Chang Hung 'Clearing after Snow on the Ling-yen Hills'


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Maler und seine Zeit
2.1. Die Yuan – Dynastie (1279-1368)
2.2. Die Ming-Dynastie (1368-1644)
2.3. Der Maler Chang Hung

3. Clearing after Snow on the Ling-yen Hills (1643)
3.1. Bildbeschreibung
3.2. Bildkomposition
3.3. Malerische Mittel
3.4. Siegel
3.5. Bildinterpretation

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bereits im Altertum war in China die Natur Gegenstand aufmerksamer Beobachtungen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen das Maß aller Dinge der Mensch war, über dessen Bild Lebensempfindungen und Vorstellungen von der Welt wiedergegeben wurden, avancierte im Reich der Mitte, geprägt von ausgedehnten Berg- und Flusslandschaften die Natur zum Gegenstand religiöser Verehrung und philosophischen Erfassens. Beeinflusst von der Beziehung zur Natur wie zu einem riesigen Kosmos, von dem der Mensch ein kleiner Teil ist, bildete sich das künstlerische Bewusstsein in China heraus. Das Handeln des Menschen und seine geistige Tätigkeit wurden an der Natur gemessen. Die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur entwickelte sich zu einem komplizierten, genau ausgearbeiteten ästhetischen System.[1] Infolge der Entdeckung des ästhetischen Wertes der Natur, entstand in China ein räumliches Denken, welches nicht von der Zentralperspektive bestimmt wurde, aber viel früher als in anderen Ländern die Herausbildung des selbstständigen Genres der Landschaftsmalerei bewirkte, das viele Jahrhunderte lang im künstlerischen Leben der Gesellschaft führend war. Die chinesischen Landschaftskompositionen wurden von der Luftperspektive (Vogelperspektive) bestimmt. Es fehlt ein einheitlicher Ausgangspunkt, der Raum dehnt sich gleichsam nach oben aus. Die Berggipfel, die man aus der Vogelperspektive sieht, streben in den Himmel, die Menschen, Hütten und Waldpfade verlieren sich in den Weiten der Natur. Exemplarisch ist Chang Hungs Bild „Clearing after Snow on the Ling-yen Hills“.[2]

Die chinesische Landschaftsdarstellung, „shanshui“ (Berge und Gewässer) genannt, ist ihrem Wesen nach symbolisch und trachtet danach, die Einheit und Unendlichkeit des Universums wiederzugeben. Die Beobachtungen der charakteristischsten Besonderheiten der chinesischen Landschaft wurden verallgemeinert und synthetisiert. Aus diesem Grund waren die chinesischen Bilder keine naturgetreuen Abbildungen der Natur. Ihr ganzer kompositioneller Aufbau und die Besonderheiten der Perspektive sollten erreichen, dass sich der Mensch beim Betrachten des Bildes nicht als Mittelpunkt des Weltalls, sondern als kleinstes, dessen Gesetzen unterliegendes Teilchen fühlte.[3] Inwieweit Chang Hung in seinem Bild „Clearing after Snow on the Ling-yen Hills“ diesen technischen Gestaltungsmitteln Rechnung trägt und ob er den philosophischen Gedanken wiederspiegelt, ist die Fragestellung meiner Analyse. Im Kapitel „Der Maler und seine Zeit“ werde ich einen kurzen geschichtlichen Hintergrund skizzieren, der einem besseren Verständnis des Bildes dienen soll. Im anschließenden Kapitel „Clearing after Snow on the Ling-yen Hills“, werde ich das Bild beschreiben, auf die Komposition eingehen, die malerischen Mittel herausstellen sowie die Bedeutung des Siegels im Allgemeinen erklären und das Bild interpretieren.

