Braucht Deutschland Eliteuniversitäten - das Pro und Contra der letzten fünf Jahre


Seminar Paper, 2005

21 Pages, Grade: gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Eliteuniversitäten für Deutschland
1.1 Situation
1.2 Umfrageergebnisse bzgl. Eliteuniversitäten
1.3 Eliteuniversität oder Spitzenhochschulen? Eine Begriffsabgrenzung
1.4 Die Finanzierung von Eliteuniversitäten

2 Brauchen wir Eliteuniversitäten in Deutschland?
2.1 Das „Salz in der Suppe“?
2.2 Wo sind die Excellenzbeweise?
2.3 Reform von unten nach oben
2.4 Verbesserung des gesamten Bildungssystems

Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Der Begriff Elite ist in Deutschland spätestens seit den 1968 diskreditiert. Die Zeiten sind vorbei, in denen eine wissenschaftliche Ausbildung lediglich einer kleinen Gruppe vorbehalten war. Doch die Krise des deutschen Hochschulwesens hat einen Sinneswandel hervorgerufen. Seit Jahrzehnten leidet es an Unterfinanzierung, mangelnder Betreuung der Studierenden, hohen Abbrecherquoten und Brain Drain – der Abwanderung herausragender Forscher vorwiegend in die USA.

Statt von Chancengleichheit reden Politiker aller Couleur neuerdings von Eliteförderung und Elite-Universitäten, die die Misere beheben und als Leuchttürme die Bildungslandschaft erhellen sollen. Sie sollen die deutsche Hochschullandschaft international wettbewerbsfähig machen und den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken.

Seit man sich vorgenommen hat, deutsche Hochschulen auf Augenhöhe mit internationalen Elite-Institutionen wie Harvard oder Stanford zu bringen, ist die Diskussion in vollem Gange: Braucht Deutschland Elite- oder Spitzenuniversitäten? Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Kann man Elite überhaupt von oben verordnen?

Diesen Fragen werde ich in der vorliegenden Hausarbeit widmen. Im ersten Teil wird die politische Situation und Diskussion um die Eliteuniversitäten aufgezeigt und im zweiten Teil stelle ich ein Für dem Wider gegenüber.

1 Eliteuniversitäten für Deutschland

1.1 Situation

Im Gedenken an den Ruf deutscher Universitäten aus vergangen Tagen, bevor der Nationalsozialismus alle bedeutenden Wissenschaftler emigrieren lies, wurde Ende 2003 erstmals wieder die Forderung laut, Deutschland brauche mindestens eine Eliteuniversität. Im darauf folgenden Jahr konkretisierten sich die Pläne, Eliteuniversitäten aufzubauen. In Deutschland hat es nie staatliche Eliteuniversitäten gegeben, denn alle Universitäten gelten als gleichwertig. Trotzdem existieren Unterschiede zwischen den einzelnen Universitäten, denn je nach Fachbereich genießt sie einen guten oder eher einen schlechten Ruf.

Unter der rot-grünen Bundesregierung und der damaligen Bildungsministerin Edelgard Bulmahn sollten Eliteuniversitäten gefördert werden, denn auch Deutschland müsse Spitzenuniversitäten – so genannte „Leuchttürme“ – haben, die sich mit Stanford oder Cambridge messen können. Unter dem Motto „Brain Up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“ wollte Bulmahn mittels eines Wettbewerbs bis Ende 2006 fünf Eliteuniversitäten auswählen und zudem die Forschungsförderung effizienter machen. Die Bundesregierung griff die Initiative auf. Die Wettbewerbssieger sollten jährlich 50 Millionen Euro erhalten – zusätzliches Geld, und zwar gezielt für die Universitäten, ihre Forschung und Lehre. Damit war das Bundeskonzept eines Elitewettbewerbs tatsächlich darauf angelegt, einer kleinen Zahl von Spitzenuniversitäten in Deutschland den Weg zur Europa- und Weltliga wenigstens finanziell zu bahnen.

Die sich bewerbenden Universitäten sollten zunächst eine Strategie vorlegen. Als Kriterien für hervorragende Leistungen nannte Bulmahn

„[…] wissenschaftliche Exzellenz, modernes Management und eine gute Betreuung der Studierenden sowie Internationalisierung und die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen.“[1]

Das Konzept stieß jedoch auf den breitflächigen Widerstand der Bundesländer, und zwar auch jener Länder, die sich gute Chancen ausrechnen konnten, im Wettbewerb zu bestehen. In einigen Bundesländern, die die Kulturhoheit besitzen, schlug man einen Kompromiss vor: Nicht ganze Universitäten sollen diesbezüglich gefördert werden, sondern nur einzelne Fachbereiche. Danach ist es um den Elitewettbewerb unter Deutschlands Universitäten still geworden.

