen sie auf die emotionale Verbundenheit zwischen Erwachsenem und Kind und dienen dem Aufbau gemeinsamer Erfahrung wie dem literarischen Lernen (siehe Kap.7.5).

Der Umgang mit Kindern und Texten kann sich nur deswegen vom Instruktionsprimat lösen, weil die Alphabetisierung inzwischen zur Aufgabe der Schule geworden ist. Folglich kann nun in geselligen Runden, aber auch allein gelesen werden. Die Anschlusskommunikation mit den Eltern dient der Einübung ins literarische Gespräch bzw. der Lesekontrolle. (Hurrelmann 2004, S.188ff.)

4 Die Bedeutung des Lesens im Medienzeitalter

Audiovisuelle Medien drängen sich von allein ins Leben von Kindern, Bücher hingegen sind still und leise, an sie muss man gewöhnt werden, und zwar bevor die Kleinen in der Lage sind, die An- und Ausschaltknöpfe von Kassettenrecordern, Fernsehern und PCs zu bedienen

Heinrich Kreibisch[44]

Die Lesesozialisation ist seit den 90er Jahren als Teil einer umfassenden Mediensozialisation zu bezeichnen (Hurrelmann 2004, S.169). Lesen ist sozusagen der Schlüssel zur Medienkultur, da es einen maßgeblichen Anteil an der Ausbildung von Medienkompetenz besitzt. Nur wer lesen kann, wird sich beispielsweise im Dschungel des Internets zurechtfinden können. (Plumpe 2001 S. 298).

Ehe sich jemand zum Leser entwickelt, muss er komplexe Sozialisationsprozesse durchlaufen, die von vielen Instanzen determiniert und von persönlichen Eigenschaften bzw. Motivationen getragen werden. Lesen gilt als Talent und wird maßgeblich in Kindheit und Jugend ausgebildet (Hurrelmann 1993, S. 8). (vgl. Kap. 5)

Die kulturelle Entwicklung im 20. Jahrhundert ist durch die rasante Entwicklung ständig neuer Medien bestimmt. Unsere Gesamtgesellschaft ist daher auch als Informations- und Mediengesellschaft zu bezeichnen (Rupp 2002, S.95), die aufgrund von zwei Entwicklungsschüben entstanden ist.

- Zum einen durch den Ausbau der empfangbaren Fernseh- und Radioprogramme Mitte der 80er Jahre (Schulz, 1995, S. 214),
- zum anderen durch die Verbreitung des Internets ab Mitte der 90er Jahre, das sich „[...] zum Referenzmedium der Wirklichkeitsverarbeitung [...]“ (Rupp 2004, S.20) entwickelt hat.

Der familiale Wandel vollzieht sich langsamer. Die häusliche Rollenverteilung der Eltern hat sich durch die Erwerbstätigkeit der Mütter nicht geändert. Dafür der Status der Kinder: die Erziehung wird demokratisiert. Bettina Hurrelmann bezeichnet die neue demokratische Familie als „Verhandlungshaushalt“ (Hurrelmann 2004, S.192). Die Kinder rücken ins Zentrum der Familie, was einen erhöhten Einsatz der Mütter verlangt (ebd.).

Trotz der zunehmenden Bedeutung neuer Medien[45] hat Hurrelmann auf der Ebene der lese- bzw. mediensozialisatorischen Interaktion festgestellt, dass das Lesen und der Umgang mit Büchern von Eltern vermehrt gefördert und unterstützt wird. Diese Unterstützung erfolgt anhand der Kontrolle und Einschränkung der Fernsehzeiten sowie durch genussreich ausgestaltete Vorlesesituationen. Eine Wechselbeziehung zwischen anderen Medien und dem Lesen findet allerdings kaum Beachtung. Die Profilierung des Lesens gegenüber dem Fernsehen ist v.a. in der Oberschicht deutlich festzustellen, wahrscheinlich weil hier eine Aversion gegen die Medienindustrie gehegt wird. Vor allem Autoren und Verleger, die jetzt eine anspruchsvollere Kinderlektüre herausbringen, verlangen die Unterstützung durch die Eltern (Hurrelmann 2004, S.192). Im Zuge dessen kann man von einem kulturellen Prestigegewinn des Lesens sprechen.

4.1 Prestige des Buches

Bettina Hurrelmann kritisiert, dass Belesenheit heute nicht mehr dieselbe kommunikative Funktion hat wie im 18./ 19.Jahrhundert, als sich erst die Männer, später die Frauen zu gemeinsamen Lesegesellschaften trafen und über Literatur sprachen (Hurrelmann 1998, S. 126).

Bücherlesen ist im Medienalltag nicht mehr präsent. Es gibt kaum Gelegenheit sich über Bücher auszutauschen, außer mit ausgewählten Personen wie Freunden (ebd.).

Bodo Franzmann spricht von einem „Sozialprestige des Lesens“ (Franzmann 2002, S. 30), das heißt, Bücherlesen wird von mehr Menschen als wichtig empfunden, als tatsächlich davon Gebrauch machen.

Auch diejenigen reden gern von der Wichtigkeit der Lektüre, die selber nicht oder kaum lesen (ebd.).

Ähnliche Kritik hat Bettina Hurrelmann bei der Befragung von Familien mit Grundschulkindern geäußert: Auskünfte über die pädagogische Wertschätzung des Lesens werden eher als Erziehungsnorm wiedergegeben als dass sie wirkliches Erziehungsverhalten darstellen würden. So fanden 95% der Eltern es wichtig, dass ihr Kind Freude am Lesen empfindet (Hurrelmann 1993, S.40ff.).[46]

4.2 Verändertes Leseverhalten

Der technologische Wandel und der damit einhergehende Bedeutungsgewinn der audiovisuellen und elektronischen Medien hat letztendlich die Kulturtechnik des Lesens und damit auch die Schriftkultur verändert.

An die Seite von Texten treten Hypertexte, an die Seite von Büchern treten CD-ROMs, Bibliotheksbestände der ganzen Welt werden über Internet zugänglich [...] (Garbe 1998, S. 11).

Infolge dieser Entwicklung erscheinen Leser „[...] schöngeistiger Literatur [...]“ (ebd.) zunehmend wie „[...] Relikte längst vergangener Zeiten [...]“ (ebd.)

Untersuchungen der 80er und 90er Jahre zeigen, dass Buch bzw. Printmedien von den neuen Medien nicht prinzipiell verdrängt werden. Der Fernseher ist zwar nach wie vor das Leitmedium der Bevölkerung, aber: mehr an Fernsehzeit bedeutet nicht gleich weniger an Lesezeit, wie es die Verdrängungshypothese unterstellt (ebd., S.14)

Stattdessen wird das jeweilige Medium nach dem Prinzip der funktionalen Überlegenheit in Anspruch genommen werden.

Wann der Einzelne als Buchleser, Radiohörer, Fernsehkonsument oder PC-Nutzer tätig wird, entscheiden funktionale Kriterien, die aus dem Medienangebot in aller Regel dasjenige isolieren, was zu den pluralen Unterhaltungs-, Qualifizierungs- oder Informationsgesichtspunkten am besten paßt (ebd., S. 318).

Neil Postman unterscheidet zwischen der geschriebenen Sprache und der Sprache des Fernsehens. Während sich die geschriebene Sprache durch Langsamkeit, Abstraktheit, Zusammenhang und Logik auszeichnet, ist die Sprache des Fernsehens schnell, unzusammenhängend, unlogisch, emotional, aber konkret (zit.n. Franzmann 1995, S. 220).

Postman prognostiziert, dass „[...] die Kunst des ernsthaften Lesens [...]“ (Postman 1995, S. 221)[47] im künftigen Amerika nur noch von Menschen mit spezialisierten Fertigkeiten (z.B. von Bibliothekaren) beherrscht wird, während sich der Rest der Bevölkerung mit Trivialliteratur und Informationslektüre zufrieden gibt (ebd.).

In Deutschland lasen 2001 60% der befragten Erwachsenen ab 14 Jahren belletristische Bücher, 49% Sachbücher, 45% Ratgeber, 35% Wissenschaftliche Literatur und 34% Nachschlagewerke. Damit ist der Anteil an Ratgebern und Sachbüchern im Vergleich zu 1992 deutlich, die anderen Genres leicht gestiegen. (Franzmann 2001, S. 13)

Aufgrund der Vielzahl der Medien und der gleich bleibenden freien Zeit, verändert sich der Lesestil vor allem bei ergebnisorientierten Informationslektüren wie Tageszeitungen. Hier ist der Leser daran gewöhnt, zu selektieren und zu zappen [48] . Bei der belletristischen Lektüre funktionieren diese „[...] eingeübten selektiven Wahrnehmungsmuster [...]“ (Schön 1998, S.63) nicht, da diese nur als ganzes Werk funktionieren. Dennoch steigt auch im Bereich der Bücher die Zahl der Flüchtigkeitsleser an.

1992 gaben 11% von Befragten bis 19 Jahre an, die Seiten eines Buches zu überfliegen und nur das Interessante zu lesen. Im Jahr 2000 waren es bereits 31%. (Kreibisch 2003, S. 13).[49]

Gegenüber 1992 hat sich die Zahl der Lese-Zapper, vor allem bei den unter 20-Jährigen verdreifacht. Die Entwicklung kann mit den veränderten Mediengewohnheiten zu tun haben. So ist zu vermuten, dass sich die schnellen Schnitte in Videoclips auf die Lesegewohnheiten übertragen haben (Franzmann 2002, S. 30).

Die Zunahme der auf einen Menschen wirkenden Medienreize gehören einem Phänomen an, das Psychologen als Beschleunigung des Lebens (Kreibisch 2003 S. 14) bezeichnen. Um mit diesem beschleunigten Leben zurecht zu kommen, bedarf es neuer Strategien: z.B. so viel wie möglich in sein Leben einbauen, um nichts zu verpassen oder auf die gestellten Anforderungen zu reagieren. Heinrich Kreibich spricht in seinem Ratgeber zur Leseförderung von der so genannten Strategie des Simultanten (Kreibisch 2003 S. 14) und beschreibt folgende Alltagssituation:

Da läuft der Fernseher, während die Familie isst. Da telefoniert die Mutter, während sie kocht. Da hören die Kinder Radio, während sie Hausaufgaben machen. Da werden SMS-Botschaften beantwortet, obwohl man sich gerade mit einem Familienspiel beschäftigt (ebd.).

Eine Gefahr sieht Kreibich in der Adaption dieser Verhaltensweise durch die Kinder. Kinder müssen aus pädagogischer Sicht ihre Lernerfahrungen langsam und der Reihe nach machen, da sie sonst mit Auffälligkeiten auf diese Medienflut reagieren könnten.

Medizinische Untersuchungen vor dem Schuleintritt dokumentieren Entwicklungsdefizite v.a. motorischer Art, Übergewicht und Sprachauffälligkeiten. Mit dem Eintritt in die Schule weisen ca. 20% aller Kinder Sprachentwicklungsverzögerungen auf, vermutlich weil in den Familien zu wenig gesprochen und „[...] die Kommunikation [...] dem Fernseher überlassen [...]“ (Kreibisch 2003, S. 15f., Herv.i.O.) wird.

Daher ist es um so wichtiger, dass die Leseerziehung lange vor der Medienerziehung beginnt.

Audiovisuelle Medien drängen sich von allein ins Leben von Kindern, Bücher hingegen sind still und leise, an sie muss man gewöhnt werden, und zwar bevor die Kleinen in der Lage sind, die An- und Ausschaltknöpfe von Kassettenrecordern, Fernsehern und PCs zu bedienen (Kreibisch 2003 S. 17f.).

4.3 Das Buch der Zukunft

Für Dietrich Kerlen sieht das zukünftige Bücherlesen folgendermaßen aus:

[Der Roman] lässt sich an der Wohnzimmerwand auf ein Großdisplay bringen. Der Benutzer kann im Sessel sitzend lesen, mit Musikbegleitung. Er blättert mittels Knopfdruck oder Mausklick. (Kerlen 2001, S. 250)

Sind die Tage der „Rindsleder-Schmöker und Eselsohren“ (Oldewage 1999, S. 269) gezählt? Amerikanische Computertüftler arbeiten bereits seit Jahren „[...] an den elektronischen Enkeln des ‚guten alten Buches’[...]“ (ebd., Herv.i.O.).

Das Buch von morgen ähnelt einem Laptop. Die gewünschten Bücher können via Internet in den Speicher geladen und sofort gelesen werden. Bezahlt wird, je nach Hersteller und Anbieter, im Abonnement oder pro Stück. 1999 gab es bereits drei Firmen, die solche elektronischen Bücher[50] anboten (ebd.).

Everybook ist laut seiner Hersteller das „[...] erste echte elektronische Buch [...]“ (zit. n. Oldewage 1999, S. 273). Äußerlich ähnelt es dem traditionellen Buch, da es im Gegensatz zu den anderen elektronischen Büchern über zwei Displays verfügt und diese wie ein Buch aufgeklappt werden können (ebd.).

Der Leser kann neben Textnachrichten auch Graphiken und Bilder einfügen. Der Ladevorgang geschieht über ein integriertes Modem, das an den PC angeschlossen werden muß; die Speicherung der heruntergeladenen Werke erfolgt mittels einer Speicherkarte, die sich weiter aufrüsten lässt [...]. (ebd. S. 273)

Diese electronic books haben ihre Vorteile vor allem für den wissenschaftlichen und technischen Nutzer. Zum Beispiel können im electronic-book -Format aktuelle wissenschaftliche Forschungsanalysen ergänzt werden, was aufgrund des Drucks auf Papier längere Zeit beansprucht. Der Nutzer kann jederzeit und überall auf seine Bücher im Speicher zurückgreifen und auch mit mehreren Publikationen gleichzeitig arbeiten. Die auf dem Touch Screen gemachten Randbemerkungen können abgespeichert werden, ohne den Fließtext zu beeinträchtigen. Bestell- und Lieferzeiten der Bücher entfallen, da der Nutzer die gewünschten Publikationen abrufen kann, wann er will. Außerdem soll der Bildschirm ein Augen schonendes Licht erzeugen, was langes Lesen auch bei Dunkelheit zulässt. Vor allem für Menschen mit Sehbeeinträchtigung könnte dieses neue Medium mit individuell anpassbarer Schriftgröße eine Erleichterung darstellen. (Oldewage 1999, S. 273f.)

Im Hinblick auf die Anschaulichkeit und Interaktivität des electronic book wird es in Zukunft die neue Form des gedruckten Lexikons und Schulbuches darstellen, wenn die technischen Unausgereiftheiten (z.B. eine zu kurze Akkudauer, ungeklärte urheberrechtliche Streitigkeiten mit Verlegern) beseitigt sind (ebd.).

Leider oder vielleicht auch glücklicherweise gelingt es einem elektronischen Buch nicht, die für den privaten Nutzer und Genussleser wichtige Atmosphäre zu schaffen, wie im Kap.2.2 über die Bedeutung der gedruckten Bücher erläutert. Anke Oldewage vermutet, dass die elektronischen Bücher ebenso wie die übrigen neuen Medien die alten Medien nicht verdrängen können, aber mit ihren technischen Errungenschaften zu einem erweiterten Informationsangebot beitragen werden (ebd., S. 277).

5 Buch- und Lesekompetenz als Grundlage zur Medienkompetenz

Traurige Kinder sind nicht diejenigen, die nicht den ganzen Tag vor einem Bildschirm sitzen dürfen, sondern diejenigen, die nur noch das Knöpfedrücken beherrschen.

Heinrich Kreibisch[51]

Medienkompetenz entwickelt sich zunehmend zu einem Faktor, der die eigene Existenz sichert. Ohne PC-Kenntnisse sind die Chancen auf einen guten Job eher gering, vermutlich sogar aussichtslos. Anne Buhrfeind hat die Schlüsselqualifikation in der Arbeitswelt der Zukunft wie folgt aufgezählt: Abstraktionsvermögen, Phantasie, intellektuelle Beweglichkeit, Urteilskraft, Entscheidungsfähigkeit, geistige Selbständigkeit. Allerdings betont sie auch, dass diese Qualifikationen nicht durch die Nutzung der elektronischen Medien gebildet werden, sondern durch die Entwicklung von Sprachvermögen und Lesekompetenz. Diese Fähigkeiten bilden sich in einem bestimmten Alter heraus. Kinder bis 13 bzw. 14 Jahre müssen Lesepraxis erworben haben, damit sie ein „lebenslanges Lernen“ (Buhrfeind 2001, S.471) durchhalten. Erst durch Lesen wird ein Wissensgerüst errichtet, das den Kindern ermöglicht, Informationen einzuordnen und zu verarbeiten, auf die sie später zurückgreifen können.

5.1 Lesen zur Sprachentwicklung

Frühe kindliche Erfahrungen und Kompetenzen rund um die Buch-, Erzähl-, Reim- und Schriftkultur werden in Fachkreisen unter dem englischen Begriff literacy zusammengefasst (HSM/ HKM 2005, S.71f.).

Reichhaltige literacy -Erfahrungen fördern längerfristig die Sprachentwicklung des Kindes, da sie die Voraussetzung für Abstraktionsfähigkeit und für den Erwerb und die Ausdifferenzierung von schriftsprachlichen Kompetenzen bilden (ebd.).

Die sprachliche Grundbildung beginnt durch die Interaktion mit der Bezugsperson, z.B. die Mutter nass spritzen und über ihr verdutztes Gesicht lachen. Nach einer Studie der Universität of Chicago haben die 20 Monate alten Kinder von redseligen Müttern 131 Wörter mehr in ihrem Wortschatz als die Kinder gleichen Alters, deren Mütter maulfaul sind. Im Alter von zwei Jahren hat sich diese Kluft sogar auf 295 Wörter ausgedehnt (Brinck 2003, S. 155).

Da literacy -Erziehung eine Hinführung zum Lesen bewirkt und daher die Basis für jegliche schulische und berufliche Ausbildung darstellt, wird im 1. Entwurf des hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0-10 Jahren in Hessen gefordert, der literacy- Erziehung einen hohen Stellenwert an allen Bildungsorten des Kindes einzuräumen. Das heißt, ab drei Jahren sollte literacy -Erziehung sowohl in der Familie als auch im Umfeld des Kindes beginnen. Wäre diese Situation gegeben, könnten die Bildungschancen von Kindern aus bildungsnahen und -fernen Haushalten zumindest angeglichen werden (HSM/ HKM 2005, S.72).

Von besonderer Bedeutung für den Beginn des Lesenlernens und damit das Erlernen von Schriftsprache ist die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit – die Fähigkeit, Lautstrukturen gesprochener Sprache wie Reime, Silben oder einzelne Laute wahrzunehmen (ebd.).

Ein günstiges Leseklima in der Familie begünstigt die Sprachentwicklung. Kinder aus Elternhäusern mit einem ungünstigen Leseklima sprechen weniger deutlich, tendieren zu einfachen Erzählstrukturen, einfachem Satzbau und machen beim Sprechen mehr Grammatikfehler als Kinder aus Elternhäusern mit einem günstigen Leseklima (Strecker/ Pfarr 2002, S. 193).

Die Bedeutung von Büchern und vom Lesen ist wichtig für den Spracherwerb, weil sie die „intellektuelle Neugier“ (Hurrelmann 1998, S. 125) und das Leseinteresse der Kinder entfachen können.

Über das Medium Buch wird eine enge Verbindung zwischen Kind und Bezugsperson ermöglicht, da über Gegenstände im Buch gesprochen werden kann. Beim Fernsehen bleibt die Auswahl eines gemeinsamen Gegenstands durch die ständig wechselnden Bilder erschwert.

Natürlich wäre hier ein Einwand berechtigt: könnte man nicht über konkrete Alltagsgegenstände kommunizieren? Michael Charlton stellt im Medium Bilderbuch die Eigenschaft von Illustrationen in den Vordergrund, die man eben nicht wie einen Gebrauchsgegenstand für die Lösung von Alltagsaufgaben verwenden kann. Beispielsweise ermöglicht das Bild eines Löffels Gespräche über das Essen in einem Moment, in dem das Kind wahrscheinlich gerade keinen Hunger spürt. Während der reale Löffel in der Hand lediglich dazu dient, den Brei in den Mund zu schieben. Sieht man also das Bild im Buch, muss die Distanz durch Sprache reflexiv überwunden werden. Das Kind muss sich mit der dargestellten Situation theoretisch auseinandersetzen und nicht praktisch (Charlton 1995, S. 65ff).

5.2 Lesen zur Phantasieentwicklung

Nur wer Phantasie hat, kann kreativ sein und in letzter Konsequenz eine Gesellschaft voranbringen.

Heinrich Kreibisch[52]

Albert Ludwig Grimm hat die Kindheit als „poetisches Lebensalter“ (zit. n. Spinner 1995, S.81) bezeichnet, weil die Kraft der Phantasie bei Kindern noch nicht durch den Verstand verdrängt wird. Weil das Kind selbst noch in einer poetischen Welt lebt und Wirklichkeit und Wunderbares noch nicht voneinander trennt (ebd.).

Ist Phantasie bei einem Kind gut ausgebildet, kann es sich leichter über negative Erlebnisse hinweg trösten als ein Kind mit einer weniger ausgeprägten Phantasie (Kallenbach 2004, S.53). Älteren Kindern (und auch Erwachsenen) verleiht Phantasie die Fähigkeit

[...] geistig durch Raum und Zeit zu reisen, sich an die Vergangenheit zu erinnern, von ihr zu lernen oder in Gedanken eine Vielzahl von Szenarien zukünftiger Handlungen vorwegzunehmen und durchzuspielen [...] (Singer 1995, S. 98).

Um die Eigenschaft der Ausprägung von Phantasie erklären zu können, muss man ins Säuglingsalter zurück gehen, zur so genannten Affektentwicklung [53], die für die spätere Wahrnehmung und Beeinflussung von Gefühlen von großer Bedeutung ist. Trotz der physischen und psychischen Abhängigkeit tritt ein Säugling von Anfang an über Wahrnehmungen und Affekte in regen Austausch mit seinen Eltern. Affekte wie Neugier, Überraschung, Freude, Ärger etc. gehören zur normalen Verhaltensausstattung. Allerdings müssen Umgang und Wahrnehmung von Gefühlen gelernt werden, meist durch die Hilfe einer Bezugsperson. Dabei introiiziert der Säugling die Verhaltensweisen seiner Mutter. Wie sie Unwohlseinszustände des Säuglings wahrnimmt und mit ihnen umgeht. So lernt der Säugling eigene Spannungssituationen zu bewältigen. Mit der Zeit erwirbt er die Kompetenz, seine emotionalen Zustände wahrzunehmen und zu regulieren. Dadurch wird die Voraussetzung für psychische Reifung geschaffen und damit die Grundlage zur Symbolisierungsfähigkeit und Phantasietätigkeit (Kallenbach 2004, S. 54-56).

Durch den Erwerb der Symbolisierungsfähigkeit zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat lernt das Kind die Vorstellung einer Handlung zu entwickeln, ohne diese real ausführen zu müssen (z.B. zu wissen, dass es Hunger hat, wenn es Hunger verspürt). Erst zwischen dem 18. und 20. Lebensmonat kann das Kind objektbezogene Handlungen darstellen, das heißt andere Personen im Sinne des Mutter-Vater-Kind-Spiels einbeziehen und neue Verhaltensweisen erproben. Wenn das Kind in seinen symbolischen Darstellungen geübt ist, können beim Phantasieren auch Bilder allein in seiner Vorstellung auftauchen bzw. Wünsche erfüllt werden (ebd.).

Der Beginn der Phantasie[54] kann bereits bei zweijährigen Kindern einsetzen. Die Neigung eines Kindes zur Phantasie entwickelt sich unterschiedlich und ist, wie bereits erwähnt, abhängig vom Verhalten der Bezugsperson bzw. von der Familienatmosphäre.

Das So-tun-als-ob-Spiel bzw. das symbolische Spiel stellt dabei die Vorstufe zur Entwicklung der Phantasie dar. Dieser Vorgang setzt zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr ein (Singer 1995, S. 98).

Jerome L. Singer spricht in seinem Aufsatz über Phantasieentwicklung von einer aufeinander aufbauenden Wirkung der Kommunikationsformen. Durch Geschichten erzählen, Spiele und frühes Vorlesen wird das Lesenlernen gefördert, während durch das Lesen wiederum die Vorstellungskraft gefördert wird (ebd.).

Das Symbolspiel bietet neben seiner Unterhaltungsfunktion auch die Möglichkeit, sich „[...] mit dem komplexen Aufbau unserer Welt auseinander zu setzen [...]“ (ebd., S. 100) und bildet damit die Grundlage für die Fähigkeit, Erfahrungen bewusst in Geschichten umwandeln zu können bzw. aus Erinnerungen neue Szenarien zu schaffen (ebd.).

Eltern können zu Beginn des dritten Lebensjahres ihrem Kind eine „[...] unaufdringliche Unterstützung [...]“ (Singer 1995, S.105) anbieten und sich dann zurückziehen, um das Kind allein weiter spielen zu lassen. Das Symbolspiel wird hauptsächlich durch Toleranz gefördert. Eltern können durch Geduld und das Akzeptieren lauter Selbstgespräche seitens des Kindes ihren Beitrag zur Phantasieentwicklung leisten, auch indem sie versuchen beim Symbolspiel alle Störungen (durch Fernseher oder Geschwister) vom Kind fern zu halten (ebd.).

Wenn Kinder „[...] das Leben, Denken und Fühlen in der Phantasie erst einmal entdeckt haben, beherrscht es sie manchmal mehr als das Leben in der Realität [...]“ (Kallenbach 2004, S. 58). Psychologen sprechen in diesem Fall von einem Übergangsraum zwischen Phantasie und Realität, der einige Jahre andauern kann (ebd.).

Bis zum Eintritt in die Schule sollten Kinder jedoch die Fähigkeit zur Realitätsprüfung erlangt haben, mit Hilfe derer Phantasie und Realität unterschieden werden können (ebd.).

5.3 Lesen als Lustgewinn

Lesen ist ein Genuß wie Süßigkeiten lutschen.

Werner Graf[55]

Damit spricht Werner Graf von dem angenehmen emotionalen Zustand, in den das Lesen versetzen kann. Gerade Kinder als „Gefühlsleser“ (Graf 1998, S.107) können sich in diese Stimmung hineinversetzen, in der sie dem alltäglichen Kontext zu entschweben scheinen. Mihaly Csikszentmihaly[56] bezeichnet dies als „flow“ (zit.n. Kreibisch 2003, S. 29)., einen Zustand, bei dem die Erfahrung gemacht wird, „[...] in den freien Fluss einer Tätigkeit so vertieft zu sein, dass alles andere seine Bedeutung verliert [...]“ (ebd.).

Ulf Abraham hat die Bedingungen, unter denen das Bücherlesen zum flow- Erlebnis werden kann, wie folgt formuliert:

- wenn sich die Herausforderung des Lesestoffes und die Fähigkeiten des Lesers in einer „[...] aufwärtsstrebenden Balance [...]“ (Abraham, 1998, S. 71) halten;
- wenn komplexe Zielsetzungen und Rückmeldungen „[...] als störungsfreies Zusammenspiel [...]“ (ebd.) erlebt werden;
- wenn man sich „[...] aus der sorgenvollen Enge des Ichs [...]“ (ebd.) befreien und „[...] in eine andere Zeitebene versetzen [...]“ (ebd.) kann;
- wenn das „[...] Gefühl der Selbstbestimmung [...]“ (ebd.) geweckt wird;
- wenn dies alles ohne Blick auf einen unmittelbaren Zweck geschieht,

versinkt man in ein Buch. Die Unterhaltsamkeit während des Lesens entsteht aus einer Leser-Text-Interaktion heraus. Dabei sind motorische Aktivitäten und externe Stimulationen der Sinne weniger relevant als die eigenen „Ego-Emotionen“ (Klimmt/ Vorderer 2004, S.39), durch die sich eigene Handlungen und ein direkter Selbstbezug zu den beobachteten Ereignissen entwickeln (ebd.).

Dabei beschränkt sich die Leselust nicht auf Lektüreerlebnisse mit lustigen oder angenehmen Stoffen, sondern auch auf Bücher, die Gefühle wie Trauer oder Angst hervorrufen, wenn diese Gefühle dank literarischer Evokation[57] (Graf 1998, S. 109) lesend immer wieder abgelöst werden. Vor allem Frauen und Mädchen lassen sich eher als Männer auf die Traurigkeitserfahrungen ein. Männer hingegen vermeiden diese eher (Klimmt/ Vorderer 2004, S. 40).