2. Der Maler und seine Zeit

2.1. Die Yuan – Dynastie (1279-1368)

Ende des 13.Jahrhunderts war China zum ersten Mal in der Gewalt einer fremden Macht, den Mongolen. Die Eroberer aus dem Norden, legten den Grundstein für die Yuan-Dynastie.[4] Die fast 90 Jahre anhaltende Okkupation veränderte die Entwicklung der verschiedenen Gebiete der traditionellen chinesischen Kultur (Kalligraphie, Malerei, Dichtung und Musik). Oberflächlich betrachtet schien alles in gewohnter Weise fortzubestehen. Die Mongolen holten sich hervorragende Künstler an den Hof, begannen allmählich Beamtenposten mit gebildeten Chinesen zu besetzen und richteten große Aufmerksamkeit auf den Wiederaufbau, der durch die Eroberungskriege zerstörten Städte. Die neuen glanzvollen Paläste und Tempel konnten dennoch nicht über den Verfall und die Verelendung des Landes hinweg täuschen. Die Zeit der Mongolenherrschaft ist gekennzeichnet von Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Verzagtheit. In der Folge kam es zum allmählichen Nachlassen der großen geistigen Anstrengungen, die in der Song-Zeit (960-1279)[5] die emotionale schöpferische Grundlage der Poesie und Malerei bildeten. Der größte Teil der Maler, die nicht am mongolischen Hof wirken wollten, fanden Zuflucht in den Südprovinzen. Sie folgten jedoch nicht unmittelbar dem song-zeitlichen Stil, vielmehr vereinten sie in ihren Werken Malweise und Handschrift von Künstlern verschiedener Zeiten und versuchten darin ihre Stimmungen und ihre Persönlichkeit auszudrücken. In bis dato unbekanntem Ausmaß verschmolz die Malerei mit der Kalligraphie. In der poetischen Aufschrift verbürgt sich ein geheimnisvoller Sinn, der die Symbolik des Werkes ergänzte und erschloss. Kennzeichnend für diese Arbeiten sind der oftmals gleiche Rhythmus der kalligraphischen Handschrift und des malerischen Pinselstriches. Das Bild und die Verse, die nebeneinander existieren, hatten die gleiche Bedeutung und bildeten eine neue künstlerische Synthese, die es in der chinesischen Kunst früher nicht gab. Für die antiakademische Richtung der nicht am Hofe arbeitenden Maler, war die Malerei Ausdrucksmittel des verborgenen Seelenlebens, der individuellen Reaktion auf die Umwelt, des Protests. Viele ihrer Kompositionen, die Motive der Landschaft zum Inhalt hatten, besaßen darüber hinaus allegorische Bedeutung und waren mit ihrer geheimen Symbolik nur Eingeweihten verständlich. Die Darstellung von Bambus symbolisiert den standhaften, durch Schicksalsschläge unbeugsamen und edelmütigen Gelehrten. Die Wiedergabe der Natur in ihrer Einheit und kosmischen Größe ist nicht mehr Ziel der Maler. Im 14. Jahrhundert ist die chinesische Malerei in viele Richtungen und Genres untergliedert. Zudem ging sie zur Lösung weniger wichtiger und tiefgreifender, dafür aber konkreter Lebensfragen über. In der nachfolgenden Ming-Zeit führte die Überschätzung der einzelnen Genres (Blumen- und Vogeldarstellungen) zur vordergründigen Etablierung, so dass die Landschaftsmalerei ihre führende Rolle verlor.[6]

2.2. Die Ming-Dynastie (1368-1644)

Im Jahr 1368 begann die Ming-Zeit, als Ergebnis der erfolgreichen Zerschlagung der mongolischen Fremdherrschaft und der wiedererlangten Unabhängigkeit Chinas. Nach der Befreiung kam es zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Handel und Handwerk blühten auf. Diese Zeit war von Merkmalen des Fortschritts geprägt, der Entstehung neuer gesellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse (Errichtung des obersten Gerichtshofs, Wiederaufnahme der Beziehungen mit anderen Ländern) sowie der Entwicklung frühkapitalistischer Manufakturen. Doch im 16. und 17. Jahrhundert wurden die Widersprüche deutlich, die innerhalb des Staates herangereift waren und die Intensität seiner Entwicklung bremsten. Die immer rücksichtsloser werdende Politik des Feudalstaates mit einem unumschränkt herrschenden Kaiser an der Spitze, ein aufgeblähter Verwaltungsapparat und das konservative Bildungssystem hemmten die Entwicklung der Wirtschaft und des Geisteslebens, ebenso wie die der Wissenschaft. Zudem entfremdete sich die intellektuelle, von konfuzianischen Idealen geprägte Beamtenschaft dem Staat um so mehr, je stärker der Einfluss der Eunuchen auf den Kaiser und die Entscheidungen der Administration wurden. Hinzu kam, dass die Aufstände und Rebellionen, die es immer wieder gab, in den letzten zwei Jahrzehnten der Dynastie nicht mehr aufhörten.[7] Die aufständischen Truppen eroberten 1644 die Hauptstadt Nanjing und der Rebellenführer proklamierte sich zum Kaiser. Bereits einen Monat später wurde er jedoch von den Mandschuren vertrieben, die nun selbst den Kaiserthron besetzten und damit wieder eine Fremdherrschaft in China errichteten, die diesmal bis zur Revolution von 1911 andauern sollte.[8]

Das künstlerische Leben der Ming-Zeit spiegelte die komplizierte und widersprüchliche Zeit des späten Feudalismus wieder. Der soziale Kampf der ganz China erfüllte, führte dazu, dass sich die verschiedenen Kunstgattungen veränderten und neue schöpferische Betätigungsfelder in den Vordergrund rückten. Obwohl sich die Kultur prinzipiell an der Vergangenheit orientierte, zeigten sich die neuen künstlerischen Ansätze vor allem im Kunsthandwerk. Von der Staatsideologie weniger beschränkt, konnten die Kunsthandwerker am deutlichsten auf die aktuellen Forderungen der Zeit reagieren. In den Schnitzarbeiten, im Porzellan, in den Stickerein und Basterzeugnissen werden nun folkloristische Prinzipien sichtbar, zeigen sich Anschauungen und Geschmacksrichtungen der städtischen Mittelschicht. Die Landschaftsmalerei, die ehemals die höchsten Ideale der Kultur ausdrückte, verliert langsam ihre Lebensnähe und das ihr eigene harmonische Naturgefühl. In den verschiedenen Stilarten, in den eklektischen Schöpfungen der Maler, die alle alten Techniken beherrschten und mit den traditionellen Regeln vertraut waren, war auch der Verlust der geistigen Kultur zu spüren. Die vergangenen Erfindungen wandelten sich langsam zu Schemata und die Meister wurden zu Nachahmern verschiedener Stilarten. Neben der Schematisierung früherer Errungenschaften, entstanden auch neue Strömungen. Neue Ideen zeigten sich in der Genremalerei, die eng mit der ming-zeitlichen Prosa verbunden war. Hier wurden fortschrittlichste und demokratische Zeittendenzen am deutlichsten sichtbar. Die Bilder waren oft mit bekannten Literaturthemen verknüpft. In der späten Ming-Zeit und der folgenden Quing-Dynastie (1644 – 1911)[9] kommt in den Bildern das erwachende Interesse für die Persönlichkeit des Menschen, seine Tätigkeit und das ihn umgebene reale Leben zum Ausdruck. Wie zur Yuan-Zeit entstanden die fortschrittlichsten Erscheinungsformen der Kunst weitab der Hauptstadt, in der Provinz.

[...]


[1] N. Winogradowa und N. Nikolajewa: Kunst des fernen Ostens, Iskusstwo Verlag Moskau und Verlag der Kunst Dresden 1980, S. 12.

[2] Das Bild ist datiert auf 1643; Hängerolle, Tusche und Farbe auf Papier, 128,9 x 44,7 cm, Museum Rietberg, Zürich.

[3] N. Winogradowa und N. Nikolajewa: Kunst des fernen Ostens, Iskusstwo Verlag Moskau und Verlag der Kunst Dresden 1980, S. 14.

[4] Ebd. S. 117.

[5] H. Bräutigam und A. Eggebrecht (Hgg.), Katalog: Schätze Chinas aus Museen der DDR, Philipp von Zabern Verlag, Mainz und Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim 1990, S. 40.

[6] N. Winogradowa und N. Nikolajewa: Kunst des fernen Ostens, Iskusstwo Verlag Moskau und Verlag der Kunst Dresden 1980, S. 123.

[7] Im Schatten hoher Bäume, Malerei der Ming- und Quing-Zeit (1368-1911) aus der VR China, Staatliche Kunsthalle Baden - Baden, Baden - Baden 1985, S. 117.

[8] N. Winogradowa und N. Nikolajewa: Kunst des fernen Ostens, Iskusstwo Verlag Moskau und Verlag der Kunst Dresden 1980, S. 125.

[9] H. Bräutigam und A. Eggebrecht (Hrsg.): Katalog: Schätze Chinas aus Musen der DDR, Philipp von Zabern Verlag, Mainz und Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim 1990, S. 46.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Chang Hung 'Clearing after Snow on the Ling-yen Hills'
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
PS Chinesische Malerei - Werkimmanente Analyse
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V110512
ISBN (eBook)
9783640086801
ISBN (Buch)
9783640126156
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Doppelter Zeilenabstand.
Schlagworte
Chang, Hung, Clearing, Snow, Ling-yen, Hills, Chinesische, Malerei, Werkimmanente, Analyse
Arbeit zitieren
Sven Bluhm (Autor:in), 2005, Chang Hung 'Clearing after Snow on the Ling-yen Hills', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110512

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