Im Juni 2005 wurde die Exzellenzinitiative ins Lebengerufen, die dazu beitragen sollte, dass junge deutsche Forscher von der Abwanderung ins Ausland abgehalten oder zur Rückkehr von dort bewegt werden.[2] Einige wenige Universitäten sollen den reformbedürftigen deutschen Hochschulen als Vorbild dienen.

Zudem sollen deutsche Hochschulen sich im internationalen Wettbewerb um Spitzenleistungen in der Forschung und um Attraktivität bei hochkarätigen Wissenschaftlern besser behaupten. Damit ging ein Streit über die beiden Förderprogramme zu

Ende, der eineinhalb Jahre gedauert und in der Wissenschaft bereits für erhebliche Frustrationen gesorgt hatte. Der damalige Kanzler Gerhard Schröder sprach von einem „Durchbruch“, der Weg sei frei für „Leuchttürme der Wissenschaft“.

Im Januar 2006 stellte eine Jury aus nationalen und internationalen Experten eine Liste von zehn potenziellen Eliteuniversitäten vor, deren bisher eingereichten „Zukunftsperspektiven zur universitären Spitzenforschung“ die Experten überzeugten. Diese Universitäten[3] sind nun aufgefordert, ein detailliertes Konzept zu entwickeln.

1.2 Umfrageergebnisse bzgl. Eliteuniversitäten

Nach einer Onlineumfrage des Stern zum Thema Eliteuniversitäten halten 47 Prozent der Befragten Eliteuniversitäten für den Wissenschaftsstandort Deutschland für wichtig; 53 Prozent gaben an, dass es in Deutschland schon genug Hochschulen gebe. Eine weitere Onlineumfrage, bei der über 1000 Studenten und Hochschulmitarbeiter teilgenommen haben, lieferte ebenso deutliche Pro- und Contra-Meinungen bezüglich der Frage, ob Eliteuniversitäten in Deutschland geschaffen werden sollten oder nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Einschätzung bzgl. des Vorschlag Eliteuniversitäten

Über die Hälfte der Befragten fanden den SPD-Vorschlag überhaupt nicht oder nur wenig sinnvoll. An privaten Hochschulen war der Anteil der Befürworter höher. Bei der Frage, welche Universität den Namen Eliteuniversität verdient habe, gewannen die Universitäten Berlin, München und Heidelberg das Rennen. Die Befragten sprachen sich bezüglich einer Vision vom Prototyp Eliteuni vor allem für Aufnahmetests, besser ausgestattete Bibliotheken sowie gute Betreuungsverhältnisse zwischen Dozenten und Studenten aus. Außerdem müsse man in solchen Universitäten sowohl die Lehrenden als auch die Lernenden mehr fordern.[4]

Befürworter führen weiter an, dass Deutschland durch das Fehlen von Eliten gerade im Forschungsbereich immer weiter zurückfalle, Spitzenforscher wandern ab. Trotz hoher Studiengebühren für Eliteuniversitäten, welche jedoch durch großzügige Stipendien für finanziell schlechter Gestellte wieder ausgeglichen würden. So könnten Bewerber allein auf Basis ihrer Leistungen ausgewählt werden.[5]

Gegner befürchten, dass Eliteuniversitäten nur dem Prestige dienten und würden zu keiner wesentlichen Verbesserung der Wirtschaftslage beitragen. Eine Förderung müsse sehr langfristig angelegt sein. Universitäten wie Harvard zeichneten sich durch die Kontinuität ihrer Leistungen über viele Jahre hinweg aus. Aufgrund ihrer hohen Studiengebühren förderten Eliteuniversitäten zudem die soziale Ungleichheit.[6]

1.3 Eliteuniversität oder Spitzenhochschulen? Eine Begriffsabgrenzung

Der Faschismus, der Nationalsozialismus und auch der Bolschewismus hatten den Begriff der Elite für sich reklamiert und so missbraucht, dass er weit über das Ende der Schreckensherrschaften hinaus für viele problematisch bleibt.

