Der Angstbegriff bei Kirkegaard, Heidegger und Sartre


Seminararbeit, 2004

26 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.2. Wieso „Angst“ in der Philosophie anders verstanden wird

2. Der Angstbegriff aus der Position Sören Kierkegaards
2.1. Kierkegaards philosophische Thesen
2.2. Die Erbsünde
2.3. Kierkegaards Verständnis der „Angst“
2.3.1. Die objektive Angst
2.3.2. Die subjektive Angst
2.3.3. Die Angst vor dem Bösen
2.3.4. Die Angst vor dem Guten (das Dämonische)

3. Der Angstbegriff nach Martin Heidegger
3.1. Heideggers philosophische Positionen
3.2. Heidegger Verständnis der „Angst“

4. Jean-Paul Sartres Angstbegriff
4.1. Sartres philosophische Auffassung
4.2. Sartres Verständnis der „Angst“

5. Das Schlusswort

1. Einleitung

1.1. Die herkömmliche Definition von „Angst“

Zwar ist dies ein Referat mit dem Thema „Der Angstbegriff- Kierkegaard, Heidegger, Sartre“, aber um zu verstehen, dass sich die „Angst“, wie man sie im täglichen Leben findet, von der „philosophischen Angst“ unterscheidet, erscheint es zunächst als sinnvoll, hier einmal die herkömmliche Definition von „Angst“ darzustellen.

„Angst“ gibt es schon so lange, wie es die Menschheit gibt. Sie war immer da und sie wird auch immer da sein. Der Begriff „Angst“ bezeichnet eine Empfindungs- und Verhaltensänderung. Es gibt viele Dinge, vor denen der Mensch angst hat, aber meist ist sie ein, in die Zukunft gerichtetes Warnsignal. So hatte der Mensch früher zum Bespiel angst vor schlechter Ernte, vor Krankheiten, vor Gottes Strafen und Dingen, die er sich nicht erklären konnte.

Man könnte behaupten, heute gibt es noch mehr Dinge, die der Mensch fürchten muss. Hinzugekommen sind zum Beispiel: die angst vor Arbeitslosigkeit, Terroranschlägen und Phobien (z.B. Arachnophobie (die angst vor Spinnen), Klaustrophobie (die angst vor engen Räumen etc).

„Angst“ ist ein elementares Gefühl aller höheren Lebewesen und eine der sieben primären Emotionen. Ausgelöst wird sie durch interne (wie körperliche und seelische Unregelmäßigkeiten) und externe Gründe (wie Medienmeldungen etc.). Meist ist „Angst“ auf einen Gegenstand oder ein Ereignis bezogen, dass auch im Nachhinein bei dem Menschen immer noch für das Gefühl der Furcht sorgt.

Und wie äußert sich diese „Angst“? Es kommt zu einem ansteigenden Herzschlag, trockenen Mund, nervöser Magen, Unruhe und Erwartungshaltung. Der betroffene kann sich in seinen Gedanken meist auch nur noch mit dem beschäftigen, wovor er Angst hat und keinen klaren Gedanken mehr fassen, was vor allem bei Personen mit Phobien (siehe oben) auffällig ist.

1.2. Wieso „Angst“ in der Philosophie anders verstanden wird

In der Philosophie ist „Angst“ weniger eine Bedrohung, als in der allgemeinen Bedeutung. Die Existenzphilosophie akzeptiert die Weltlichkeit des Menschen, ohne dass Angst und Ungesichertheit des Lebens zu überwinden wären.

Sören Kierkegaard begriff die existenzielle „Angst“ als ein Charakteristikum des menschlichen Denkens und der Willensfreiheit.

„Wovor die Angst sich ängstigt, ist das In-der-Welt-sein selbst.“

So Martin Heidegger in seinem Buch „Sein und Zeit“. Nach seiner Auffassung ängstigt sich das Dasein vor seinem Nicht-Sein und wird als „Sein zum Tode“ gefasst. Kennzeichnend ist eine prinzipielle Ungewissheit des Gelingens, der eigenen Entwürfe und die Erfahrung des „Geworfen-Seins“ in eine Welt, die erst schlossen werden muss.

Für Jean-Paul Sartre war „Angst“ eine „Qualität unseres Bewusstseins“ als die Vorbedingung der Freiheit, zu der der Mensch verurteilt sei.

„Angst“ muss im philosophischen also nicht notwendig als Übel verstanden werden. „Angst“ als existenzielle Befindlichkeit resultiert aus einer, als verloren gegangen gewähnten Einheit (mit der Welt, den anderen Menschen und/oder sich selbst) im Gefolge von Selbst- und Todesbewusstsein.