Die jungen Leser teilen ihr intensives Gefühlserlebnis mit ihren Figuren, „[...] indem sie mitfühlen, fühlen sie sich selbst [...]“ (ebd.).

Mit ihnen [den literarischen Figuren] erlebte man Dinge, die ansonsten noch nicht möglich waren, mit ihnen war man froh und traurig, aber immer am Ende auch hoffnungsvoll und glücklich. Die Figuren lebten in einer heilen Welt oder genossen Freiheiten, die mit einem Happy End gelöst wurden. (Schulz 2002, S. 71, Herv.i.O.)

Man kann hier auch von so genannten „Sozio-Emotionen“ (Klimmt/ Vorderer 2004, S.39) sprechen, da eigene Emotionen und Gedanken in Bezug auf die dargestellten Charaktere hervor gerufen werden (ebd.) Dieses intensive und abwechslungsreiche Gefühlsleben ist mit dem im wirklichen Leben vergleichbar.

Durch die Herstellung von Bezügen zu persönlichen Entwicklungsfragen oder Alltagsproblemen kann die Trennung zwischen Literatur und Wirklichkeit durch Kommunikation aufgehoben werden. Das Kommunizieren über die Lektüre ist ein „[...] Indiz für die Auflockerung der suchtartigen Kinderlektüre [...]“ (Graf 1998, S.120).

Das Resultat eines Rezipienten: „[...] je mehr ich mit anderen darüber sprechen konnte, umso mehr Bücher las ich [...]“ (ebd., S.121). Dies ist das Ergebnis eines Transformationsprozesses, bei dem die in der Kindheit entwickelte Fähigkeit Leselust zu erleben, in veränderter Form in einer neuen Lesehaltung weiterlebt, die es erlaubt „[...] genussvolle ästhetische Erfahrungen [...]“ (ebd., S. 121f.) zu machen.

Nach Christoph Klimmt und Peter Vorderer gibt es zwei Unterhaltungsformen des Lesens: Erheiterung und Spannung.

- Die erste Form Erheiterung kann z.B. durch Erniedrigung und Missgeschicke von unsympathischen Personen hervorgerufen werden, ebenso durch eine als belustigend empfundene Auflösung von Gefahren und durch die implizite bzw. explizite Kennzeichnung einer Situation als erheiternd.
- Bei der zweiten Form Spannung ist der zentrale Aspekt: die Aufmerksamkeitslenkung. Wer Spannung empfindet, ist vollkommen auf den Text konzentriert, Außenreize werden kaum wahrgenommen (Klimmt/ Vorderer 2004, S.40f).

In der Geschichte der Lesepädagogik wurde das intensive, verschlingende Lesen immer wieder als bedenklich bezeichnet, da es als „[...] Flucht vor den Problemen der Wirklichkeit [...]“ (Graf 1998, S. 107) eingeschätzt wurde.

Bedenklich wird es, wenn das Leseerlebnis eindimensional in eine „[...] funktionalistische Argumentation [...]“ (ebd., S. 109) eingespannt wird. Wenn das Lesen als Flucht vor der Realität genutzt wird, kann es als Ersatzhandlung denunziert werden. Lektüreautobiographien zeigen, dass Kinder, die sich in Fernsehwelten flüchten auch in Lesewelten geflüchtet haben (Graf 1998, S.109).

Nach psychoanalytischer Auffassung ist ein literarischer Stoff dann anziehend, „[...] wenn sich sein latenter Gehalt mit den altersspezifischen Tagträumen und Phantasie deckt [...]“ (ebd., 110).

Käte Friedlänger spricht von Triebbefriedigung als Motiv des Kindes für sein freiwilliges Lesen bis zur Pubertät (zit.n. Graf 1998, S. 107). Dies erklärt, warum Kinder so versunken und konzentriert lesen. Sie sind „[...] lesend bei sich und mit sich beschäftigt [...]“ (ebd.).

Weisen die Texte die vorhandenen „[...] wunschgeleiteten Phantasien [...]“ (ebd.) ab, werden sie als langweilig empfunden, die Lektüre als frustrierend erlebt und möglicherweise abgebrochen. So kann durch die Pflichtlektüre in der Schule diszipliniertes Lesen zwar erzwungen werden, dafür verstärkt sich die lustlos, realitätssüchtige Über-Ich-Funktion des Lesers. Das heißt, die Phantasietätigkeit wird zensiert und das lustorientierte, träumende Lesevermögen kann zerstört werden (ebd.).

Lesezwang, Interpretationspflicht und schulischer Kanon treten als Totengräber der Leselust auf den Plan. (Graf 1998, S. 116)

Laut den untersuchten Leseautobiographien von Graf wird der Lesegenuss nur privat erlebt und bleibt abgeschirmt vom schulischen Literaturdiskurs. Durch die empirisch beobachteten Verlaufsformen der literarischen Sozialisation für die Zeit nach der „[...] lustorientierten Kinderlektüre [...]“ (ebd., S. 110ff.) kommt Graf zu der Erkenntnis, dass trotz des Verlusts der kindlichen Leselust durch schulische Einflüsse auch im Erwachsenenalter ein stabiles, funktionales Leseverhalten entwickelt werden kann, wenn es gelingt, die Lesefunktion neu zu motivieren (ebd., S. 122).

5.4 Lesehemmungen

Kindern und Jugendlichen fällt es nach eigener Ansicht schwer, ein Buch zu lesen. 40% geben Zeitmangel an, ein Fünftel hat keine Ruhe zum Lesen, ein Achtel nennt Anforderungen der Schule als Grund, und einem weiteren Achtel fehlt der Überblick über das Buchangebot (Harmgarth 1999, S. 28).

Abbildung 3 zeigt, dass die meisten Kinder ihre Lesehemmungen auf äußere Umstände (external) zurückführen. Über 40% der Kinder spielen lieber draußen oder sehen fern als zu lesen. 29% behaupten, viele Bücher seien zu umfangreich. Etwa ein Viertel der Kinder beklagt, zu Hause keine Ruhe zum Lesen zu haben und dass die Schule ihnen den Spaß am Lesen nehme.19% fühlen sich zum Lesen genötigt. 16% geben an, zu Hause keine Lesevorbilder zu haben und 15% klagen darüber, dass sie zu viel anderes zu tun haben.

Auf persönliche Schwierigkeiten und Fähigkeiten (internal) beziehen sich deutlich weniger Kinder. So haben 22% der Kinder Mühe sich längere Zeit auf ein Buch zu konzentrieren und ein Fünftel fühlt sich durch die Komplexität der Texte sprachlich überfordert.17% haben Sachen gelesen, die ihnen nicht gefallen haben.12% kennen keine interessanten Bücher und 10% empfinden bei manchen Geschichten eher Angst als Spaß.

Abbildung 3: Begründungen von 9-11-Jährigen, warum sie nicht lesen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

Externale Begründungen

1. Ich spiele lieber draußen.
2. Ich sehe lieber fern.
3. Viele Bücher sind einfach zu dick.
4. Zu Hause gibt es kaum einen ungestörten Ort zum Lesen.
5. In der Schule wird einem das Lesen auch etwas verleidet.
6. Man wird zu oft zum Lesen angehalten.
7. Eltern/ Freunde lesen zu wenig.
8. Ich muss so viel anderes tun, dass ich nicht zum Lesen komme.

Internale Begründungen

9. Längeres Lesen ist zu anstrengend.
10. Bücher sind oft zu schwierig geschrieben.
11. In Büchern kommen oft Sachen vor, die ich nicht mag.
12. Ich kenne kaum interessante Bücher.
13. Manche Geschichten machen mir mehr Angst als Spaß.

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 155, Angaben in Prozent

Hurrelmann spricht von einem engen Zusammenhang der Lesehemmungen und Lesepraxis der Kinder in allen Bildungsschichten. Kinder der unteren Bildungsschicht neigen eher dazu, ihre Leseschwierigkeiten mit der Bevorzugung des Fernsehens zu begründen („Im Fernsehen bewegen sich die Bilder wenigstens“[58] ) oder die Schule für ihre Leseunlust verantwortlich zu machen. Außerdem geben sie an, kaum interessante Bücher zu kennen (Hurrelmann 1993, S. 30ff.; S. 158ff.).

Dennoch lassen sich die Kinder, die ihre Leseschwierigkeiten mit äußeren Umständen begründen, leichter zum Lesen bekehren, als die Kinder, die das Nicht-gern-lesen mit mangelnden Fähigkeiten und persönlicher Abneigung begründen (ebd.). Letztere sind zwar seltener, aber veränderungsresistenter in ihrem Leseverhalten.

Die Jungen berichten von mehr Leseschwierigkeiten als die Mädchen, weil sie andere Freizeitbeschäftigungen attraktiver finden. Lesen zwischen neun und elf Jahren wird noch als anstrengend erlebt. Daher unterliegt das Lesen gerade bei Jungen der Konkurrenz mit übrigen Freizeitangeboten. Mädchen sind weniger störanfällig was die Ablenkung vom Lesen betrifft.

Jungen werden aus ihrer Sicht zu häufig zum Lesen ermahnt. So begründen sie auch ihre Schwierigkeit im Umgang mit Büchern, oder sie berufen sich auf das Nichtlesen ihrer Eltern oder Freunde (Hurrelmann 1993, S. 30ff.; S. 158ff.).

Als Lesebarriere bei den SchülerInnen der achten Klassen werden am ehesten Fremdwörter (57%), der Umfang des Buches (40%), Satzlänge (36%) und fehlende Bebilderung (24%) angegeben. Die Mädchen stören sich dabei noch mehr an Fremdwörtern (60%) als die Jungen (52%), lassen sich jedoch mit 33% von dicken Büchern weniger abschrecken als ihre männlichen Kollegen mit 47%. (Franz 2002, S.16).

Abbildung 4 zeigt außerdem, dass Jungen der achten Klassen noch Wert auf die Bebilderung von Büchern legen.

Abbildung 4: Lesebarierren von SchülerInnen der 8.Klassen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

1. Fremdwörter, Fachausdrücke stören
2. Dicke Bücher schrecken ab
3. Keine langen Sätze
4. Ohne Bilder langweilig

Quelle: Eigene Darstellung nach Franz 2002, S.16, Angaben in Prozent

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Lesehemmungen zeigen, dass Jungen einer gezielten Leseförderung bedürfen. Diese muss wiederum an den „[...] männlichen Bedürfnissen [...]“ (Müller-Walde 2005, S.87) ansetzen, z.B. an der räumlich-visuellen und logischen Wahrnehmung, die bei Jungen ausgeprägter ist.

Das Buch muss von den Jungen als eine sinnvolle Alternative zum Computer begriffen werden, damit es nicht durch audiovisuelle Medien ersetzt wird (ebd.).

5.5 Lesen im Internet

Die Rezeption von Literatur innerhalb des Mediums Internet verläuft anders. Wer eine auf Printmedien bezogene Lesesozialisation erfahren hat, muss umdenken.

Lesen in Papierform verlangt einen minimalen motorischen Aufwand und erlaubt eine „[...] von äußerer Wahrnehmung weitgehend abgeschottete Konzentration auf innere Vorstellungen und Bilder [...]“ (Wanning 2003, S.179). Es handelt sich also um einen internen Prozess, der im Kopf stattfindet.

Bei der Rezeption von Netzliteratur erhöht sich die körperliche Aktivität. Den Wechsel vom ehemals stillen eintauchenden Lesen im Buch zum bewegten Lesen im Netz bezeichnet Michael Böhler[59] als „Externalisierung des Imaginären“ (zit.n. Wanning 2003, S. 180). Die virtuelle Lektüre erfolgt im Performance-Stil.

Das Kind geht „[...] aus dem geschützten Innenraum seiner eigenen, durch die Lektüre angeregten Vorstellungswelt hinaus [...]“ (Wanning 2003, S.181) und ist vielfältigen Eindrücken wie buchstabengebundenen Textpassagen und textversetzenden Bildern ausgesetzt. Die Entschlüsselung von Symbolen wechselt sich mit motorischen Aktivitäten wie dem ständigen Blick auf den erleuchteten Bildschirm und den per Hand auszuführenden Mausklick ab. Darüber hinaus gilt für die Rezeption der Netzliteratur, dass die Lesart nicht mehr durch die vorgegebene Reihenfolge (von Anfang bis Ende) geschieht, sondern verschieden begehbare Lesepfade möglich sind. Der Text wandelt sich zum Labyrinth (Wanning 2003, S. 184).

Wie gut Kinder mit dieser neuen Anforderung zurechtkommen, hängt davon ab, ob das literarische Angebot qualitativ und altersgerecht ist, und ob es eine Anleitung für Kinder gibt, die erklärt, wie sie die Texte zu lesen haben.

Nicht angeleitete Internetlektüre verführt Kinder zur Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit, was inhaltliche Missverständnisse zur Folge haben kann. Die Geschwindigkeit des Mediums zieht Kinder in einen Wettlauf hinein, bei dem häufig keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Bei dieser „Hetzjagd“ (Wanning 2003, S. 192) kommen Lesen, Konzentration und Lesegenuss zu kurz. Der Umgang mit Internetletküre muss erlernt werden, idealerweise im Grundschulalter (ebd.).

Tobias Gehle[60] hat 1998 ein gutes Webdesign für Kinder gefordert, dass sprachliche, visuelle und akustische Informationen verknüpfen muss. Es soll Kinder ansprechen und die zu vermittelnden Inhalte in einfacher Form präsentieren. Zum Beispiel können Leitfiguren wie eine Lesesocke („[...] weißblauer Ringelstrumpf mit Brille und knolliger Nase [...]“[61] ) als bildliche Elemente der Orientierung dienen und Vertrautheit schaffen. Insbesondere Animationen wie bewegte Bilder oder wechselnde Hintergründe sollten sparsam verwendet werden, damit sie die Kinder nicht visuell überfordern. Zwar wecken diese eyecatcher Interesse, können aber bei Überfluss ermüdend und störend sein (Wanning 2003, S.186).

Die Vor- und Nachteile zwischen virtuellem Lesen und herkömmlichen Lesen im Buch gleichen sich aus. Vordergründig muss jede(r) Leser(in) entscheiden, mit welcher Literaturform man besser zurechtkommt. Den Kindern gegenüber heißt das jedoch, beide Formen objektiv vorzustellen. Dass dies in einer Art Symbiose geschehen kann, zeigt Wanning in ihrer Unterteilung des kinderliterarischen Angebotes in drei Gruppen.

- So kann das Internet als Informationsquelle für die in Buchform veröffentlichte Kinder- und Jugendliteratur dienen: in konventionellen, linearen Texten werden Kinderbücher ansprechend präsentiert. Die Inhaltsangaben machen Lust auf Lesen. Auch Elternseiten mit lesedidaktischen Ratschlägen sowie von Kindern geschriebene Buchempfehlungen liefern brauchbare Informationen. Webseiten rund um beliebte Bücher wie Harry Potter, die spielerisch auf deren Inhalt eingehen, setzen zwar Textkenntnis voraus, ergänzen jedoch die bisherige Lektüre oder verlocken zum Lesen (Wanning 2003, S.181f.).
- Literatur in ganz anderer Form liefern Mitschreibeprojekte in Form von Erzähl-weiter-Spielen. Als Genre dominieren hier Kriminal-, Abenteuer- und Gruselgeschichten (ebd., S.182).
- Eine weitere Literaturform im Internet ist die kinderliterarische Hyperfiction. LeserInnen kommen hier in der Geschichte nur voran, wenn sie genau festgelegte Textelemente genau lesen. Die Form der narrativen Verknüpfung erfordert Kontinuität auf inhaltlicher Ebene (ebd., S.183).

In der Realität zeigt sich, dass ein schlichter Text als alleiniger Bildschirminhalt in der Netzkinder- und Jugendliteratur selten zu finden ist. Es herrscht das Prinzip der Inszenierung (ebd., S. 181). Ein Text wird fast immer von Bildern und anderen Effekten begleitet.

Da der Umgang mit Literatur im Netz besondere Kenntnisse erfordert, die über die reine Lesefähigkeit hinausgehen, muss der Bedienungskomfort beachtet werden.

Nur eine kindgerechte Navigation gewährleistet, dass sich die kleinen Leserinnen und Leser überhaupt zurechtfinden und nicht zu sehr von der eigentlichen Aufgabe, dem sinnentnehmenden Lesen, abgelenkt werden. (Wanning 2003, S.186)

6 Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen im Medienumfeld

Die Lesekultur präsentiert sich zu Beginn der 90er Jahre sensibel und fragil. Wer hier nach Ursachen fragt und nach Perspektiven sucht, ist auf verlässliche empirische Erkenntnisse angewiesen.

Bettina Hurrelman[62]

Unter Einbindung statistischer Zahlen aus Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen wird im Folgenden deutlich, welchen Stellenwert das Buch innerhalb ihrer Freizeit zwischen anderen Medien einnimmt.

Der DFG-Untersuchung zu Folge, nutzen Jugendliche Medien durchschnittlich über 10,5 Stunden pro Tag (Franz 2002, S.2f.).[63]

Laut aktueller JIM[64] -Studie 2005 rangieren elektronische Medien[65] bei beiden Geschlechtern im Alter von 12-19 Jahren auf den ersten Plätzen. Gefolgt von den Printmedien[66] im Mittelbereich, während die restlichen Medien wie DVDs, Playstation, Hörspiel-CDs, Videos, Comics und Kino im unteren Bereich liegen (MPFS 2004, S.11; MPFS 2005, S.11).[67]

In Abbildung 5 sind die einzelnen Printmedien differenziert nach Geschlechtern und im Vergleich zwischen den Jahren 2004 und 2005 dargestellt. Die Benutzung der Zeitungslektüre ist bei Jungen 2005 von 48% auf 49% leicht gestiegen, bei den Mädchen hingegen von 44% auf 39% gefallen.

Hinsichtlich der Buchlektüre fällt v.a. der Rückgang bei den Jungen dramatisch ins Auge, von 41% auf 31%, bei den Mädchen von 52% auf 50%. Die Rezeption von Zeitschriften erlebt bei den Jungen einen minimalen Rückgang, die Comics hingegen gewinnen mehr LeserInnen dazu.

Abbildung 5: Nutzung der Printmedien von 12-19-Jährigen

Quelle: Eigene Darstellung nach MPFS 2004, S. 11; MPFS 2005, S. 11; Angaben in Prozent

Auch wenn das Ergebnis über die Nutzung des Buches als Freizeitlektüre (vor allem bei Jungen) keineswegs befriedigend ist, gaben zum Zeitpunkt der JIM-Befragung 2005 über die Hälfte der 12-19-Jährigen (59%) an, gerade ein Buch zu lesen.[68]

Erfreulich ist wiederum die Tatsache, dass diejenigen, die Bücher in ihrer Freizeit lesen, mehr Bücher gelesen haben als im Vorjahr. So gaben die Jugendlichen für den Zeitraum von Januar bis Juli 2005 nach eigener Schätzung an, 8,2 Bücher gelesen zu haben, während es 2004 nur 7,6 gewesen waren (MPFS 2005, S.12).

Aus den Ergebnissen der DFG-Studie geht hervor, dass eine insgesamt höhere Mediennutzung mit einer niedrigeren Buchnutzung korrespondiert. Wenignutzer elektronischer Medien[69] machen bei den Nicht-Buchlesern[70] mit 28% den geringsten Teil aus, bei den Viellesern[71] mit 34% den größten. Bei den Vielnutzern elektronischer Medien[72] haben in den letzten beiden Monaten 42% kein Buch und nur 16% von ihnen 3 Bücher und mehr gelesen (Franz 2002, S. 8 ff).

Bei Kindern im Alter von 6-13 Jahren rangieren nach Einschätzungen von Müttern elektronische Medien als Freizeitbeschäftigung ebenfalls auf Platz eins.

Abbildung 6 zeigt die Nutzungszeiten der verschiedenen Medien bei einer Ausgangszeit von 225 Minuten, die zur freien Zeiteinteilung (ohne feste Termine wie Sport oder Musik) zur Verfügung stehen.

Abbildung 6: Nutzungsdauer medialer Tätigkeiten bei Kindern

Quelle: Eigene Darstellung nach MPFS 2002, S.11, Angaben in Minuten [73]

Das heißt, das auch im Freizeitverhalten dieser Altersgruppe, das Medium Buch im Hinblick auf seine Nutzungszeit den anderen Medien (v.a. dem Fernsehen) unterliegt.

6.1 Lesemotivation

Bücherlesen erfüllt bei Kindern und Jugendlichen verschiedene Bedürfnisse. 41% der Jugendlichen ab 14 Jahren lesen Bücher, wenn sie allein sind. 35% möchten sich informieren. Weitere 35% lesen, wenn nichts los ist, 32% um sich auszuruhen, 30% weil sie Spaß daran haben und 28% lesen um, „[...] alles um sich herum zu vergessen [...]“(Harmgarth 1999, S.26).

Abbildung 7 zeigt ähnlich bevorzugte Lesesituationen und –gelegenheiten der Kinder im Alter von neun bis elf Jahren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Lesesituationen und -gelegenheiten von 9-11-Jährigen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 118f., Angaben in Prozent

Anhand der Abbildung 7 wird deutlich, dass die Mehrzahl (74%) der Kinder zwischen neun und elf Jahren das Lesen bevorzugt vor dem Einschlafen nutzt. 44% der Kinder lesen, wenn sie allein sind. 42% lesen, wenn sie nichts Besseres zu tun haben und 27%, wenn sie niemanden zum Spielen haben.

Diese Ergebnisse zeigen, dass das Buch durchaus gern und oft genutzt wird, wenn Kinder und Jugendliche allein sind. Die Nutzung aller anderen Medien wird mit mehr Spaß haben assoziiert. So sehen 60% der Kinder und Jugendlichen lieber fern, wenn es nichts Besseres zu tun gibt (Harmgarth 1999, S.26). Entspannung finden 70% vorwiegend durch Musikhören, während 52% Unterhaltung durch den Computer angeben (ebd.).

Das Buch hat damit eine „[...] schwierige Position [...] in der Medienlandschaft [...]“ (ebd., S.26f.), kann sich jedoch als stilles Medium des Rückzuges behaupten. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass das Buch als Freizeitbeschäftigung wahrscheinlich bessere Chancen bei Kindern und Jugendlichen erhält, je häufiger sie die Gelegenheit bekommen, Spaß am Lesen zu entwickeln (ebd., S.26f.).

6.2 Lesefrequenz

Bei der DFG-Untersuchung gaben zwei Fünftel der Jugendlichen auf die Frage nach ihrer Privatlektüre an, in den letzten beiden Monaten kein Buch gelesen zu haben. (Franz 2002, S.10).[74]

Klaus Gattermeier[75] hat die Jugendlichen in sechs Buchlesertypen unterteilt, um eine Korrelation zwischen dem Buchleseverhalten der SchülerInnen und ihrem Medienverhalten herstellen zu können (siehe Abb.8).[76]

Abbildung 8: Lesefrequenz von SchülerInnen der 8. Klassen

Quelle: Eigene Darstellung nach Franz 2002, S. 11; Angaben in Prozent

Unter den SchülerInnen der achten Klassen gibt es nur 6% Vielleser, die mindestens drei Bücher im Monat lesen. Demgegenüber steht eine verhältnismäßig große Gruppe ausdrücklicher Nichtleser von 23% und schließlich 11%, die kaum ein Buch in ihrer Freizeit lesen.

Auf die einzelnen Geschlechter bezogen heißt das: bei den Jungen zählen 36% zu den Nichtlesern, bei den Mädchen 11%. 3% der Jungen und 9% der Mädchen gelten als Vielleser.

Damit sind die Unterschiede beim Leseverhalten von Jungen und Mädchen überaus deutlich.

Wenn man also vorhersagen will, ob ein Kind, eher viel oder eher wenig liest, bleibt das Geschlecht einer der zuverlässigsten Prädiktoren. (Hurrelmann 1993, S. 53)

Abbildung 9 bestätigt, dass die Anzahl der weiblichen Leser, die angeben, in den letzten zwei Monaten kein Buch gelesen zu haben, nicht einmal halb so hoch ist, wie die der männlichen Leser. Eine Annäherung der Werte ergibt sich am ehesten bei der Angabe ein Buch. Ansonsten steigt die Anzahl der Mädchen auf über das Doppelte mit der wachsenden Anzahl der Bücher an und führt zu dem Ergebnis: das überwiegend Mädchen zu den Buchlesern gehören (Franz 2002, S.7).[77]

Abbildung 9: Gelesene Bücher in den letzten zwei Monaten

Quelle: Eigene Darstellung nach Franz 2002, S.7; Angaben in Prozent

Abbildung 10 zeigt, dass im Grundschulalter noch deutlich mehr Vielleser (40%) Nichtlesern (10%) gegenüberstehen, im Gegensatz zu den SchülerInnen der achten Klassen (siehe Abb. 8). Relativ stark ist hier das Mittelfeld von LeserInnen, die täglich (19%)oder mindestens einmal pro Woche (19%) lesen.

Abbildung 10: Lesefrequenz von Kindern zwischen 9 und 11 Jahren

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 108f., Angaben in Prozent

Das heißt, Bücherlesen nimmt bei den 9-11-Jährigen (trotz des schlechten Abschneidens bei der täglichen Mediennutzung siehe Abb.6) einen relativ hohen Stellenwert ein. Hurrelmann vermutet als Grund dafür, dass Kinder in dieser Lebensphase noch stark von den schulischen Erfahrungen geprägt werden (Hurrelmann 1993, S.30-34)

6.3 Der literarische Stoff

Um Lesemotivation und -frequenz bei Kindern und Jugendlichen unterstützen zu können, müssen sich LehrerInnen, SozialpädagogInnen und Eltern deren Bücherinteressen und –vorlieben bewusst sein.

Von der zweiten bis zur vierten Klasse dominiert bei Jungen und Mädchen gleichermaßen die Abenteuerliteratur mit 64,%. An zweiter Stelle steht die Sachbuchliteratur mit 55,9%. Im Mittelfeld bewegen sich Märchen sowie Phantasiegeschichten (45%) und Tiergeschichten (45%) und. Während an letzter Stelle Texte von Verfilmungen (27%) und wahre Geschichten (25%) folgen. (Richter/ Plath 2002, S.49).

Es dominiert eindeutig die Literatur, die sich mit märchenhaften und phantastischen Strukturen verbindet, die auf Spannungsmomente setzt und abenteuerliche Vorgänge erzählt. (ebd.)

Abbildung 11: Lesepräferenzen von SchülerInnen der Klassen 2-4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

Ich lese gern Texte, ...

1. ...die über bestimmte Dinge informieren
2. ...Texte, in denen Abenteuer erzählt werden
3. ...in denen Märchen, Sagen und Phantasiegeschichten erzählt werden
4. ...in denen Tiergeschichten erzählt werden
5. ...in denen wahre Geschichten erzählt werden
6. ...in denen es um Fernsehsendungen oder Fernsehfilme geht

Quelle: Eigene Darstellung nach Richter/ Plath 2002, S.48, Angaben in Prozent

Die angegebenen Buchtitel[78] in der von Karin Richter und Monika Plath durchgeführten Untersuchung zeigen, dass Kinder nicht nur triviale kindliche Literatur oder oberflächliche Action-Szenarios lesen. Harry Potter wird in den zweiten Klassen von 26 Kindern, in den dritten Klassen von 59 Kindern als ihr Lieblingsbuch angegeben. Dadurch wird deutlich, dass auch jüngere Kinder in der Lage sind, komplizierte Gebilde zu rezipieren, „[...] wenn diese künstlerische Elemente aufweisen, die sie in starker Weise zum Lesen motivieren“ (Richter/ Plath 2002, S. 50).[79]

Bei den durch die DFG befragten SchülerInnen der achten Klassen lagen 2002 die Bände von Chris Charters Akte X in allen Schularten oben, weil hier die Präsenz als Film bzw. Fernsehserie, ähnlich wie bei Gute Zeiten, schlechte Zeiten, eine große Rolle spielte.

Zwei Klassiker teilen sich Platz zwei und drei: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo und Das Tagebuch der Anne Frank. Aber auch Bestseller wie Jostein Gaarders Sophies Welt und Benjamin Leberts Crazy waren an vorderer Stelle zu finden. Von den Autoren wurde am häufigsten Stephen King genannt, der mit zwei Titeln Es und Friedhof der Kuscheltiere unter den ersten zehn Titeln rangierte (Franz 2002, S. 13).