Elite ist ein in Deutschland seit Jahrzehnten verdrängter Begriff, und eine entspannte und sachliche Diskussion über Eliten ist ein Widerspruch in sich. Elitär nennt eigentlich kaum jemand etwas, ohne dabei die Nase zu rümpfen. Der Begriff der Elite pendelt heute nicht nur in der Bildungsdiskussion zwischen Tabu und Schlüsselwort. Das Problem ist die extreme Unschärfe des Begriffs. Meint man mit Eliten Funktionseliten, Verantwortungseliten, besonders begabte, besonders reiche oder besonders wichtige Personen? Geht es um ein Geburtsrecht oder um etwas Erworbenes?

„Nach einer jahrelang vorwiegend von eher unverrückbaren Positionen aus geführten Debatte deutet sich allmählich so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner an: Ungleichheit ist auch in westlichen Demokratien nicht immer etwas Schlimmes. Forschung und Verbände werben verstärkt um Akzeptanz dafür, dass nun mal nicht alle Menschen über die gleichen Fähigkeiten verfügten, dass manche Ideen besser seien als andere, dass die Gleichbehandlung von Ungleichen ungerecht sei und einer Gesellschaft massiv schade.“[7]

Der Begriff Elite sollte zum Jahreswechsel 2003/2004 eine Wiederbelebung erfahren, und zwar durch den damaligen Generalsekretär der SPD Olaf Scholz. Und mehr und mehr Politiker und Nichtpolitiker fanden Gefallen an dem Gedanken. Doch wie viele sollten es sein?

Zwei, drei, fünf oder zehn oder gar noch ,mehr? Und wie sollten sie genannt werden? Die SPD distanzierte sich von dem Wort Elite und sprach lieber von Spitzen-Universitäten. Auch die Ministerin Bulmahn sprach statt von Eliteförderung von Spitzenförderung.

„Elite, kaum war das ominöse Wort heraus, wurde es auch schon wieder eingefangen und weggesperrt.“[8]

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte hingegen keine Probleme mit dem Elite-Begriff, sofern Elite durch Leistung definiert werde und nicht durch Geburt.[9] Aber Tatsache ist, dass der Elite-Begriff in der Bildungspolitik jahrzehntelang wegen historischer Vorbelastungen abgelehnt oder tabuisiert wurde. Nicht zuletzt aus diesem Grund erhielt die Diskussion um Eliteuniversitäten in Deutschland so große Aufmerksamkeit.

Das Wort Elite bedeutet ursprünglich „ auslesen “ und kommt aus der vulgärlateinischen Wurzel exlegere. Vom Wort her geht es also um eine Auslese der Besten.[10]

In der Soziologie wird der Begriff sowohl wertneutral als auch in gesellschaftskritischer Absicht gebraucht. Dies gilt sowohl für empirische Ansätze in der Eliteforschung als auch für die Elitetheorie. Elite „meint die Inhaber von Funktionspositionen in Organisationen, Verbänden, vielleicht auch zivilgesellschaftlichen Assoziationen.“ [11]

Was soll sich aber hinter dem Begriff Elite-Universitäten verbergen? Immerhin handelt es sich um Universitäten, die in der ersten Liga weltweit mitspielen. Reicht da das Wort Spitze oder muss es nicht Weltspitze heißen? So erklärt es sich, warum Edelgard Bulmahn das Wort Leuchttürme verwendet.

„Wir brauchen weltweit sichtbare Leuchttürme, weltweites Renommee unserer Universitäten. Wir wollen als Wissenschaftsstandort auch für Stundenten international attraktiv sein. Wir haben keine Rohstoffe, unser Pfund ist die Bildung.“[12]

Doch wer gehört zur Elite?

„Danach zählen zu Eliten jene Menschen, die durch besondere Fähigkeiten – vermeintlich oder wirklich – ausgezeichnet gesellschaftliche Anerkennung und gegebenenfalls damit verbundene Vorteile genießen und daher durch Macht, Überzeugungskraft oder als Vorbild Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen nehmen, typische (Entwicklungen) mit gesellschaftlichen Faktoren eng verbunden."[13]