Es ist allerdings interessant, dass der Begriff „Angst“ auch im Britischen existiert und hier soviel, wie Existenzangst bedeutet. Man könnte also annehmen, die Philosophie hat sich hier eine eigene Nische mit ihrer Begrifflichkeit geschaffen.

2. Der Angstbegriff aus der Position Sören Kierkegaards

2.1. Kierkegaards philosophische Thesen

Sören Kierkegaard war einer der bedeutendsten Philosophen im Bezug auf die Existenzphilosophie.

Kierkegaard misstraute von allem dem Allgemeinen und Abstrakten. Er war der Meinung, dass die wirklichen Probleme im Leben immer die praktischen Einzelfragen seien. So zählt für ihn nicht die Frage, ob man dieses oder jenes tun soll, sondern ob ein bestimmter Mensch, in einer bestimmten Situation dieses oder jenes tun soll. So etwas seien, laut Kierkegaard, existenzielle Probleme und die Aufgabe der Philosophie sei es, sich mit eben diesen zu beschäftigen.

Die Existenz ist, wie Kierkegaard diesen Begriff versteht, der innerste, unfassbare und personale Kern eines jeden Einzelmenschen. Für Kierkegaard gibt es drei Existenzmöglichkeiten, drei Stadien:

1. das ästhetische Stadium: hier ist der Mensch als unwirklich zu verstehen, da er, weil er sich unverantwortlich und nur genießend und anschauend verhält, in eine Daseinsleere verfällt.

2. das ethische Stadium: der Mensch ergreift eine Möglichkeit und verwirft die anderen, die er hat. Aus der Freiheit des Menschen muss eine Entscheidung werden, denn nur wer Mut hat sich zu entscheiden, gelangt zur Wirklichkeit und gewinnt Dasein.

3. das religiöse Stadium: hier erkennt der Mensch, dass auch die ethischen Entscheidungen nichts an seiner Endlichkeit und Nichtigkeit ändern. Die aus diesem Erkenntnis folgende Verzweiflung, kann nur dann überwunden werden, wenn sich dem Menschen neue Möglichkeiten eröffnen, doch darauf hat er keinen Einfluss. Er erfährt, dass er eine Mischung aus Endlichkeit und Unendlichkeit ist.

Das heißt, das Selbstsein des Menschen sei ein Prozess, eine Folge von Momenten, in denen er jeweils eine Synthese aus Unendlichkeit und Endlichkeit vollziehe.

Kierkegaard denkt, dass der Mensch aus der Menge hinausfinden und wieder zum einzelnen werden sollte, jedoch nicht für sich selber, sondern zum einzelnen vor Gott.

Kierkegaard erwähnt in seinem Buch „Der Begriff Angst“ auch diesen religiösen Aspekt. Hier beschäftigt er sich mit der Erbsünde durch Adam und Eva und den daraus folgenden Verstoß, des Menschen, aus dem Paradies, weswegen diese im Folgenden erläutert wird.

2.2. Die Erbsünde

Mit der Erbsünde ist der Sündenfall Adams und Evas gemeint, der damit zu einer Sünde des gesamten menschlichen Daseins wurde. Adam und Eva hatten im Paradies, gegen die Anordnung Gottes verstoßen und den verbotenen Apfel gegessen. Dadurch wurden sie aus dem Paradies verstoßen. So musste von nun an die gesamte nachfolgende Menschheit diese Sünde tragen. Daher der Name „Erbsünde“.

Kierkegaard schreibt hierzu:

„…wer aber durch Angst schuldig wird, der ist unschuldig; denn was ihn ergriffen hat, war nicht er selbst, sondern die Angst, eine fremde Macht, eine Macht, die er keineswegs liebte und vor der er sich ängstigte- und doch ist er schuldig, denn er sank in die Angst, die er liebte , indem er sie fürchtete.“ [1]

2.3. Kierkegaards Verständnis der „Angst“

In Sören Kierkegaards Buch „Der Begriff Angst- Eine einfache psychologisch-hinweisende Überlegung in Bezug auf das dogmatische Problem der Erbsünde“ beschäftigt er sich eingehend mit der Erbsünde, wobei er „Angst“ als ihre Vorraussetzung sieht. Doch auch ohne den Hinblick auf religiöse Elemente dieses Werkes, ist sein Verständnis von „Angst“ deutlich zu erkennen.