Damit deutet sich das bei den älteren Schülern präferierte Genre der Freizeitlektüre an: Horror- (55%) und Abenteuerliteratur (46,2%), aber auch lustige Bücher (51,8%) und Sachbücher über Hobbys (49,3%). Am Schluss stehen Lyrik (11,2%), klassische (8,9%) und politische Literatur (7%).

In der Untersuchung zeigt sich, dass die Jugendlichen nicht durchgängig nur die von ihnen präferierte Freizeitlektüre in der Schule lesen möchten (siehe Kap.1.1). Genres, die privat nur in geringem Ausmaß gelesen werden, treffen als Schullektüre auf größere Zustimmung. Beispielsweise wird politische Literatur von 25,7% der Jugendlichen als schulische Lektüre befürwortet und Lyrik von 17,8%.

Vergleicht man die Genres der präferierten Privatlektüre mit der von den Schülern gewünschten Schullektüre, gibt es nur zwei Übereinstimmungen: Abenteuerbücher und Bücher über Probleme von Jugendlichen werden am häufigsten in der Schule als auch zu Hause gelesen (Franz 2002, S.13ff.).

60% der SchülerInnen würden Texte der Schullektüre auch privat lesen, während 54% gern ihre Freizeitlektüre in den Unterricht einbeziehen würden (ebd.).

Was beim Lesen am meisten nervt, wird überflogen. So überspringen 32% Natur- und Landschaftsbeschreibungen, 18% lassen theoretische Erörterungen aus. Auf Liebes-, Gewalt- und Sexszenen wird jedoch nur selten verzichtet. (Franz 2002, S. 16)

Wie Abbildung 12 zeigt, dominiert bei den Erwartungen der AchtklässlerInnen an die Lektüre das Element Spannung. Aber auch die Identifikation mit literarischen Figuren sowie Humor spielen bei den Anforderungen an die Lektüre eine große Rolle.

Abbildung 12: Lesepräferenzen von SchülerInnen der 8.Klassen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

1. Lese am liebsten spannende Bücher
2. in Figur hinversetzen
3. Humor wichtig
4. Handlung leicht verfolgen können
5. Etwas dazulernen
6. Buch muss Gefühle ansprechen
7. Guter Handlungsausgang
8. Lese zur Unterhaltung

Quelle: Eigene Darstellung nach Franz 2002, S.16, Angaben in Prozent

6.4 Wege zum Buch

1999 war die Buchhandlung für Erwachsene ab vierzehn Jahren die am häufigsten genannte Anlaufstelle, um neuen Lesestoff zu bekommen (Langen 2000, S.19). Wie es heute ist, kann nur spekuliert werden: 1999 war das Buch das am häufigsten verkaufte Produkt im Internet. 26% der unter 24-Jährigen gingen damals schon online auf Büchersuche (ebd.). Da heute mittlerweile 89% der Haushalte über einen Internetzugang verfügen (MPFS 2005 S. 8), liegt die Annahme nahe, dass sich diese Zahl noch wesentlich gesteigert haben könnte.[80]

Obwohl 52% der Befragten ab 14 Jahren angeben, eine Bibliothek bequem erreichen zu können, wird sie nur von 27% in Anspruch genommen. 37% haben noch nie eine Bibliothek benutzt, während 22% überhaupt nicht wissen, wo sich eine befindet. (Franzmann 2001, S. 278f.)[81]

Die 8-12-Jährigen SchülerInnen gelangen durch explizit geäußerte Wünsche oder Geschenke ihrer Eltern an Bücher. An zweiter Stelle rangiert die Bibliothek als Zugangsmöglichkeit zu Büchern. Kaum eine Rolle spielen in dieser Hinsicht Empfehlungen von Freunden und Lehrern (Harmgarth 1999, S. 27).[82]

Ab der achten Klasse suchen sich die SchülerInnen ihre Bücher nach eigenem Interesse aus (siehe Abb. 13). Die Empfehlung von Büchern durch Freunde ist ihnen weit wichtiger als durch die Eltern. Am wenigsten Aufmerksamkeit erhalten die Empfehlungen durch den Lehrer oder ähnliche Lektüren im Unterricht. Damit rückt die Leseinstanz Schule erneut in ein schlechtes Licht. Auf die Frage, ob sie die vom Lehrer empfohlene Literatur gelesen hätten, antworteten 75% mit Noch nie.

Empfehlungen durch Printmedien und Fernsehen halten sich im Mittelfeld. Während Empfehlungen durch Radio und Internet kaum eine Rolle spielen.(Franz 2002 S. 18f)

Abbildung 13: Buchleseanlässe der SchülerInnen der 8. Klassen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Franz 2002, S.18, Angaben in Prozent

Die Bibliothek als genutzte Zugangsmöglichkeit zum Buch nimmt bei Jugendlichen mit 59,3% (Franz 2002, S.18; vgl. Harmgarth 1999, S.28) einen relativ sicheren Stellenwert ein.

7 Lesesozialisation und Leseförderung in der Familie

Vor allem Eltern können bei Vorschulkindern mehr bewirken, als sie glauben: Einfach, indem sie regelmäßig vorlesen und ihr Kind dabei kuscheln lassen. Dadurch entsteht ein positives Grundgefühl, das sich auch Jahre später beim Lesen unbewusst einstellt.

Paul Maar[83]

Die Familie ist der erste informelle[84] Bildungsort von Kindern. Hier findet ihre „[...] zweite Geburt als soziokulturelle Personalität [...]“ (König 1974, zit.n. BMBF 2004, S. 31) statt. Kinder erwerben in der Familie ihre Verhaltensweisen, Denkmuster und Handlungsweisen.

Der Blick auf die historische Entwicklung des Bücherlesens hat gezeigt, dass die Familie seit Jahrhunderten die wichtigste Instanz zur Vermittlung von Lesekultur und damit die früheste Instanz der Lesesozialisation ist.

Von Lesesozialisation ist, laut Hurrelmann, dann zu sprechen, wenn das Individuum in einem Prozess zwischen menschlicher Interaktion, sprachlicher Kommunikation und kontinuierlicher Interpretation der Wirklichkeit steht und sich der gesellschaftlichen Sinnangebote über die kulturelle Alltagspraxis in unterschiedlichen Lebenswelten annimmt. (Hurrelmann 1993, S. 71).

Lesekompetenz wird bereits durch die familiale Vorlesesituation im Kleinkindalter entscheidend geprägt. Ob und wie man liest, hängt folglich von dem ab, was vor dem sechsten Lebensjahr lesesozialisationsmäßig geschieht (Abraham 1998, S. 30). Die Leseförderung sollte dafür ein grundlegendes Erziehungsziel der Eltern sein. Die Umsetzung dieses Zieles jedoch ist abhängig von der Einstellung der Eltern zum Lesen (Hurrelmann 1993, S.15).

Im Folgenden gehe ich verstärkt auf die Mutter als Bezugs- und Vorbildperson ein, da die Väter eine eher geringe Rolle bei der Leseentwicklung ihrer Kinder spielen. Auch in der kindlichen Wahrnehmung stellt die Mutter das prägende Lesevorbild dar. Mütter zeigen in allen Formen der Leseförderung und –erziehung ein stärkeres Engagement als Väter (Hurrelmann 1993, S.43).

7.1 Bildungsniveau und Leseverhalten der Eltern

Die Ziele der Leseerziehung korrelieren mit dem Bildungsniveau der Familie. Je niedriger das Bildungsniveau ist, desto skeptischer ist die Haltung Büchern gegenüber. 38,7% der Mütter mit niedrigem Bildungsniveau bezeichnen Lesen als Flucht vor der Realität. Mit Ansichten wie Bücher seien Ersatz für richtiges Leben oder lesen nur ein Zeitvertreib steht das Bücherlesen hier in Konkurrenz zu nützlichen Tätigkeiten (Hurrelmann 1993, S. 130).

Abbildung 14 zeigt, dass mehr höher gebildete Mütter (92,7%) Wert auf die Lesefreude ihres Kindes legen als Mütter der mittleren (82%) und unteren (58,5) Bildungsschicht. Letztere setzen die Funktion des Lesens zur Entwicklung ihres Kindes (53,2%) mit Lesefreude gleich. Die Nützlichkeit des Lesens als Erwartungshaltung bei Müttern der oberen Schicht liegt bei 31,7% und bei Müttern der mittleren Schicht bei 45,2% (ebd.).

Abbildung 14: Einstellung der Mütter zum Lesen ihrer Kinder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 130, Angaben in Prozent

Eine kindzentrierte Haltung der Mutter schafft am ehesten Raum für (Vor) Leseinteressen als eine zweckgebundene Haltung, bei der Lesen mit Lern- und Aufstiegserwartungen verknüpft ist. Hat die Mutter einen hohen Leistungsanspruch bezüglich des Leseverhaltens ihres Kindes, übt sich das negativ auf das Kind aus (ebd.).

Für die kindliche Lesepraxis ist die Erfahrung des Kindes, dass die Eltern selbst gern lesen, viel wichtiger. So erleben 17% der Kinder, dass an sie ein hoher Leistungsanspruch in Verbindung mit der Aufforderung zum Lesen gestellt wird, ihre Eltern selbst aber nur eine geringe Lesepraxis vorweisen. Kinder, die ihrer eigenen Auskunft nach zum Lesen aufgefordert werden, lesen weniger als Kinder, denen dies nicht auferlegt wird. Bei ständiger Aufforderung, erhält das Kind das Gefühl, zum Lesen gedrängt zu werden (ebd., S. 43).

Eltern können also weitgehend nur in Abhängigkeit von ihrer eigenen Lesebiographie dem Kind ein Partner und Begleiter seiner Leseentwicklung sein. (Hurrelmann 1993., S. 55)

Das Verhältnis von Kindern zu Büchern wird wesentlich über soziale Bezüge der Lesetätigkeit aufgebaut. Die eigene Lesepraxis entwickelt sich nicht als einsame geistige Tätigkeit, sondern durch Beobachtung und Koordinierung. Durch die Beobachtung der Eltern als Bücherleser kann das Kind gerade dann zu eigenem Lesen motiviert werden, wenn die Lesetätigkeit kommunikativ in den Familienalltag eingebunden wird. Das heißt, wenn die Entwicklung der Lesebereitschaft im Zusammenhang mit einer gemeinsamen kulturellen Praxis der Familie stattfindet. Vor allem die Einbindung des Lesens in Form eines Austausches über Bücher, die Kinder oder/ und Erwachsene gelesen haben, stellt eine wirksame Unterstützung der Leseentwicklung der Kinder dar. (Hurrelmann 1993,38f.)

50% der Mütter (unabhängig ihrer Bildungsschicht) und ¼ der Väter passen sich den Leseinteressen ihres Kindes an und unterhalten sich regelmäßig mit ihnen über deren Bücher. Kinder, die Lesesituationen und –interessen in der Familie teilen und über ihre Leseerlebnisse sprechen können, haben größere Chancen, sich zum Leser zu entwickeln, als Kinder, die diese nicht teilen können (ebd.).

Die elterlichen Leseerfahrungen siedelt Hurrelmann auf vier Ebenen der Rezeption und Verarbeitung des Gelesenen an:

- innerhalb der intellektuell-kognitiven Rezeption dient das Bücherlesen als Kenntnis-, Informations- oder Interessenserweiterung sowie als Problemlösungshilfe.
- Der Leser der sozial-emotional- bezogenen Rezeption steht dem Gelesenen empathisch gegenüber, wobei das Rezipierte durch ein intensives Miterleben auch als Lebenshilfe oder der Selbsterfahrung dienen kann.
- Innerhalb der hedonistischen Rezeption findet Lesen als Genussorientierung statt, mit dem Interesse, durch das Lesen eine Distanz zur Realität zu gewinnen.
- Die Betrachtung der sprachlichen und literarischen Form des Geschriebenen steht im Vordergrund der ästhetisch-reflexiven Rezeption. Bestimmte Formulierungen oder Textpassagen werden von den Rezipienten als besonders ästhetisch prägnant erlebt und heben sich deutlich vom inhaltlichen Hintergrund ab (Hurrelmann 1993, S.111ff).

Die Rezeption des Gelesenen ist geschlechtsspezifisch. Während für 71,4% der Väter die intellektuell-kognitive Form der Verarbeitung des Gelesenen bedeutsam ist, lesen 76% der Mütter hedonistisch und ein ebenso so großer Anteil rezipiert ästhetisch-reflexiv. 39% der Mütter spüren eigene Erlebnisse und Gefühle beim Lesen lebendig werden, während die sozial-emotionale Rezeption für 51,2% der Väter eine eher unbedeutende Rolle spielt.

Mütter bevorzugen ein breiteres Spektrum an Buchgattungen. Psychosoziale Themen stehen im Vordergrund. Frauenliteratur rangiert an erster Stelle, gefolgt von Biographien, Büchern über Menschenkenntnis, Kochbücher und Bücher über Gesundheit (ebd.).

Väter interessieren eher die sachorientierten Themen wie Fachliteratur, naturwissenschaftliche Bücher, Reisebeschreibungen, Bücher über Zeitgeschichte, Politik und Wirtschaft sowie Do-it-yourself -Bücher (ebd.).

Eltern, die besonderen Wert auf Form und Sprache der Bücher legen (ästhetisch-reflexiv), lesen häufiger und haben ein breiteres Leseinteresse, was sich besonders positiv auf das Leseverhalten der Kinder auswirkt. Hurrelmann vermutet, dass das Bücherlesen bei ästhetisch-reflexiver Leseweise der Eltern stärker in die Familienkommunikation eingebunden ist als bei der genussorientierten Rezeption, die wohl eher in einem isolierten Bereich stattfindet.

Auch hier kann ein Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Rezeptionsweise festgestellt werden. Eltern mit hoher und mittlerer Bildung legen mehr Wert auf Stil und Form des Geschriebenen als Eltern mit einfacher Bildung (Hurrelmann 1993, S. 113).

Das Buch spielt im Alltag der Kinder eine größere Rolle als in der Freizeit der Väter. Die Lesezeiten der Mutter liegen im Durchschnitt höher als die der Kinder, das heißt, Mütter lesen häufiger als Väter. Wenig-Leser bei Müttern sind seltener als bei Vätern, ähnlich wie bei Mädchen, die mehr lesen als Jungen. (siehe Kap. 5.4)

Obwohl oder vielleicht weil Väter so wenig lesen, ist die Leseerfahrung des Vaters für die Lesefreude des Kindes in Bezug auf die Rezeption von besonderer Bedeutung. Wenn Väter zur ästhetisch-reflexiven Rezeption neigen (was seltener vorkommt als bei Müttern), wirkt sich das positiv auf die Lesefreude des Kindes aus, während die Leseerfahrung der Mütter im Zusammenhang mit der Buchlesedauer des Kindes stehen (Hurrelmann 1993, S.114).

Zwischen dem breiten Feld der Leseinteressen der Mütter und der Lesefreude der Kinder besteht ein deutlich positiver Zusammenhang unabhängig von der Bildungsschicht. Die Mutter ist die zentrale Bezugsperson für die Leseentwicklung der Kinder.

Kinder können über die Leseinteressen ihrer Eltern Auskunft geben: so glauben 60% der Kinder, dass ihre Mütter gern lesen. 40% der Kinder sagen, dass ihre Väter gern lesen, während 20% eine deutliche Leseunlust ihrer Väter und 7% ihrer Mütter wahrnehmen. Diese Wahrnehmung bestätigt die eingangs formulierte Rolle der Mutter als Lesevorbild.

Ein Kind hat die besten Chancen, sich zum Leser zu entwickeln, wenn es von beiden Eltern überdurchschnittlich gefördert wird (ebd., S. 43).

7.2 (Un-)erwartetes Leseverhalten der Kinder

Das Leseverhalten der Eltern wirkt sich auf das Leseverhalten der Kinder aus. Dennoch gibt es Kinder, die trotz intensiver Leseförderung zu Hause wenig lesen und Kinder, die durch Eltern wenig gefördert werden und dennoch regelmäßige Leser sind.

Hurrelmann unterscheidet hier zwischen den erwarteten und unerwarteten Lesern.

- Erwartete Leser stammen aus der höheren Bildungsschicht und lesen überdurchschnittlich lang, häufig und gern. Bücher sind intensiv in den Alltag eingebunden, und die Kinder lesen bevorzugt in Zeiten, in denen auch die anderen Familienmitglieder lesen. Außerdem gibt es verschiedene Lesesituationen wie Vorlesen, gemeinsames Lesen oder zurückgezogenes Lesen.

- Die unerwarteten Leser (ca.20%) finden trotz ungünstiger Bedingungen zum Lesen. Sie entstammen der niedrigen Bildungsschicht, werden kaum gefördert und finden in ihren Eltern keine Lesevorbilder. Die Kommunikation über Bücher wird von Hurrelmann als stark gestört bezeichnet, da der Leseprozess komplett aus dem Alltag ausgegliedert und durch das Kind räumlich abgegrenzt wird. Das Lesen der Eltern findet vorm Einschlafen im Bett statt und ist an spezifische, nichtalltägliche Situationen wie Urlaub oder Krankheit gebunden.

2% der Kinder finden in ihren Müttern und 7% in ihren Vätern kein Lesevorbild, weil diese nach eigener Angabe weniger als 10 Minuten pro Tag lesen. (Hurrelmann 1993, S. 32f.)

Bei den erwarteten Nichtlesern herrscht eine Diskrepanz zwischen theoretischer Hochschätzung des Lesens (also Lesen verbunden mit Leistungsanforderung) und der gleichzeitigen Bedeutungslosigkeit von Büchern im Alltag der Familien. Dies behindert die Vermittlung von Lesefreude beim Kind. Da Bücher hier zu Hause kaum eine Rolle spielen, kommt Kindergarten, Schule und außerschulischen Institutionen eine besondere Bedeutung zu, da sie durch Leseförderung von außen Impulse setzen können. (Hurrelmann 1993, S.55; S. 173ff.)

Zwischen erwarteten und unerwarteten Lesern bestehen Unterschiede hinsichtlich ihrer Rezeptionspräferenzen. Wie Abbildung 15 zeigt, sind wenig geförderte Leser stärker auf die sinnlich-anschauliche Qualität und visuelle Aufmachung der Bücher angewiesen, z.B. Großdruck und wenig Text.

Abbildung 15: Auswahlkriterien von Büchern nach äußeren Qualitäten bei viel und wenig geförderten Lesern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

Wie oft kommt es vor, dass du ein Buch liest, weil...

1. ...dich die Überschrift neugierig gemacht hat?
2. ...du das Titelbild gut fandest?
3. ...dir die Bilder in dem Buch gefallen haben
4. ...das Buch in großer Schrift gedruckt war?
5. ...das Buch nicht zuviel Text hat?
6. ...du den Film gesehen hast?

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 173-179, Angaben in Prozent

75,6% der unerwarteten Leser sind Comic-Leser. Diese Kinder lassen sich eher durch die Verfilmung eines Buches zum Lesen anregen. Daher bedarf es für Kinder, die zu Hause nur wenig Unterstützung in ihrer Leseentwicklung erfahren, eines speziellen Leseangebots in (außer-) schulischen Einrichtungen, das insbesondere mehr auf die Bildlichkeit der Bücher ausgerichtet ist. (ebd., S.173-179)[85]

Noch ein weiterer wichtiger Unterschied trennt die beiden Lesergruppen:

- die viel geförderten Leser orientieren sich an ihren Eltern.
- Die wenig geförderten Leser finden durch ältere Geschwister (Hurrelmann 1993, S. 40-46), Kindergarten oder Schule zum Lesen (Franzmann 2001, S. 78).

7.3 Buch- und Medienbesitz der Familie

Der durchschnittliche Buchbesitz pro Familie lag 1990 bei 250 Büchern, darunter gab es 55 Kinder- und Jugendbücher (Hurrelmann 1993, S.34). Dies zeigt, dass der Grund für ein ungünstiges Leseklima in vielen Familien nicht eine Folge von zu wenig Büchern ist.

Die unterschiedlichen Medienwelten der Kinder sind geprägt durch den sozialen Status der Familie. Einkommensstärkere Familien verfügen über mehr Mediengeräte. Allerdings sind DVD-Player und Fernseher mit Kabelanschluss häufiger in Familien des unteren Bildungsniveaus zu finden. Das heißt, der Medienbesitz der Kinder ist abhängig vom Bildungsniveau der Eltern. Familien mit höherem Bildungsniveau sorgen außerdem für eine höhere Zugangsschwelle zur unkontrollierten Nutzung (Hurrelmann 1993, 34-38).

In einer vielfach ausgestatteten Medienumwelt der Kinder kommt es zu einer gemischten Nutzung der Medien. Die Hypothese von der Verdrängung des Lesens durch das Fernsehen (Verdrängungshypothese) sowie die Hypothese von der Ergänzung des Lesens durch die anderen Medien (Ergänzungshypothese) können nicht bestätigt werden (ebd.). Die Kinder entwickeln, in Abhängigkeit ihrer Sozialisation, unterschiedliche Nutzungsmuster, die von Hurrelmann in fünf typische Mediennutzungsmuster unterteilt werden:

- Typ 1: Als Intensivnutzer vieler Medien (24% der Familien können diesem Typen zugerechnet werden ) sind Familien zu bezeichnen, die über eine Vielzahl von Print- und elektronischen Medien verfügen und auch regelmäßig nutzen. Das obere Bildungsniveau ist hier leicht unterrepräsentiert. 56,9% der Kinder lesen nach eigener Aussage gern.

- Typ 2: Unter den Intensivnutzern von Büchern (27%) sind die Bücher das am häufigsten genutzte Medium in Haushalten mit durchschnittlicher Medienausstattung. Das obere Bildungsniveau ist hier überrepräsentiert. 64,8% der Kinder lesen gern und verfügen über den größten Bücherbestand im Vergleich zu den anderen.

- Typ 3: Anders als die beiden genannten Nutzungstypen sind die Intensivnutzer von Computermedien (14%) in allen Bildungsschichten zu finden. Hier werden Computer- und Telespiele am meisten frequentiert, dafür aber weniger Printmedien. 32,1% der Kinder lesen gern.

- Typ 4: Bei den durchschnittlichen Mediennutzern (24%) sind Nutzung und Ausstattung der Medien sowie die Schichtverteilung durchschnittlich.

- Typ 5: Bei den Intensivnutzern weniger Medien (12%) werden die alten Medien wie Fernseher, Radio, Stereoanlage genutzt. Das untere Bildungsniveau ist hier überrepräsentiert, Eltern der oberen Bildungsschicht sind nicht vertreten. Erwachsene und Kinder lesen selten und haben auch dementsprechend den geringsten Bücherbestand. (Hurrelmann 1993, S.36f.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: Familien als Mediennutzungstypen und Anzahl der lesenden Kinder

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 34-38, S.107f., Angaben in Prozent

Abbildung 16 verdeutlicht, dass Kinder in Familien, die viele Medien (Typ 1) nutzen, fast ebenso viel lesen wie Kinder aus buchbezogenen Elternhäusern (Typ 2). In den Familien mit hoher Nutzungsfrequenz von Computerspielen (Typ 3) spielt Lesen eine geringe Rolle, vermutlich aufgrund des fehlenden Lesevorbilds und der unkontrollierten Nutzung des Computers.[86]

Betreffend der Einteilung der Familien in die verschiedenen Mediennutzungstypen zeigt Abbildung 16, dass die meisten Familien Bücher und Medien durchschnittlich bis intensiv nutzen. Eine kleinere Anzahl von Familien nutzt den Computer am intensivsten und nur ein geringer Teil von Familien nutzt wenige Medien.

7.3.1 Gemeinsame Buch und TV-Interessen im Alltag der Familie

Gemeinsame Buchinteressen innerhalb einer Familie sind mit 48,7% eher selten. Das gemeinsame Interesse an Zeitschriften und Comics ist mit 57,8% etwas höher. Gemeinsame Buchinteressen gibt es mit 51% deutlich stärker zwischen Mutter und Kind, als mit 13,5% zwischen Vater und Kind. Gemeinsame Buchinteressen wirken sich positiv auf das Leseverhalten der Kinder aus. So lesen in den Familien mit gemeinsamen Buchinteressen 66% der Kinder mit einer durchschnittlichen Lesedauer von 54 Minuten pro Tag gern und 34% der Kinder ungern. Während in Familien, in denen selten oder nie gemeinsame Lesesituationen stattfinden, nur 42,5% mit einer Lesedauer von 31 Minuten gern lesen. Noch stärker wirkt sich das gemeinschaftliche Lesen also auf die Dauer des Bücherlesens aus (Hurrelmann 1993, S.123-126).

Im Unterschied zum Bücherlesen ist das Fernsehen viel selbstverständlicher in den Familienalltag integriert. 64,7% der Familien sitzen mehrmals in der Woche gemeinsam vor dem Fernseher, 30% sogar täglich.

Während 90,9% der Familien gemeinsame Fernsehinteressen haben, sind es hinsichtlich einer gemeinsamen Buchlektüre nur 9,6%. Im Gegensatz zum Bücherlesen ist der Vater in seinen Vorlieben für bestimmte TV-Sendungen den Kindern ebenso nah wie die Mutter (ebd.).

Abbildung 17: Buch- und TV-Interessen zwischen Eltern und Kind

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 123-126, Angaben in Prozent

7.4 Die Kommunikation in der Familie

Kein Medium ersetzt die Zeit, die Eltern ihren Kindern widmen.

Heinrich Kreibisch[87]

Anhand ihrer Untersuchung Leseklima in der Familie ist es Bettina Hurrelmann gelungen, neben den Einflüssen des elterlichen Leseverhaltens auf die Kinder auch einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit alltagsferner Gespräche zwischen Eltern und Kindern und dem Leseverhalten der Kinder herzustellen (Hurrelmann 1993, S. 181ff.).

Kinder, deren Familien gemeinsame Gespräche über kulturelle, wirtschaftliche, naturwissenschaftliche oder politische Themen führen, haben eine ausgeprägte Lesepraxis. Diese alltagsfernen Gesprächsbereiche sind, anders als die alltagsnahen Themen, bildungsabhängig, weil die Eltern über einen bestimmten Informationsstand verfügen müssen (ebd.).

Der Zugang zur Welt der Schriftsprache bedeutet ja seinerseits auch den Erwerb der Fähigkeit, sich mit Inhalten zu beschäftigen, die den unmittelbaren Erfahrungsraum des Lesers überschreiten. (Hurrelmann 1993, S. 196)

Eine Beteiligung an den Gesprächen über alltagsferne Themen in der Familie bedeutet, den Kinder neben dem sprachlichen Training eine Gewöhnung an situationsabstraktere Kommunikationsformen zu bieten, was ihnen den Zugang zum Buch und zum Lesen erleichtern kann (ebd.).

7.4.1 Kommunikations- und Interaktionsmuster der Familien

Die Lesesozialisation von 9-11-Jährigen Kindern vollzieht sich maßgeblich über die buchbezogene Interaktion und Kommunikation in der Familie. Ob ein Kind (nicht) liest, hängt davon ab, wie Bücher in den Alltag der Familie integriert und ob gemeinsame Freizeitaktivitäten vorhanden sind.

Bettina Hurrelmann unterteilt die familieninterne Kommunikations- und Interaktionsstruktur in vier Kategorien:

- Gruppe 1: Freizeitaktive Interaktions- und Kommunikationsstruktur mit hoher familialer Kohäsion . Die ausgeprägteste Lesepraxis entwickeln die Kinder, deren Familien anregungsreiche und aktive Interaktionsstrukturen aufweisen, also Familien mit einer vielseitigen, gemeinsamen Freizeitgestaltung, in der Leistung und Erfolg einen geringen Stellenwert haben, aber ein hoher Zusammenhalt zwischen den einzelnen Familienmitgliedern herrscht. Nicht zuletzt unter konkreter Festlegung von Regeln und deren Einhaltung. Die Eltern verzichten auf eine direkte Aufforderung zum Lesen, unterstützen die Leseerziehung jedoch, indem sie Kontaktmöglichkeiten, wie z.B. den Besuch einer Bibliothek ermöglichen. Das obere Bildungsniveau ist mit 27,6% in diesem Interaktionsmuster leicht überrepräsentiert, während das untere Bildungsniveau leicht unterrepräsentiert ist.