1.4 Die Finanzierung von Eliteuniversitäten

Was die Finanzierung der in der Diskussion befindlichen staatlichen Eliteuniversitäten betrifft, so wurden dazu verschieden Vorschläge unterbreitet. Als Finanzierungsquelle wurden die Inanspruchnahme der Goldreserven, eine veränderten Erbschaftssteuer und Spendengelder genannt. Die auch nur teilweise Finanzierung durch Studiengebühren schloss die damalige Ministerin Bulmahn allerdings aus, was wiederum auf Widerstand stieß. Sogar der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer zeigte sich gegenüber Studiengebühren für Wohlhabende aufgeschlossen.[14] Man sprach von einer Obergrenze von etwa 500 Euro pro Semester. Da sich solche Gebühren nur Wenige leisten können, suchte man nach Auswegen. Angegliederte Kreditunternehmen sollen den Studierenden ein Darlehen zur Verfügung stellen, das entsprechend verzinst nach Eintritt in das Berufsleben zurückzuzahlen ist. Verschiedene Modelle sind hier durchgerechnet worden. Die Frage der öffentlichen Finanzierung von Bildung wird entpolitisiert, da man sich auf der Tatsache ausruht, dass der Staat kein Geld hat und im Umkehrschluss nicht mehr Geld für die Hochschulen aufwenden kann. Was bliebe also anderes übrig außer eine hauptsächliche Finanzierung über Studiengebühren und natürlich auch Spenden. In den USA sind Studiengebühren selbstverständlich, und diese Selbstverständlichkeit überträgt der Stanford-Professor Hans Weiler auf Deutschland:

„Es gibt gar keine Alternative und auch wirklich keine guten Gründe dagegen. Für ein gutes Produkt zahlen die Studenten gern – das zeigen schon jetzt verlässliche Umfragen.“[15]

Schon auf dem Symposium unter dem Titel „Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten?“ an der Technischen Universität München im Jahr 2001 war man sich weitgehend einig darüber, dass auf dem Weg zur Spitzenuniversität kein Weg an Studiengebühren vorbei geht. Ein Vorreiter sei hier Baden-Württemberg, wo 9000 zahlungspflichtige Studenten den Hochschulen zusätzliche 18 Millionen Mark ein.[16]

2 Brauchen wir Eliteuniversitäten in Deutschland?

2.1 Das „Salz in der Suppe“?

Unter dem Humboldschen Bildungsparadigma der Einheit von Forschung und Lehre hat es Anfang dieses Jahrhunderts in Deutschland Eliteuniversitäten gegeben. Dieser Goldstandard wird heute wieder eingeklagt. Dem gegenüber stehen die Massenuniversitäten, die unter dem sozialpolitischen Argument fehlender Chancengleichheit möglichst viele Akademiker ausbilden sollen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Schließlich seien moderne Hochschulen im Rahmen eines notwendigen Wettbewerbs um Studierende und Forschungsprofile auch als Unternehmen zu sehen, so ein Referent der Podiumsdiskussion des Coburger Convents im Jahre 1999. Die deutschen Universitäten seien weder reine Forschungsanstalten noch reine Fachschulen, die auf einen Beruf vorbereiten sollen, sondern eine Kombination von beiden.[17] Von anderer Seite wurde eingefordert:

„Wir brauchen eine stärkere Vernetzung unserer Gesellschaft, insbesondere im Dreieck Hochschule – Wirtschaft – Staat.“[18]

Als Beispiel wurde die Mannesmann AG genannt, die mit Unternehmensplanspielen Studenten verschiedener Fächer anspreche und unterstütze außerhalb des staatlichen Sektors die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.

„Deutschland braucht Eliten“, so die erste These von Dr. Carsten Kreklau, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI.

Er nahm mit weiteren 11 Thesen Stellung zum Thema: (ganzer Text siehe Anhang):

„1. Deutschland braucht Eliten.
2. Marktwirtschaft und Demokratie sind kein Widerspruch.
3. Ein wichtiger Weg: Hochschulausbildung.
4. Staatliche Hochschulen brauchen Reformen, um eine leistungsfähige Elitenbildung anbieten zu können.
5. Private Hochschulinstitute machen vor, wie es gehen kann.
6. Auch Eliteuniversitäten müssen sich im Wettbewerb bewähren.
7. Für den Wettbewerb brauchen Hochschulen Autonomie..
8. Hochschulen müssen zur Selbständigkeit motivieren.
9. Globalisierung erfordert die Zusammenarbeit mit den weltweit Besten.
10. Globaler Wettbewerb auch in der Elitenbildung.
11. Die Informationsgesellschaft intensiviert den globalen Wettbewerb und weltweite Kooperation der Eliten.
12. Elitenförderung fordert das gesamte deutsche Bildungssystem heraus. Elitenförderung muß in der Schule beginnen, Spaß an der Leistung muß vermittelt werden, aber auch die Erkenntnis, daß Lernen anstrengend sein kann.“[19]