Für Kierkegaard ist „Angst“ gleich Unschuld. Daraus entsteht ein Nichts. Der Geist, der im Schlaf seine eigene Wirklichkeit hat, empfindet ständig Angst durch seine Unschuld, da seine eigene Wirklichkeit ein Nichts ist und dieses Angst gebiert. Im wachen Zustand erkennt der Geist zwar einen Unterschied, aber im Schlaf wird aus diesem Unterschied ein Nichts.

Doch die Angst kann nicht im allgemeinen Sinne verstanden werden, da sie nicht mit der Furcht gleichzusetzen ist. Denn die Angst richtet sich nie auf etwas bestimmtes, die Furcht hingegen schon. Diese Auffassung finden wir auch später bei Heidegger (siehe 3.2.).

Tiere jedoch können keine Angst empfinden, da sie laut Kierkegaard keinen Geist haben. Kinder hingegen haben Unschuld, welche Angst ist, und suchen nach spannenden Dingen. Sie haben also Angst und die haben sie gern. Je weniger Angst Kinder haben, desto weniger Geist haben sie.

Doch woher kommt dieser Geist? Kierkegaard ist der Meinung, dass Seelisches und Körperliches eine Synthese im Menschen bildet, das sich allerdings noch zu einem Geist vereinen muss. Doch dieser Geist stört das Verhältnis von Seele und Körper, will sie aber auch verbinden. Dadurch empfindet der Mensch Angst. Der Mensch ist als Geist bestimmt.

„…der Mensch kann auch nicht ins Vegetative sinken, denn er ist als Geist bestimmt…“ [2]

Die Unwissenheit ist bestimmt aus dem Geist und sie ist Unschuld. Doch aus dieser Unschuld wird auch Angst, da Unwissenheit dem Nichts gilt.

2.3.1. Die objektive Angst

Nach Kierkegaard ist die objektive Angst die Möglichkeit zur Freiheit. Die ist die Sündigkeit aller Menschen, im Gegensatz zur subjektiven Angst, die nur die Sündigkeit des Einzelnen darstellt. Sie ist die spätere Wirkung einer Sünde, die nicht vom handelnden Menschen kommt, sondern schon vorher geschah und so für die ganze Menschheit zum Sündenfall wird (Anspielung auf die Erbsünde, siehe 2.2.). So war die ganze Menschheit von Adams Sünde betroffen.

Als Beispiel benutzt Kierkegaard ein Bibelwort:

„…das ängstliche Harren der Kreatur.“[3]

Er will damit andeuten, dass der Harrende Sehnsucht empfindet, diese reicht jedoch nicht aus, um ihn zu erlösen und deshalb empfindet der Harrende Angst, denn Sehnsucht ist gleich Angst.

Durch die Erbsünde wurde die Sinnlichkeit zur Sündigkeit. Für den Menschen ist Sinnlichkeit Sündigkeit, wenn er selbst sündigt und die Sinnlichkeit so wieder zur Sündigkeit führt.

2.3.2. Die subjektive Angst

Kierkegaard schreibt, dass man, wenn man die Angst erneut betrachten würde, erkennen könnte, dass aus ihr Schuld geworden ist. Auch führt er an, dass wenn man dies nicht tut, man in seinen Gedanken nicht weiter kommt.

Die Angst ist ein Gefühl des schwindelig seins. Sie entsteht durch die Freiheit, weil der Geist die Synthese zwischen Seelischem und Körperlichem erreichen will und die Freiheit ihre eigentliche Möglichkeit erkennt und deshalb nach der Endlichkeit greift. Diese Freiheit ist schuldig und an diesem Punkt wird auch die Angst Schuld. Die Freiheit verliert das Bewusstsein und deshalb wird daraus Angst.

Aber die Angst ist auch selbstsicher:

„…zugleich gibt es nichts Selbstsicheres als die Angst…“ [4]

Dies gilt für das frühere Individuum. Für Kierkegaard ist das Individuum als Geist bestimmt. Es gibt ein früheres und ein späteres Individuum (am Beispiel der Bibel: das frühere Individuum ist Adam, das spätere Eva), wobei das spätere das schlechtere ist.

Im späteren Individuum wird die Angst weiter betrachtet, so dass das Nichts, aus dem die Angst besteht, ein Etwas wird. Und eben dieses Etwas bedeutet nach Kierkegaard die Erbsünde.

Erst mit dem Sprung aus der Unschuld erwacht der Geist des Menschen und das Bewusstsein von Freiheit und Schuld.