- Gruppe 2: Rigide und interaktionsarme Familienstruktur mit schwacher familialer Kohäsion . In Familien mit einer interaktionsarmen Struktur und schwachem Zusammenhalt (das untere Bildungsniveau ist hier mit 16,4% überrepräsentiert) wird weniger Wert auf gemeinsame Unternehmungen und Sozialkontakte gelegt. Es herrscht eine eingeschränkte Kommunikation der Familienmitglieder. Das heißt, Gefühle oder Kritik zu äußern fällt schwer (autoritatives Klima) und Kinder zeigen hier ein wenig entwickeltes Leseverhalten, sehen aber durchschnittlich viel fern.

- Gruppe 3: Deutlich reglementierte Interaktions- und Kommunikationsstruktur mit Dominanz der Leistungsorientiertheit . In Familien mit einem reglementierten Alltagsklima und Anpassungsforderungen seitens der Familienmitglieder, durch die der Zusammenhalt gewährleistet wird, herrschen gemeinsame Ziele im Leistungsbereich vor. Aktive Freizeitgestaltung und Spontanität sind nur gering ausgeprägt. Die Kinder lesen wenig. Das obere Bildungsniveau ist hier mit 25,7% leicht überrepräsentiert, das untere Bildungsniveau leicht unterrepräsentiert.

- Gruppe 4: Integrationsschwache Interaktion- und Kommunikationsstruktur . Die Familien neigen dazu, die Dinge laufen zu lassen und halten weniger zusammen. Mit familieninternen Regelhandhabungen und –auslegungen wird eher lässig umgegangen. Kontrolle gibt es nicht, so dass die Erfolgs- und Leistungsmotivation der Familienmitglieder ebenfalls nur gering ausfällt. Das untere Bildungsniveau ist in dieser Kategorie mit 31% überrepräsentiert. (Hurrelmann 1993, S.180ff.)

In den Abbildungen 18 und 19 sind die einzelnen Familiengruppen anhand ihrer Buch- und TV-Nutzungszeiten gegeneinander gestellt. Dadurch wird deutlich, das das Fernsehen in allen Gruppen relativ oft (zwischen 51% und 60%) und lange (zwischen 84 und 110 Minuten pro Tag) genutzt wird, gegenüber der Frequenz (zwischen 7% und 34%) und Dauer (zwischen 27 und 49 Minuten) der Buchbenutzung.

Abbildung 18: Nutzungsfrequenz von Buch und TV

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 196, Angaben in Prozent

Abbildung 19: Nutzungsdauer von Buch und TV

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 196, Angaben in Minuten

In Familien mit aktiver Freizeitgestaltung (Gruppe 1) lesen die Kinder am häufigsten und sehen am wenigsten fern. 34,1% Kinder werden durch häufige gemeinsame Lesesituationen und Buchgespräche zu vielfältigen Leseinteressen angeregt und lesen fast 50 Minuten pro Tag.

In Familien mit einem rigiden und interaktionsarmen Familienklima (Gruppe 2) stehen Fernsehen und Buch deutlich in Konkurrenz zueinander. Nur 16% der Kinder lesen ein Buch und das weniger als eine halbe Stunde lang, dafür sehen sie zwei Stunden fern.

In Familien mit einer reglementierten Familienstruktur (Gruppe 3) lesen nur 7,7% der Kinder, 59% sehen fern. Damit scheint das Fernsehen einen deutlich größeren Raum im Freizeitverhalten der Kinder einzunehmen je leistungsorientierter das Familienklima ist.

Wenige gemeinsame Lesesituationen finden in den Familien mit einer integrationsschwachen Interaktionsstruktur statt (Gruppe 4). Hier lesen 16,3% der Kinder und 51% sehen regelmäßig fern.

Diese Ergebnisse ziehen folgende Schlussfolgerung nach sich: eine aktive und reiche Interaktions- und Kommunikationsstruktur der Familie dient als Voraussetzung für eine positive Lesentwicklung. Eine anregende, psychosoziale Umgebung bietet einen geeigneten Hintergrund für das Leseverhalten und das Leseinteresse des Kindes.

Bedeutend ist zudem, daß Planung und Ordnung von Alltagsvollzügen und die Regelung von Verantwortlichkeitsbereichen auf die Kompetenzen und Bedürfnisse der Familienmitglieder abgestimmt sind und nicht auf einer starren Verordnung von Verhaltensregeln basieren [...] oder im Dienste eines Leistungsprinzips stehen. (Hurrelmann 1993, S. 187, Herv.i.O.)

Eine auf Erhaltung und Förderung der Individualität zielende familiale Atmosphäre bietet ein breites Erfahrungs- und Gestaltungsspektrum für Kinder. Während das Ausbleiben bzw. die Vereinseitigung eines kommunikativen Austauschs die Leseentfaltung des Kindes behindert und die Vorliebe fürs Fernsehen fördert.

7.5 Formen der familialen (Früh-)Leseförderung für Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter

7.5.1 Die Leseentwicklung im Kleinkind- und Vorschulalter

Wie in Kap. 5.1 erläutert, beginnt die Leseentwicklung lange bevor das Kind Schriftliches selbstständig entziffern kann.

Die Grundlagen für das Lesen lassen sich bereits im Babyalter fördern. Mit seinen fünf Sinnen (Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Tasten) lernt das Baby seinen Körper kennen und beherrschen. Dies stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Sprach-, Lern- und Leseentwicklung dar.

Kreibisch unterscheidet drei Phasen des Lesetrainings in der Interaktion zwischen Eltern und Baby:

- Dinge zum In-den-Mund-stecken geben,

- Dem -Baby-Zuhören

- und Mit-dem-Kind-Sprechen (Kreibisch 2003, S.70f.) .

Im Alter von ein bis zwei Jahren beginnt das, „[...] was gemeinhin als Vorlesen gilt [...]“ (ebd.S.75, Herv.i.O.) im Sinne des Bilderbuchbetrachtens.

Die Kleinen schlagen beliebige Seiten auf und möchten darüber sprechen. (ebd., Herv.i.O.).

Anhand von so genannten Kleinkind-Wörterbüchern[88], in denen Gegenstände abgebildet und bezeichnet sind, kann das Kind lernen, die Gegenstände zu benennen und Sprache zu üben . Dabei ist es besonders wichtig, dass die Betrachtungssituation auf der „[...] Basis des Wissens über kindliche Handlungsmöglichkeiten [...]“ strukturiert ist. Denn nur ein Erwachsener, der das Kind kennt, kann einen Bezug herstellen, zu dem, was das Kind meint, wenn es z.B. auf imaginäre Gegenstände zeigt.

Die Zwei- bis Dreijährigen sind im Umgang mit Büchern schon sicherer und zeigen Interesse an einer breiten Themenvielfalt, z.B. Leben zu Hause, Spielen im Kindergarten, Ausflug in den Zoo. Die Bücher enthalten teilweise richtige Geschichten, deren einzelne Szenen viele Details zeigen (Kreibisch 2003, S. 79).

Erst im Alter von vier- bis fünf Jahren entspricht das Lesen

[...] dem klassischen Bild mit einem Erwachsenen im Ohrensessel, der vorliest, und mit einem Kind, das daneben auf dem Boden sitzt oder das sich an den Vorleser kuschelt [...]. (ebd., S.93)

Das Kind ist bereits in der Lage, über sich selber zu reflektieren. Es ist leichter über etwas zu reden, wenn eine Figur im Buch es stellvertretend erlebt (ebd.).

Im Vorschulalter, zwischen fünf und sechs Jahren, entwickeln die meisten Kinder Interesse an Buchstaben und Zahlen. Die Bücher werden inhaltlich spannender und die Konzentrationsfähigkeit kann bis zu 60 Minuten andauern (ebd., S.101).

7.5.2 Schichtspezifische Unterschiede bei der Bilderbuchbetrachtung

Das Bilderbuch bietet Kindern im Alter von zwei bis acht Jahren als statisches, stilles Medium, die „[...] Chance zur bewussten Wahrnehmung des einzelnen Bildes [...]“ (Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S. 90). Im Gegensatz zu den schnellen Bildfolgen im Fernsehen kann das Bilderbuch in Ruhe und im selbstbestimmten Zeittakt betrachtet werden, so dass Unterbrechungen, Nachfragen, mit dem Finger auf eine rätselhafte Stelle zeigen oder „[...] nur das verträumte Hineinsehen ins Bild [...]“ (ebd.) möglich sind.

Vereinfachte Darstellungen in klar umrissenen Bildern regen dazu an, sich mit dem Erlebten auseinander zu setzen. Gerade kleine Kinder brauchen diese Hilfe, da sie die vielfältigen Eindrücke, die täglich auf sie einwirken, nicht sortieren können (ebd.).

Für Kleinkinder ist das Bilderbuch leicht handhabbar, da die Bilder gegenüber Texten eine führende Rolle einnehmen. Auch textlose Bilderbücher sind wichtig für die Sprachentwicklung, da das Kind durch das Benennen von abgebildeten Gegenständen oder Lebewesen lernen kann, den Dingen einen Namen zu geben. Später lassen sich dann einfache Sachverhalte benennen, und anhand der bildlichen Darstellungen können kleine Geschichten erzählt werden (Petzold 2003, S. 53).

Heath[89] (1982) ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in sozialen Unterschichtfamilien die Erzählkultur vorrangig ist. Das heißt, die Mitglieder dieser sozialen Schichten orientieren sich weniger an der Schriftkultur, bevorzugen jedoch stärker narrativ ausgerichtete sprachliche Interaktionsmuster. Statt Geschichten vorzulesen, werden Geschichten erzählt bzw. die Kinder angehalten, selbst zu erzählen (ges.b. Feneberg 1994, S. 54).

Insgesamt aber erfahren Kinder der unteren sozialen Schicht oftmals keine gezielte kommunikative Zuwendung seitens der Erziehenden. Der Sprachlernprozess vollzieht sich allein auf das coming to know (Wieler 1997, S. 88ff.). Die Kinder erreichen ihr Verstehensniveau nur durch Stillsein und Zuhören und müssen sich in dem von Erwachsenen dominierten Familiengespräch ihre Position erobern. Während der seltenen Vorlesesituation werden verständnissichernde Nachfragen und phantasiegeleitete Deutungsversuche des Kindes durch den Vorlesenden ignoriert. Da das Kind mit seinem Verständnisproblem allein gelassen wird, steigert sich sein Desinteresse.

Wieler bezeichnet diesen Hergang der Vorlesesituation in Unterschichtfamilien als geschlossene Vorlesepraxis[90], die sich starr am Buchinhalt orientiert und dem Kind nur wenig Spielraum lässt, eine eigenständige Perspektive zu entwickeln (ebd., S. 200ff.).

Kinder der oberen sozialen (Mittel-)Schicht werden von Anfang an als Kommunikationspartner ernst genommen. So betrachten Mittelschichtfamilien regelmäßig Bilderbücher mit ihren Kleinkindern. Diese können aktiv am Leseprozess teilnehmen, indem sie zu Äußerungen über Bildinhalte ermuntert werden, den Routineablauf des Bilderbuchbetrachtens ergänzen bzw. Fragen äußern dürfen. Zusätzlich werden die in den Bilderbüchern abgebildeten Inhalte mit Inhalten aus der Lebenswelt der Kinder verbunden. Hier findet eine Öffnung des Vorlesekonzepts[91] statt, was mit der stärkeren Übernahme der Perspektive des Kindes verknüpft ist (ebd.) und so die Entwicklung eines individuellen literarischen Profils beim Kind sicherstellt (ebd., S.238).

Besonders interessant sind die mit dem Vorlesen bezweckten pädagogischen Absichten der Mütter in den jeweiligen Schichten. Mütter der oberen (Mittel-) Schicht neigen zu einem vorsichtigen Umgang mit Korrekturen und legen als informer bzw. monitor[92] Wert auf sprachliche Interaktion durch die thematische Verflechtung von Vorlesegesprächen und alltäglichen Lebens- und Gesprächszusammenhängen.

Mit dem Vorlesen verbinden Mütter der oberen (Mittel-) Schicht Ziele der Entspannung als auch Belehrung im Sinne des Beibringens. Gelesen wird zu ritualisierten Zeiten wie nachmittags oder abends vor dem Einschlafen.

Als directors[93] verzichten die Mütter der unteren Schicht auf positive Bewertungshandlungen und korrigieren das Kind nachdrücklich in seiner Sprechweise. Erzählen findet unabhängig von konkreten Inhalten der gemeinsamen Buch-Lektüre statt (Wieler 1997, S.180f.).

Die inhaltlich komplexeren Fragen oder Kommentare formulieren letztendlich die Kinder der Mittelschichtfamilien, deren Mütter als informer [94] fungieren (Roser/ Martinez 1985[95], ges.b. Feneberg 1994, S. 63ff.).

Kinder von Unterschichtfamilien sind durch die dominierenden Vorlesesituationen ihrer Mütter in ihrer Kreativität zur Erarbeitung von Geschichteninhalten gehemmt. Das Ignorieren von Themen oder Fragen, die Kinder während des Bilderbuchbetrachtens oder Geschichtenvorlesens formulieren, kann sich negativ auf die Sprachentwicklung (Snow 1983[96], ges.b. Feneberg 1994, S.63ff.) und auf die weitere Leseentwicklung (Hurrelmann 2004, S.315) auswirken.

Das heißt, die Kinder profitieren beim Vorlesen und Bilderbuchbetrachten am meisten, wenn sie aktiv und selbstständig am vorlesebegleitenden Gespräch teilnehmen, und sie die Buchinhalte mit ihren Eltern sprachlich erarbeiten.

Abschließen möchte ich diesen Exkurs in die Bilderbuchbetrachtung mit einem Verweis auf Bruner[97] (1983), der den Erwerb von Handlungsformaten wie Gemeinsam ein Bilderbuch lesen als „[...] Eintrittskarte für die Teilhabe an der Kultur [...]“ (zit. nach Charlton 1995,S.78) bezeichnet hat. Beim gemeinsamen Bilderbuchbetrachten lernt das Kind nicht nur, das Medium zu nutzen, sondern auch mit anderen Personen darüber zu kommunizieren und eigene Erfahrungen symbolisch zu verarbeiten und zu reflektieren (ebd.).

7.5.3 Empirische Ergebnisse zur Leseförderung im Kleinkind- und Vorschulalter

Das Vorlesen scheint die am meisten verwendete Form der familialen Leseförderung zu sein, da es in den Befragungen der Eltern am häufigsten genannt wird (Hurrelmann 1993, S.41).

Petra Wieler bezeichnet Vorlesen als eine Reaktion auf die eingeschränkte Selbstständigkeit der Kinder, die für eine „[...] Annäherung an die Symbolkultur einer Sprachgemeinschaft [...]“(ebd.) auf „[...] kommunikativ strukturierte Situationsvorgaben und konstruktive Vorbilder [...]“(Wieler 1997, S.23) angewiesen sind.

Die Betrachtung der Bücher, das Vorlesen und das Sprechen darüber stellen eine Art Brückenfunktion zwischen Mündlichkeit und späterer Schriftlichkeit der Kinder dar (Hurrelmann 1993, S.64f.).

Mutter und Kind folgen während der Bilderbuchbetrachtung einem festen Interaktionsschema (Aufruf, Frage, Benennung, Rückmeldung), wodurch das Kind die Möglichkeit erhält, seine Frage-Antwort-Struktur mit noch komplexeren sprachlichen Äußerungen zu füllen (ebd.) und somit sein Verstehensniveau (Wieler 1997, S.96) zu erreichen. Das Zur-Sprache-Bringen möglicher Verstehensfragen ist der erste Schritt in Richtung Problembewältigung (ebd., S.291).

Das Kind lernt innerhalb der Vorleseinteraktion folgende elementare literarische Regeln. Das Buch hat während des Lesens und Sprechens darüber die führende Rolle. Alles, was im Buch gezeigt wird, hat symbolischen Charakter. Kinder lernen durch das Vorlesen den Umgang mit situationsabstrakter, dekontextualisierter[98] Sprache. Der Vorleser vermittelt ständig zwischen dieser situationsabstrakten, schriftlichen Sprache einerseits und der situationsgebundenen, mündlichen Sprache andererseits und erhält damit eine Art „Vermittlungsfunktion“ (Wieler 1997, S.96).

Untersuchungen zum Wortschatzerwerb von Kleinkindern haben ergeben, dass durch gezielte Veränderungen der Interaktionsstile der Wortschatz beim Bilderbuchbetrachten erweitert werden kann. Geeignete Methoden sind z.B.

- die Kinder mit Was- statt Ja-Nein- Fragen zur aktiven sprachlichen Teilnahme aufzufordern.
- Aussagen der Kinder (Das ist ein Haus.) durch Antworten wie Ja, das ist ein großes Haus mit Fenstern zu erweitern
- und abzuwarten, was die Kinder beim Bilderbuchbetrachten sehen und von sich aus ansprechen, ehe die Eltern neue bzw. noch nicht angesprochene Objekte benennen. (Feneberg 1994, S.42f.)

In der Untersuchung von Whitehurst (1988)[99] betrachteten Eltern, die diese Instruktionen bezüglich ihres Interaktionsverhaltens erhalten hatten, gemeinsam mit ihren 21 bis 35 Monaten alten Kindern Bilderbücher in einem Zeitraum von vier Wochen. Danach war ein 8,5 monatiger Sprachentwicklungsvorsprung dieser Kinder festzustellen, im Vergleich zu den Kindern, deren Eltern keine Einweisung erhalten hatten (Feneberg 1994, S.42). Daraus lässt sich insbesondere für die Förderung sprachlich benachteiligter Kinder eine positive Konsequenz ziehen. Durch geringe Trainingsmaßnahmen der Eltern, ohne allzu großen organisatorischen und finanziellen Aufwand, können diese Kinder schon frühzeitig spielerisch gefördert werden. (ebd.)

Darüber hinaus hat Wieler in ihren empirischen Untersuchungen feststellen können, dass es Kindern erst im Zuge des wiederholten Vorlesens gelingt, eine eigene Perspektive auf das in Text und Illustration geschilderte Handlungsgeschehen zu entwickeln.

Die Vorlesekommentare seitens der untersuchten Kinder nahmen mit jeder Wiederholung der Lektüre zu, während die Erstlektüre unkommentiert angenommen wurde. Dazu muss der zur Orientierung dienende „[...] mühevolle Einstieg der Erstlektüre [...]“ (Wieler 1997, S. 199) überwunden werden, ehe sich die Nähe zu einem Buch bei Kindern einstellt.[100]

Die meisten Mütter legen Wert auf das Herstellen von Nähe und Vertrautheit gegenüber dem Kind während der Vorlesesituation. Das „Vorlesen [...] [geschieht] um seiner selbst willen [...]“ (Hurrelmann 1993, S. 137) und ist mit keinerlei zusätzlichen pädagogischen Funktionen verbunden. Dabei ist es 56% der Mütter (unabhängig ihres Bildungsniveaus) ebenso wichtig, dass ihre Kinder beim Vorlesen Freude empfinden.

Die Ergebnisse von Hurrelmann können durch aktuelle Ergebnisse bestätigt werden. Eine Internetumfrage der Elternzeitschrift Leben & erziehen [101] (siehe Abb. 20) ergab Ende 2005, das zwei Drittel aller befragten Eltern ihren Kindern täglich vorlesen. Damit nimmt das Vorlesen einen festen Platz innerhalb der täglichen familialen Interaktion ein.

Bedenkt man die hohe Bedeutsamkeit des Lesens als Vorstufe für die Schriftlichkeit und den geringen Aufwand (Buch aufschlagen und lesen), so stimmen allerdings die 20% der Nicht- oder Kaumvorleser bedenklich, bestätigen jedoch die repräsentativen Untersuchungen der Leseforschung, wonach der Einfluss der Familien auf ihre Kinder als Lesesozialisationsinstanz weiterhin abnimmt (siehe Kap.7.8)

Abbildung 20: Vorlesefrequenz der Eltern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Babys & Kinder richtig erziehen. Ein Sonderheft von Leben & erziehen. 02/ 2005; S.4 Angaben in Prozent

Neben dem Vorlesen gibt es noch weitere so genannte prä- und paraliterarische Kommunikationsformen[102]. Kinderreime, -gedichte und –lieder, das freie Erfinden von Geschichten und der kreative Umgang mit Sprache im Rollenspiel zählen zu diesen Formen und sind für die Sprachentwicklung von großer Bedeutung. Das Kind wird zum Mitmachen und Verbalisieren aktiviert (Hurrelmann 1993, S.41) und gewinnt dadurch einen spielerischen Zugang zur Sprache.

Laut Hurrelmann wird die Frage nach der Anwendung von prä- und paraliterischen Kommunikationsformen durch die Eltern zurückhaltender beantwortet. Bei vielen scheinen sie „[...] im Verhaltensrepertoire [...]“ zu fehlen. (ebd.).

Abbildung 21 zeigt, welche Formen spielerischen Umgangs mit Sprache von Eltern am häufigsten angewendet wurde, als ihre Kinder klein waren.

Die Antworten der Eltern bestätigen erneut das höhere Engagement der Mütter in der Leseerziehung. Ausnahmslos alle Kommunikationsformen werden häufiger von Müttern praktiziert.

Abbildung 21: Familiale Anwendung prä- und paraliterarischer Kommunikationsformen

Erklärung zum Diagramm:

Haben Sie, als Ihr Kind kleiner war...

1. ...selbst erfundene Geschichten erzählt?
2. ...Märchen erzählt?
3. ...Lieder mit ihm gesungen?
4. ...ihm Kinderreim oder kleine Gedichte beigebracht?
5. ...mit ihm zusammen Geschichten erfunden?
6. ...Rollenspiele mit ihm gespielt?
7. ...mit Worten gespielt? (z.B. Zungenbrecher)

Quelle: Eigene Darstellung nach Hurrelmann 1993, S. 140-141 Angaben in Prozent

Ob ein Kind sich aufgrund der frühen Lesesozialisation (Vorlesen, Märchen erzählen, Kinderreime) später zum Leser entwickelt, ist davon abhängig, wie kindzentriert die Einstellung der Eltern ist. Das heißt, je stärker die Eltern sich den Kompetenzen und Interessen ihres Kindes anpassen und je vertrauter sich das Verhältnis zu Büchern entwickelt, desto eher wird ein Kind zum aktiven Mitmachen animiert und kann über diese Kommunikationsformen die Fähigkeit einer situationsabstrakten und bewussten Verwendung von Sprache erlangen, die eine wesentliche Voraussetzung für die Rezeption von schriftsprachlichen Texten ist (Hurrelmann 1993, 141-143).

7.6 Leseförderung im schulischen Alter

Die Lesefähigkeiten der Erstklässler entwickeln sich unterschiedlich schnell. So können die ersten Kinder schon nach einigen Monaten, andere erst am Ende des ersten Schuljahrs lesen (Kreibisch 2003, S.107).

In seinem Ratgeber zur Leseförderung in der Mediengesellschaft rät Kreibisch den Eltern, kleine Tricks anzuwenden, um ihre Kinder zum Lesen zu bringen. Z.B. durch

- das Anlesen einer Geschichte durch die Eltern, mit anschließender Weitergabe des Buches an das Kind
- oder das wechselseitige Lesen, bei dem das Kind einen Satz und Mutter/ Vater den nächsten Satz liest. (ebd.)

Kreibisch schlägt zudem die Benutzung von Erstlesebüchern vor, die wenig Text, kurze Sätze und einen kleinen Wortschatz enthalten. Darin wird den Kindern das Lesen durch große Buchstaben und Zeilenabstände sowie durch verständliche Sachinhalte erleichtert (Kreibisch 2003, S. 108).

Kinder zwischen sieben und acht Jahren beherrschen in der Regel das Lesen. Ob sie den Text verstehen, hängt vom Inhalt ab. Aufgrund ihrer Lesefähigkeit sind sie in der Lage alle Medien zunehmend selbstständig zu nutzen. Sie können an der entsprechenden Auswahl des Mediums beteiligt werden (ebd., S.113).

Im Alter von acht bis neun Jahren durchleben Kinder „[...] die kleine Pubertät [...]“ (ebd., S.118). Sie übertreten ihre Grenzen und reiben sich an ihren Eltern, während sie sich zunehmend an Freunden orientieren (ebd.). Zeigt ein Kind in diesem Alter besonderes Interesse am Lesen, muss es massiv von seinen Eltern unterstützt werden, auch wenn die Freunde des Kindes nicht lesen und es vielleicht sogar dafür auslachen.

Als Unterstützung betont Kreibisch hier das „[...] Begleiten des Lesens [...]“ (ebd., S.119) in Form der Erfüllung der Lektürewünsche des Kindes sowie Gespräche über die gelesenen Bücher und die eigenen Erfahrungen (ebd.).

Das abendliche, ritualisierte Vorlesen darf in diesem Alter nicht als Kinderkram abgetan werden, sondern kann weiterhin als geruhsamer Abschluss des Tages dienen. Das Vorlesen bis zum neunten Lebensjahr hat den Vorteil, dass die Kinder mit Literatur vertraut gemacht werden, die sie selber erst zwei oder drei Jahre später lesen können, obwohl sie den Inhalt durchaus eher verstehen könnten (ebd., S. 125f.).

Als Problem bezeichnet Kreibisch, dass es den Kindern spätestens im Alter von zehn Jahren unangenehm wird, zu erzählen, dass ihnen ihre Eltern noch vorlesen. Damit wird Vorlesen fälschlicherweise mit Klein-Sein assoziiert, obwohl es auch Erwachsenen Spaß macht und manch einem durch regelmäßiges Praktizieren zu flüssigerem Lesen verhelfen könnte (ebd., S.126).

7.7 Tendenzielle Entwicklungen der familialen Leseförderung

Der Einfluss der Familie auf das Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen hat sich deutlich verändert (Franzmann 2002, S. 36). Abbildung 22 zeigt die beträchtliche Abnahme des Familieneinflusses auf die Lesesozialisation zwischen 1992 und 2000. Sowohl das Interesse der Familie an der Qualität des Lesestoffes als auch die Nutzung von Bibliotheken durch die Kinder und Jugendlichen hat sich um die Hälfte reduziert.

Abbildung 22: Einfluss der Familie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm:

1. Bei uns zu Hause achtete man immer sehr darauf, dass ich gute Bücher las.
2. Ich habe mir oft Bücher in der Bibliothek ausgeliehen.
3. Ich fand den Deutschunterricht sehr interessant.
4. Ich habe mich nicht oft mit meinen Eltern über ein Buch unterhalten.
5. Bei uns zu Hause gab es viele Bücher.

Quelle: Eigene Darstellung nach Franzmann 2002, S. 36, Angaben in Prozent

Einen thesenhaften Erklärungsversuch für den geschmälerten Einfluss der Familie bietet Hurrelmann an:

Familien sind heute zerbrechlich und mobil geworden, Ruhe und Zeit für Kinder sind knapp (Hurrelmann 1998, S.139).

Die meisten Eltern zeigen zwar eine positive Einstellung gegenüber dem Lesen, sind aber kaum aktiv in ihren Bemühungen, das Lesen zu fördern. So erfahren 89% der Vielleser und 56% der Wenig-Leser kaum eine Ermunterung durch ihre Eltern (Harmgarth 1999, S.30).

Die ehemals der Familie allein zugestandene Aufgabe der Lesesozialisation muss daher auch von anderen vor-, außer- und schulischen Institutionen mit geeigneten Konzepten der Leseförderung übernommen werden (Franzmann 2002, S. 39).

8 Vorschulische Bildung und Leseförderung im Kindergarten

Früh investieren statt später reparieren.

Jürgen Kluge von McKinsey[103]

Kindergärten werden heute nicht mehr als Stätte der Kinderaufbewahrung[104] verstanden, sondern haben als non-formale Bildungsorte mit Angebotscharakter einen Bildungsanspruch gemäß § 22, 2 KJHG zu erfüllen, der die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes umfasst (BMPF 2004, S. 29).

Seit 1996 hat jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Damit wird der Kindergarten [105] zu einem für alle Kinder zeitgleich zugänglichen Ort, an dem Ungleichheiten aufgrund von Sozialisation und Schichtmilieu zum ersten Mal erkannt werden können.

Mit der häufigen Orientierung am Situationsansatz[106] richtet sich die Arbeit in den Kindertagesstätten an der Lebenswirklichkeit von Kindern aus und gibt ihnen in realen Situationen die Gelegenheit, nötiges und nutzbares Wissen und Können zu erwerben. Die ErzieherIn übernimmt, z.B. im Rahmen des situativen Ansatzes, die Rolle einer Entwicklungsbegleiterin (Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S. 244).