Professor Huisken, Direktor der Universität Bremen beruft sich auf den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 2004 von Führung sprach, die Deutschland brauche, wenn es mit den Weltmächten mithalten wolle. Zur Führung berufen, seien eben nur die Besten. Folglich brauche es wieder eine Führungselite, die natürlich nicht über eine gleichmacherische, nivellierende Ausbildung ermittelt werden könne, sondern nur durch Elitebildung.[20]

2.2 Wo sind die Excellenzbeweise?

Es stellt sich die Frage, wie man Leistung im Wissenschaftsbereich messen kann und wer über diese Leistung urteilen kann. Bei der Suche nach Messinstrumenten für wissenschaftliche Leistung wurden zum einen Einwerbung von Drittmitteln, die besonders für die Naturwissenschaft von großer Bedeutung sind und als Gradmesser für das Leistungsniveau bezeichnet werden, und zum anderen die Errichtung von Graduiertenkollegs genannt, die als Zeichen für den Rang einer Hochschule gelten.

Zweifelsohne sind Drittmittel überaus wichtig, um nicht zu sagen unentbehrlich für die deutsche Forschung. Es bleibt jedoch zu fragen, wie hoch der Erwartungsdruck auf die Ergebnisse der so finanzierten Forschung ist und ob nicht die Einwerbung von Drittmitteln unter Umständen als strafbares Bestechungsdelikt anzusehen ist.[21]

Graduiertenkollegs sollen die Arbeit der Doktoranten qualitativ verbessern und die Promotionsdauer verkürzen. Die Aussagekraft der Anzahl der Graduiertenkollegs ist

jedoch in Bezug auf die Qualität der Universität und ihrer Wissenschaftler eher gering.[22]

2.3 Reform von unten nach oben

Hinter dem einstigen Entwurf der SPD stand die Idee, das Hochschulsystem von oben nach unten reformieren zu können. Doch gibt es Befürworter für den umgekehrten Weg, um mit Strukturreformen den Bildungs- und Forschungsstandort international wieder wettbewerbsfähig zu machen. Das heißt, weitestgehende Autonomie für deutsche Hochschulen und mehr Eigenverantwortung in den Bereichen Haushalt, Personal, Organisation, aber auch in der Gestaltung der Lehrinhalte. Wettbewerb sei gut, insbesondere müsse die Auswahl der Studierenden den Universitäten selbst überlassen werden, anstatt eine so wichtige Entscheidung einer unflexiblen Verwaltungsbehörde zu übertragen. Motivierte und leistungsbereite Studierende würden so im Gegenzug auf kurz oder lang Spitzenprofessoren nach Deutschland locken.

2.4 Verbesserung des gesamten Bildungssystems

Gegner von Eliteuniversitäten sprechen sich zwar für Spitzenuniversitäten aus, aber bitte sollten alle Universitäten daran beteiligt sein und nicht nur einige wenige. Aus 350 Hochschulen in Deutschland sollten Spitzenuniversitäten werden. Immerhin gehe es nicht um Hochschulen, sondern um unser gesamtes Bildungssystem.

Die Heraushebung einzelner Hochschulen mit deren zusätzlicher finanzieller Förderung bei gleichzeitiger Unterfinanzierung aller anderen Hochschulen ist fraglich, so Münch.[23]

„Die Nobilitierung einzelner deutscher Hochschulen als ‚Elite-Universitäten‘ ist ein Irrweg: sie führt zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, die dem deutschen Hochschulsystem bisher grundsätzlich uns glücklicherweise fremd ist.“[24]

Des Weiteren sei es „grotesk von Eliteuniversitäten zu träumen, wenn man gleichzeitig dem wissenschaftlichen Nachwuchs den Aufstieg verwehrt.“[25] Darum sei es wichtig, die finanzielle Situation der staatlichen Hochschulen zu verbessern, damit der wissenschaftliche Nachwuchs gefördert werden könne.

Die Teilung der deutschen Universitäten in eine 1. und eine 2. Klasse wäre ein radikaler Bruch mit dem deutschen Hochschulsystem.

Schlussbemerkung

Betrachtet man die Diskussion um den Elitegedanken an deutschen Universitäten, so ist es ganz offensichtlich, dass das deutsche Hochschulsystem einer Veränderung bedarf, sowohl was die Qualität angeht als auch finanzieller Hinsicht. Während die Ansprüche an unser Bildungssystem steigen, bricht eine Flut von Reformvorstellungen herein. Eine Verbesserung der finanziellen Situation staatlicher Hochschulen schließt jedoch Einzelförderung nicht aus. Forschungsschwerpunkte zu setzen und einzelne Regionen zu Fördern sollte möglich sein. Dies darf jedoch nicht zum Leidwesen der übrigen Universitäten passieren.

Wen man annimmt, dass sich die Eliteuniversitäten durchsetzen, dann ist es zweifelsohne so, dass die Spitzenuniversitäten die Frage der Exzellenz an eine Institution binden. Exzellent ist nämlich dann ein Froscher, wenn er einer dieser Universitäten angehört und nicht aufgrund seiner Leistungen.

Es stellt sich die Frage nach der Zweckmäßigkeit, den Bundesländern die Freiheit zurückzugeben, untereinander um die besten Schul- und Hochschulsysteme zu konkurrieren. Wettbewerb kann wünschenswert sein, aber nur, wenn er nicht zu einem Wettbewerbsfetischismus ausartet.

Ein höheres Maß an Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Universitäten schafft Freiraum für ein modernes Management. Vielleicht sind die Universitäten auf dem richtigen Weg, wenn sie Elite werden wollen, jedoch nicht eine Elite derjenigen, deren Eltern Studiengebühren bezahlen können, sondern eine Elite der Leistung. Wer nicht zahlen kann, der muss finanziert werden. – und er muss dieses Geld später zurückzahlen, wenn er dann gut verdient. Aber was ist dann mit dem Rest, der nicht zur Elite gehört? Was wird mit der Bildungslandschaft, wenn auf einmal die Gelder an wenige Spitzenuniversitäten fließen und so eine qualitativ hochwertige Ausbildung nur noch wenigen Studenten zugänglich gemacht wird? Wer soll dort überhaupt studieren? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten muss ein Student dann mitbringen, um zugelassen zu werden?

Zählen dann die besten Abitursnoten oder das souveränste Auftreten bei einem Vorstellungsgespräch? Zu den nicht unerheblichen Fähigkeiten zählt dann natürlich das betuchte Elternhaus – hier besteht zweifelsohne ein Zusammenhang zwischen Leistungselite und Herkunftselite. Kanzler Schröder sagte damals zwar zutreffend: Es geht um „Elite durch Leistung nicht durch Herkunft“, vergaß aber hinzufügen, dass geldige Herkunft eine der besten Bedingungen fürs Bestehen in der Leistungskonkurrenz ist. Wo ist der allgemeine Anspruch an die Bildung geblieben, die doch jedermann zugänglich sein soll?

Ausblick

Wer heutzutage in der deutschen Wirtschaft wirklich Karriere machen will, darf sich nicht mit dem hausbackenen Diplom einer Universität in Frankfurt oder Berlin begnügen. Wirkliche Aussichten verschafft ihm erst ein MBA aus St. Gallen, Fontainebleau oder Wharton. Auch bei den internationalen Anwaltssozietäten sieht es ähnlich aus: Mit dem Doktortitel aus Heidelberg oder München hat längst schon der LLM von Harvard, Berkeley, Columbia oder NYU gleichgezogen. Beklagt wird die Unfähigkeit der Universitäten in Deutschland, ihren besten Absolventen attraktive Zukunftsperspektiven zu eröffnen, vor allem im Bereich der Naturwissenschaften – die Besten gehen bevorzugt in die USA. Alles in allem ein düsteres Bild von der offenbar mangelnden Leistungsfähigkeit deutscher Universitäten.

Sind es wirklich die so genannten Massenuniversitäten, die sich durch Gleichheit auszeichnen? In der Tat nimmt der Dozent die Studierenden in den Hörsälen nur noch als konturenlose Masse wahr, und in den Seminaren geht der begabte Student in derselben unter – wie soll man ihn da fördern?

Doch es scheint noch nicht zu spät zu sein, so einiges kommt in Bewegung. Derzeit bemühen sich viele Universitäten darum, ihre Aktivitätsbereiche, ihre Kernkompetenzen (wie vornehmlich die Technischen Universitäten) bewusst zu beschreiben und damit ihr ein wenig verschwommenes Profil so markant zu schärfen, damit sie im nationalen Wettbewerb und darüber hinaus auch im europäischen und im internationalen mithalten können. Daher stellt sich die Frage: Was könnte insoweit der Elitegedanke leisten?

Literaturverzeichnis

- Eilert Herms: Elitenkonkurrenz und Elitenkooperation – wo stehen wir heute? Zitiert in Münch 2005

- Ralf-Roland Schmidt-Cotta (Corps Moenania Würzburg), Manager für internationale Beziehungen bei Mannesmann VDO, aus: CC-Blätter, Ausgabe 4/99

- Hans Weiler: Die Forschung muss in Deutschland zurück an die Hochschule. Interview mit Joachim Peter in: DIE WELT vom 12.1.2004

- Hans Weiler: Die Forschung muss in Deutschland zurück an die Hochschule. Interview mit Joachim Peter in: Arnulf Melzer, Gerhard Casper (Hg.): Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten? – Antworten auf internationale Herausforderungen, Symposium vom 1.-2. März 2001 in München

- DIE WELT vom 7.01. und 8.7.2004

Internet :

- http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen, Stand: 27.01.2004 19:21 Uhr
- http://personity.de/eliteuni/
- www://de.wikipedia.org/wiki/Elite-Universitäten
- Eliteuniversitäten in Deutschland: ein Irrweg?, http://www.uni-heidelberg.de
- http://www.stern.de/politik/deutschland/bildungspolitik-uni
- http://www.bmbf.de/
- http://www.br-online.de/wissen-bildung/artikel/0601/21-exzellenzinitiative/

Anhang

„1. Deutschland braucht Eliten – aber die richtigen! Leistungseliten verbessern die Chancen aller in einer Gesellschaft.

2. Marktwirtschaft und Demokratie sind kein Widerspruch. Zur Elite kann der aufsteigen, der für das Gemeinwohl etwas leistet. In der Marktwirtschaft sichert der Wettbewerb die Auswahl der Leistungsfähigsten.

3. Ein wichtiger Weg: Hochschulausbildung. Hochschulen haben für die Ausbildung von Eliten eine wichtige Funktion. Es haben sich jedoch noch keine Eliteuniversitäten von bundesweiter Bedeutung herausgebildet.

4. Staatliche Hochschulen brauchen Reformen, um eine leistungsfähige Elitenbildung anbieten zu können. Dreißig Prozent eines Altersjahrgangs nehmen ein Hochschulstudium auf. Mehr als 200.000 Hochschulabsolventen jährlich können aber nicht in höchste Führungspositionen der Gesellschaft aufsteigen. Es gibt ca. 4.000 höchste Entscheidungspositionen in Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Medien, Militär und Kultur (Quelle: Potsdamer Elitestudie 1995) zu besetzen.

5. Private Hochschulinstitute machen vor, wie es gehen kann. Merkmale zur Beseitigung von Defiziten, die auch an staatlichen Hochschulen praktizierbar sind: Eigene Auswahlverfahren für Studenten, Praxiserfahrung im Studium, internationale Orientierung, Studienbeiträge kombiniert mit Darlehens-Stipendienmodellen.

6. Auch Eliteuniversitäten müssen sich im Wettbewerb bewähren. Die Illusion von der Gleichwertigkeit aller Universitäten muß aufgegeben werden. Die entscheidende Frage ist: Wie bekommen wir die besten Studenten zu den besten Professoren?

7. Für den Wettbewerb brauchen Hochschulen Autonomie. Nicht staatsverordnete Bildungsaufträge, sondern Orientierung des Angebots an Kundenwünschen erfordern Autonomie der Hochschulen: Entscheidung über Leistungsangebot, Auswahl von Professoren und Studenten, effizientes Hochschulmanagement, Gesamtverantwortung der Hochschulleitung, leistungsbezogene Bezahlung der Professoren, Studiengebühren mit Darlehens- und Stipendienlösungen.

8. Hochschulen müssen zur Selbständigkeit motivieren. Gewinnen von unternehmerischen Erfahrungen muß bereits im Studium ermöglicht werden.

9. Globalisierung erfordert die Zusammenarbeit mit den weltweit Besten. Führungspositionen werden schon lange international besetzt. Die europäische Integration bringt neue Führungsebenen und Positionen in der Politik, Verwaltung und gesellschaftlichen Gruppen.

10. Globaler Wettbewerb auch in der Elitenbildung. Die besten Köpfe zusammenführen; der war of talents ist bereits in vollem Gang.

11. Die Informationsgesellschaft intensiviert den globalen Wettbewerb und weltweite Kooperation der Eliten. Angebot von Vorlesungen und Seminaren in elektronischen Netzen. Virtuelle Universitäten ermöglichen den Studenten an jedem Ort von den Weltbesten zu lernen.

12. Elitenförderung fordert das gesamte deutsche Bildungssystem heraus. Elitenförderung muß in der Schule beginnen, Spaß an der Leistung muß vermittelt werden, aber auch die Erkenntnis, daß Lernen anstrengend sein kann.“[26]

[...]


[1] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen, Stand: 27.01.2004 19:21 Uhr

[2] In der Tat ziehen die Unis mit den klangvollen Namen Harvard, Yale oder Oxford die besten Studierenden aus aller Welt magnetisch an. Unter den Postgraduierten kommen in Amerika bereits mehr als die Hälfte aus dem Ausland. Auch jeder siebte deutsche Nachwuchswissenschaftler geht nach der Promotion zumindest vorübergehend in die USA.

[3] RWTH Aachen, FU Berlin, Universität Bremen, Universität Heidelberg, Universität Freiburg, Universität Karlsruhe, LMU München, TU München, Universität Tübingen und Universität Würzburg

[4] http://personity.de/eliteuni/

[5] Vgl. www://de.wikipedia.org/wiki/Elite-Universitäten

[6] Vgl. ebenda

[7] http://www.stern.de/politik/deutschland/bildungspolitik-uni

[8] DIE WELT vom 8.7.2004, S. 8

[9] DIE WELT vom 7.01.2004, S. 4

[10] Vgl. Ingo von Münch: „Elite-Universitäten“: Leuchttürme oder Windräder“, Hamburg 2005, S. 11

[11] Eilert Herms: Elitenkonkurrenz und Elitenkooperation – wo stehen wir heute? Zitiert in Münch 2005, S. 11

[12] Jugendliche gehen neue Wege - Interview mit Bundesministerin Edelgard Bulmahn, Bundesministerium für Bildung und Forschung, http://www.bmbf.de/

[13] Rektor Prof. Hommelhoff: "Eliteuniversitäten in Deutschland: ein Irrweg?", siehe: http://www.uni-heidelberg.de/

[14] Vgl. von Münch 2005, S. 31

[15] Hans Weiler: Die Forschung muss in Deutschland zurück an die Hochschule. Interview mit Joachim Peter in: DIE WELT vom 12.1.2004, S. 5

[16] Vgl. Arnulf Melzer, Gerhard Casper (Hg.): Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten? – Antworten auf internationale Herausforderungen, Symposium vom 1.-2. März 2001 in München

[17] Vgl. Coburger Convent: CC-Blätter: Ausgabe 4/99: Elite-Universitäten in Deutschland – Brauchen wir Sie? CC-Symposium in Berlin.

[18] Ralf-Roland Schmidt-Cotta (Corps Moenania Würzburg), Manager für internationale Beziehungen bei Mannesmann VDO, aus: CC-Blätter, Ausgabe 4/99, S. 2

[19] Dr. Carsten Kreklau, in: CC-Blätter, Ausgabe 4/99, S. 4 f.

[20] Interview mit “jobpilot”. Zur SPD-Forderung nach Eliteuniversitäten: DIE ELITE DER ELITE, vom 11.01.04

[21] Vgl. von Münch 2005, S. 13 ff.

[22] Vgl. ebenda, S. 18

[23] Vgl. von Münch, 2005

[24] Ebenda, S. 5

[25] Hans Mommsen, zitiert in Münch 2005, S. 58

[26] Dr. Carsten Kreklau, in: CC-Blätter, Ausgabe 4/99, S. 4 f.

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Details

Title
Braucht Deutschland Eliteuniversitäten - das Pro und Contra der letzten fünf Jahre
College
University of Marburg
Grade
gut
Author
Year
2005
Pages
21
Catalog Number
V110525
ISBN (eBook)
9783640086931
File size
615 KB
Language
German
Keywords
Braucht, Deutschland, Eliteuniversitäten, Contra, Jahre
Quote paper
Jennifer Müller (Author), 2005, Braucht Deutschland Eliteuniversitäten - das Pro und Contra der letzten fünf Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110525

Comments

  • guest on 11/11/2008

    hallo.

    eine tolle Arbeit:)

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