Kierkegaard möchte nicht, dass von Gut und Böse als dem Gegenstand der Freiheit gesprochen wird. Er ist der Ansicht, dass die Freiheit aus dem Nichts entsteht und unendlich ist. So unterscheidet er die bewusste Angst, durch die Angst vor dem Bösen und die Angst vor dem Guten.

2.3.3. Die Angst vor dem Bösen

Kierkegaard bezeichnet die Erbsünde als gesetzte Sünde, da sie unwiderruflich geschehen ist und von nun an auf den Menschen wirkt.

Er geht davon aus, dass die gesetzte Sünde für das Individuum eine Konsequenz ist. Durch diese Konsequenz kommt es zu einem neuen Zustand, der das Individuum noch mehr beeinflussen und ängstigen kann.

Hierzu schreibt er:

„Wie tief ein Individuum auch gesunken ist- es kann noch tiefer sinken, und dieses ’kann’ ist der Gegenstand der Angst.“ [5]

Die Sünde ist zwar bereits begannen, aber das Individuum kann sie noch schlimmer machen. Die Sünde ist nun auf das Individuum bezogen. Doch was macht die Angst mit der Sünde? Sie

„…will die Wirklichkeit der Sünde beseitigen…“ [6]

So zieht Kierkegaard den Schluss, dass das Individuum im richtigen Verhältnis zur Sünde stehen soll, denn nur so kann es bereuen.

2.3.4. Die Angst vor dem Guten (das Dämonische)

Kierkegaard führt an, dass das Dämonische in seiner Zeit kaum noch erwähnt wird. Er kritisiert, dass dies auch ebenfalls in der Bibel nicht geschieht. Denn die Bibel stellt das Dämonische als etwas Tierisches dar, das Besitz vom Menschen ergreift und ihn so zur Sünde führt.

Nun gibt es in der Sünde für das Individuum zwei Möglichkeiten: die Angst vor dem Guten und die Angst vor dem Bösen. Aber es sollte Acht geben, um das Dämonische zu bestimmen.

Die Angst des sündigen Individuums besteht vor dem Bösen, doch dies ist

„…eine Formation im Guten; denn deshalb ängstigt sie sich vor dem Bösen.“ [7]

Dann gibt es noch die dämonische Formation. Hier ist das Individuum

„… im Bösen und ängstigt sich vor dem Guten.“ [8]

Die Sünde steht in keinem freien Verhältnis zum Bösen, aber das Dämonische, auf der anderen Seite, hat kein freies Verhältnis zum Guten. Das Dämonische ist die Angst vor dem Guten, aber das Dämonische wird erst deutlich durch das Gute.

Kierkegaard betrachtet es als ästhetisch-metaphysisch und ist der Meinung, dass es jedem widerfahren kann, wenn es ein Schicksal ist.

Im Dämonischen kann die Angst sich im Verstummen und im Schrei ausdrücken.

In der Unschuld war die Freiheit nicht Freiheit, sie war Angst. Im Dämonischen ist dies andersherum.

3. Der Angstbegriff nach Martin Heidegger

3.1. Heideggers philosophische Positionen

Martin Heidegger war einer der führenden Vertreter der deutschen Existenzphilosophie. Er wurde sehr stark von der Phänomenologie Husserls beeinflusst, da er dessen Assistent war.

In seinem Hauptwerk „Sein und Zeit“ dreht es sich vor allem um die Fundamentalontologie, also um den Sinn vom Sein. Der Mensch sollte sich nicht durch bereits vorhandenes beeinflussen lassen und es sich erlauben, zu sehen, was sich aus der Sicht des Individuums unmittelbar ereignet, bzw. ihm unmittelbar gegeben ist.

Heidegger geht es vor allem um den Unterschied zwischen dem „Sein“ und dem „Seienden“. Diesen Unterschied nennt er die „ontologische Differenz“. Das „Sein“ ist hierbei die Quelle alles „Seienden“.

Jedoch untersucht Heidegger in der Fundamentalontologie nicht das Sein der Dinge, sondern das Dasein des Menschen. So nennt er seine Grundbegriffe nicht Kategorien, sondern „Existenzialen“. Für dieses Dasein besteht eine Weltoffenheit, das heißt, die Welt hat die Möglichkeit auf das Dasein zu schließen. Die Existenzialen gliedern sich in Faktizität („schon-sein-in“), Verfallen („sein-bei“) und Existenz („sich-vorweg“), welches die Zukunft beschreibt.