Laut so genanntem Kindergarten-PISA [107] wurde in Deutschland im Bereich Bildung bis einschließlich 2004 wenig investiert. Laut OECD-Jahresbericht[108] sind die Ausgaben für die Bildung von Kindern in den ersten Lebensjahren in Deutschland im internationalen Vergleich, z.B. bei der Sprachförderung, als viel zu niedrig bewertet.

Die OECD-Untersuchung (Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland), die 2004 in den Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass in den deutschen Kindertageseinrichtungen Erziehung und frühkindliche Bildung einen zu geringen Stellenwert haben.

Mit dem Eintritt in den Kindergarten setzt die „Vergesellschaftung des Kindes“ (Böhnisch 1997,S.117) ein. Das Kind tritt zum ersten Mal aus dem privaten, sozial-emotional strukturierten Kontext der Familie heraus.

So greifen Kinder im Kindergarten immer wieder zu denselben Bilderbüchern, die sie vorgelesen haben wollen. Durch diese Ritualisierung gelingt es, die korrekte Artikulation zu üben und die Bedeutung der Worte in Sprachrhythmus und Sprachmelodie zu lernen. Untersuchungen belegen, dass SchülerInnen mit lautsprachlichen Defiziten in den ersten drei Schuljahren massive Schwierigkeiten beim Lernen haben und diese bis zum Ende der Schulzeit bestehen bleiben. Daher müssen selbstverständliche Lernvoraussetzungen durch die Beherrschung der lautsprachlichen Grundfertigkeiten im Kindergarten geschaffen werden (Payrhuber 2002, S. 94-110). Bos u.a. betonen außerdem ausdrücklich die Interdependenz zwischen Leseleistung und der Dauer der Kindergartenzeit (Bos 2003, S.128).

Der Kindergarten kann im Sinne von Jens Thiele und Jörg Steitz-Kallenbach als „[...] Elementarschule bildnerisch-literarischen Erprobens [...]“(Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004; S. 11) bezeichnet werden, des Weiteren auch als „[...] Spiel- und Erfahrungsfeld für eine aktive Teilnahme an der Wort-Bild-Kultur [...]“ (ebd.). Um Kindern im Kindergarten eine aktive Teilnahme an der Wort-Bild-Kultur ermöglichen zu können, ist es seitens der ErzieherInnen notwendig, dass sie sich mit ihren eigenen biographischen Wurzeln des Lesens auseinandersetzen, um ein Gespür für die Erfahrungen der Kinder in Bezug auf die Kinderliteratur und die Vorlesepraxis zu bekommen (ebd.).

Durch die Leseförderung im Kindergarten kann die familiäre Lesesozialisation, wie sich im Folgenden zeigen lässt, eine wichtige Ergänzung erfahren. Die literarische Sozialisation, die alle Gelegenheiten umfasst, bei denen Kinder mit Literatur in Berührung kommen (Abraham 1998, S. 11), kann im Kindergarten weiterentwickelt werden.

Die literarische Sozialisation ist ein Prozess, in dem das Kind lernt, zwei Fähigkeiten zu entwickeln:

- Literatur für sich selbst zu nutzen, also zur Entspannung oder um Antworten auf bestimmte Fragen zu gewinnen;
- Literatur als Kunstform zu verstehen, die Regeln folgt und auf eine ganz bestimmte Art gemacht ist. (Z.B. den Unterschied zwischen literarischer und außerliterarischer Realität in den Bilderbüchern zu erkennen, der zwar irritierend wirkt, zugleich aber kognitive und emotionale Prozesse in Gang setzt und somit ästhetische Erlebnisse ermöglicht.)

Thiele und Steitz-Kallenbach bezeichnen den Prozess der literarischen Sozialisation zugleich als Prozess der Enkulturation, in dem das Individuum wichtige Kulturtechniken erlernt und so an der Kultur einer Gesellschaft teilnehmen kann (Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S. 18-20).

Dass die Voraussetzungen für eine optimale Lesesozialisation sowohl in der Familie als auch in den Kindertagesstätten gesetzt werden, belegen Ergebnisse aus der Hirnforschung. Neurowissenschaftler sprechen von so genannten Entwicklungsfenstern im Gehirn, die für den Sprach- und Lesebereich zuständig sind und sich in den ersten sechs Jahren optimal ausbilden. Kinder lernen in diesem Alter spielend Wort- und Satzstrukturen aufzunehmen, in ihrem Kontext zu erfassen und einzuordnen sowie selbstständig zu gebrauchen (Strecker 2002, S. 111).

In diesen ersten sechs Lebensjahren besteht das größtmögliche Potential, Kindern eine vielfältige, lebendige und alltagstaugliche Sprache zu vermitteln. (ebd.).

Kinder entwickeln in diesem Zeitraum die schon erwähnte phonologische Bewusstheit (siehe Kap. 5.1), eine der Voraussetzungen für den leichten und schnellen Leselernprozess Und sie erwerben Vorläufertätigkeiten für den Schriftspracherwerb. Kinder, die sich alters- und entwicklungsgemäß verbal ausdrücken können, haben Vorteile beim späteren Schreibenlernen (Strecker 2002, S. 111).

8.1 Exkurs über den richtigen Zeitpunkt des Lesenlernens

Während in verschiedenen europäischen Ländern, z.B. England, Schweden und Frankreich, mehr als die Hälfte der Kinder beim Schuleintritt über gute bis sehr gute schriftsprachliche Vorkenntnisse verfügen (Bos 2003, S.127), sind es in Deutschland und den Niederlanden gerade mal 40%.

Studien belegen, dass Kinder auch ohne diese Vorkenntnisse gute Lernerfolge in der ersten Klasse aufweisen können, wenn sie eine kompensierende Leseförderung erhalten (Bos 2003, S.130f).

Bis weit in die 70er Jahre galt der erste Schultag als Stunde Null der Lese- und Schreibentwicklung. Dass auch Vorschulkinder schon über Wissen um Funktionen und Anwendungsbereiche von Schrift verfügen, zeigen Untersuchungen zum Erkennen von Emblemen im vertrauten sozial-gegenständlichen Kontext (Feneberg 1994, S.15). Danach erkennen 60% aller Dreijährigen und 80% aller Vier- bis Sechsjährigen Embleme, die in ihrer Lebenswelt vorkommen.

- Die zu Untersuchungszwecken auf Karten gedruckten Embleme von Mc Donalds konnten von Vorschulkindern dann am besten erkannt werden, wenn der Schriftzug und die Grafik sichtbar waren.
- Entfernte man den Schriftzug, erkannte immer noch die Mehrzahl der Kinder das Emblem.
- Entfernte man das Emblem, erkannten weniger Kinder, worum es sich handelte .

Dieses Ergebnis spricht dafür, dass Vorschulkinder, die noch nicht lesen können, sich größtenteils an den graphischen Anteilen dieser so genannten Umweltwörter orientieren. Das heißt, Wörter, die die Kinder in ihrem Umfeld wahrnehmen, können von ihnen gelesen werden. (Feneberg 1994, S.15f.)

Walker und Kuerbitz[109] (1979) konnten in ihrer Untersuchung signifikante Zusammenhänge zwischen Vorlesehäufigkeit und Leseflüssigkeit sowie Leseverstehen von Erstklässlern herstellen. Die Gruppe der Kinder, die täglich lasen, konnte bis zum Ende der dritten Klasse die besten Leseleistungen (gemessen an der Leseflüssigkeit) vorweisen. Der Unterschied zu den Gruppen, die nur jeden zweiten Tag lasen bzw. einmal pro Woche, verringerte sich bis zum Ende der dritten Klasse. Die Gruppen, die nicht täglich lasen, konnten den Abstand innerhalb von drei Jahren aufholen. (ges.b. Feneberg 1994, S. 26-38)

Die meisten Erstleselehrgänge in der Schule sind so konzipiert, dass sie keine Vorkenntnisse der Kinder voraussetzen, sondern systematisch schriftsprachliche Lernprozesse aufbauen.

Das heißt, dass diejenigen Kinder, die bei Schuleintritt schon lesen können, quasi in eine „[...] Warteschleife gestellt [...]“ (Bos 2003; S. 130) werden, bis die anderen Kinder aufgeholt haben. Auch die IGLU-Studie bestätigt, dass es in Deutschland am Ende der vierten Klasse kaum Unterschiede zwischen den Kindern gibt, die bei Schuleintritt Vorkenntnisse in der Schriftsprache hatten, und denen, die keine hatten (ebd.).

Für Bos u.a. bedeutet diese Erkenntnis jedoch nicht, dass schulvorbereitende Maßnahmen wie Frühlesen unsinnig sind und die Bildung im Elementarbereich nicht erhöht werden müsse.

Im Gegenteil, die Ergebnisse bestärken die Wichtigkeit des Besuchs einer vorschulischen Einrichtung und einer „[...] sanften und gut integrierten Einbeziehung von lesevorbereitenden Elementen [...]“ (Bos 2003; S. 135). Solch ein Konzept sollte auch die Förderung der mündlichen Sprache, also lautreines Sprechen, die Kommunikationsfähigkeit und das Vorlesen aus Büchern verschiedener Inhalte umfassen. Mit dem Ziel, bei Kindern Lust auf eigenes Lesen zu erzeugen und sich mit der Schriftsprache vertraut zu machen (ebd.).

Zu benennen seien hier vor allem Sprachspiele, die die Aufmerksamkeit der Kinder auf sprachliche Formen lenken (Reime, Zungenbrecher) und so die für die Schriftsprache notwendige Abstraktion der Wortbedeutung anbahnen.

Ebenso dient das Vertrautmachen mit technischen Begriffen (Buchseite, Wort, Satz, Buchstabe) der Anbahnung von Sprachbewusstheit. Malen und Zeichnen unterstützen die kreativen Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder und fördern die Schreibhaltung für das spätere Schreibenlernen und die Feinmotorik (ebd.). Besonders für Kinder aus bildungsfernen Schichten könnte die Förderung im Kindergarten eine gute Voraussetzung für den schulischen Schriftspracherwerb sein, wenn darin die von Bos erwähnte „[...] sanfte und gut integrierte Einbeziehung von lesevorbereitenden Elementen [...]“ stattfindet (Bos 2003; S. 135), also eine sensible Schulvorbereitung.

8.2 Die Anwendung von Bilderbüchern im Kindergarten

Beim Vorlesen eines Bilderbuchs passiert sehr viel mehr, als ‚nur’ einer Geschichte lauschen. Sinnliche Impulse durch Worte, Farben oder Papier, Tagträume durch Bilder oder Sätze, Fragen, Neugier, positive und negative Gefühle begleiten und ergänzen den Prozess.

Jens Thiele und Jörg Steitz-Kallenbach[110]

Aufgrund seines bildhaften, szenischen und narrativen Charakters kommt das Bilderbuch den Zielsetzungen des situationsorientierten Ansatzes im Kindergarten entgegen, weil es Themen oder Probleme andeuten kann, die sich auf die Lebenswelt des Kindes beziehen.

Der fiktionale Charakter der Bilderbuchgeschichte bietet die erforderliche Distanz für den schwierigen Umgang mit Themen wie Tod oder Einsamkeit und macht diese aus kindlicher Perspektive sichtbar, das heißt stellt Fragen im Sinne der Kinder und gibt ggf. auch Antworten.

Bilderbücher sind sowohl für die ästhetischen, kulturellen als auch für die sozialen und kommunikativen Lernprozesse von so großer Bedeutung, dass sie in den Einrichtungen zahlreich vorhanden und für die Kinder erreichbar sein sollten (Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S.90f.).

Sigrid Strecker kritisiert die Tatsache, dass die Qualität des Kinderliteraturbestandes - im Gegensatz zur Diskussion um eine langfristige Computerausstattung - in Kindertagesstätten kaum eine Rolle gespielt hat. Erst nach PISA sei die Frage nach Kinderliteratur im Kindergarten wieder stärker ins Visier der Öffentlichkeit gerückt (Strecker 2002, S. 111).

Kindertageseinrichtungen verfügen über keinen eigenen Etat für Kinderbücher, was bedeutet, dass Kinderliteratur nur unregelmäßig angeschafft wird, z.B.

- bei einem thematischen Bezug zu Kindergartenprojekten,
- bei vollem Etat, wenn interessante Bücher auf dem Markt sind
- oder als Ersatz für kaputte Bücher (ebd.).

Dies wiederum bedeutet, dass die Anschaffung von Kinderliteratur in Kindertagesstätten bestimmten zweckrationalen Prioritäten unterliegt und im Zweifelsfall entschieden werden muss, ob ein neues Spiel oder ein neues Buch angeschafft werden soll.

Strecker hat in einer Art Bestandsaufnahme 1995 vor Durchführung des Projektes Kinder wollen Bücher [111] (siehe Kap.8.4) ermittelt, dass es durchschnittlich 10 Kinderbücher bei 25 Kindern pro Gruppenraum gab, das heißt, dass nicht mal jedes Kind Zugriff zu einem Buch hatte. Die Vorlesesituationen wurden situativ durchgeführt und nicht regelmäßig angeboten. Besondere Kinderbücher wurden im Büro und in für Kindern unzugänglichen Räumen aufbewahrt. Die Kinder mussten fragen, wenn sie ein Buch haben wollten, das nicht in der Bücherkiste lag. Kindergartenbüchereien bildeten die Ausnahmen, ansonsten durften die Kinder keine Bücher mit nach Hause nehmen. (ebd.)

Von einer kompensierenden Leseförderung bei Kindern, die zu Hause wenig Kontakt mit Büchern haben, kann man bei diesen Ergebnissen nicht sprechen.

8.3 Rahmenbedingungen für eine kompetente Leseförderung

Aus den eben geschilderten Ist-Zuständen in den untersuchten Kindergärten hat Sigrid Strecker Schlussfolgerungen für PädagogInnen, Eltern, Träger der Einrichtungen und Ausbildungsstellen in Bezug auf eine kompetente Leseförderung gezogen:

- ErzieherInnen durch optimierte Rahmenbedingungen ermutigen und motivieren, eigene Freude an Büchern zu stärken und eigene kreative Fähigkeiten freizusetzen: solche Rahmenbedingungen können u.a. sein:

- eine geeignete Atmosphäre für das Lesen zu schaffen;
- die Kinderbücher den Kindern zugänglich zu machen;
- regelmäßige Aktionen im Kindergarten anzubieten, auch mit Hilfe von externen Partner, wie Vorlesepaten;
- kreative Aktionen (wie Theaterstücke, Bastelaktionen) mit Kindern durchzuführen, die auf einem Vorlesestoff aufbauen
- oder das Einrichten einer Kindergartenbücherei.

Strecker und Pfarr haben in Einzelgesprächen herausgefunden, dass alle ErzieherInnen in ihrer täglichen Arbeit der Leseförderung einen hohen Stellenwert beimessen, dass aber jede(r) zweite Befragte die Ausbildung ohne hinreichende Informationen zum Thema Leseförderung im Kindergarten abgeschlossen hat. Nur jede(r) siebte Befragte hat schon einmal an einer Fortbildung zum Thema Kinderbücher teilgenommen. (Strecker/ Pfarr 2002, S.191)

- Fachschulen für Sozialwesen müssen praxisnahe Elemente in Ausbildung integrieren: das heißt, der
- Praxisbezug in Kinder- und Jugendliteraturkunde sollte verstärkt
- sowie Aktionen zur Leseförderung kennengelernt und erprobt werden. Dies bezieht auch das Kennenlernen von Institutionen zur Leseförderung bzw. Bezugsquellen für lesefördernde Materialien wie die Stiftung Lesen[112] ein.

- Eltern durch Aktionen in Kindergärten didaktisch ansprechen und für Leseförderung sensibilisieren: zum Beispiel könnten
- die Eltern bei besonderen Aktionen wie Theateraufführungen, Buchausstellungen oder Vorlesestunden einbezogen werden.
- Eine Kindergartenbücherei mit festen Ausleihtagen ließe sich wahrscheinlich nur mit verbindlichem Einsatz der Eltern umsetzen.

Elternarbeit bedeutet die beharrliche Kontinuität der ErzieherInnen gegenüber den Eltern, auch wenn sich immer dieselben Eltern beteiligen und der Weg, die anderen Eltern zu erreichen, methodisch schwierig umsetzbar ist! Tatsächlich wünschen sich die meisten Eltern der oberen Bildungsschicht Buchempfehlungen für ihre Kinder bzw. Buchausstellungen mit neuen Büchern, während die wenigsten von einem Eltern-Kind-Nachmittag im Kindergarten angetan sind. Bei den Eltern der unteren Bildungsschicht dominierte der Wunsch nach einer kostenlosen Bücherausleihe im Kindergarten, gefolgt von Vorlesestunden. Weniger interessierten sie Buchausstellungen und Eltern-Kind-Nachmittage. (Strecker/ Pfarr 2002, S. 192)

- Träger von Kindertagesstätten müssen die literarische Infrastruktur der Tagesstätten für Kinder verbessern: indem sie
- einen angemessenen Bücheretat zur Verfügung stellen,
- bei Neubauten auch Lesezimmer einplanen,
- den Personalschlüssel erhöhen,
- die Gruppenstärke verringern
- und natürlich ein quantitativ und qualitativ breiteres Angebot an Fortbildungen für ErzieherInnen anbieten, z.B. zur Entfaltung eigener kreativer Fähigkeiten, die sich für die Leseförderung einsetzen lassen.

In Zeiten, wo kommunale und freie Träger zunehmend wirtschaftlich (statt inhaltlich) denken und rechnen, müssen meiner Ansicht nach

- Forderungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gestellt werden. Es ist unumgänglich,
- ein positiveres Bild von Kinderbetreuung und Bildung in der Öffentlichkeit erzeugen, im Sinne von Wir investieren in unsere Kinder! statt Unsere Kinder belasten uns! Die kürzliche Debatte um die steuerliche Absetzung der Kinderbetreuungskosten nach Lebensjahr bzw. Mindestbetrag hat gezeigt, dass in Deutschland eher die zweite Aussage zutrifft.

Staat, Länder und Kommunen dürfen von ihrer im KJHG festgelegten finanziellen Verantwortung für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesstätten nicht entbunden werden, auch wenn mittlerweile neue Anforderungen an Eigeninitiativen und Unternehmensgeist (Heller 1998, S.9) zur Erschließung neuer Finanzierungsquellen an die Jugendhilfe gestellt werden müssen.

8.4 Bilanz eines erfolgreichen Projektes zur Leseförderung im Kindergarten

1995 beteiligten sich elf Kindertagesstätten aus sozialen Brennpunkten in Mainz und Wiesbaden an dem Modellprojekt Kinder wollen Bücher. Dieses dreijährige Projekt verfolgte den Ansatz, Maßnahmen zur Prävention von funktionalem Analphabetismus zu entwickeln. Besonderes Augenmerk galt dabei Vorschulkindern aus leseungewohnten Familien (Strecker/ Pfarr 2002, S.187ff.).

Das beste Ergebnis des Projektes war, dass 34% der ErzieherInnen 1997 angaben, in ihrer täglichen Arbeit ein- oder mehrmals täglich vorzulesen, 13% mehr als zu Beginn des Projektes 1995 (ebd.).

Abgesehen von der optimalen Ausstattung mit 70 bis 400 Kinderbüchern und Fachliteratur, der Schaffung dauerhafter Leseecken und der Einrichtung von Kindergartenbüchereien mit Ausleihmöglichkeiten berichteten ErzieherInnen von positiven Effekten für das Arbeitsklima der Einrichtungen. Durch Fortbildungen und die häufigeren internen Gespräche im Team über Kinderbücher erfuhren sie stärkere Unterstützung. Die 1995 noch große Unsicherheit in Bezug auf die praktische Umsetzung von Leseförderung im Kindergartenalltag konnte abgebaut werden. Im Vergleich zu 1995 boten Bücher häufiger einen Impuls für Folgeaktivitäten wie Gespräche, Malen, Basteln, Spielen sowie Einführungen in gruppenübergreifende Aktivitäten (ebd.).

Abbildung 23: Vorlesen und Bilderbuchbetrachtung als Impuls für Anschlussaktivitäten 1995 und 1997

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung zum Diagramm: .

1. Gespräch
2. Einführung in ein Thema
3. Malen
4. Basteln
5. Einführung in gruppenübergreifende Aktivitäten
6. Spiel

Quelle: Eigene Darstellung nach Strecker/ Pfarr 2002, S. 199, Angaben in Prozent

Der zunehmend selbstverständliche Umgang der Kinder mit Büchern und das gestiegene Interesse an Büchern (von 42% der ErzieherInnen 1997 beobachtet) hat sich vor allem bei Kindern aus sozial schwächeren Familien positiv bemerkbar gemacht. Während 1995 nur 27% der Kindergartenkinder aus sozial schwächeren Familien nach Auskunft ihrer Eltern täglich bzw. fast täglich Bücher nutzten, waren es 1997 schon 54%. (ebd.)

Ausgehend von dem kompensatorischen Ansatz im Sinne Renate Köchers[113] lässt eine intensive Leseförderung im Kindergarten positive Einflüsse auf die Sprachkompetenz bei Kindern erwarten, die zu Hause in einem weniger lesefreundlichen Klima leben. Die „[...] Buchferne des Elternhauses [...kann...] durch Buchnähe einer anderen sozialen Bezugsgruppe teilweise ausgeglichen werden.“ (Köcher 1988, zit.n. Strecker/ Pfarr 2002, S. 200)

Die intensive Leseförderung im Kindergarten hat sich insofern positiv auf das Elternhaus ausgewirkt, dass die Kinder gegenüber ihren Eltern eine erzieherische Rolle einnahmen. Man kann hier von einem „[...] umgekehrten Intergenerationeneffekt [...]“ (ebd., S. 202) sprechen. Zum Beispiel achteten die Kinder im Falle der Kindergartenbüchereien darauf, keinen Ausleihtermin zu verpassen. Sie erinnerten die Eltern daran, ihnen an den Ausleihtagen ihre selbst gestaltete Buchausleihtasche mitzugeben. Die Kinder drängten ihre Eltern außerdem, ihnen zu Hause aus den ausgeliehenen Büchern vorzulesen.

1995 gaben 25% der Eltern an, sie läsen ihrem Kind fast nie vor, 1997 nur noch 15%. Damit gelang den Kindern etwas, was für die ErzieherInnen in diesem Zusammenhang nicht zu erreichen war: der Einbezug der Eltern in die lesefördernden Maßnahmen des Kindergartens (Strecker/ Pfarr 2002, S.202).

Auf der Grundlage der Erfahrungen mit diesem Modellprojekt gründete die Stiftung Lesen den interdisziplinären Arbeitskreis Vorlesen und Erzählen. In diesem Arbeitskreis saßen VertreterInnen aus Kindergärten, Fachschulen für Sozialwesen, Grundschulen und Bibliotheken Seite an Seite zusammen, mit dem Ziel Kooperationsmöglichkeiten lesefördernder Institutionen zu suchen. Die Aufgabe der Vernetzung der Aktivitäten der einzelnen Leseförderer hat die Stiftung Lesen übernommen. Das Modellprojekt Kinder wollen Bücher hat gezeigt, wie wichtig eine solche Koordinierungsstelle für Leseförderung ist (ebd.).

9 Leseförderung in außerschulischen Einrichtungen

Es ist Unsinn, jungen Leuten immer mit dem „Besten“ zu kommen. Vor allem ist es ganz unnatürlich, mit Goethe zu beginnen.

Theodor Fontane[114]

Freizeiteinrichtungen wie Stadtteilzentren oder Bibliotheken verhelfen Kindern und Jugendlichen in einem pädagogisch-professionellen Milieu zunehmend zu Bildungserfahrungen (Thole 1996[115], ges.b. Holler 2002, S. 129), die sie bedingt durch die (noch freien) Nachmittage außerhalb und unabhängig von der Schule machen.

In den unterschiedlichsten Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit können so vielfältige Erfahrungs- und Erprobungsmöglichkeiten für einen geringen Teilnehmerbeitrag wahrgenommen werden.

Der Vorteil freiwilliger bzw. fakultativer Angebote liegt in der freiwilligen Zugänglichkeit. Kinder und Jugendliche können das jeweilige Angebot von Stadtteil- oder Jugendzentren kennenlernen und sich für oder gegen einer dauerhafte Teilhabe entscheiden, z.B. Gruppenangebote im Jugendzentrum oder Lesenachmittage in Bibliotheken.

Wenn die Entscheidung aus eigener Motivation heraus geschieht, kann mit einem größeren Engagement der Teilnehmenden gerechnet werden. Darüber hinaus können trotz oder gerade wegen der Freiwilligkeit der Angebote Beziehungen und Kontakte geknüpft werden, die sich positiv auf die sozialen und kommunikativen Kompetenzen auswirken können. (ebd., S. 131)

9.1 Leseförderung in Bibliotheken am Beispiel eines Vorleseprojektes

Im außerschulischen Bereich sind vor allem die Bibliotheken wichtige Literaturinstitutionen, die nicht nur kostenlose Print- oder audiovisuelle Medien zur Verfügung stellen, sondern auch wichtige Kulturarbeit leisten.

Im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur hat sich durch Autorenlesungen und Vorlesestunden, Feste und Lesenächte mit gemeinsamer Übernachtung ein eigener „Kinderkulturbereich“ (Mattenklott 1993[116], zit.n. Ziegenhagen 1995, S.134) herausgebildet, in dem Literatur und Medien aktiv an Kinder, Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen vermittelt werden. Leseförderung gehört sowohl in der Ausbildung als auch der praktischen Arbeit von Diplom-BibliothekarInnen an öffentlichen Bibliotheken zu deren wesentlichen Handlungsfeldern (Ruppelt 2001, S. 425f.).

An der vorbildlichen Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit in den skandinavischen Ländern und den USA orientiert, gibt es auch in Deutschland eigene Kinderbibliotheken und Leseecken sowie Aktivbereiche, in denen gehört, gesehen oder gespielt werden kann (ebd., S.428).

Die Bibliothek erscheint so dem Kind und Jugendlichen als ein angenehmer Ort, an dem man sich gern aufhält und für sich allein oder in der Gruppe beschäftigt ist. (Ruppelt 2001, S. 428)

Mitte der 90er Jahre nutzten 58% der Kinder der 1. und 2. Klasse und 55% der 3. bis 6. Klasse die Öffentliche Bibliothek ihrer Kommune (Harmgarth 1999, S.32).

Von der 7. bis zur 10. Klasse unterscheidet das Lesebarometer die 56% NutzerInnen in Viel- und Wenig-Leser. Die Viel-Leser nutzten die Bibliothek als Zugang zum Klassiker Buch, während die Gruppe der Wenig-Leser Videos und Software auslieh bzw. die Bibliothek nutzte, um Freunde zu treffen (ebd.).[117] Daher kann die Bibliothek auch als Mediothek bezeichnet werden, da sie durch ihr Medienangebot eine wichtige Anlaufstelle für Nicht- und Wenig-Leser geworden ist (ebd.).

Öffentliche Bibliotheken brauchen Partner, um ihren Auftrag zur Leseförderung kompetent und kreativ erfüllen zu können. Diesen Partner finden sie zum einen in der Schule, die sich zunehmend mit neuen Möglichkeiten von Leseförderung auseinandersetzt[118], zum anderen in Organisationen wie Lesewelt e.V., die sich speziell der Leseförderung annehmen.

9.1.1 Zum Hintergrund von Lesewelt e.V.

Mit dem Projekt Lesewelt e.V. wurden in 18 Berliner Jugend- und Stadtteilbibliotheken Lesenachmittage nach dem amerikanischen Vorbild Beginning with Books[119] geschaffen, an denen sich 80 freiwillige VorleserInnen einmal pro Woche treffen, um Kindern bis 12 Jahren während der regulären Öffnungszeiten der Bibliothek vorzulesen.

Dabei lesen mehrere VorleserInnen gleichzeitig, so dass relativ kleine Vorlesegruppen gebildet und auch unterschiedliche Interessen und das Alter der Kinder berücksichtigt werden können.

Das Ziel des Vereins Lesewelt um die Initiatorin Carmen Stürzel ist es, die Kinder außerhalb von Schule und Leistungsdruck zum Lesen zu motivieren (Petzold/ Stürzel 2003, S. 28f.).

Im Oktober 2003 startete die Hamburger Körber-Stiftung nach dem Vorbild des Berliner Vereins Lesewelt e.V., mit ihrer Kampagne Deutschland liest vor. Diese hatte das Ziel, möglichst viele neue Vorleseprojekte in Deutschland anzuregen. Seitdem haben sich rund 245 Initiativen unter ihrem Dach versammelt, deren Freiwillige an öffentlichen Orten wie Stadtteilbibliotheken Kindern und Jugendlichen vorlesen.

9.1.2 Voraussetzungen für das Vorlesen in Gruppen

Bibliotheken haben als Vorleseorte entscheidende Vorteile.

- Es sind ausreichend Bücher vorhanden;
- BibliothekarInnen stehen fachkundig zur Seite;
- die Kinder lernen, wie man Bücher ausleiht
- und entdecken die Bibliothek als einen Ort der Begegnung.

Die Teilnahme an den Vorlesenachmittagen von Lesewelt e.V. in den Bibliotheken ist freiwillig. Die Kinder werden an der Buchauswahl beteiligt und können während des Lesens Zwischenfragen stellen[120].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 24: Karikatur einer Vorlesesituation Ende des 20. Jahrhunderts

Quelle:<www.deutschland-liest-vor.de/selbermachen/vorlesen.html> 28.02.06

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 25: Vorlesesituation einer Kleingruppe in der Bibliothek

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Heidelbach, Nikolaus. 2000. Was machen die Mädchen? Weinheim: Beltz&Gelberg

Abbildungen 23 und 24 zeigen zwei verschiedene Darstellungen von Vorlesesituationen.

Im Gegensatz zu Elfriedes kargem Zimmer, so die ironische Rückschau von Illustrator Nikolaus Heidelbach zu den Lesesozialisationsverhältnissen am Ende des 20. Jahrhunderts (Abb. 24), gilt es als wichtige Voraussetzung von Lesewelt e.V. (Abb. 25),

[...] mit Kreativität und Unterstützung gemütliche Ecken zum Vorlesen ein[zu]richten. Kissen und Decken, die für die Vorlesegruppe reserviert sind und für sie verwahrt werden, sind eine erste Möglichkeit. Eventuell finden sich hier und da ein ausrangiertes Sofa oder bequeme Stühle. Vielleicht findet sich ein großzügiger Spender im Ort, der Geld für ein Sofa oder andere bequeme Sitzgelegenheiten bietet oder Möbel abzugeben hat.[121]

Was fiktionalen und realistischen Gehalt dieser beiden verschiedenen Darstellungen von Vorlesesituationen vereint, ist die Tatsache, dass Vorlesen ein Interaktionsprozess zwischen Leser und Zuhörer ist. So hat sich das lesende Kind Elfriede ein Soziotop (Hurrelmann 2001, S.46) von Zuhörern auf dem Teppich aufgebaut, die zum Kreis gruppiert in typischen Haltungen aufmerksamer Zuhörer auf die Vorleserin gerichtet sind. Das Kind nutzt das Vorlesen als Akt der Herstellung von Sozialität. Was im ersten Bild künstlich hergestellt werden muss, scheint im zweiten selbstverständlich zu sein. Die Situation, in der sich die Kinder neugierig über das Buch beugen und damit der Vorleserin sehr nahe sind, erinnert an eine familiäre Vorlesesituation.

In der Vorlesegruppe muss der Erwachsene und damit auch die Intimität des Lesens geteilt werden, wodurch das Kind zwischen häuslicher und außerhäuslicher Vorlesesitutation zu unterscheiden lernt (Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S. 30f.).

Entscheidend für die Kinder ist Kontinuität und Verlässlichkeit. Sie legen Wert darauf, zusammen mit ihrem(r) Vorleser(in) zu lesen. Nur so kann sich gegenseitiges Vertrauen einstellen.[122]

Die Kinder, die durch das Vorlesen nach dem Modell von Lesewelt e.V. erreicht werden, bringen vielfältige kulturelle Hintergründe mit. In Gesprächen zwischen VorleserInnen und Kindern wird deutlich, wie unterschiedlich das Sprachniveau der Kinder ist und welche Probleme dadurch auftauchen. Damit ist das Vorlesen in der Gruppe ein wichtiger Baustein sowohl für die sprachliche Förderung als für die Annäherung der Kulturen. (siehe Kap.5.1.2)

Die Konzentrationsfähigkeit der Kinder bestimmt die Dauer des Vorlesens. Damit wird deutlich, dass der Spaß im Mittelpunkt steht. Wenn die Kinder über- oder unterfordert sind, hören sie nicht mehr zu und können den Inhalt des Vorgelesenen nicht verarbeiten.

Die Kinder sind längeres Zuhören oft nicht gewohnt, daher fällt es ihnen schwer, sich zu konzentrieren und still zu sitzen. Die VorleserInnen reagieren mit Zusammenfassungen des Textes bzw. kurzen Texten darauf, verwenden Bilderbücher oder sprechen mit den Kindern über das Gelesene.

Die 80 freiwilligen VorleserInnen im Alter von 11 bis 85 Jahren sind StudentInnen, SchülerInnen, RentnerInnen, aber auch Arbeitslose und Berufstätige, die eine sinnvolle Beschäftigung oder einen Ausgleich zu ihrer Arbeit suchen. Sie erhalten Fort- und Weiterbildungen und sind mittlerweile über das Vorlesen hinaus in die Gestaltung und Entwicklung des Vereins einbezogen.

Das freiwillige Engagement der VorleserInnen bildet zwar die Grundlage des gesamten Konzepts, dient jedoch nicht zur Lösung finanzieller Probleme eines bestehenden Vereins.

Angesichts der erfolgreichen Entwicklung von Lesewelt e.V. konnte der Vereinsvorstand 2001 die Initiatorin Carmen Stürzel als hauptamtliche Projektleiterin einstellen.[123]

Durch diese entsprechend gut geschulten VorleserInnen kann ein entscheidender Beitrag zur Lese- und Sprachförderung auch bei benachteiligten Kindern geleistet werden. Bleibt nur zu wünschen, dass sich solche Konzepte ebenfalls in anderen Regionen Deutschlands durchsetzen lassen.

9.2 Leseförderung in der Kinder- und Jugendarbeit am Beispiel von Lesenächten

In der aktuellen Bildungsdebatte zur Kinder- und Jugendarbeit nach PISA wird gefordert, dass Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsarbeit ausgebaut und offensiver dargestellt werden muss.

Ein Anspruch an Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit besteht darin,

[...] Erfahrungen, Orientierungen und Interessen von Jungen und Mädchen [...] aufzugreifen, Bildungsangebote darauf zu beziehen bzw. Bildungsprozesse von ihren subjektiven Voraussetzungen und Biographien ausgehend zu erschließen. (BMPF 2004, S. 210)

Das heißt, Kinder- und Jugendarbeit muss sich auf Lebenslagen von jungen Menschen einlassen und Angebote entwickeln, die den unterschiedlichen Bedürfnissen in den Lebenslagen gerecht werden.

Mit dem Ausbau der ganztägigen Angebote an Schulen bekommen die außerschulischen Einrichtungen Konkurrenz. Gerade die Nachmittagszeit der Kinder, die sonst für die Nutzung und Inanspruchnahme von außerschulischen Angeboten zur Verfügung stand, wird nach dem neuen Konzept von der Schule beansprucht.

Auch was Themen, Inhalte oder Arbeitsformen angeht, rückt die Schule näher an die Kinder- und Jugendarbeit heran. Ob durch die schulischen Angebote das Interesse der Kinder und Eltern an den Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit sinkt, kann der Nationale Bildungsbericht der Bundesregierung nicht vorhersagen.

Außerschulische Bildung ist ein gesetzlich festgelegter Schwerpunkt der Kinder- und Jugendarbeit (vgl. § 11, Abs. 2,3 SGB VIII), der den Umgang mit Kinder- und Jugendliteratur im Sinne von Leseförderung zwar nicht benennt, aber im Rahmen der kulturellen Bildung meines Erachtens nach einbezieht.

Außerschulische Leseförderung gehört zum festen Programm in Einrichtungen wie Kinder- und Jugendbibliotheken. Vereine wie Lesewelt e.V. haben sich auf der Grundlage von Leseförderung gegründet

Hingegen befindet sich Leseförderung in der (offenen, verbandlichen und gemeinwesenorientierten) Kinder- und Jugendarbeit, wenn es nicht im Konzept der jeweiligen Einrichtung ausdrücklich benannt ist, eher in einer Art Grauzone und ist vom Engagement der einzelnen sozialpädagogischen Fachkräfte vor Ort abhängig.

Die Praxisberichte im Internet[124] bestätigen: Leseprojekte sind sowohl in außerschulischen Einrichtungen beliebt, da dies freiwillige Veranstaltungen (non-formal) sind, die gern und zahlreich besucht sind, als auch in der Schule, da diese mit dem steifen Schulalltag kaum etwas zu tun haben.

Der Vorteil außerschulischer Einrichtungen im Gegensatz zur Schule liegt in der indirekten Leseförderung, dass heißt, die Fähigkeit, lesen zu lernen oder zu können, steht hier nicht im Mittelpunkt. Dafür die kreative Ausgestaltung und Bearbeitung eines (Buch-)Themas, das die Kinder neugierig auf Bücher und den freiwilligen Griff zum Buch machen soll. Zur mittlerweile verbreiteten Form der Leseförderung in der Kinder- und Jugendarbeit gehören Lesenächte.

9.2.1 Definition und Ursprung der Lesenacht

Der Begriff Lesenacht steht für eine Form der Leseförderung, die nicht mehr nur in Schulen, und Bibliotheken[125], sondern auch in Buchhandlungen und Jugendzentren durchgeführt wird und sich zunehmender Beliebtheit erfreut, wie die Vielzahl von Berichten in Presse und Internet zeigen.

Neben literaturdidaktischen Ansätzen gibt es inzwischen sogar Kinder- und Jugendbücher zu Lesenächten[126]. Kurzum gesagt: Lesenächte gehören an zahlreichen Schulen, Bibliotheken und Jugendzentren zum Standardprogramm der jeweiligen Einrichtung, wohl auch aus dem Grund, weil eine Übernachtung außerhalb von zu Hause sehr reizvoll ist.

Schon die Vorstellung, im Schlafanzug [...] [an einem Ort sein zu dürfen], an dem sonst auf die Vollständigkeit der Garderobe größter Wert gelegt wird, wird als lustvoll empfunden und schon in der Phase der Vorfreude mit für sich sprechendem Getuschel und Gekicher bedacht. (Knobloch 2003; S. 7)

Hinzu kommt die von den Praxisberichten immer wieder bestätigte Leseintensität der Kinder in einer Lesenacht, die im Schul- und vermutlich auch im Familienalltag sonst kaum realisierbar ist.

Das Ziel der Lesenacht ist „[...] ein freies, selbstständiges, selbstverantwortliches Lesen, das [...] durch ein gemeinsames Programm umrahmt oder durchbrochen werden darf.“ (Knobloch, 2003, S.7) Darüber hinaus soll „[...] das Erlebnis des nicht durch Zeitvorgaben und vielfältige Ablenkungen beschränkten Lesens ermöglicht werden.“ (ebd.)

Während bei Lesenächten in Schulen und Bibliotheken das individuelle Lesen (zusätzlich zur intensiven Begegnung mit dem Buchbestand) im Vordergrund steht, ist bei Lesenächten in sozialpädagogischen Einrichtungen die Gruppensituation ein Schwerpunkt der Veranstaltung.

Durch eine Lesenacht erleben die Kinder womöglich zum ersten Mal die Erfahrung einer „Leseumgebung“[127], die unter häuslichen Gegebenheiten oder im Schulalltag oft nicht gegeben werden kann. Störende Faktoren wie Fernseher, Musik, Geschwister etc. gibt es während der Lesenacht nicht.

Über den Ursprung der Lesenacht ist bisher nur wenig bekannt. Jörg Knobloch vermutet ihn in den USA (Knobloch 2003, S. 3). Im deutschsprachigen Raum sind Lesenächte vor 1988 nur aus der Berliner John-F.-Kennedy-Schule bekannt, wo sie unter der Leitung von Gretel Schürer stattfanden, die ihre Erfahrungen auf verschiedenen Veranstaltungen weitergab. Nachdem Jörg Knobloch 1988 eine eigene erste Lesenacht mit SchülerInnen einer fünften Klasse organisiert hatte, veröffentlichte er seinen Praxisbericht im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels[128], den er als „[...] Startschuss für den weiteren Erfolg dieser Idee der Leseförderung [...]“ bezeichnet und mit der Ausbreitung eines „Bu(s)chfeuer[s]“ (Knobloch 2003, S.3) gleichsetzt.

In der Urversion ist die Lesenacht eine mit geringem Aufwand verbundene Maßnahme der Leseförderung, in deren Zentrum das nächtliche Angebot zum Lesen steht.[129] Von einer organisatorisch aufwendigeren Version, bei der das eigenständige Lesen der Kinder hingegen eine geringe Rolle spielt, werde ich im folgenden Beispiel aus meiner Arbeit berichten.

9.2.2 Einige Eckdaten zur Einrichtung

Das Stadtteilzentrum Baunsberg in Baunatal, 1999 im Rahmen der Sozialen Stadtentwicklung gegründet, befindet sich in einem Wohngebiet mit ca. 6000 EinwohnerInnen, das nicht als klassischer sozialer Brennpunkt beschrieben werden kann, jedoch über wenig Infrastruktur, Kommunikationsorte und Vereine verfügt. Der Anteil an Ausländern und Familien mit mehreren Kindern ist hoch.

Das Stadtteilzentrum ist der Ort der Begegnung und Kommunikation für die BewohnerInnen des Stadtteils Baunsberg. Hier erhalten sie Informationen über Kursangebote und Veranstaltungen im Stadtteil und können Räume für Familienfeiern mieten.

Ein wichtiges Kernstück des Hauses ist das Stadtteilcafè, in dem die BürgerInnen sich zum Frühstück oder zum Klönen treffen können. Parallel dazu gibt es Kreativangebote wie Basteln zur Weihnachtszeit oder Sportangebote wie Gymnastik für Frauen. Einmal im Monat findet sonntags ein Familientag mit Kinderkino oder Kindersachenflohmarkt statt.

Eine wichtige Zielsetzung des Stadtteilzentrums ist die Koordinierung der sozialen Angebote und Dienste im Wohngebiet Baunsberg. Daher findet eine enge Zusammenarbeit mit den im Wohngebiet vorhandenen Einrichtungen wie dem evangelischen Kirchenzentrum Bornhagen, den Schulen und Kindertageseinrichtungen sowie den in Baunatal tätigen Trägern von Sozial- und Jugendarbeit statt, in Form des Stadtteilarbeitskreises und der AG Kinder und Jugend.

Neben einem Beratungsbüro, das sich verschiedene Organisationen wie das Diakonische Werk, der Caritasverband Kassel e.V., der Verein Frauen helfen Frauen, der Tagesmütterverein und die Leitstelle Älterwerden an unterschiedlichen Wochentagen teilen, befindet sich auch das Jugendbildungswerk im Haus, das Wochenendseminare und Bildungsurlaube für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 26 Jahren anbietet.

Der Kinderbereich des Stadtteilzentrums steht allen Kindern im Alter von 5-13 Jahren offen. Es gibt einen offenen Kindertreff mit Programm wie Basteln, Kochen und Spielen; feste Gruppen für die jüngeren Kinder (5-9 Jahre) sowie geschlechtsspezifische Gruppen für Mädchen und Jungen (8-12 Jahre), außerdem kinderkulturelle Veranstaltungen wie Kinderkino, Kinder- und Figurentheater und Lesenächte.

Durch die Einrichtung des Stadtteilzentrums und seinem 3-Säulen-Konzept (Stadtteilbüro, Zielgruppenarbeit, Kommunikationsort) hat sich das soziale und kulturelle Leben in den letzten Jahren positiv verändert. Das Beratungsangebot für BürgerInnen des Stadtteils, das (halb-)offene Kinderangebot und kulturelle Abende werden rege in Anspruch genommen.

9.2.3 Lesen im Stadtteilzentrum allgemein

Die Kindergruppen sind an der Programmplanung beteiligt und beschäftigen sich gelegentlich mit einem buchbezogenem Thema: z.B. einem Märchennachmittag, bei dem alle Power-Girls (Mädchengruppe) Figuren aus Märchen darstellen, oder indem die Kleinsten aus der Rasselbande (Gruppe der 5-7-Jährigen) dem Bücherraben Rudi ihre Lieblingsbücher vorstellen. Auch eine Erzählwerkstatt steht demnächst an, bei der Kinder ihre eigenen Geschichten erfinden können.

Ein geplantes Leseprojekt fand leider kaum Interesse und musste wegen mangelnder Anmeldungen abgesagt werden: der Lesenachmittag für die ganze Familie. Da Spiel- und Kochnachmittage von den Familien besser angenommen werden, kann man schlussfolgern, dass das Interesse am Buch innerhalb der Familie weniger groß ist.[130]

Die zweimal im Jahr stattfindenden Lesenächte erfreuen sich großer Beliebtheit und werden von der gesamten Altersgruppe der 5-12-Jährigen gut angenommen. Oftmals müssen schon vor Anmeldungsschluss Wartelisten angelegt werden. Auffällig ist, dass sich zu den Lesenächten mehr Kinder aus den übrigen Stadtteilen Baunatals anmelden als aus dem Stadtteil Baunsberg selbst, was generell bei allen thematischen Angeboten zu beobachten ist. Während offene Spiel- und Kinoangebote eher von den Kindern im eigenen Stadtteil angenommen werden.

9.2.4 Lesenächte im Stadtteilzentrum

(1) Organisatorische Voraussetzungen

Lesenächte im Stadtteilzentrum finden in der Regel von Freitag auf Samstag statt. Dazu bedarf es freier Räumlichkeiten, was bei der Vielzahl von kulturellen Veranstaltungen einer langen Vorausplanung bedarf.

Der einzige Saal des Hauses ist von seiner Größe und freien Gestaltungsmöglichkeit nahezu ideal. Das für Organisation und Durchführung verantwortliche Team besteht aus drei Personen (einer Hauptamtlichen, einer Honorarkraft und einer FSJ [131] -lerin). Bei einer Teilnehmerstärke von 20-25 Kindern stellt diese Teambesetzung aufgrund des enormen Vorbereitungsaufwandes und der abendlichen Durchführung das Mindestmaß dar. So ist es auch möglich, den ein Stockwerk tiefer gelegenen Kinderbereich mit Kicker, Airhockey und Tischtennisplatten zum Freispiel zu nutzen (Fotos 1 und 2 siehe Anhang). Tatkräftige Unterstützung erhalten wir zusätzlich von Jugendlichen, die dem Zielalter unseres Hauses entwachsen sind, aber durch interne Fortbildungen zu ehrenamtlichen Mitarbeitern geschult werden.

Nach Ausschreibung der Lesenacht (und ihrem Thema) in der städtischen Wochenzeitung Baunataler Nachrichten (Werbung siehe Anhang) und der Handzettelverteilung in den hausinternen Gruppen sowie in der benachbarten Grundschule (Handzettel siehe Anhang) müssen die Eltern ihre Kinder schriftlich anmelden. Daraufhin geht den Familien eine schriftliche Teilnahmebestätigung sowie ein Infobrief über Ablauf und benötige Übernachtungsutensilien (Teilnahmebestätigung siehe Anhang) zu.

(2) Vorbereitung

Ein allererstes Treffen im Team gibt es zur Themenfindung, also einige Wochen bevor die Ausschreibung in der Öffentlichkeit stattfindet. Beim zweiten Treffen, wird eine Grobplanung zum Ablauf der Lesenacht gemacht: Ideen sammeln, einander vorstellen und auf (zeitliche und finanzielle) Umsetzbarkeit prüfen.

Das dritte Treffen beinhaltet die Feinplanung, bei der Ablauf, Dekoration und Zuständigkeiten bis ins kleinste Detail geplant werden müssen.

Ein chronologisch strukturierter Ablaufplan (Ablaufplan siehe Anhang) beinhaltet Uhrzeit, Aktion, Räumlichkeit, Zuständigkeit, Materialbedarf. Er verschafft den TeamerInnen eine klare Übersicht für den Ablauf des Abends.

Trotzdem müssen zwischendurch, idealerweise in den Pausen oder im Freispiel, Absprachen getroffen werden, da ein erfolgreicher Ablauf einer solchen Nacht vom Verhalten des Klientel abhängig ist und ggf. Veränderungen (Bsp: längeres Freispiel) vorgenommen werden müssen.

Ein viertes Treffen ist dann nötig, wenn man Leseparts oder Inszenierungen abstimmen muss.

(3) Dekoration

Die Räumlichkeiten müssen zur Erzeugung einer bestimmten Leseumgebung entsprechend dekoriert werden. Dies ist als Hauptveranstaltungsort der Saal im Erdgeschoss, der über eine kleine Bühne sowie eine Licht- und Tonanlage verfügt.

Hier gilt es in erster Linie mit Tüchern, Krepppapier, Stellwänden und inhaltlichen Elementen aus dem Buch (z.B. ein mit Pastellkreide gezeichneter Drache als Plakat oder ein Foto einer Tropfsteinhöhle mittels Videobeamer an eine Wand übertragen) eine angenehme Leseatmosphäre zu erzeugen. (Fotos 3 und 4 siehe Anhang)

Sehr hilfreich ist hier die Kooperation mit anderen Einrichtungen (Schule, Hort, Kita, Kirchenzentrum) im Stadtteil, die oftmals über einen kleinen Fundus gebastelter Werke von ehemaligen Projekten verfügen.

(4) Der inhaltliche Rahmen – Lesen, Spielen, Basteln

Im Mittelpunkt steht die Idee, die Kinder durch die unterschiedlichsten Kreativaktionen an das jeweilige Buch heranzuführen. Dazu kann ein Buch aufgrund einer Figur (Pippi Langstrumpf), eines Themas (Freundschaft) oder eines Genres (Kriminalgeschichten) ausgesucht werden.

Bei der Lesenacht Wettbewerb der Bücher wurden drei verschiedene Bücher[132] aus verschiedenen Genres (Krimi, Fantasy, Abenteuer) bearbeitet. Dazu wurden besonders spannende Textstellen ausgewählt und in Kleingruppen gegenseitig vorgelesen. Anschließend konnten sich die Kinder überlegen, in welcher Form (szenisch, bildnerisch, digitalistisch) sie die Bücher darstellen wollten. Die Ergebnisse wurden am nächsten Morgen präsentiert[133], um am Ende darüber zu entscheiden, welches Buch den Wettbewerb gewinnen sollte.

.

Für die Altersgruppe von 6-10 Jahren eignen sich Bücher mit überschaubaren Kapiteln und einfacher Erzählstruktur wie Die Abenteuer des Kalle Wirsch[134] oder Pippi Langstrumpf[135]. Während die Gruppe der 8-12-Jährigen auch komplexere Bücher wie Harry Potter und der Stein des Weisen[136] mit einer verzweigten Erzählstruktur bewältigen kann. Es kommt dabei sehr auf das Textgefühl der PädagogInnen an, die entscheiden, welche spannenden Textstellen sie vorlesen und welche Informationen sie aus dem komplexen Inhalt als (un-)wichtig empfinden und wiedergeben wollen. Je spannender die Texte sind, desto aufmerksamer hören die Kinder zu. (Fotos 5 und 6 siehe Anhang)

Da bei beiden Gruppen die Altersspanne relativ weit auseinander liegt und die Lesefähigkeit der Kinder unterschiedlich ausgeprägt ist, lesen die TeamerInnen selbst und schlüpfen dabei in verschiedene Leserollen (z.B. Lesen in verteilten Rollen) bzw. inszenieren Charaktere, die im Buch vorkommen. Vor allem beim Lesen in verteilten Rollen hat sich gezeigt, dass die Kinder aufmerksamer zuhören, weil Stimme und Tonlage der TeamerInnen sich ändern.

Die Inszenierung von Charakteren (z.B. ein Hausmeister oder eine Bibliothekarin beim Wettbewerb der Bücher) bietet einen unterhaltsamen Einstieg ins Thema (Storyboard siehe Anhang), gestaltet sich jedoch zwecks Kontinuität der gespielten Rolle für den weiteren Abend als schwierig, da die TeamerInnen mitunter ihre Figuren verlassen müssen, um ihre pädagogische Rolle zu übernehmen, wie z.B. Streitereien schlichten.

Darüber hinaus bietet ein solches Rollenspiel Kindern, die sich nicht auf die Inszenierung einlassen wollen, Angriffsfläche für Kritik. So wurde beispielsweise einer verkleideten Teamerin, während der Lesenacht Der kleine Hobbit[137], von einem Kind die Frage gestellt, warum sie als Elbe eine Armbanduhr trage. Aus diesem Grund müssen sich die TeamerInnen über die authentische Präsentation ihrer gespielten Rolle bewusst sein, um spontan in ihrer Rolle reagieren zu können. Ein ständiger Wechsel von gespielter in pädagogische Rolle wirkt unglaubwürdig und könnte von den Kindern wiederholt provoziert werden. (Fotos 7 und 8 siehe Anhang)

Gelesen wird in mehreren Einheiten, die nicht länger als fünfzehn Minuten andauern und von inhaltlich auf das Buch abgestimmten Spielen oder Bastelaktionen umrahmt werden. (Foto 9 siehe Anhang)

Dabei bewähren sich die alten, traditionellen Spiele, wie z.B. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann, aus dem bei Kalle Wirsch, das 3Kopf-Erdmännchen -Spiel wurde. Inhaltlich so abgewandelt, dass der böse Zoppo Trump und zwei seiner Verschwörer, mit einem Tuch an den Beinen zusammen gebunden, die braven Erdmännchen einfangen müssen.

Oftmals lassen sich Spiele schon im Buch ableiten, wie der von uns benannte Geschichtenball. Bei Kalle Wirsch gibt es eine Figur namens Kohlenjuke, der leidenschaftlich gern mit Wörtern spielt. Daraus wurde folgendes Spiel: neunzehn im Buch vorgegebene Wörter, die mit der Vorsilbe so- beginnen, sollten von den Kindern in Sätzen untergebracht werden.

Bastel- oder Maleinheiten ermöglichen einen weiteren Zugang zu einem Buch bzw. dienen zur Auflockerung des Abends, sollten jedoch nicht zu aufwendig, sondern leicht in der Anfertigung sein: z.B. Schnee-Eulen-Lesezeichen aus Pappe bei Harry Potter oder Mutmacher-Steine zum Bemalen bei Pippi Langstrumpf.

(5) Ablauf einer Lesenacht bis zum Morgen

Die Lesenacht beginnt gegen 19 Uhr mit dem Einlass der Kinder, die bereits zu Hause Abendbrot gegessen haben sollten. Nachdem ein Teilnehmerbeitrag eingesammelt, das Schlafgepäck verstaut, die Trinkbecher beschriftet und Namensschilder (in Form von Ausweisen, Tagungskärtchen, Eintrittskarten – dem Thema entsprechend) (siehe Anhang) verteilt sind, werden die Kinder begrüßt, anschließend der Ablauf der Lesenacht vorgestellt.

Bevor mit der ersten Leseeinheit ins Buch eingestiegen wird, gibt es Spiele, um sich kennen zu lernen. Danach wechseln sich Lesen, Erzählen, Spielaktionen, Basteln und zwei Freispielphasen miteinander ab. Kurz nach 23 Uhr gibt es einen Mitternachtsimbiss, der aus kleinen Snacks, Sandwichs, Würstchen oder Salat besteht.

Anschließend findet eine Abschlussrunde sowie eine Besprechung für den Ablauf des nächsten Morgens statt. Ab 24 Uhr gibt es eine kurze inhaltlich dem Buch angepasste Traumreise (siehe Anhang). Danach können sich die Kinder leise in ihren Schlafsäcken unterhalten oder in ihren mitgebrachten Büchern lesen.

Der nächste Morgen beginnt in der Regel gegen sechs oder sieben Uhr mit dem Erwachen der Kinder. Nach dem Aufräumen der Schlafplätze und dem Frühstück beginnt das Highlight der Lesenacht in Form:

- eines Festes mit kaltem Büfett (das die Kinder selbst für ihre Eltern hergestellt haben),
- eines Ratequiz (bei dem das Wissen der Kinder über das Buch getestet wird) (Hobbit-Persuit siehe Anhang)
- oder einer Präsentation (wenn in Kleingruppen unterschiedliche Bücher behandelt wurden, die einander vorgestellt werden).