Vorraussetzung jedes Seinsverständnisses ist, laut Heidegger, die Zeit. Der Mensch macht stetig Pläne für seine Zukunft (Existenz), so ist er „sich-vorweg“. Die Zeitlichkeit ist also eine der Grundstrukturen des menschlichen Daseins.

Die Vergangenheit ist sein „schon-sein-in“, da sie sein gegenwärtiges Dasein bestimmt. Und er ist „sein-bei“, weil er sich ständig das ihn umgebene Seiende vergegenwärtigt. Da Dasein auch immer auf die Zukunft gerichtet ist, entsteht ein permanentes „noch-nicht“.

Transzendenz bedeutet für Heidegger,

„dass der Mensch alles Seiende immer schon im Hinblick auf das Sein überstiegen hat, das gleichsam den Horizont alles Verstehens, Fühlens und Erkennens bildet.“ [9]

Die Existenz ist ein „hinaus-stehen“ in das immer schon vorhandene Sein.

Drei weitere wichtige Existenzialen hängen mit dem „In-der-Welt-sein“ zusammen: „Befindlichkeit“, „Verstehen“ und „Rede“. Der Mensch ist immer in einer Bestimmten Weise gestimmt, woraus sich eine bestimmte Art des Erkennens entwickelt. Heidegger behauptet, dass es zwischen dem Menschen und seinen Existenzialen keinen Unterschied gäbe und der Mensch nur Vollzug von „Befindlichkeit“, „Verstehen“ und „Rede“ wäre.

Er geht auch davon aus, dass der Mensch in der Masse nicht sein eigenes Leben führt. Heidegger nennt dies die „Herrschaft des Man“. Der Mensch lebt also kein Selbstbestimmtes Leben, sondern übernimmt nur aus der Gesellschaft typisches.

Das Gegenteil hierzu ist die Eigentlichkeit. Durch das Bewusstsein, dass der Mensch sterblich ist hat er eine Möglichkeit zum „Selbstsein“. „Sein-zum-Tode“ nennt Heidegger dies, da sich keiner den Tod von einem anderen abnehmen lassen kann und das menschliche Dasein zwangsläufig immer zum Tode führt. Die Existenz ist dadurch das „Hingehaltensein in das Nichts“, da für Heidegger der Mensch nicht der Schöpfer des Nichts ist, wie bei Sartre.

So ist für Heidegger der Sinn des Seins ein „Zukunftsbezogener Daseinsentwurf“ bis hin zum Tod. Dass würde bedeuten, der Sinn besteht darin, bis zu seinem Tod ein Leben zu führen, dass die Befriedigung von Bedürfnissen gewährleistet.

Der Mensch ist nur die Marionette seiner intentionalen Akte, da er alles aus einer Intention heraus vollzieht.

Nach Heidegger sollte nicht mehr vom Menschen und seinem Seinsverständnis her das Sein gedacht werden- wie in „Sein und „Zeit“-, sondern es sollte nun vom Sein her der Mensch und die endliche Wirklichkeit gedacht werden.

3.2. Heidegger Verständnis der „Angst“

In Heidegger „Sein und Zeit“ ist die Angst das ursprüngliche Phänomen, die das Strukturganze der Alltäglichkeit zeigt. Durch sie entsteht aus dem Sein des Daseins die Sorge.

Die Angst ermöglicht ebenfalls die Furcht. Im Gegensatz zur Furcht ist die Angst jedoch unbestimmt. So geht Heidegger davon aus, dass man vor allem Angst haben kann, die Furcht dieses jedoch beschränkt. Er schreibt hierzu:

„Das Wovor der Angst ist das In-der-Welt-sein selbst. Das Worum dieser Angst ist das Sein-können des Daseins schlechthin.“ [10]

Das Wovor ist somit kein innerweltliches Seiendes, da die Bedrohung bereits vorhanden ist. Sie kommt nicht irgendwo her. So ist das Wovor der Angst die Welt und das In-der-Welt-sein.

Heidegger versteht die Angst als eine Grundbefindlichkeit, die existenzial-ontologisch ursprünglicher ist, als die Alltäglichkeit und deren Vertrautheit. Somit wird die Angst als Bedingung für die Möglichkeit zur Furcht gesehen. Erst durch die Angst, kann der Mensch fürchten.

Das Dasein ist ursprünglich sich selbst überlassen, was die Angst konkret zeigt. So kann man auch die Angst vor dem Tod nicht als eigentliche Furcht vor dem sterben bezeichnen. Vielmehr ist sie die Entschlossenheit des Seins zum ableben. Heidegger meint, dass nur die Stimmung, wenn der Mensch versteht, dass er sterben muss, die Angst ist.

„Das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst“ [11]

Dadurch wird dem Dasein die Unheimlichkeit von der Angst enthüllt. Durch diese Enthüllung kommt es zu einer Angst vor dem Dasein und somit zur Unbedeutsamkeit der Welt. Heidegger schreibt weiter, dass die Angst die Unheimlichkeit erst enthüllt die das alltägliche „In-der-Welt-sein“ verbirgt. Das Dasein ist das Wovor und das Worum.

Es gibt kein Erwarten in der Angst, da das Wovor schon da ist. Die Angst enthüllt so die Unbedeutsamkeit der Welt und die Nichtigkeit des Besorgbahren. Sie führt zurück zu der eigensten, vereinzelten Geworfenheit, die als eine mögliche wiederholbare Existenz begriffen wird. Heidegger meint damit, dass sich die Möglichkeit des Seinkönnens enthüllt.

„Vor die Wiederholbarkeit bringen ist der spezifische ekstatische Modus der die Befindlichkeit der Angst konstituierenden Gewesenheit.“ [12]

Durch die Angst, befindet sich der Mensch in der Stimmung einen möglichen Entschluss zu fassen. Es kommt zu einer Mächtigkeit der Möglichkeit, in der die Stimmung der Angst sich dadurch auszeichnet, dass das Dasein von der Möglichkeit des Seinkönnens so benommen ist, dass es zur Unheimlichkeit führt.

Heidegger ist der Ansicht dass sich die Vergangenheit der Angst aus der Zukunft und Gegenwart ergeben und das Dasein so auf seine Wiederholbarkeit zurückführt. Die Angst befreit also das Dasein, weil sie es von nichtigen Möglichkeiten frei macht und für eigentliche freimacht.

Er sieht Angst und Furcht als zwei Modi der Befindlichkeit, die primär in der Vergangenheit entstehen. Dabei ist ihr Ursprung jedoch verschieden, da die Angst aus der Zukunft der Entschlossenheit entsteht und die Furcht aus der der verlorenen Gegenwart.

Für Heidegger ist also die Angst vor dem „In-der-Welt-sein“ eine der wichtigsten Existenzialen seiner Philosophie.

4. Jean-Paul Sartres Angstbegriff

4.1. Sartres philosophische Auffassung

In seinem Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ unterteilt Sartre, der, wie Kierkegaard und Heidegger, ebenfalls ein wichtiger Vertreter des Existenzialismus war, das Sein in zwei Bereiche. Das „Für-sich-sein“ und das „An-sich-sein“.

Das „Für-sich-sein“ ist das, durch das Bewusstsein bestimmte, Sein des Menschen. Hier hat der Mensch die Fähigkeit zur Differenzierung und Veränderung. Es kommt zu einer Nicht-Identität und zur Freiheit. Das „Für-sich-sein“ hat zu sein, was es ist.

Das „An-sich-sein“ ist das, vom Bewusstsein unabhängig, existierende Sein der Dinge. Es liegt sich selbst gegenüber im Dunkeln. Es ist bewegungslos. Das „An-sich-sein“ ist das, was es ist.

Dadurch, dass der Mensch nach Sartre nicht das ist, was er ist, entsteht ein Nichts im Sein, das er auch „Nicht-Sein“ nennt. Der Mensch ist der Ursprung des Nichts.

Weiter geht Sartre davon aus, dass man sein Leben erst aus der Existenz schaffen muss. Es ist nicht von Anfang an da. Der Mensch ist ein Nichts, das sich sein Sein erst schaffen muss.

Da die Existenz nach Sartre dem Wesen vorausgeht und der Mensch dieses Wesen erst durch sein Handeln schafft, ist er sein Leben lang zur Freiheit verurteilt.

Der Mensch ist frei, weil er über alles, was er tut selbst entscheiden kann. Doch dadurch, dass der Mensch im Leben Entscheidungen treffen muss, ist er zur Freiheit verurteilt. Man kann dieses Verhalten nicht ändern, denn selbst, wenn man sich entscheidet nichts zu tun, ist auch dies eine Entscheidung.

Der Mensch beeinflusst mit seiner Entscheidung auch andere, da sich seine Wahl, der Entscheidung auf andere Menschen auswirkt. Hierzu ein Beispiel:

Ich entscheide mich auf jemanden sauer zu sein. Gebe ihm die Schuld an etwas, dass er nicht getan hat. Trotzdem wird sich diese Entscheidung auf sein Leben auswirken, da er ebenfalls in irgendeiner Weise reagiert und diese Reaktion ist eine Entschei- dung. Selbst, wenn er sich entscheidet in keiner Weise zu rea- gieren, hat er sich entschieden.

Dieses Beispiel zeigt, dass der Mensch a.) zu seiner Freiheit verurteilt ist, da er sich immer entscheidet und b.) das sich diese Entscheidungen auf andere auswirken.

Sartre ist der Meinung, dass der Mensch vor einer Entscheidung, die er trifft, alle Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, da er seine Entscheidungen verdient, das heißt, dass der Mensch immer die Möglichkeit hat, eine andere Wahl zu treffen und deshalb zu allem, was er tut stehen muss.

Sartre, der als Soldat an der Front war und einige Zeit im deutschen Kriegsgefangenenlager saß, spielt damit auf einen Satz an, den er von Jules Romains übernommen hat, da er in seine Philosophie passte:

„Im Krieg gibt es keine unschuldigen Opfer.“ [13]

Damit meint er, dass der Soldat, der in den Krieg zieht, ihn verdient, weil er diese Entscheidung getroffen hat. Er hätte, hätte er alle Möglichkeiten in Betracht gezogen, sich dem Krieg entziehen können. Zum Beispiel durch Selbstmord oder Fahnenflucht. Aber er wählt den Krieg. Und dadurch existiert dieser, weil er sich so entschieden hat. Dies ist eine Unsicherheit in der Existenz des Menschen, aus der, laut Sartre, Angst und Verlassenheit hervor gehen.

4.2. Sartres Verständnis der „Angst“

In seinem Buch „Das Sein und das Nichts“ geht Jean-Paul Sartre nun auf den Begriff der Angst ein. Das Nicht-Festgelegtsein, Nicht-Determinisiertsein, die Ungewissheit der eigenen Existenz, die Unmöglichkeit, sich an Autoritäten oder der Natur anzuklammern, vermittelt das Gefühl der Verlassenheit, der Angst. Die Angst ist auch die Angst vor der Verantwortung, was der Mensch mit seinem Leben anfängt. Denn durch die Freiheit hat er alle Möglichkeiten, was ihn wiederum in die Angst treibt. Die Möglichkeit zur Freiheit macht dem Menschen angst, da er sich selbst entscheiden muss, was er tut und dieses nicht will.

Aber Angst ist für Sartre auch:

„…das reflexive Erfassen der Freiheit durch sie selbst…“ [14]

Die Angst besteht im Bezug auf die eigene Zukunft des Nicht-Seins.

Sartre ist der Meinung, dass das „Für-sich-sein“ neu erstehen muss, da es keine Vorexistenz besitzt und frei ist. Das „Für-sich-sein“ ist der Ursprung der Werte und Sinne der Dinge und eben das drückt der Begriff „Angst“ aus.

Doch was macht der Mensch mit der „Angst“? Er versucht vor der Angst zu fliehen, indem er an seiner menschlichen Natur festhält oder auch durch die Unaufrichtigkeit.

Die Angst kann auch als Freiheitsbewusstsein verstanden werden, da sie das Bewusstsein ist, nicht anders zu können, als frei zu sein. Für Sartre ist die Angst auch die Angst vor dem Sein, da der Mensch nicht weiß, was er ist, wenn er das Sein erreicht.

Der Mensch flieht nun vor seiner Freiheit, er hat „Angst“ und versucht sich mit der Selbst-Identität zu trösten. Dies geschieht, da er nicht von seiner Vergangenheit verfolgt werden will und auch keine Kenntnis von seiner Zukunft haben will.

Die mögliche, scheinbare Lösung wäre jetzt, sich ein zweites Selbst zu schaffen, das dem geängstigten Selbst zu Grunde liegt und dieses trägt. So könnte die Angst verborgen bleiben, was allerdings auf Kosten des Bewusstseins geschieht. Sartre hierzu:

„…es ist die Freiheit eines Anderen…“ [15]

Dies empfindet er so, da dieses zweite Selbst, dass ich mir schaffe nicht mein eigenes Selbst ist.

Dadurch kommt Sartre zur Strategie der Unaufrichtigkeit: ich ertrage es nicht, ich selbst zu sein, also wähle ich mir ein anderes Selbst. Der Mensch entflieht der Angst, aber dies funktioniert nicht, weil er dadurch zulässt, Angst zu haben.

„Dieses nichtende Vermögen nichtet die Angst, insofern ich sie fliehe, und nichtet sich selbst, insofern ich sie bin, um sie zu fliehen. Das ist das, was man Unaufrichtigkeit nennt.“ [16]

Auch dieses zweite Selbst hilft dem Menschen also nicht aus seiner Angst heraus. Er muss seine Angst in seinem eigenen Selbst ertragen und sich so sein Wesen aus der Existenz schaffen.

5. Das Schlusswort

In diesem Referat wurden nun drei bedeutende Existenzialisten vorgestellt, die bis in unsere heutige Zeit für Diskussionen sorgen, da ihre vorgestellten Thesen auch heute noch Aktualität besitzen. Und diese wohl auch nicht verlieren werden.

Man hat gesehen, dass es zwar auch in der Philosophie zu unterschiedlichen Bedeutungen der Angst kommt, sie aber im Kern alle etwas gemeinsam haben: die Angst vor Entscheidungen, vor Möglichkeiten, Verantwortung.

So wie Sartre, geht auch Kierkegaard davon aus, dass der Mensch sich sein Wesen erst aus seinen Handlungen schafft und daran verzweifelt. Das ist die Angst.

Doch, wie soll der Mensch sich nun verhalten? Das lässt Platz für eigene Überlegungen: Wenn der Mensch frei ist, warum kann er dabei kein gutes Gefühl haben? Muss er sich zwangsläufig vor der Zukunft fürchten? Was ist das für eine Annnahme, das jeder Angst vor seiner Zukunft hat?

Denn auch wenn man die Philosophie Sartres verfolgt und wirklich frei ist, jede Entscheidung selbst zu wählen, dann kann dies doch auch etwas positives sein, da man für sich wählt. Das ist in jedem Sinn vorteilhafter, als von anderen abhängig zu sein, da man nicht hoffen muss, dass andere die richtige Entscheidung treffen.

Zwar bedeutet dies auch Verantwortung, aber diese Verantwortung trägt der Mensch unbewusst, da er von Kindheitsbeinen an für sich entscheidet. Nicht in allen, das ist wahr, aber und da hat Sartre Recht, er wird ein Individuum, er erlangt ein Wesen und die Entscheidungen, die dazu beitragen geschehen eher unbedacht als reichlich überlegt. Oftmals geschehen Entscheidungen einfach.

Und doch gibt es sicher Menschen, die Angst vor Entscheidungen haben, aber letztendlich muss der Mensch für sich entscheiden und das geschieht, auch nach Kierkegaard, Heidegger und Sartre so.

Bibliographie

Kierkegaard, Sören, 1992, Der Begriff Angst, Eine einfache psychologisch-hinweisende Überlegung in bezug auf das dogmatische Problem der Erbsünde, Stuttgart: Reclam

Wesche, Tilo, 2003, Kierkegaard, Eine philosophische Einführung, Ditzingen: Reclam

Heidegger, Martin, 1993, 17. Auflage, Sein und Zeit, Tübingen: Niemeyer

Sartre, Jean-Paul, 1962, Das Sein und das Nichts, Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Hamburg: Rowohlt

[...]


[1] „Der Begriff Angst“, § 5, S. 52

[2] „Der Begriff Angst“, § 5, S. 53

[3] Bibel, Röm. 8, 19

[4] „Der Begriff Angst“, § 2, subjektive Angst, S.73

[5] „Der Begriff Angst“, Kapitel 4, §1, S.133

[6] „Der Begriff Angst“, Kapitel 4, §1, S.133

[7] „Der Begriff Angst“, Kapitel 4, §2, S.139

[8] „Der Begriff Angst“, Kapitel 4, §2, S.139

[9] Nach Weischedel

[10] „Sein und Zeit“, § 40 S. 251

[11] „Sein und Zeit“, § 53 S. 265-266

[12] „Sein und Zeit“, § 68 S. 343

[13] Nach Jules Romains

[14] Aus „Das Sein und das Nichts“ , S. 108

[15] Aus „Das Sein und das Nichts“ , S. 114

[16] „Das Sein und das Nichts“ , S. 146

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Der Angstbegriff bei Kirkegaard, Heidegger und Sartre
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Einführung in die Existenzphilosophie
Note
3,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V110580
ISBN (eBook)
9783640087471
ISBN (Buch)
9783640117833
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Angstbegriff, Kirkegaard, Heidegger, Sartre, Einführung, Existenzphilosophie
Arbeit zitieren
Anna-Cathrin Esser (Autor:in), 2004, Der Angstbegriff bei Kirkegaard, Heidegger und Sartre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110580

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