Gegen zehn Uhr kommen die Eltern und dürfen die Ergebnisse der Lesenacht begutachten (Präsentation) oder sich selbst beteiligen (Ratequiz). (Fotos 10, 11 und 12 siehe Anhang)

Nachdem es zum Abschluss noch ein kleines Geschenk für die Kinder gegeben hat (z.B. Lesezeichen) findet die Lesenacht gegen 11 Uhr ihr Ende.

(6) Öffentlichkeitsarbeit

Das Stadtteilzentrum lebt von seiner Präsentation nach außen. Werbung für Aktionen wird einerseits bei den Nutzern des Hauses gemacht, anderseits auch in den Medien, damit Personen angesprochen werden, die das Angebot des Hauses noch nicht kennen.

Die lokale Tageszeitung Hessische Niedersächsische Allgemeine (HNA) berichtet relativ häufig über eine Lesenacht im Stadtteilzentrum (Presseartikel HNA siehe Anhang).

Dennoch wird im Anschluss an jede Lesenacht zusätzlich ein vom Team inhaltlich-spannender Bericht für die Baunataler Nachrichten verfasst (Rohfassung Presseartikel BN siehe Anhang). Für die Kinder werden Fotos im Kinderbereich aufgehängt, die neugierig auf die weiteren Lesenächte machen sollen. In der Hoffnung, auch diejenigen für Lesenächte begeistern zu können, die sonst nicht gern lesen.

Schlussbetrachtung

Die Ergebnisse der schulischen Untersuchungen von PISA, IGLU und DFG über das Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen zeigen, dass die Schule mehr auf die Themenwünsche und literarischen Interessen der SchülerInnen eingehen muss, wenn sie Freude am Lesen vermitteln will.

Da Leseleistungen und Lesemotivation unmittelbar in Zusammenhang stehen, muss der Spaß am Lesen gefördert werden. Dies ist jedoch nur machbar, wenn LehrerInnen ein Feingefühl für die Interessen der SchülerInnen entwickeln und selbst motiviert sind, sich außerhalb ihrer Fachlektüre, mit Büchern auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf zu große Klassen und der Übernahme von zusätzlichen Erziehungsaufgaben (wie Gewaltprävention) müssen die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Lehrer überdacht werden. Nur ein motivierter Lehrer kann selbst Motivation vermitteln.

Wichtig ist, dass die Schule Kinder, die zu Hause wenig Lese-Unterstützung durch ihre Familie erhalten, gezielt fördert, was meines Erachtens nur geschehen kann, wenn die Klassen überschaubar sind.

Allerdings kann nicht erst die Schule ausbaden, was vor dem Schulbeginn versäumt wurde! Eine gezielte Leseförderung muss (idealerweise in der Familie) spätestens im Kindergartenalter beginnen und bei der Sprachentwicklung ansetzen. Die Grundlagen für die Leseentwicklung müssen geschaffen sein, bevor es in der Schule an das Erlernen der Lesefähigkeit geht.

Besonders in einem Zeitalter moderner und elektronischer Medien erhält Lesekompetenz eine neue Bedeutung. Lesen als Voraussetzung für einen kompetenten Umgang mit Medien ist absolut notwendig für eine eigenständige Entwicklung.

Sich auf ein Buch einlassen zu können, heißt Phantasie zu entwickeln und Ausdrucksfähigkeit zu erlernen. Die Fähigkeit zu denken entwickelt sich aus der Fähigkeit zu lesen. Ein kompetenter Mediennutzer kann nur derjenige sein, der zwischen den einzelnen Medien differenzieren kann und sich aus unterschiedlichen Bedürfnissen (Information, Unterhaltung, Entspannung) heraus mit den Medien auseinandersetzt. Ein Mediennutzer, der nur eindimensional Medien zu nutzen weiß (z.B. Spiele am Computer, Playstation), läuft Gefahr, der Übermacht solcher Medien zu unterliegen und sich im schlimmsten Fall vom öffentlichen Leben auszugrenzen. Vor allem Jungen sind von der Übermacht der audiovisuellen Medien bedroht. Da sie stärker räumlich-visuell wahrnehmen und seltener den Zugang zum stillen Medium Buch finden als Mädchen, bedürfen sie von Anfang an einer gezielten Leseförderung.

Die könnte durchaus in der Vernetzung der Medien Buch und Computer erfolgen, z.B. durch die Rezeption literarischer Texte im Internet. Allerdings stellen diese keine völlige Alternative für das selbstbestimmte Lesen eines Buches dar, weil ihre Nutzung Kompetenzen eines fähigen Lesers voraus setzen. Nur wer das Lesen (eines Buches) gewöhnt ist, kann jene von Wanning angesprochene Hetzjagd von einem zum nächsten Link vermeiden. Nicht angeleitete Internetlektüre verführt Kinder zu Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit. Konzentration und Lesegenuss kommen völlig zu kurz.

Erst bei sachgerechter Erziehung zum Lesen im Netz kann ein Kind Kreativität, Selbstständigkeit und logisches Denkvermögen schulen. Auf diese Weise entsteht eine neue Generation von LeserInnen, die lernt, in elektronischer Weise zu lesen, zu schreiben, aber auch zu denken.

Die idealen Voraussetzungen einer Leseentwicklung sind in der Instanz Familie zu finden.

- Das Vorbild lesender Eltern,
- die kommunikative Einbindung von Büchern in den Alltag,
- Lesesituationen, die Vertrauen und Nähe erzeugen
- oder gemeinsame Freizeitaktivitäten, die der Familie als Einheit Stabilität verschaffen, sind grundlegend für eine gute Leseentwicklung eines Kindes.

Ob sich ein Kind aufgrund früher Lesesozialisation (Vorlesen, Märchen erzählen, Kinderreime) zum Leser entwickelt, ist abhängig, wie kindzentriert die Einstellung der Eltern ist. Das heißt, je stärker die Eltern sich den Kompetenzen und Interessen ihres Kindes anpassen, je vertrauter sich das Verhältnis des Kindes zu Büchern entwickelt, desto eher wird ein Kind zum aktiven Mitmachen animiert. Über Kommunikationsformen im Kleinkindalter kann das Kind die Fähigkeit zur situationsabstrakten und bewussten Verwendung von Sprache erlangen, die eine wesentliche Voraussetzung für die spätere Leseentwicklung ist.

Da der schwindende Familieneinfluss auf das Leseverhalten der jungen Generation scheinbar nicht aufzuhalten ist, muss verstärkt über Leseförderung außerhalb der Familie nachgedacht werden, und das so früh wie möglich, sprich im Kindergarten. Sigrid Strecker hat einerseits einen düsteren Ist-Zustand unserer Kindergärten aufgedeckt, andererseits durch das Projekt Kinder wollen Bücher gezeigt, was alles bewirkt werden kann. Vorausgesetzt die finanziellen Rahmenbedingungen zur literarischen Ausstattung der Einrichtung sind geschaffen und ErzieherInnen entsprechend weitergebildet, um bewusst mit dem Thema Lesen umzugehen sowie regelmäßig mit Büchern zu arbeiten.

Die Leseangebote in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit können, sofern sie nicht mit Schule vernetzt sind, freiwillig in Anspruch genommen werden. In der Regel werden solche Angebote wie Lesenächte eher von den Kindern wahrgenommen wird, die gern lesen und es auch können. Das heißt, dass außerschulische Kinder- und Jugendarbeit die Kinder nicht erreichen kann, die ohnehin keinen Spaß am Lesen haben.

Um alle Kinder erreichen zu können, darf Leseförderung also nicht auf eine oder wenige Institutionen begrenzt sein, sondern muss im gesamten sozialen Umfeld eines Kindes ablaufen. Das heißt,

- die Schule hat den Vorteil, dass sie alle Kinder erreicht.
- Der Kindergarten hat den Vorteil, dass er die Kleinsten erreicht.
- Die außerschulische Institution erreicht Kinder durch ihren freiwilligen Charakter.

Wenn es der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit gelingt, die Kinder zum Lesen zu motivieren, kann Schule hierauf aufbauen. Idealerweise wäre natürlich eine Vernetzung, so dass die Kinder das Gefühl bekommen, dass der Schule wichtig ist, was in ihrer Freizeit passiert.

Die Familien werden wiederum durch das vereinte Engagement dieser Institutionen, und wie das Kindergartenmodellprojekt gezeigt hat, durch ihre Kinder dazu angehalten, dem Lesen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dies ist meines Erachtens ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft, dass Bücher und Lesen zu wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten.

An dieser Stelle verweise ich auf das außergewöhnliche Konzept Story-based Project von Ralph Lewin, der 2002 die Idee entwickelte, ein Buch zum Gesprächsgegenstand in ganz Kalifornien zu machen. Alle Kalifornier wurden im Sommer 2002 aufgerufen, John Steinbecks Früchte des Zorns (einen Roman mit besonderer Aktualität für das heutige Kalifornien) zu lesen, um im darauf folgenden Herbst an Lesungen, Diskussionen, Aufführungen, Schulprojekten etc. teilzunehmen. Hintergrund war die ethnische und kulturelle Vielfalt des Bundesstaates: die Menschen sollten über das Buch miteinander ins Gespräch kommen.[138]

Im Bus sprechen sich Menschen an, die dasselbe Buch lesen. In der Schule kann man Leseeindrücke austauschen, am Arbeitsplatz die vietnamesische Ausgabe eines Kollegen mit der eigenen spanischen Übersetzung vergleichen.[139]

Könnte man diese Idee mit dem richtigen Buch auch für Deutschland umsetzen, wäre ein wichtiger Beitrag für das soziale Ansehen von Buch und Lesen in der Öffentlichkeit getan. Dass es natürlich schon ähnliche regionale Veranstaltungsreihen wie Kassel liest gibt, möchte ich nicht ungenannt lassen. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit muss meiner Ansicht nach auch auf das eigene, aktive Lesen gelenkt werden. Und dies könnte mit dem richtigen Buch geschehen. Ähnlich wie beim Harry-Potter -Phänomen gilt dann: Man muss es gelesen haben, um mitreden zu können!

Wichtig für Deutschland ist, dass der Leseranteil stabil und das Buch im Vergleich zu neuen medialen Freizeitaktivitäten (Playstation und Computer spielen, chatten, simsen) konkurrenzfähig und attraktiv bleibt.

Meines Erachtens kann dies nur geschehen, wenn Kinder und Jugendliche das Bücherlesen mit mehr Spaß und Genuss in Verbindung bringen und vor allem sehen, dass die Erwachsenen dies auch tun.

Anhang

(1) Fotos

Foto 1:

Die Kinder nutzen die Pause zum Freispiel.

Foto 2:

Nach der langen Konzentration ist Bewegung wichtig.

Foto 4: Der kleine Hobbit.

Nachtwald aus bemalten Stoffen, Kreppstreifen und faserigen Spinnennetzen

Foto 3 : Der Wettbewerb der Bücher. Bücherregal mit Büchern und bunten Buchstaben aus Fotokarton

Foto 5 und 6: Kalle Wirsch.

Die Kinder haben es sich zum Zuhören bequem gemacht.

Foto 7: Der kleine Hobbit.

Eine Teamerin als Zwergenkönig Thorin.

Foto 8: Der kleine Hobbit.

Eine Teamerin als Elbenfreund Elrond.

Foto 9: Kalle Wirsch.

Der Festtanz der Wirsche muss vor der Präsentation geübt werden.

Foto 10: Kalle Wirsch.

Am Morgen nach der Lesenacht verraten die Kinder ihren Eltern, wer Kalle Wirsch ist.

Foto 11: Kalle Wirsch.

Ratequiz mit den Eltern

Foto 12: Kalle Wirsch.

Festliches Büfett von den Kindern für die Eltern vorbereitet.

(2) Kopien

- Werbung in den Baunataler Nachrichten (BN)

- Handzettel

- Teilnahmebestätigung

- Ablaufplan Kalle Wirsch

- Storyboard zur Inszenierung Wettbewerb der Bücher

- Ausweis-Vorlagen

- Traumreise zum Einsamen Berg

- Hobbit -Persuit

- Rohfassung Presseartikel BN vom 26.10.01

- Presseartikel HNA 22.02.06

Literaturverzeichnis

Abraham, Ulf. 1998. Übergänge. Literatur, Sozialisation und Literarisches Lernen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag

Baumert, Jürgen u.a.. (Hrsg.). 2001. PISA 2000 – Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Deutsches PISA-Konsortium. Opladen: Leske+Budrich.

Baumert, Jürgen u.a.. (Hrsg.). 2002. PISA 2000 - Die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich. Deutsches PISA-Konsortium. Opladen: Leske+Budrich.

Becker, Susanne. 2003. „Harry Potter und PISA – Medienereignisse fordern den Deutschunterricht heraus“ In: Hurrelmann, Bettina/ Susanne Becker (Hrsg.): Kindermedien nutzen. Medienkompetenz als Herausforderung für Erziehung und Unterricht. Weinheim und München: Juventa Verlag

Bertelsmann Stiftung. 1997. Öffentliche Bibliothek und Schule-neue Forme der Partnerschaft. Zwischenbericht zum Modellprojekt. In Kooperation mit den Städten Greifswald, Hoyerswerda, Marburg, Ratingen, Rosenheim und Villingen-Schwenningen. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung Verlag

Böhnisch, Lothar. 1997. Sozialpädagogik der Lebensalter. Weinheim und München: Juventa Verlag

Bohnsack, Petra. 1999. „Gutenberg und die Bibel.“ In: Bohnsack, Petra/ Foltin, Hans Friedrich (Hrsg.).: Lesekultur. Populäre Lesestoffe von Gutenberg bis zum Internet. Marburg: Schriften der Universitätsbibliothek Marburg 93

Bonfadelli, Heinz. 2001. „Leser und Leseverhalten heute – Sozialwissenschaftliche Buchlese(r)forschung“ In: Franzmann, Bodo u.a.: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Bos, Wilfried u.a. 2003 (Hrsg.): Erste Ergebnisse aus IGLU. Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich.. Waxmann. Münster

Brinck, Christine. 2003. „Lies mir vor – gleich! Ein Blick auf amerikanische und englische Erfahrungen.“ In: Cem Özdemir (Hrsg.). 2003. Abenteuer Lesen. Ein Wegweiser für Initiativen. Hamburg: Edition Körber-Stiftung

Buhrfeind, Anne. 2001. „Leseförderung“ In: Franzmann, Bodo u.a.: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMPF) (Hrsg.). 2004. Non-formale und informelle Bildung im Kindes- und Jugendalter. Konzeptionale Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht. Bildungsreform Band 6.

Christmann, Ursula/ Groeben, Norbert. 2001. „Psychologie des Lesens“ In: Franzmann, Bodo u.a..: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Charlton, Michael. 1995. „Lesesozialisation und Kinder- und Jugendliteratur“ In: Rosebrock, Cornelia. Lesen im Medienzeitalter. Biographische und historische Aspekte literarischer Sozialisation. München: Juventa Verlag

Deutschland liest vor e.V. 2003.

<www.deutschland-liest-vor.de/selbermachen/vorlesen.html> 28.02.2006

Dokumentation einer Veranstaltung des Verbandes Bildung und Erziehung am 1. Juni 2002. PISA – Menetekel oder heilsamer Schock? Kinder und Jugendliche brauchen Lesekompetenz.

Feneberg, Sabine. 1994. Wie kommt das Kind zum Buch? Die Bedeutung des Geschichtenvorlesens im Vorschulalter für die Leseentwicklung von Kindern. Neuried: ars una - Verlagsgesellschaft

Franz, Kurt. 2002. „Lese- und Medienverhalten von Schülern und Schülerinnen der achten Jahrgangsstufe“ In: Franz, Kurt. Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Franzmann, Bodo u.a. (Hrsg.). 1995. Auf den Schultern von Gutenberg. Medienökologische Perspektiven der Fernsehgesellschaft. Berlin und München: Quintessenz Verlags-GmbH

Franzmann, Bodo. 2001. „Die Deutschen als Leser und Nichtleser. Ein Überblick“ In: Stiftung Lesen/ Spiegel-Verlag (Hrsg.). Leseverhalten in Deutschland im neuen Jahrtausend. Eine Studie der Stiftung Lesen. Hamburg: Spiegel-Verlag

Franzmann, Bodo. 2002. „Leseverhalten in Deutschland: Erwachsene und Jugendliche im Vergleich.“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Graf, Werner. 1998. „Das Schicksal der Leselust. Die Darstellung der Genese der Lesemotivation in Lektüreautobiographien“ In: Garbe, Christine. Lesen im Wandel. Probleme der literarischen Sozialisation heute. Universität Lüneburg

Gudjons, Herbert. 2003. Pädagogisches Grundwissen. Überblick-Kompendium-Studienbuch. Bad Heilbrunn: Julius Klinkerhardt Verlag

Haist, Karin. 2003. „Neue Welt der Bücher. Leseinitiativen aus den USA und andere ‚usable ideas’“ In: Cem Özdemir (Hrsg.). 2003. Abenteuer Lesen. Ein Wegweiser für Initiativen. Hamburg: Edition Körber-Stiftung

Hanebutt-Benz, Eva-Maria. 1985. Die Kunst des Les ens. Lesemöbel und Leseverhalten vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Herausgegeben im Auftrag des Dezernats Kultur und Freizeit Frankfurt am Main und vom Museum für Kunsthandwerk

Harmgarth, Friederike (Hrsg.) 1999: Das Lesebarometer - Lesen und Umgang mit Büchern in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme zum Leseverhalten von Erwachsenen und Kindern 1995-1997. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung

Heller, Elke. 1998. Etwas Unternehmen. Kinder und Erzieherinnen entwickeln Eigeninitiative. Berlin: Ravensburger Buchverlag

Hessisches Sozialministerium (HSM)/ Hessisches Kulturministerium (HKM) (Hrsg.) 2005. Bildung von Anfang an. Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren. Entwurf für die Erprobungsphase. Stand: August 2005

Holler, Doris. 2002. „Außerschulische Förderung von Sprache und kommunikativen Fähigkeiten im Grundschulalter“ In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.) Sprachförderung im Vor- und Grundschulalter. Konzepte für den außerschulischen Bereich. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut

Hurrelmann, Bettina u.a.. 1993. Leseklima in der Familie. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung . Gütersloh: Verlag Bertelsmann-Stiftung.

Hurrelmann, Bettina. 1998. „Familie und Schule als Instanzen der Lesesozialisation“ In: Garbe, Christine. Lesen im Wandel. Probleme der literarischen Sozialisation heute. Universität Lüneburg

Hurrelmann, Bettina. 2001. „Lesesozialisation im Wandel familialer, pädagogischer und kinderliterarischer Diskurse - Werkstattbericht über ein Forschungsprojekt im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms ‚Lesesozialisation in der Mediengesellschaft’“ 2001. In: Richter, Karin/ Trautmann, Thomas (Hrsg.). Kindsein in der Mediengesellschaft. Interdisziplinäre Annäherungen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag

Hurrelmann, Bettina. 2004. „Informelle Sozialisationsinstanz Familie“ In: Groeben, Norbert/ Hurrelmann, Bettina (Hrsg.). 2004. Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Weinheim und München: Juventa Verlag

Kallenbach, Gudrun. 2004. „Entwicklungspsychologische Aspekte der Rezeption von Bild und Text“ In: Thiele, Jens/ Steitz-Kallenbach, Jörg. Handbuch Kinderliteratur. Grundwissen für Ausbildung und Praxis. Freiburg: Herder Verlag

Kaminski, Winfred. 1998. Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. Literarische Phantasie und gesellschaftliche Wirklichkeit. Weinheim und München: Juventa Verlag

Kerlen, Dietrich. 2001. „Druckmedien“ In: Franzmann, Bodo u.a..: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Klimmt, Christoph/ Vorderer Peter. „Unterhaltung als unmittelbare Funktion des Lesens“ In: Groeben, Norbert/ Hurrelmann (Hrsg.). 2004. Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Weinheim: Juventa Verlag

Knobloch, Jörg. 2003. Tag des Buches. Lesenacht. Anregungen für ein ganzes Lesejahr – Sekundarstufe und Bibliothek. Lichtenau: AOL Verlag

Kreibisch, Heinrich/ Mähler, Bettina. 2003. Spaß am Lesen. Leseförderung in der Mediengesellschaft. Freiburg: Velber

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. 2004. „PISA, OECD und IGLU-Studie“ <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html> 06.03.06

Langen, Claudia. 2000. Das Lesebarometer - Lesen und Mediennutzung in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme zum Leseverhalten 1999.. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung

Medienpägdagogischer Forschungsverbund Südwest. 2004. JIM-Studie. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger

Medienpägdagogischer Forschungsverbund Südwest. 2005. JIM-Studie. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger

Müller-Walde, Katrin. 2005. Warum Jungen nicht mehr lesen und wie wir das ändern können. Frankfurt: Campus Verlag

Oldewage, Anke. 1999. „SoftBook, Rocket eBook und Everybook. Elektronische Bücher auf dem Vormarsch?“ In: Bohnsack, Petra/ Foltin, Hans Friedrich (Hrsg.).: Lesekultur. Populäre Lesestoffe von Gutenberg bis zum Internet. Marburg: Schriften der Universitätsbibliothek Marburg 93

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). 2004. Lernen für die Welt von morgen. Erste Ergebnisse von Pisa 2003

Payrhuber, Franz-Joseph. „2002. Thesen zur Leseförderung“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Petzold, Gilda/ Stürzel, Carmen. 2003. „Lesewelt e.V. in Berlin“ In: Cem Özdemir (Hrsg.). 2003. Abenteuer Lesen. Ein Wegweiser für Initiativen. Hamburg: Edition Körber-Stiftung

Plath, Monika/ Richter, Karin. 2002. „Die Bedeutung der Entwicklung von Lesemotivation in der Grundschule – Ergebnisse einer repräsentativen empirischen Erhebung.“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Plumpe, Gerhard. 2001. „Autor und Publikum – Zum Verhältnis von Autoren und Lesern in medienspezifischer Perspektive“ In: Franzmann, Bodo u.a..: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Postman, Neil. 1995. „Die Bedrohung des Lesens durch die Elektronischen Medien – und was die Verleger dagegen tun können.“ In: Franzmann u.a.. Auf den Schultern von Gutenberg. Medienökologische Perspektiven der Fernsehgesellschaft. Berlin und München: Quintessenz Verlags-GmbH

Reisch, Linda. 2002. In: Terhart, Ewald: Nach PISA. Bildungsqualität entwickeln. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt.

Rupp, Gerhard u.a.. 2002. Lesen und Medienkonsum. Wie Jugendliche den Deutschunterricht verarbeiten. Weinheim und München: Juventa Verlag

Rupp, Gerhard. 2004. „Folgefunktion des Lesens – Von der Fantasie-Entwicklung zum Verständnis des sozialen Wandels“ In: Groeben, Norbert/ Hurrelmann (Hrsg.). 2004. Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Weinheim: Juventa Verlag

Ruppelt, Georg. 2001. „Bibliotheken“ In: Franzmann, Bodo u.a..: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Schön, Erich. 1998. „Switching, Zapping, Zooming“ In: Garbe, Christine. Lesen im Wandel. Probleme der literarischen Sozialisation heute. Universität Lüneburg

Schön, Erich. 2001. „Geschichte des Lesens“ In: Franzmann, Bodo u.a..: Handbuch Lesen. Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Schön, Erich. 2002. „Einige Anmerkungen zur PISA-Studie, auch aus literaturdidaktischer Perspektive oder: Lesen lernt man nur durch Lesen“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Schulz, Gudrun. 2002. „Pinocchio und Potter nach PISA oder Vom literarischen Lesen“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Schulz, Winfried. 1995. „Medienexpansion und sozialer Wandel in der Bonner Republik – eine Zeitreihenanalyse.“ In: Franzmann u.a.. Auf den Schultern von Gutenberg. Medienökologische Perspektiven der Fernsehgesellschaft. Berlin und München: Quintessenz Verlags-GmbH

Singer, Jerome L. 1995. „Die Entwicklung der Phantasie: Spielen und Geschichtenerzählen als Vorstufen des Lesens“ In: Franzmann u.a.. Auf den Schultern von Gutenberg. Medienökologische Perspektiven der Fernsehgesellschaft. Berlin und München: Quintessenz Verlags-GmbH

Spinner, Kaspar H. 1995. „Entwicklung von literarischer Kompetenz“ In: Rosebrock, Cornelia. Lesen im Medienzeitalter. Biographische und historische Aspekte literarischer Sozialisation. München: Juventa Verlag

Stiftung Lesen. 1993. Lesen im internationalen Vergleich. Ein Forschungsgutachten der Stiftung Lesen für das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Materialien zur Leseförderung und Leseforschung. Bd.2; 3.Auflage

Strecker, Sigrid. 2002. „Kinderbücher in der Kindertagesstätte. Wie aktuell und sinnvoll ist ihr Einsatz im Alltag der Tageseinrichtungen für Kinder?“ In: Franz, Kurt: Lesen heute. Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen und Leseförderung im Kontext der Pisa-Studie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH

Strecker, Sigrid/ Pfarr, Kristina. 2002. „Kinder wollen Bücher-Modellprojekt der Leseförderung in Kindertagesstätten zur Prävention von Analphabetismus“ In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.) Sprachförderung im Vor- und Grundschulalter. Konzepte für den außerschulischen Bereich. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut

Terhart, Ewald. 2002. Nach Pisa. Bildungsqualität entwickeln. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt

Thiele, Jens/ Steitz-Kallenbach. Handbuch Kinderliteratur. 2004. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag

Wanning, Berbeli. 2003. „Das kinderliterarische Angebot im Internet. Neue Wege der Rezeption von Literatur.“ In: Hurrelmann, Bettina. Kindermedien nutzen. Medienkompetenz als Herausforderung für Erziehung und Unterricht. Weinheim und München: Juventa Verlag

Wieler, Petra. 1997. Vorlesen in der Familie. Fallstudien zur literarisch-kulturellen Sozialisation von Vierjährigen. Weinheim und München: Juventa Verlag

Ziegenhagen, Beate. 1995. „Öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken - ohne Einfluß auf die Mediensozialisation von Kindern und Jugendlichen?“ In: Rosebrock, Cornelia. Lesen im Medienzeitalter. Biographische und historische Aspekte literarischer Sozialisation. München: Juventa Verlag

Grundlagenliteratur:

Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache[140]. 1996. Mannheim: Duden Verlag. Bd.1 (21.Auflage)

Fachlexikon der sozialen Arbeit. 2002. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.). Frankfurt

Seimert, Winfried. 2005. Wissenschaftliche Arbeiten mit Word. Landsberg: Verlag Moderne Industrie Buch AG & Co.KG

Standop, Ewald/ Meyer, Matthias. 2004. Die Form der wissenschaftlichen Arbeit. Ein unverzichtbarer Leitfaden für Studium und Beruf. Wiebelsheim: Quelle & Meyer Verlag

Titelblatt aus:

Schikorsky, Isa. 2003. Kinder- und Jugendliteratur. Schnellkurs. Köln: Dumont Verlag

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verstellbares Lesepult Mitte des 15. Jahrhunderts

Abbildung 2: Zunahme von potentiellen Lesern im Bürgertum

Abbildung 3: Begründungen von 9-11-Jährigen, warum sie nicht lesen

Abbildung 4: Lesebarierren von SchülerInnen der 8.Klassen

Abbildung 5: Nutzung der Printmedien von 12-19-Jährigen

Abbildung 6: Nutzungsdauer medialer Tätigkeiten bei Kindern

Abbildung 7: Lesesituationen und -gelegenheiten von 9-11-Jährigen

Abbildung 8: Lesefrequenz von SchülerInnen der 8. Klassen

Abbildung 9: Gelesene Bücher in den letzten zwei Monaten

Abbildung 10: Lesefrequenz von Kindern zwischen 9 und 11 Jahren

Abbildung 11: Lesepräferenzen von SchülerInnen der Klassen 2-4

Abbildung 12: Lesepräferenzen von SchülerInnen der 8.Klassen

Abbildung 13: Buchleseanlässe der SchülerInnen der 8. Klassen

Abbildung 14: Einstellung der Mütter zum Lesen ihrer Kinder

Abbildung 15: Auwahlkriterien von Büchern

Abbildung 16: Familien als Mediennutzungstypen/ Anzahl der lesenden Kinder.. ..

Abbildung 17: Buch- und TV-Interessen zwischen Eltern und Kind

Abbildung 18: Nutzungsfrequenz von Buch und TV .

Abbildung 19: Nutzungsdauer von Buch und TV .

Abbildung 20: Vorlesefrequenz der Eltern

Abbildung 21: Familiale Anwendung prä- und paraliterarischer Kommunikationsformen

Abbildung 22: Einfluss der Familie

Abbildung 23: Vorlesen und Bilderbuchbetrachtung als Impuls für Anschlussaktivitäten 1995 und 1997

Abbildung 24: Karikatur einer Vorlesesituation Ende des 20.Jahrhunderts

Abbildung 25: Vorlesesituation einer Kleingruppe in der Bibliothek

Danksagung

Ich danke allen, die mich in der langen Zeit des Diplomschreibens, aber auch meines gesamten Zweitstudiums unterstützt haben, insbesondere:

Meiner Tochter Nele, die durch ihre Pflegeleichtigkeit, dazu beigetragen hat, dass ich dieses Studium so schnell wie möglich zu Ende bringen konnte, und die trotz oder gerade weil ihre Mama oft bei „Uniii“ oder „Arbit“ war, so prächtig gediehen ist.

Meinem künftigen Mann Björn und seinem Verständnis für die Krümel auf dem Küchenboden und die zarten Spinnenweben an der Flurdecke und seiner Selbstverständlichkeit, die Waschmaschine vor der Arbeit anzustellen, seine Schicht umzulegen, um sein Kind wegbringen zu können und abends nach der Arbeit die Wäsche aufzuhängen.

Meiner Tagesmutter Vera, für ihre zeitliche Flexibilität und Geduld gegenüber Eltern und Kind.

Meinen Eltern, für ihr Angebot, Nele auch „wochenweise“ abzunehmen, damit ich hätte schreiben können, obwohl das für mich geheißen hätte, 250 km von meinem Kind getrennt zu sein. Und obwohl ich das Angebot nicht angenommen habe, bin ich dankbar, dass es da war.

Meiner Oma, dass sie mich zwischen den Jahren bei sich hat lesen und schreiben lassen und mir damit viel Ruhe und Zeit für meine Arbeit geschenkt hat. Ohne sie hätte ich die Sichtung der Literatur nicht im Januar schon zu einem Großteil abschließen können.

Meinem sozialen Umfeld, Freunden, Bekannten und Nachbarn, die ich als Babysitter einspannen konnte, damit ich beizeiten weiter studieren konnte.

Dem Land Hessen, das es für StudentInnen im Zweitstudium die Ausnahmeregel geschaffen hat, bis zum dritten Lebensjahr des Kindes keine Studiengebühren zahlen zu müssen.

Meiner Arbeitsstelle, dem Stadtteilzentrum Baunsberg in Baunatal, für ihr Angebot, in den Hochphasen des Schreibens, freimachen zu dürfen.

Meinen liebenswerten und kritischen Korrekturleserinnen Susi und Karen.

Henning und Gunnar für ihre telefonische „PC-Seelsorge“.

Frau Dr. Aden-Grossmann für die Bewilligung dieses Themas.

Und ich danke mir selbst, dass ich diesen ganzen Stress durchgehalten habe!

Sandra Pintèr

April 2006, Kassel

Die vorliegende Arbeit habe ich selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Langen 2000, S.7f.

[2] Zit. n. Petzold 2003, S. 85

[3] Programme for International Student Assessment

[4] Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung

[5] Zit.n. Schön 2002, S.78

[6] Im Rahmen von PISA wird Lesekompetenz definiert als „[...] die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“(OECD 2004; S. 312).

[7] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und deren Mitgliedstaaten

[8] SchülerInnen mit diesem Ergebnis wird bescheinigt, dass sie in der Lage sind, mehrere Textpassagen sinnvoll miteinander in Beziehung zu setzen.

[9] Vgl. VBE-Dokumentation Deutscher Lehrertag 2002: PISA – Menetekel oder heilsamer Schock?

[10] International Association for the Evaluation of Educational Achievement

[11] Rowling, Joanne K. 2000

[12] Mir stellt sich hier die Frage, ob Harry Potter international ein Renner war, und – wenn dies der Fall – ob er auch in anderen Ländern so kulturpolitisch verwertet wurde.

[13] Erich Schön bezieht sich hier auf die Tatsache, dass die wenigsten Lehrer in den letzten Jahren ein Buch gelesen haben, das über die zweckgebundene Fachlektüre hinaus ging (Schön 2002, S.90).

[14] Das japanische PISA-Ergebnis entkräftet diese These: auch den japanischen SchülerInnen macht Lesen keinen Spaß, trotzdem erzielen sie weitaus bessere Lesekompetenzen als die deutschen SchülerInnen (Baumert 2001, S.113ff.). In Finnland besteht die höchste Signifikanz zwischen der Zeit, die SchülerInnen damit verbringen, zum Vergnügen zu lesen, und ihren Leseleistungen (ebd.). Finnische Leseforscher erklären die überdurchschnittlichen Leseleistungen mit der finnischen Fernsehsituation. Ausländische Filme können im Fernsehen wegen eines zu kleinen finnischen Publikums aus finanziellen Gründen nicht synchronisiert werden. Die meisten englischen bzw. amerikanischen Filme laufen in Originalsprache mit finnischen Untertiteln. Die Kinder müssen sich aus ihrem eigenen Interesse heraus mit der Fremdsprache beschäftigen (Schön 2002, S.79f.).

[15] Unbefriedigend fiel dagegen der auf Deutschland begrenzte Rechtschreibtest aus, bei dem nur 25,6% von 45 diktierten Wörtern richtig geschrieben wurde. <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html> 06.03.06

[16] <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html > 06.03.06

[17] Ebd.

[18] Zwischen 1995 und 2001 haben die OECD-Staaten 21% mehr Geld für ihre Schulen und 30% mehr für ihre Hochschulen aufgewendet, während in Deutschland die Etats gerade mal um 6% und für die Hochschulen um 7% stiegen. <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html > 06.03.06

[19] <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html > 06.03.06

[20] http://www.sinnsprueche.de/daten/s123.html>04.04.06

[21] Vgl. Groeben, N./ Vorderer, P. 1988. Leserpsychologie: Lesemotivation-Lektürewirkung. Münster: Aschendorff

[22] Schön sprach 1996 von 10-15% Iliteraten in hoch entwickelten Industriestaaten. (zit. n. Bonfadelli 2001, S. 131f.)

[23] 25% der Bevölkerung in hoch entwickelten Industriestaaten (ebd.)

[24] Da Bücher eine gesellschaftliche Funktion haben, indem sie vermitteln, was dieser Gesellschaft wichtig ist, halte ich es in der aktuellen Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer absolut vertretbar, dass Bücher davon ausgenommen sind und weiterhin mit 7% besteuert bleiben. Damit setzt meines Erachtens die Politik ein Zeichen dafür, dass Bücher ebenso wie Lebensmittel grundexistentiell sind und eine Besonderheit zwischen allen anderen Warengruppen einnehmen sollten.

[25] Beispielsweise werden Familienbibeln oftmals über Generationen hinweg bei Hochzeiten und Geburten weitergegeben. Veränderte handschriftliche Eintragungen darin verweisen auf den Generationenwechsel.

[26] In: Peltzer, Karl: Das treffende Zitat. Gedankengut aus drei Jahrtausenden und fünf Kontinenten. (Neuauflage) unter Leser (S.426)

[27] Ebd.

[28] Ähnlich stabile, wenngleich niedrigere Zahlen, liefert eine aktuellere Bestandsaufnahme der Stiftung Lesen und des Spiegel-Verlages über die deutschen Lesegewohnheiten im Vergleich von 1992 und 2000. Darin liegt der Anteil von LeserInnen ab 14 Jahren, die ein bis fünf Bücher pro Jahr lesen, sowohl 1992 als auch 2000 bei 38% (Franzmann 2001, S.12).

[29] Als Intensiv-Leser wird im Lesebarometer bezeichnet, wer mehr als 180 Minuten pro Tag liest (Harmgarth 1999, S.19).

[30] Wenn man den bildungsbürgerlichen Stolz auf das Land der Dichter und Denker bedenkt, ist dies keine gute Platzierung.

[31] GEO Wissen, 31/2003; zit. n. Müller-Walde 2005, S. 60f.

[32] In: Peltzer, Karl: Das treffende Zitat. Gedankengut aus drei Jahrtausenden und fünf Kontinenten. (Neuauflage) unter Geschichte (S.258)

[33] Die Mönche des frühen Mittelalters lasen sich gegenseitig vor (Schön 2001, S.12).

[34] Die Gelehrten des hohen Mittelalters lasen und schrieben selbst (ebd.)

[35] 1618-1648

[36] Die Menschen wollten sich selbst bilden und sich ihre Welt erklären können.

[37] 1800 gab es 4000 Neuerscheinungen. (Hanebutt-Benz 1985, S. 96)

[38] Samuel Richardson schrieb 1740 diesen Roman, als einen der erfolgreichsten Romane des 18. Jahrhunderts.

[39] Die um 1900 einsetzende Taschenbuchproduktion stellt eine wichtige Etappe für die Zunahme von LeserInnen dar. Die erschwinglichen Taschenbuchausgaben schufen vor allem breiteren sozialen Schichten der Bevölkerung die Zugänglichkeit zum Lesen.

[40] Kritisch anzumerken sei, dass der Großteil der Kinder bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts keine eigentliche Kindheit hatte, da sie schon frühzeitig zum Familienerwerb beitragen mussten. Eine Kindheit gab es also nur für das höhere Bürgertum und den Adel. Nichtsdestotrotz entstanden im 18.Jahrhundert die ersten Kinderbücher.

[41] Vermutlich hat Erich Schön den Unterhaltungscharakter der Kinder- und Jugendliteratur gerade deshalb hervorgehoben, da die aufklärerische Kinder- und Jugendliteratur ab Mitte des 18. Jahrhunderts noch eng mit der Pädagogik verzahnt war und ausschließlich Theologen oder Pädagogen auf dem Feld der Kinder- und Jugendliteratur aktiv waren.

[42] Dies gilt erneut nur für die bürgerliche Schicht. Im Adel übernahm diese Funktion v.a. der so genannte Hofmeister. Die Arbeiterkinder hingegen gingen in der Regel erst mit der Einführung einer allgemeinen Schulpflicht (Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen) zur Schule.

[43] Die mündliche und spielerische Grundierung der Lesesozialisation in kindorientierten Situationen (Hurrelmann 2004, S.188ff.).

[44] In: Kreibisch 2003, S. 17f.

[45] Wenn nicht genauer benannt, nutze ich die Bezeichnung Medien grundsätzlich für alle visuellen (Bücher, Comics), audiovisuellen (Fernsehen, Video, DVD), auditiven (Hör- und Musikkassetten), und interaktiven Medien (Playstation, Computerspiele, Internet).

[46] Wie viele Eltern wirklich etwas dafür tun, dass ihre Kinder gern lesen, zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Internetbefragung von Eltern über ihre Häufigkeit des Vorlesens im Kap. 7.5

[47] Damit bezeichnet Postman das Lesen „[...] das Ruhe, Geduld, die Fähigkeit zur Reflexion und Analyse sowie die Bereitschaft erfordert, den Ablenkungen dieser Welt vorübergehend zu entsagen, damit Leser und Text zu einer Einheit der Zeit, des Raumes und der Phantasie werden können [...]“ (ebd.).

[48] Erich Schön definiert Zappen als Prinzip des Wechselns, das der ursprünglichen Funktion entstammt, TV-Werbeblöcke zu umgehen (Schön 1998, S. 55).

[49] Ich vermute, dass sich diese Angaben auf LektüreleserInnen von Sachbüchern beziehen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Genussleser Seiten nach (Nicht-)Gefallen selektiert.

[50] SoftBook, Rocket eBook und Everybook.

[51] In: Kreibisch 2003, S. 19

[52] In: Kreibisch 2003, S. 27

[53] Diese ist erst seit den 70er Jahren bekannt. Vorher ging man davon aus, dass ein Säugling in den ersten drei Monaten nur Gefühle der Lust und Unlust empfinden kann (Kallenbach 2004, S. 54).

[54] „[...] Entfaltung eines Systems von inneren, manipulierten Vorstellungen [...]“ (Singer 1995, S. 98)

[55] In: Garbe 1998, S.107

[56] Psychologe und Glücksforscher

[57] Das Erwecken bestimmter Vorstellungen aufgrund des Gelesenen.

[58] Antwort eines Kindes auf die Frage, warum es lieber fernsieht, als liest. (Hurrelmann 1993, S. 159)

[59] Vgl. Böhler, Michael (2001). These IV.

<http://iasl.uni-muenchen./de/discuss/lisforen/netzkun.htmlBoehler> 16.6.01

[60] Vgl. Gehle, Tobias (1998). Kinder im Netz, hier: Web-Design für Kinder – inhaltliche und formale Gestaltungskriterien. <http//www.netz-kids.de/kinder/1332> 23.8.02

[61] Wanning 2003, S. 183

[62] In: Hurrelmann 1993, S. 7

[63] Dies erscheint sehr hoch, erklärt sich aber aus dem angesprochenen Phänomen der simultanen Mediennutzung (siehe Kap. 4.2), das am häufigsten beim Musikhören und Lesen praktiziert wird (Franz 2002, S.2f.).

[64] Jugend, Information, (Multi-)Media

[65] Fernseher, Musik-CDs, Computer, Radio, MP 3 und Internet

[66] Zeitungen, Bücher und Zeitschriften

[67] Im Vergleich zum Vorjahr heißt das, die Nutzung des Internets ist von 53% auf 60% gestiegen. Die DVD-Nutzung ist von 20% auf 25% ebenfalls gestiegen. Während Hörspiel-CDs und –kassetten von ca. 26% auf 19% einen Rückgang erlebt haben und Spielekonsolen (21%), Video (15%), Comics (10%) und Kino (2%) unverändert bleiben (MPFS 2004, S.11; MPFS 2005, S.11).

[68] Mädchen mit 64% häufiger als Jungen mit 54 %.

[69] Bis zu 3 Stunden täglich.

[70] Kein Buch in den letzten zwei Monaten.

[71] Drei Bücher und mehr.

[72] Über 6 Stunden.

[73] In: Kreibisch, 2003, S.11

[74] Im Vergleich zwischen den vier Bundesländern hat Bayern den niedrigsten Wert bei der Angabe Kein Buch gelesen, Sachsen-Anhalt den höchsten. Bei der Angabe ein Buch gleichen sich die Ergebnisse weitgehend an, während bei fünf Büchern und mehr Bayern mit 5% den höchsten Wert aufweist, und Sachsen-Anhalt wiederum den schwächsten (Franz 2002, S. 8).

[75] Ebd., S.10

[76] Mir geht es hierbei hauptsächlich um das Gegenüberstellen von Viel- und Nichtlesern, um im Folgenden die Ergebnisse mit denen der Grundschülerinnen vergleichen zu können.

[77] Dies deckt sich mit dem Ergebnis von Hurrelmann, wonach 61% der Mädchen im Alter von neun bis elf Jahren gern lesen und 43% der Jungen (Hurrelmann 1993, S.51-53).

[78] Kinderbuchklassiker gehören nach wie vor zu den Favoriten der kindlichen Lektüre. Mit über 50% der Nennungen stehen Bücher von Astrid Lindgren an erster Stelle, gefolgt von Enid Blyton mit Hanni und Nanni (Schulz 2002, S.70).

[79] Angesichts der Komplexität der Harry-Potter- Bände klingt die Zahl der kleinen Rezipienten sehr hoch. Da es sich um eine repräsentative Erhebung handelt, muss von der Korrektheit der Nennungen auszugehen sein. Vorstellbar ist, dass diese Bücher von Eltern bzw. Geschwistern vorgelesen wurden.

[80] Gebrauchtbücherportale wie booklooker und abebooks verfügen mittlerweile über einen Bestand von über 80 Millionen neuer und gebrauchter Bücher. Auch amazon als einer der Branchenführer des Medienversandhandels, hat sich angepasst. Neue Bücher sind mit einem Hinweis auf private Anbieter oder Antiquariate versehen, die das gewünschte Buch gebraucht und für weniger Geld anbieten. Dies macht heutzutage den (Kinder-) Bücherkauf erschwinglich. Bezüglich der Versandkosten trägt die Post erstaunlich zur Attraktivität des Bücherkaufs bei, indem sie Büchersendungen günstiger berechnet. Ein bis zu 500 g schweres Buch zu verschicken ist billiger als eine dünne Bewerbungsmappe.
Ein zweites Beispiel für den erschwinglichen Kauf von Büchern: Die Süddeutsche Zeitung hat neben den 50 (besten) Romanen des 20. Jahrhunderts auch 50 Kinderbuchklassiker für nur 4,90 Euro herausgegeben.
Bücher sind also in Zeiten immer größer werdender Armut durchaus erschwinglich und allen Bildungsschichten zugänglich.

[81] Mit zunehmendem Alter wird die Bibliothek noch weniger genutzt.

[82] 58% der Erst- und Zweitklässler sowie 55% der Dritt- bis Sechstklässler nutzen die Angebote der öffentlichen Bibliotheken. (Bertelsmann Stiftung 1997, S. 25)

[83] Zit.n. Petzold 2003, S.66

[84] Wissens- und Erfahrungserwerb im alltäglichen Leben von Kindern und Jugendlichen

[85] Die Theorie vom Comic als Einstiegslektüre, also dass sich Kinder vom Comic zum Roman hochlesen können, sehen Plath und Richter in ihrer Untersuchung zur Lesemotivation von Grundschülern nicht bestätigt (Plath/ Richter 2002, S.41f.). Kreibisch hält es für problematisch, wenn das Comiclesen über eine bestimmte Phase hinausgeht und keine anderen Lektürephasen folgen (Kreibisch 2003, S. 129).

[86] Zum Leseverhalten der Kinder bei Familientyp 4 und 5 wurden von Hurrelmann (1993) leider keine prozentualen Angaben gemacht. Dementsprechend müssen die Angaben in Abbildung 16 über die Anzahl der lesenden Kinder offen bleiben.

[87] In: Kreibisch 2003, S. 18

[88] Z.B. Mein erster Brockhaus

[89] Vgl. Heath, S.B. 1982. “What no bedtime story means: Narrative skills at home and school” In: Language in Society, 11, 49-76

[90] Eine sinngemäßere Bezeichnung hat Silvia Schneider für dieses Vorlesemuster formuliert. Das starre Gerüst, weil sich die Vorlesesituation starr nach dem Inhalt des Buches richtet. (Schneider 1994, zit.n. Charlton 1995, S.74ff.) (Vgl. Schneider, S., 1994. Entwicklungsbedingungen sozialer Handlungsfähigkeit. Formen der Interaktionsstrukturierung beim gemeinsamen Bilderbuchlesen von Eltern und Kind . Frankurt/M: Peter Lang)

[91] Das flexible Gerüst, weil Interaktionsroutinen entsprechend der Fähigkeiten flexibel erweitert werden, Anforderungen bei offensichtlicher Überforderung gesenkt werden und der Umgang mit dem Buchinhalt relativ frei ist. (ebd.)

[92] Nach Roser und Martinez sind damit Eltern als Informationsgeber bzw. –überwacher gemeint, die verschiedene mögliche Betrachtungsweisen für Geschichten und Zusatzinfos zum Geschichtenwortschatz geben und ergänzende Erklärungen einfügen, wenn Kinder ihrer Einschätzung nach Probleme haben. Die Gespräche sind zwar initiiert, trotzdem beteiligen sich die Eltern gezielt daran. (Roser/ Martinez 1985, ges.b. Feneberg 1994)

[93] Diese Eltern dominieren als Leiter die vorlesebegleitenden Gespräche, sprechen mehr als die Kinder, belehren sie und beteiligen sie seltener am Gespräch bzw. fordern sie kaum zu eigenen Fragen oder Kommentaren auf. (ebd.)

[94] Roser und Martinez sprechen noch von einer dritten Gruppe, den co-responders, die während des Vorlesens Gespräche initiieren, Informationen in Bildern beschreiben, einzelne Geschichtenteile erläutern, persönliche Kommentare über Geschichten austauschen und das Kind zu eigenen Kommentaren ermuntern. (ebd.) Diese Definierung trifft ansatzweise auf die Mütter der oberen (Mittel-)Schicht in ihrer Funktion als Vorlesende bei zu.

[95] Vgl.Roser, N./ Martinez, M. 1985. “Roles adults play in preschoolers response to literature” In: Language Arts, Vol.62, No.5, 485-490

[96] Vgl. Snow, C. „Literacy and language: Relationships during the preschool years. In: Harvard Educational Review, Vol.53, No.2 165-189

[97] Bruner, Jerome.1983. Childs Talk: Learning to use language. New York, London

[98] Sprache und Text stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang.

[99] Vgl. Whitehurst, G.J. et al. 1988. “Accelerating language development through picture book reading” In: Development Psychology, Vol.24, No.4, 552-559

[100] Dies gilt auch für das spätere Selberlesen. Lesebiographien machen deutlich, dass das erste Buch etwas Besonderes ist, wenn es wiederholt gelesen wurde und auch gegenwärtig noch als Merkposten im Bücherregal zu finden ist (Graf 1998, S.103). Graf bezeichnet das erste Buch als „[...] symbolischen Hinweis auf bleibende Bedeutung früher Leseerlebnisse [...]“ und als Beleg für den „[...] biografischen Kern der Lesepräferenz [...]“(ebd.).

[101] Ich beziehe diese nichtrepräsentative Untersuchung in meine Ausführungen ein, um eine aktuelle Einschätzung zu erhalten, wie oft Eltern ihren Kindern vorlesen. Da sich die Themenzielgruppe der Zeitschrift auf Babys, Klein- und Kindergartenkinder beschränkt, gehe ich davon aus, dass sich die Antworten der Eltern auf das Kleinkind- bis Vorschulalter begrenzen.

[102] Formen des spielerischen Umgangs mit gestalteter Sprache im Kleinkind- und Vorschulalter

[103] In: Terhart 2002. S.11

[104] Vgl. Blank-Mathieu, Margarete: „Werteerziehung in Kindertageseinrichtungen“ In: Armin Krenz (Hrsg.) Handbuch für ErzieherInnen in Krippe, Kindergarten, Vorschule und Hort. München: MVG-Verlag 2002

<http://www.kindergartenpädagogik.de/1294.html> 5.2.06

[105] Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.). 2002. Fachlexikon der sozialen Arbeit. (5.Auflage) unter Kindergarten (S.539)

[106] Ebd., unter Situationsansatz (S. 832)

[107] <http://www.lpb.bwue.de/aktuell/pisa.php3#PISAII.html> 06.03.06

[108] Ebd.

[109] Vgl. Walker, G.M./Kuerbitz, I.E. 1979. „Reading to preschoolers as an aid to successful beginning reading” In: Reading Improvement, 16, 149-154

[110] In: Thiele/ Steitz-Kallenbach 2004, S.90, Herv.i.O.

[111] Modellprojekt der Leseförderung in Kindertagesstätten zur Prävention von Analphabetismus in Kooperation mit Stiftung Lesen

[112] 1976 als Deutsche Lesegesellschaft gegründet. Aus dem Bedürfnis heraus, der Ausbreitung des Fernsehens mit praktisch tätigen Institutionen zur Leseförderung zu begegnen, wurde sie 1988 in Stiftung Lesen umgewandelt. Die Stiftung ist Anlaufstelle für alle, die sich in den jeweiligen Wirkungsfeldern für das Lesen einsetzen und finanziert sich aus Spenden, Projektmitteln und Kapitalerträgen. (Buhrfeind 2001, S. 483f.)

[113] Vgl. Köcher, Renate. 1988. Familie und Lesen. Eine Untersuchung über den Einfluß des Elternhauses auf das Leseverhalten. In: Archiv für Soziologie und Wirtschaftsfragen des Buchhandels LXIII. Frankfurt am Main

[114] Zit.n. Knobloch 2003, S. 5

[115] Vgl. Thole, W. 1996. „Bildung in außerschulischen Handlungsfeldern - oder: Wo kann man noch schöpferisch tätig sein? In: Sozialpädagogik Zeitschrift für Mitarbeiter. 38.Jg., 6/1996, S.242-254

[116] Vgl. Mattenklott, Gundel. 1993. „Literatur in der Kinderkulturarbeit“ In: Praxisfeld: Kinderkulturarbeit. Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.). Remscheid

[117] Eine Studie von 2000 hat herausgefunden, dass von den 14-19-Jährigen nur noch 13% Bücher aus der Bibliothek ausleihen. Bei den Erwachsenen ab 20 Jahren sinkt die Prozentzahl in den einstelligen Bereich (Franzmann 2001, S.254f.)

[118] Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)1997. Öffentliche Bibliothek und Schule – neue Formen der Partnerschaft. Zwischenbericht zum Modellprojekt. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung Verlag

[119] Organisation, die versucht, Kindern aus benachteiligten Familien den Zugang zu Büchern zu ermöglichen.

[120] < http.//www.deutschland-liest-vor.de/selbermachen/vorlesen.html >28.02.06

[121] Ebd.

[122] <http.//www.deutschland-liest-vor.de/selbermachen/vorlesen.html >28.02.06

[123] <http.//www.deutschland-liest-vor.de/selbermachen/vorlesen.html >28.02.06

[124] Vgl.< http.//www.google.de > unter Lesenacht

[125] Vgl. <http.//www.lesenacht.de> 14.02.06

[126] Vgl. Knister. 2002. Yoko und die Gruselnacht im Klassenzimmer; Würzburg: Arena (ab 8 Jahre)

[127] Vgl. Aidan Chambers. The Reading Environment (zit. n. Knobloch 2003, S.7)

[128] Knobloch, Jörg. 1988. „Lesen mit Frühstück“ In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77/27.9.1988

[129] Die Möglichkeit mit der Durchführung von Lesenächten Geld zu verdienen, hegten 1997 zwölf Hamburger AutorInnen und Illustratorinnen. In Zusammenarbeit mit einer Hamburger Gesamtschule organisierten und finanzierten sie eine erste Lesenacht [129] allein, bei der die Kinder sich zwischen einer Lesung, einem Hörfunkworkshop und einer Illustrationswerkstatt entscheiden konnten. Der damals veranschlagte Preis für die Organisation und Durchführung einer Lesenacht (inkl. Bücher, Frühstück, Werbematerial, Honorar) lag bei 3000 DM.[129] In wie weit sich dieses Projekt durch Sponsoren hat verwirklichen lassen und heute noch existiert, ließ sich bei meinen Recherchen im Internet nicht herausfinden.

[130] Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen von Hurrelmann, wonach nur 48% der Familien ein gemeinsames Interesse an Büchern haben. (siehe Kap.7.3.1)

[131] Freiwilliges Soziales Jahr

[132] Bellairs, John. 2000. Das Geheimnis der Zauberuhr; Badertscher, Christoph. 2004 . Toboggan oder Das gestohlene Bild; DiCamillo, Kate. 2004. Despereaux oder von einem der auszog, das Fürchten zu lernen.

[133] Die Geschichte vom Geheimnis der Zauberuhr wurde nachgespielt, die Abenteuer der Maus Despereaux aufgemalt und der Krimi um das gestohlene Bild Tobbogan mittels Interview eines Nachrichtenteams von Tätern, Opfern und Zeugen gelöst.

[134] Michels, Hilde. 1999

[135] Lindgren, Astrid. 1967

[136] Rowling, Joanne K.1997

[137] Tolkien, John R. 2001

[138] Haist 2003, S.165

[139] ebd., S. 174

[140] Auf der Grundlage der neuen Rechtschreibregeln.

Ende der Leseprobe aus 143 Seiten

Details

Titel
Leseförderung von Kindern in Familien und sozialpädagogischen Einrichtungen
Autor
Jahr
2006
Seiten
143
Katalognummer
V110748
ISBN (eBook)
9783640089093
Dateigröße
1177 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leseförderung, Kindern, Familien, Einrichtungen
Arbeit zitieren
Dipl.-Sozialpädagogin Sandra Frommhold (Autor:in), 2006, Leseförderung von Kindern in Familien und sozialpädagogischen Einrichtungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110748

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Leseförderung von Kindern in Familien und sozialpädagogischen Einrichtungen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden