Der Ethikrat - Bedeutung vor dem Hintergrund der Moderne


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Ethikrat
2.1. Beschreibung
2.2. Gesellschaftliche Funktion des Ethikrates
2.3. Zum Selbstverständnis des Ethikrats
2.4. Der Ethikrat als ein mit Wertfragen befasstes diskursives Gremium
2.5. Probleme des Ethikrates
2.6. Chancen des Ethikrates
2.7. Der Ethikrat als Produkt symbolischer Politik?

3. Sinn und Zweck der Beantwortung ethischer Grenzfragen

4. Vergleichbare Gremien

5. Schluss

1. Einleitung

„Es besteht ein paradoxer Widerspruch zwischen dem enormen technisch-wissenschaftlichen Potential und dem Mangel an politisch moralischen Fähigkeiten, diese Macht zu beherrschen.“ (Thalmayer 1980; S.7)

Gerade im biomedizinischen Bereich und in der Gentechnologie werden aktuell enorme Fortschritte gemacht. Dies mag zum einen daran liegen, dass dieses Forschungsfeld als Zukunftstechnologie gehandelt wird, und deshalb enorme Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Erforschung noch weiter voranzutreiben. Zudem träumen zahlreiche Wissenschaftler, die auf diesem Feld forschen, davon, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen, und sich damit einen Namen zu machen. Und in der Tat sind die Möglichkeiten, die sich scheinbar bieten, erstaunlich. Im Zentrum der Bemühungen steht hierbei in vielen Fällen aber weniger der Wunsch, das Beste für die Menschheit zu erreichen, als vielmehr bloßes Gewinnstreben, auf makroökonomischer und volkswirtschaftlicher Ebene begünstigt durch die Angst, den internationalen Wettbewerb auf diesem Gebiet zu verlieren, was relative Wohlstandsverluste zugunsten anderer Gesellschaften zur Folge haben könnte. Doch wo beginnt die Grenze des Erlaubten? Sollte man wirklich alles tun, nur weil man es tun kann? Und sind die Folgen eines solchen Handelns letztendlich ausreichend absehbar? Dies sind nur einige der Fragen, die sich zunehmend stellen, wenn der Mensch beginnt, auf medizinischem Wege, technisch-industriell das Schicksal der ganzen Spezies nach eigenem Ermessen zu beeinflussen.

Diese skizzierte Entwicklung hat jedoch auch dazu geführt, dass wegen „der gegenwärtigen kritischen Menschheitssituation (…) ein gesteigertes Interesse für die Ethik feststellbar“ ist und deshalb „auch Fachleute aus Wissenschaft, Technik und Industrie sich grenzüberschreitend zunehmend mehr den Problemen des menschlichen Zusammenlebens stellen müssen.“ (Thalmayer 1980; S.7) Denn um gewisse Grundnormen des Zusammenlebens zu erhalten, ist es notwendig, den Rahmen des Machbaren besonders an der Grenze des ethisch vertretbaren sorgfältig abzustecken, um zu verhindern, dass durch die alltägliche Praxis Grundwerte, wie Menschenrechte und Lebensschutz allmählich und schleichend anderen Prioritäten geopfert werden.

Im Folgenden soll nun dasjenige Gremium, welches in Deutschland mit derartigen ethischen Grenzfragen befasst ist, eingehender betrachtet werden.

2. Der Ethikrat

2.1. Beschreibung

Allgemeines

Der Nationale Ethikrat wurde auf Beschluss der Regierung Schröder vom 2. Mai 2001 schließlich am 8. Juni 2001 „als nationales Forum des Dialogs über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften“ eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehört nach eigenen Angaben in seinem Internet-Auftritt die Bündelung des interdisziplinären Diskurses von Naturwissenschaften, Medizin, Theologie und Philosophie, Sozial- und Rechtswissenschaften, sowie Stellungnahmen zu ethischen Fragen neuer Entwicklungen auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften sowie zu deren Folgen für Individuum und Gesellschaft.

Laut seinem Einrichtungserlass soll der Nationale Ethikrat (NER) die folgenden Aufgaben wahrnehmen. Er soll:

a. den interdisziplinären Diskurs über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften bündeln, die öffentliche Debatte dieser Fragen organisieren sowie den Bürgerinnen und Bürgern Diskussionsangebote unterbreiten

b. Stellung nehmen zu ethischen Fragen neuer Entwicklungen im Bereich der Lebenswissenschaften und den sich daraus für den Einzelnen und die Gesellschaft ergebenden Folgen, sei es auf eigene Initiative, sei es im Auftrag der Bundesregierung oder des Bundestages

c. Empfehlungen für politische Entscheidungen oder gesetzliche Regelungen formulieren

d. mit anderen Ethikkommissionen oder vergleichbaren Einrichtungen inner- und außerhalb Deutschlands sowie internationalen Organisationen zusammenarbeiten

e. dem Bundeskanzler über den Stand der gesellschaftlichen Debatte berichten. (vgl.: erster Tätigkeitsbericht 2003)

Auftrag

Konzipiert ist der Nationale Ethikrat als unabhängiges Gremium, das dadurch nur seinen im Einrichtungserlass begründeten Auftrag gebunden ist. Ansonsten agiert er autonom, was seine Aufgaben und Arbeitsweisen betrifft. Er erarbeitet Stellungnahmen, Empfehlungen oder Berichte, zu verschiedenen Themenkomplexen und veröffentlicht sie. Obwohl gerade der Öffentlichkeitsarbeit eigenen Angaben zufolge „besondere Bedeutung“ beigemessen wird, wurde vor allem in der Anfangsphase von Kritikern eine mangelnde öffentliche Darstellung seiner Arbeit beklagt. Und auch aktuell ist die Thematisierung und öffentliche Resonanz der aufgegriffenen Probleme – beispielsweise in den Medien – eher gering. Der Nationale Ethikrat soll zudem mit weiteren Ethikgremien in Deutschland und vergleichbaren Einrichtungen in anderen Staaten, sowie internationalen Organisationen zusammenarbeiten. In Deutschland haben sich jedoch in Folge der Gründung des Ethikrates die anderen mit ethischen Fragen befassten Gremien entweder aufgelöst, oder zumindest umorientiert.

Zusammensetzung

Dem Ethikrat gehören aktuell bis zu 25 Mitglieder an, welche „naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, soziale, rechtliche, ökologische und ökonomische Belange repräsentieren und vom Bundeskanzler auf vier Jahre berufen werden“ und zu monatlichen Sitzungen zusammentreffen. Diese Mitglieder lassen sich auf Grund ihrer fachlichen Kompetenzen grob den Bereichen Theologie/ Philosophie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und Medizin /Biologie/ Naturwissenschaften zuordnen. Die Arbeitsweise des Ethikrates ist in seiner Geschäftsordnung festgeschrieben.

Kompetenzen

Bislang besitzt der Ethikrat (noch) keinerlei Kompetenzen, das bedeutet, ihm kommt einzig und allein beratende Funktion zu. Seine Arbeitsfelder sind jedoch relativ vielfältig. Einmal im Monat tritt er zu Sitzungen zusammen, er gibt Informationsbriefe heraus und gibt Studien in Auftrag. Des Weiteren richtet er verschiedene Veranstaltungen aus, darunter Foren, Sitzungen, Anhörungen usw. Als wichtigstes Produkt seiner Arbeit können jedoch seine Stellungnahmen gelten, die er zu bestimmten Themen herausgibt. Zudem erscheinen einmal jährlich Tätigkeitsberichte zur Arbeit des Ethikrates.

Künftige Gestalt

Aktuell steht ein Gesetzesentwurf im Raum, der vorsieht, den Ethikrat, der künftig „Deutscher Ethikrat“ heißen soll, auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, und damit als reguläres staatliches Organ zu etablieren.

Das Gesetz soll im Herbst verabschiedet werden und ab dem 1. Juli 2007 in Kraft treten. Der Ethikrat soll künftig aus 24 Mitgliedern bestehen. Er soll weiterhin Wissenschaftler und sachverständige Persönlichkeiten repräsentieren, sowie den medizinischen, juristischen, ethischen und theologischen Sachverstand der jeweiligen Bereiche (wie bisher). Aktive Politiker sollen auch dem künftigen Ethikrat nicht angehören dürfen. Der Auftrag, die Tätigkeitsfelder und die Arbeitsweise sollen erhalten bleiben. Der Deutsche Ethikrat soll auch in Zukunft als unabhängiger Sachverständigenrat den Dialog über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften fortsetzen und die gesellschaftliche Debatte fördern. Der Ethikrat soll sowohl seine Themen selbst auswählen, aber auch Anfragen aus Bundestag und Bundesregierung aufgreifen. (vgl.: Infobrief des NER vom August 2006)

Die 24 ehrenamtlich tätigen Mitglieder sollen durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages auf Vorschlag, zur einen Hälfte des Bundestages, zur anderen Hälfte auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt werden. Organisatorisch und inhaltlich werden die Mitglieder durch eine Geschäftsstelle unterstützt, die beim Deutschen Bundestag angesiedelt ist. Die Kosten des Rats und der Geschäftsstellen in Höhe von 2 Millionen Euro jährlich trägt der Bund. (online-Veröffentlichung der Bundesregierung vom 12.07.2006)

Durch die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, soll der Ethikrat vor allen Dingen demokratisch legitimiert und fest institutionalisiert werden. Doch dazu später mehr.

(vgl.: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 12. Juli 2006)

2.2. Gesellschaftliche Funktion des Ethikrates

In einem moralischen Pluralismus, den das Ethikrats-Mitglied van den Daele in einer der Sitzungen selbst einräumte, soll der Ethikrat gewissermaßen Richtlinien erstellen und festlegen, wo die Grenzen des moralische Erlaubten liegen bzw. durch welche Handlungen sie übertreten werden. Da dies in den meisten Fällen ohnehin leicht ersichtlich ist, beschränkt sich der Ethikrat auf die Thematisierung ethischer Grenzfragen. Zu diesen Fragen gehört beispielsweise folgende Themen: Biobanken, offene Fragen der Stammzellforschung (insbesondere die Anwendung von Klonierungstechniken beim Menschen), Allokation, Bioethikkonvention (insbesondere die Forschung an Einwilligungsunfähigen), der Umgang mit Embryonen, Genetische Diagnostik und Therapie, Organtransplantation, Patentierung, Sterbehilfe sowie die Chancen und Möglichkeiten internationaler Regelungen. (vgl. Tätigkeitsbericht 2003)

Offe (2005; S. 102) erkennt nun eines der Probleme moderner Gesellschaften nicht in ihrer weiteren Modernisierung, also der Steigerung von Optionen, Wahl- und Handlungsmöglichkeiten, sondern in der Erfindung und Absicherung von sekundären Auswahlregeln, die als synthetisches Prinzip die Koexistenz der mannigfaltigen Optionshorizonte sichern können.

Als Antwort auf ein so genanntes Steuerungsproblem „zweiter Ordnung“ ist es Aufgabe des Ethikrates, aus den zahlreichen Optionen, die im biomedizinischen Bereich in den letzten Jahren geschaffen wurden, diejenigen auszuwählen, die unter ethischen Gesichtspunkten, also gemessen an den gesellschaftlichen Moralvorstellungen, aber auch unter Berücksichtigung der sachlichen Notwendigkeiten, vertretbar sind. Die dadurch bezogene Position wird schließlich der Politik und der Öffentlichkeit sowohl als vernunftgeleitet, als auch unter ethischen Gesichtspunkten stichhaltig präsentiert. Dadurch werden unter anderem die Entscheidungen der Legislative gewissermaßen von außen her legitimiert, indem ein Gremium, welches interdisziplinär organisiert ist und sich explizit mit den strittigen Sachverhalten befasst, zumindest berücksichtigt wird, um damit die Beschlüsse der Politischen Entscheidungsträger zumindest potentiell zu beeinflussen.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, welches wohl die Motivlage für die Gründung des Ethikrates war, und ob sie gar als eine Reaktion auf staatliches Steuerungsversagen, welches sich auch in einem staatlichen Legitimationsdefizit ausdrücken kann, erfolgte. (vgl. Maintz 1997; S. 186) Diese Frage kann nicht mit letztendlicher Sicherheit beantwortet werden. Letztendlich verfügt die Regierung über ausreichend Kompetenzen und Machtmittel, um ihren Standpunkt zu ethischen Grenzfragen bei der Gesetzgebung durchzusetzen, und das Thema Ethik scheint in der deutschen Öffentlichkeit aktuell nicht übermäßig brisant. Trotzdem könnte die Gründung des Ethikrates ein Versuch sein, einem sich bereits absehbaren Steuerungsproblem zu begegnen.

Aus diesem Blickwinkel könnte der Ethikrat in gewisser Weise, wenn schon nicht als direktes Steuerungsinstrument, so doch als ein der gesellschaftlichen Orientierung dienendes, richtungsweisendes Gremium, gesehen werden. Dies nicht zu dem Zwecke, um Steuerungskompetenzen abzugeben oder auszulagern, sondern eher, um das aufkeimende Legitimationsdefizit, das sich insbesondere bei der Behandlung von überaus polar beurteilten Fragen ergibt, abzufedern. Durch die Einrichtung des Ethikrates soll letztendlich eine Autorität in Sachen ethischer Fragen geschaffen werden, die fähig ist, sich konträr gegenüberstehende Parteien zur Akzeptanz einer einheitlichen Position zu bringen.

In diesem Sinne wäre der Ethikrat ein Äquivalent zu den „in den Grauzonen zwischen Staat und Gesellschaft entstandenen Konzertierten Aktionen, Runden Tische, Koordinationsgremien aller Schattierungen“ (…), die Habermaß (1992; S. 416) – in eigenen Worten – bei Wilke (1992) als „symptomatische Verhandlungssysteme“ thematisiert findet, „die der Politik erlauben, in einer dezentralisierten Gesellschaft die gesamtgesellschaftliche Einheit, die der Staat nicht mehr repräsentieren kann, in der Rolle eines therapeutisch geschulten Supervisors zu wahren.“

2.3. Zum Selbstverständnis des Ethikrats

„Wissenschaft und Technik erzeugen einen ständig steigenden Beratungsbedarf in Politik und Gesellschaft, der in zunehmendem Maße auch die ethischen Grundlagen des menschlichen Daseins berührt. Eine Vielzahl von Ethik- Gremien auf unterschiedlichsten Ebenen zeigt, dass die Ansprüche an eine ethische Verständigung zwischen allen Beteiligten: Bürgern, Wissenschaftlern und Politikern zunehmen und dass die Nachfrage nach grundlegenden Vereinbarungen über moralische und juridische Standards wächst.“ So beginnt der erste Tätigkeitsbericht des Ethikrates, zwei Jahre, nachdem er seine Arbeit aufgenommen hat. Weiter heißt es zu seiner Tätigkeit:

„Als Beratungsgremium soll der NER die für seinen Aufgabenbereich relevanten Fragen ansprechen, die damit zusammenhängenden Probleme offen legen, Argumente für mögliche Lösungswege zusammenstellen und beurteilen sowie politische Entscheidungshilfen geben.“

Und:

„Der Entscheidung des Gesetzgebers muss eine gesellschaftliche Debatte zugrunde liegen, die tatsächlich alle Argumente auslotet und auch alle Entscheidungsoptionen verdeutlicht. Die Komplexität der Probleme und das breite Spektrum der möglichen Bewertungen sowie die

Vielgestaltigkeit nationaler und internationaler öffentlicher Aufgaben sprechen gegen jeden Versuch, diese Aufgabe bei einer Instanz zu konzentrieren. Der NER will daher mit seinen Aktivitäten zu einem öffentlichen Diskurs beitragen, in welchem das Ausmaß und die Folgen der jeweiligen Entwicklungen im Bereich der Lebenswissenschaften umfassend zur Kenntnis genommen werden können.“ (Tätigkeitsbericht des Nationalen Ethikrates vom August 2003)

2.4. Der Ethikrat als ein mit Wertfragen befasstes diskursives Gremium

Auch was das Thema Ethik betrifft ist es wichtig, über den vielen Detail-Fragen das übergeordnete Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Ähnlich wie viele andere Bereiche enthält auch dieses Thema „so viele Komponenten, dass es mit einem einseitigen, eindimensionalen Teilwissen nicht gelöst werden kann, sondern dass dazu ein mehrdimensionales Ganzheitsdenken und –wissen erforderlich ist.“ (Thalmayer 1980; S.10) So muss beispielsweise – um die ethische Dimension ganz zu erfassen – sowohl Vergangenes als auch Zukünftiges, sowie Materielles und Metaphysisches mit berücksichtigt werden. Ebenso wichtig sind dabei auch die Beleuchtung der sich daraus ergebenden Funktionszusammenhänge, sowie die Beachtung aktueller gesellschaftlicher Bedürfnisse und Notwendigkeiten. Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass der Ethikrat derart konzipiert ist, möglichst alle relevanten Aspekte zur Lösung ethischer Fragen mit einzubeziehen. Er tritt also in der Form eines diskursiven Gremiums zusammen, besetzt mit Vertretern der wichtigsten Fachrichtungen und unterschiedlichen normativen Positionen.

Der Sinn eines diskursiven Gremiums ist es letztendlich, die bei zunehmenden Teilrationalitäten abnehmende Gesamtrationalität wieder herzustellen. Da Spezialisten für den Gesamtzusammenhang fehlen, soll eine Kompetenz eingesetzt werden, die den ebendiesen berücksichtigt.

Als diskursives Gremium stellt der Ethikrat gewissermaßen einen Sonderfall dar: Es sind zwar Experten aller Fachrichtungen an der Diskussion beteiligt, die Auseinandersetzung befasst sich jedoch vielmehr mit Wert- als mit Sachfragen. Dies unterscheidet ihn beträchtlich von van den Daeles (1996) Beispiel des Risikoabschätzungsverfahrens für transgene Pflanzen.

Eine Dichotomie zwischen Tatsachen und Werten lässt sich im Falle des Ethikrates kaum auffinden. Die Frage ist vielmehr, welchem Sachverhalt mehr Wert beigemessen wird, d. h. welche Tatsache als wichtiger gilt. Ein Beispiel hierfür wäre, die Aussicht auf Therapierbarkeit unheilbar Kranker gegenüber dem Schutz von Embryonen in einem frühen Entwicklungsstadium aufzuwiegen. Die Werte können also prinzipiell auf eine rationale Art und Weise, auf der Grundlage geklärter Sachverhalte, aufgelistet und gegenübergestellt werden. Um nun Schlüsse daraus zu ziehen, müssen sie nur noch in ein hierarchisches System gesetzt werden, welches freilich für jeden unterschiedlich aussehen kann. Aber dennoch werden letztendlich Wertfragen zu Gunsten von Sachlichkeit nach Möglichkeit zurückgedrängt. Und man darf annehmen, dass abseits der emotional aufgeladenen massenmedialen Öffentlichkeit, und zudem im Rahmen eines Expertenzirkels ein ganz anderer Tonfall herrscht, als es die überaus kontroversen Schlagwechsel zu strittigen Themen vermuten lassen: Vieles, was auf den ersten Blick diskussionsbedürftig scheint, steht bei genauerem Hinsehen oft außer Frage.

Ein problematischer Aspekt ist jedoch, dass keinem die letztendliche Kompetenz zukommt, über Wertfragen zu befinden. Gerade deshalb ist es von enormer Bedeutung, möglichst viele Fachgebiete und weltanschaulichen Richtungen an einem Tisch zu vereinen, um keine Position außer Acht zu lassen. Da dies zumindest versucht wird, ist es nicht verwunderlich, dass der Ethikrat zu manchen Themen keine einheitlichen, und schon gar keine einstimmigen Stellungnahmen abgeben konnte. So spricht z. B. Kissler in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung (am 14.7.2006) zu der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zum Thema Sterbehilfe von einem „Manifest der Zerrissenheit“. Ein solches Phänomen ist vermutlich paradigmatisch für die Arbeit eines Ethikrates. Anders als bei sonstigen Diskursverfahren zeigen sich hier essentielle Unvereinbarkeiten zwischen dem theologischen Weltbild, das ein idealisiertes Menschenbild vertritt, und dem wissenschaftlichen Weltbild, welches dem Fortschrittsdenken verhaftet ist. Wenn es um ethische Fragen geht, kann so gut wie jeder eine Kontroverse erzeugen, der eine der beiden Positionen vertritt, und diese auch begründen kann. Ethische Fragen können also nicht von Haus aus nur von Experten geklärt werden. Dennoch empfiehlt sich dies, da gerade Experten in der Lage sind, ihre Positionen am überzeugendsten zu vertreten.

Einer der positiven Effekte einer diskursiven Konzeption ist jedoch, dass Interessen völlig ausgeklammert werden sollen. Im Fall eines Interessenkonfliktes, der die möglichst objektive Beurteilung der Werte beeinträchtigen könnte, ist ein vorübergehender Ausschluss des betreffenden Ethikratsmitglieds vorgesehen.

2.5. Probleme des Ethikrates

Pluralismus

„Dass man es hinnimmt, dass in moralischen Fragen eine Mehrheit schließlich die Entscheidung fällt, ist natürlich ein ganz großes Zugeständnis an den Pluralismus. Das heißt, man akzeptiert, dass es eine unterschiedliche Moral gibt und man besteht nicht auf der Unabdingbarkeit der eigenen Moral. Insoweit liegt eine Anerkennung des moralischen Pluralismus vor. (…) Es gibt unterschiedliche Moral. Dieses Urteil hören wir von den betroffenen Parteien natürlich nicht. (…) Wir erkennen den moralischen Pluralismus an, aber gewissermaßen nur zur Hälfte.“ (van den Daele: Wortprotokoll - Niederschrift über den öffentlichen Teil der Sitzung ; 23. März 2006 in Berlin)

Selbst den Ethikratsmitgliedern ist es also bewusst, dass über Wertfragen im Prinzip kein Konsens gefunden werden kann. Wie ist dies mit der Instanz „Ethikrat“ eigentlich zu vereinbaren und woraus gewinnt dieses Gremium dann Legitimität bzw. eine Rechtfertigung für seine Existenz? Es kann also auf keinen Fall Sinn und Sinn und Zweck eines Ethikrates sein, allgemein verbindlich ethische Fragen zu beantworten.

So hatte der NER sich beispielsweise im September 2004 nach über einem Jahr Beratung einmütig gegen das Klonen von Menschen zu Forschungszwecken in Deutschland „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ (vgl. sueddeutsche.de vom 13.09.2004) zuzulassen. Laut Loik (2005) bestand diese Einvernehmlichkeit jedoch nur auf dem Papier. „Die Diskussion darüber, ob das therapeutische Klonen erlaubt werden solle oder nicht, ließ innerhalb des Gremiums die Fronten auseinanderbrechen und stellte die Institution vor prinzipielle Fragen ihres Selbstverständnisses.“ Es ließen sich innerhalb des Ethikrates drei Gruppierungen erkennen. Die einen lehnten das Klonen generell ab und erkannten auch den Klon-Embryos von Anfang an vollen Würde- und Lebensschutz zu. Eine andere Partei sprach sich für eine Erlaubnis therapeutischen Klonens in Deutschland aus weil sie einem Embryo eben gerade nicht den Status einer Person zuerkannte. Eine dritte Gruppe sprach sich für ein vorläufiges Verbot aus, weil es sich noch nicht abzeichnete, ob die Wissenschaft ihre an die Forschung geknüpften Versprechen auch halten könne.

Trotz dieser Differenzen spricht der Ethikrat Empfehlungen an Bundesregierung und Parlament aus. Vor allem die Klausel „gegenwärtig nicht zuzulassen“ scheint bedenklich, da sich darin die Ansicht widerspiegelt, dass Werte und Normen mit ihren Voraussetzungen gesellschaftlich wandelbar sind, was nicht zu einer Proklamation „universeller Werte“ passt, die die moderne Gesellschaften ja für sich proklamieren.

Ebenso ist „der NER (…) in seinen Stellungnahmen zum Import menschlicher embryonaler

Stammzellen und zur genetischen Diagnostik vor und während der Schwangerschaft nicht zu einer einstimmigen ethischen Beurteilung gekommen. Vielmehr hat er unterschiedliche Optionen aufgezeigt, in denen – wie in der gesellschaftlichen Debatte auch – unterschiedliche Grundüberzeugungen sowie divergierende Einschätzungen der sozialen Konsequenzen dieser Entwicklungen zum Ausdruck kommen.“ (vgl. Tätigkeitsbericht 2003)

Es ist also Aufgabe des Ethikrates – und entspricht auch seinem Selbstverständnis – die in der Gesellschaft vorhandenen Positionen zu artikulieren und dadurch möglichst einen gesellschaftlichen Diskurs in Gang zu bringen, der helfen soll, das Bewusstsein für ethische Grenzprobleme zu schärfen, und dadurch auch stärker reflektierte Positionen zu strittigen Themen zu erzeugen. An der Polarität der Ansichten wird dies jedoch im Endeffekt kaum etwas ändern können. Und ebenso ist auch die öffentliche Resonanz auf die Arbeit des Ethikrates eher mäßig.

Mangelnde Resonanz in den Medien?

Obwohl es zu seinen erklärten sich selbst auferlegten Aufgaben gehört, eine öffentliche Debatte um die ethischen Grenzfragen der menschlichen Existenz zu entfachen, ist die öffentliche Aufmerksamkeit nach wie vor gering. Zwingend mit verantwortlich ist dabei auch die Tatsache, dass der Ethikrat in den Medien bislang nur geringe Beachtung findet.

Zwar sind in mehreren größeren deutschen Tageszeitungen (z. B. FAZ, Süddeutsche) bereits Artikel über bestimmte Verlautbarungen und Entscheidungen des Ethikrates erschienen. Und dazu zumeist kritische Kommentare zu seiner Institution an sich, ebenso wie zu seiner Unfähigkeit, einheitliche Positionen zu den besonders heiklen Themen zu finden. Fragt man jedoch Menschen, die sich bislang noch nicht im speziellen mit den Themen „Ethikrat“ und „ethische Grenzfragen“ auseinandergesetzt haben, so wissen sie erstaunlich wenig darüber. Diejenigen, denen seine Existenz überhaupt bewusst ist, wissen meist nicht einmal, auf welcher Institutionellen Ebene (Bundesland, Bund oder gar Europa) er zu verorten ist.

Dominanz eines wissenschaftlichen Weltbildes

Da es nach Thalmayer (1980; S. 11) „sowohl Weltbilder auf Glaubens-Offenbarungs-Basis als auch Weltbilder auf Wissenschaftsbasis gibt“ und „wir uns immer noch in einer Übergangsphase zwischen einem Zeitalter des Glaubens und einem Zeitalter des Wissens befinden“, entstehen auch hierbei problematische Aspekte für eine Betrachtung ethischer Grenzfragen: Während das religiöse Weltbild auf Glaubensbasis zwar ein „mehrdimensionales Ganzheitsweltbild“ darstellt, welches allerdings nicht von allen anerkannt wird, „gilt das allgemein anerkannte naturwissenschaftliche Weltbild – streng genommen – nur für den Teilbereich der Materie, also nur für ein Teil-Weltbild.“ Auch in der Zusammensetzung des Ethikrates scheint sich diese Zweiteilung deutlich durchzupausen. Neben zahlreichen Naturwissenschaftlern (v. a. Mediziner/ Biologen) finden sich ebenfalls viele Geisteswissenschaftler (v. a. Theologen/ Philosophen), jedoch auch auffallend viele Juristen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sich genau entlang dieser Einteilung die Geister scheiden würden. Trotzdem dürften die Positionen, v. a. der Wissenschaftler gegenüber denen der Theologen, relativ gegensätzlich sein. Inwieweit es den Mitgliedern mit diesen unterschiedlichen Hintergründen gelingen kann, substanzielle Stellungnahmen zu erbringen ist aber fraglich.

Auch in diesem Zusammenhang wurde an der Einrichtung des Ethikrates Kritik laut. Es ist nämlich nicht unumstritten, „ob das von der Bundesregierung eingesetzte Gremium die verschiedenen gesellschaftlichen Positionen tatsächlich repräsentiert. Oder ob hier nicht ein willfähriges Instrument geschaffen wurde, das die – in aktuellem Falle – fortschritts- und forschungsbegeisterte Regierungspolitik mit der moralischen Kraft einer (vermeintlich) unabhängigen Instanz fördert.“ (Loik 2005)

Verquickung von Politik und Wirtschaft?

„Es hat sich ein Flechtwerk von personellen und finanziellen Verbindungen ergeben, das man in Entsprechung zum "militärisch-industriellen Komplex" den "lebenswissenschaftlich-industriellen Komplex" nennen kann. Einige Riesenkonzerne üben Kontrolle auf Organisation und Schwerpunkte der Forschungen in Biologie und Medizin aus. Unterfüttert mit dem Standort/Arbeitsplatz-Ideologem folgt die Forschungspolitik der Bundesregierung den Geschäftsinteressen dieser Konzerne und strebt eine weitere Verquickung von Kapitalinteressen und Forschung an. Dabei werden die finanziellen Risiken in der Forschung selbst und bei der Neugründung von Unternehmen von der Gesamtgesellschaft getragen und die Gewinne und Patente privatisiert.“ Dies ist eine Aussage, die einer Internetseite entnommen ist, welche sich auf kritische Art und Weise mit dem Nationalen Ethikrat und seinen Mitgliedern auseinandersetzt. (vgl.: http://www.ungesundleben.de/ethik.html)

Eine solche Kritik, die im Endeffekt dem politischen System eine enge Verknüpfung mit wirtschaftlichen Interessen unterstellt und hier vielleicht etwas überspitzt vorgebracht wird, ist nicht neu. Ideologisch gesehen entspringt sie dem Gedankengut der „postindustriellen Linken“ (vgl. Offe 1986), welche eine Entzerrung der Mechanismen „Staat“ und „Markt“ fordert. Eine solche Verquickung kann zum einen auf der personellen Ebene, zum anderen auf der strukturellen Ebene von statten gehen. Und in der Tat: Sucht man nach Verbindungen zwischen Ethikratsmitgliedern und einschlägigen Konzernen, wird man bald fündig werden. Hierzu bleibt jedoch anzumerken, dass die Mitglieder des Ethikrates keine aktiven Politiker sein dürfen und durch ihre Tätigkeit im Ethikrat die Politik allenfalls nur indirekt beeinflussen können. Ihre Tätigkeit in zahlreichen Wirtschaftsunternehmen, die teilweise auch mit Gentechnik und Biotechnologie befasst sind, ergibt sich bei vielen Ethikratsmitgliedern auch auf Grund ihres Expertenstatus. Es ist ganz logisch, dass diese Personen schon aus mikroökonomischen Gründen bestrebt sind, – neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Ethikrat (über etwaige Vergütungen war nichts in Erfahrung zu bringen) – möglichst vielen bezahlten Tätigkeiten nachzugehen. Und da die Geschäftsordnung des Ethikrates bei einem Interessenkonflikt einen Ausschluss von betreffenden Beratungen und Beschlussfassungen vorsieht, liegt es zumindest formal auch nicht im eigenen Ermessen der Ethikratsmitglieder, wie mit derartigen Fällen verfahren wird. Obwohl der Ethikrat nach eigenem Gutdünken über einen solchen Ausschluss befinden kann, bleibt anzunehmen, dass er auf Grund seiner ideologisch heterogenen Zusammensetzung auch verantwortungsbewusst mit dieser Verpflichtung umgeht.

Doch wie Offe (1986) bereits treffend bemerkt sind schon auf einer übergeordneten Ebene weder „Märkte (…) „politikfrei“, sondern sie sind politisch garantiert und reguliert und auf Grund dieser politisch vermittelten Ordnung reproduktionsfähig.“ Ebenso wenig „ist die Politik „marktfrei““, sondern immer auf bestimmte Bahnen festgelegt, die das ökonomische System der Gesellschaft dem modernen Steuer- und Wohlfahrtsstaat vorzeichnet. Daneben existieren natürlich die üblichen „Einflussnahmen wirtschaftlicher Interessengruppen“ und „Korruptionsphänomene[n]“. (S. 103)

Keine demokratische Legitimation

Da wir – wie vorab erwähnt – in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in der normativ jede Werteposition akzeptiert werden muss und in ethischen Fragen ohnehin kein Konsens gefunden werden kann (wie auch van den Daele einräumt), stellt sich die Frage, welche Funktion der Ethikrat also wahrnehmen soll bzw. kann.

Obwohl er neben seiner beratenden Funktion keinerlei Kompetenzen besitzt, schafft er doch Richtlinien für einen – der Meinung seiner Mitglieder nach – verantwortungsvollen Umgang mit Biotechnologien und dem Menschen an sich. Dadurch, dass er vor allen Dingen über Wertfragen urteilt, ist er ein hochgradig politisches Gremium. Wegen seiner mangelnden (demokratischen) Legitimierung konnten ihm jedoch bislang keine Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden. Wenn nun jedoch die Pläne von Bundesbildungsministerin Annette Schavan im Sommer 2007 tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, wird es sich zeigen ob die Reform des Ethikrates mit einer Kompetenzerweiterung, z. B. in gewissen Bereichen verbindliche Entscheidungen treffen können, einhergeht.

Dabei ist die Einsetzung der Mitglieder des Ethikrates ohnehin schon umstritten. Und die Befürchtung, die Bundesregierung würde tendenziell bestrebt sein, diejenigen Personen in den Ethikrat zu bringen, die am ehesten geneigt wären, die gewünschten Ergebnisse zu produzieren, ist gar nicht so weit hergeholt. Man denke nur an den Supreme Court in den USA, dessen Mitglieder vom Präsidenten vorgeschlagen werden, und in dessen Rechtssprechung sich die Dominanz, entweder Republikanischer oder Demokratischer Mehrheiten, immer mehr oder weniger deutlich widerspiegelt.

Da es sich beim Ethikrat noch dazu um ein Gremium handelt, das Normen schaffen soll, indem es Grenzen absteckt, besteht hierbei die reale Gefahr, dass Werte über längere Zeitabschnitte bewusst in die ein oder andere Richtung verschoben werden könnten. Auf diese Weise könnten ethische Normen über kurz oder lang relativiert werden. Dieser Gefahr kann natürlich durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Gremiums begegnet werden. Aber auch hier ist umstritten, ob alle gesellschaftlichen Denkrichtungen in einem ausreichenden Maße vertreten sind.

Darin zeigt sich bereits ein weiteres nächste Problem. Wer kann als besonders kompetent gelten, Antworten auf ethische Fragen zu geben? Mit Sicherheit sind ein gewisses Maß an Einblick in die besprochenen Sachverhalte, sowie Expertise in zumindest einem der zur Bewertung relevanten fachlichen Teilbereiche von Vorteil. Aus diesem Grunde wird eine Mitwirkung im Ethikrat fast ausschließlich renommierte Personen, vorzugsweise Akademikern, angetragen. Obwohl dieses Vorgehen nachvollziehbar ist, ist nicht unmittelbar einzusehen, dass gerade die eingesetzten Personen besser über ethische Fragen, zu denen ja eigentlich jeder eine eigene Position hat, befinden könnten. In anbetracht der Gesellschaftlichen Stellung seiner Mitglieder, würde ein Politikwissenschaftler gar vom Ethikrat als einem „aristokratischen Element“ sprechen. Diesem Vorwurf wird jedoch durch die Tatsache, dass der Ethikrat ausschließlich beratende Funktion hat, der Wind aus den Segeln genommen.

2.6. Chancen des Ethikrates

Thematisierung ethischer Fragen

Thalmayer (1980; S. 26) bezeichnet Ethik auch „ als Wissenschaft von den menschlichen Unzulänglichkeiten “. Begründet wird dies damit, dass den ethischen Geboten immer gewisse Gegenkräfte im Spannungsfeld zwischen Glauben, Wissen und Macht gegenüber stehen, die sich in den Religionen in der Dichotomie „gut und böse“ auflösen lassen.

Unsere heutige Gesellschaft hat sich jedoch weit vom religiösen Weltbild entfernt. Geltung hat ein allgemeiner Kulturrelativismus, der aber auf den Nenner einer vernunftbasierten Grundlagenkultur gebracht wurde, die jedoch nach wie vor auf abendländisch-christlichen Werten fußt. Trotzdem fehlt es an einer Instanz, die allgemein gültige Aussagen darüber trifft, welche Normen gerade in Grenzbereichen noch Gültigkeit haben sollten, oder nicht. Da in den modernen Biowissenschaften solche Grenzbereiche zunehmend angetastet werden, und damit größtenteils auch Neuland erschlossen wird, ist es notwendig, die Positionen zu derartigen Kontroversen exemplarisch zu sammeln, zu bündeln und auch zu begründen. Dies ist der erste Schritt zu einer Konsensfindung in pluralistischen Gesellschaften.

Besondere Bedeutung ist auch der Tatsache beizumessen, dass der Ethikrat auch im Bundestag, also genau bei denjenigen Personen, die am Erlass von Gesetzen zu den Grenzen des ethischen Vertretbaren unmittelbar mitwirken, Aufklärungsarbeit leistet, und ihre Kompetenz auf diesem Gebiet steigert.

Etablierung eines notwendigen Steuerungsorgans

Ebenso wie man ihm Sinn und Zweck seiner Existenz absprechen kann, kann man auch die Notwendigkeit der Institution eines Ethikrates anerkennen.

„Wirtschaft, Politik, Recht und Wissenschaft sind in gewissen Grenzen offen für unterschiedliche Themen, Probleme und materiale Wertansprüche. Sollen die formalen Sphären nicht in einem richtungslosen Formalismus leer laufen, sind sie auf einen ständigen materialen Input angewiesen.“ (Schwinn 2000; S. 96)

Gerade ein Ethikrat, könnte (und soll ja auch erklärt) einen derartigen Input liefern. Er hat die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Innovationen im Bereich der Gentechnik und Biomedizin nicht einfach ungerichtet „passieren“, sondern dass zumindest die Richtung, und damit konkrete Vorstellungen über ihren Sinn und Zweck, sowie den nach moralischen Maßstäben erlaubten Rahmen, gewissermaßen vorgegeben werden. Ebenso hat der Ethikrat zumindest auch die Chance, dafür zu sorgen, dass durch das Ansprechen gerade heikler Themen, die ansonsten im Alltagsgeschäft untergehen würden, ein gesellschaftliches Bewusstsein geschaffen wird, das dabei hilft, gewisse Grenzen nicht zu überschreiten und unberührt zu lassen, selbst wenn der wirtschaftliche und ideologische Druck wachsen.

Und modernen Gesellschaften steht nun mal „keine andere Option offen, als neue Probleme mit den vorhandenen formalen Bearbeitungskriterien in den Griff zu bekommen (Schwinn 2000; S. 98) – sei dies nun die die Einsetzung eines Beratungsgremiums oder auch, darüber hinausgehend, dessen gesetzliche Verankerung, da man ihm besondere Bedeutung beimisst.

2.7. Der Ethikrat als Produkt symbolischer Politik?

Der Ethikrat selbst könnte, sofern man seiner Arbeit keinen oder nur wenig praktischen Nutzen unterstellt, selbst gewissermaßen als ein Produkt „symbolischer Politik“ gelten: Ein Mangel an politischer Handlungsfähigkeit wird dabei durch symbolische Handlungen gewissermaßen verdeckt. Bei eigentlich nicht lösbaren Problemen wird der Eindruck erweckt, man ergreife Maßnahmen, ohne dass dabei die Effektivität gewährleistet ist. Das dabei ausgehende Signal soll besagen: „Es wird etwas unternommen.“

Obwohl mit der Gründung des Nationalen Ethikrates ein scheinbar neues Gremium geschaffen wurde, das durch die Gesetzliche Verankerung und damit die Überführung in den Deutschen Ethikrat noch weiter an Profil gewinnt, greift man auf altbewährte Praktiken zurück. Politikberatung durch Expertengremien findet schon seit geraumer Zeit statt, und Politikberatung durch Experten hat immer schon stattgefunden. Die gesetzliche Verankerung als zweiter Schritt dient vor allen Dingen auch einer gesteigerten demokratischen Legitimation, da man auch den gewählten Volksvertretern (nicht nur der Regierung), ein Vorschlagsrecht einräumt. Ob diese jedoch alles bei vorab erläutertem Für und Wider Sinn macht, darüber lässt sich streiten:

„Tatsächlich ist und war die Einrichtung des Nationalen Ethikrates nicht unumstritten. Zunächst nämlich stellt sich die Frage, was eine zusätzliche Kommission auf einem Gebiet bewirken soll, wo bereits weit über 20 staatliche oder halbstaatliche Institutionen seit vielen Jahren beratend, informierend und bündelnd tätig sind. Zu nennen wären hier – neben den zahlreichen an Universitäten, Ärztekammern oder Landesparlamenten angesiedelten Gremien – etwa die Enquete-Kommission zur Bioethik beim Deutschen Bundestag oder das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften.“ (Loik 2005)

Angesichts der zahlreichen anderen Institutionen, die bereits mit Ethischen Fragen befasst waren, bleibt fraglich, inwieweit die Einrichtung eines Nationalen Ethikrates wirklich notwendig war.

3. Sinn und Zweck der Beantwortung ethischer Grenzfragen

„Ein höchst interessantes Paradoxon scheint nun darin zu liegen, dass alle vorhandenen Ethiksysteme für das Wohlergehen des Menschen das beste wollen, dass die Menschen aber bezüglich der Art und Weise, wie dies erreicht werden soll, offenbar unterschiedlicher Meinung sind und sich darüber bisher noch nicht einigen konnten.“ (Thalmayer 1980; S. 24)

Offe (1986; S. 99) erkennt klar, dass es im Laufe der Modernisierung mitunter immer „eine Vorverlegung der Grenzen, die der Entscheidungsfreiheit sozialer Akteure gesetzt sind“ vonstatten ging. Diese neuen „Spielräume“ und Optionserweiterungen tun sich in nahezu allen gesellschaftlichen Teilbereichen auf. Dabei greifen zwei Vorgänge ineinander: Eine „Entkoppelung von Akteuren, Organisationen und sozialen Teilsystemen im Verhältnis zu anderen Systemen“ geht mit einem „Verfall von traditionellen Festlegungen, Routinen, Selbstverständlichkeiten und Erwartbarkeiten“ einher.

Wie konnten in diesem Zusammenhang gerade ethische Fragen so brisant werden, dass für ihre Beantwortung eine Einsetzung eigener Gremien erfolgen musste?

Allmählich wurden ethische Selbstverständlichkeiten, die bis dahin lange Zeit noch Geltung hatten und im Wesentlichen von den Religionen festgeschrieben wurden, im Laufe der Modernisierung immer relativer. Mit anderen Worten: Die Religion, die ursprünglich einen ganzheitlichen Erklärungs- und Deutungsanspuch hat, wurde gewissermaßen aus ihrer übergeordneten Position gehoben, und in genau ein Teilsystem gedrängt. Gleichzeitig veränderten sich dabei auch die Muster kultureller Reproduktion. Neben die religiösen Institutionen, die vormals ethische Verbindlichkeiten festlegten, trat allmählich eine Vielzahl anderer Akteure.

„Im Modernisierungsprozess werden einklagbare Interpretationsmonopole, Absolutheitsansprüche und Bekenntniszwänge obsolet und demgemäß werden Orientierungsmonopole“, die unter anderem in den Wissenschaften gelten, „variabel, wählbar und in der Zeitdimension instabil.“ (vgl. Offe 1986; S. 99/ 100)

Darüber hinaus erweiterten sich vor diesem Hintergrund auch die Handlungsspielräume, unter anderem auch im biomedizinischen Bereich derart, dass sie sich mitunter bereits auf die Grenzbereiche menschlicher Existenz, und hier nicht zuletzt stark auf das pränatale Stadium, erstrecken.

Hierfür war die Entwicklung auf dem Gebiet der materiellen Produktion nicht unerheblich. Durch die Ausweitung des Marktprinzips, des Prinzips rationaler Organisation und des Prinzips rationaler, mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre verknüpfter Technik, die zudem ineinander griffen (vgl. Offe 1986; S. 99), lenkten die Ressourcen in einem deliberativen Prozess in die notwendige Richtung, um unter anderem herausragende Fortschritte im Bereich der Biomedizin und Gentechnik zu erringen. Damit wurde gewissermaßen Neuland betreten, und die Fragen nach dem Erlaubten, Vertretbaren und ganz allgemein nach dem Wesen des Menschen wurden schlagartig bedeutend. Da derartige Fragen zwar geklärt werden mussten, um ganz praktische Regelungen zu erlassen, war zunächst die Gesetzgebung in der Pflicht. Es kristallisierte sich jedoch alsbald heraus, dass zu genannter Thematik zahlreiche, zum Teil ganz und gar unvereinbare Positionen existieren, die aus einem Abwägen unterschiedlicher normativer Ansprüche gegeneinander resultieren.

Gleichzeitig besitzt die staatliche Exekutive im Rahmen des politischen Systems heute jedoch „eine vor einem Jahrhundert noch kaum vorstellbare Fähigkeit (…), sich gegenüber hochspezifizierten Personenkreisen , Sachverhalten usw. mit ebenso mannigfaltig wählbaren Verboten und Geboten herrschaftlich zur Geltung zu bringen, und zwar flächendeckend und zuverlässig.“ (vgl. Offe 1986; S. 100) Da diese Fähigkeit im Bereich ethischer Fragen jedoch nicht eingesetzt werden kann, ohne auf große Personenkreise als bloße Willkür zu wirken, besteht die einzige Möglichkeit, die Beantwortung dieser Fragen an ein scheinbar unabhängiges, auf derartige Fragen spezialisiertes Gremium zu delegieren, das bemüht ist, eine möglichst neutrale, das heißt möglichst jeden Standpunkt berücksichtigende Position zu finden.

Dieses Phänomen ist jedoch Ausdruck einer Entwicklung, die laut Offe (2005; S.100) gewissermaßen die Gegenthese zur beliebigen Wählbarkeit sozialer Sachverhalte darstellt, nämlich das hohe Maß an „Starrheit und Immobilität“ moderner Gesellschafen. Unter diesem Aspekt bedeutet „Spezialisierung die Ausbildung von Institutionen und Kommunikationsweisen (…), die besonders geeignet sind, Optionen zu generieren und den Akteuren Entscheidungskriterien für die Auswahl unter den wachsenden Optionen zur Verfügung zu stellen.“ In unserem Falle hätte also der Ethikrat eine (politische) Begrenzungsfunktion für die Handlungsspielräume des materiellen Produktionsregimes. Als Gremium ist er auf die Schaffung von Normen in ethischen Grenzfragen spezialisiert, und soll damit gewissermaßen als Filter für die erweiterten Handlungsoptionen im biomedizinischen Bereich gelten.

Legt man die drei Merkmale der Modernität Optionserweiterung, Spezialisierung und funktionale Differenzierung zu Grunde, so ergibt sich nach Offe (2005; S. 101) ein Typus von Problemen, die am ehesten als Koordinations- und Kompatibilitätsprobleme gekennzeichnet werden können.

Die Einsetzung eines Ethikrats stellt gewissermaßen auch einen Versuch dar, unterschiedliche Steuerungsmechanismen zu „mischen“ (vgl. Offe 1986; S. 112), indem eine Autorität in ethischen Fragen geschaffen wird, die letztendliche Entscheidungskompetenz aber bei der Legislative bleibt, welche zumindest vorgibt, in ihren Entscheidungen das ansonsten kompetenzlose Gremium zu berücksichtigen.

4. Vergleichbare Gremien

Im Inland

Vor der Schaffung des Ethikrats gab es im Gesundheitsministerium bereits einen Ethikbeirat, der dann zu Gunsten des ersteren aufgelöst wurde. An seiner Stelle wurde ein neues Beratungsgremium ins Leben gerufen, das sich jedoch ausschließlich auf Gesundheitsfragen beschränkt. Außerdem gab es zuvor im Bundestag eine vom Parlament gewählte Enquête-Kommission "Recht und Ethik in der Medizin", die aber ebenfalls seit der Gründung des Nationalen Ethikrates ihren Tätigkeitsschwerpunkt verlagert hat. Hier behaupten Kritiker, dass diese Gremien gewissermaßen ausgehebelt wurden, da sie nicht die von Politik und Wirtschaft gewünschten Ergebnisse erzielten. Andere wiederum räumen ein, dass die Konzeption der Gremien sich derart unterscheidet, dass sie durch ihr neues Arrangement ihre spezifischen Aufgaben besser erfüllen können.

(vgl.: http://www.ungesundleben.de/ethik.html)

Das Beispiel Frankreich

Fuchs (2005; S. 11) nennt als Hintergrund für die Schaffung „von Ethikberatergruppen als nationale zentrale Organisationen“ in den letzten Jahrzehnten in vielen Staaten der Welt den „Fortschritt in den Wissenschaften“.

Eines der ältesten und wichtigsten, und daher für diesen Vergleich gewählten, Ethikgremien stellt das französische Comité Consultatif National d’Éthique pour les Sciences de la Vie et de la Santé (CCNE) dar. Es weist seit seinem Gründungsdekret 1983 eine beachtliche Kontinuität auf und ist damit eines der ältesten dauerhaften Ethikgremien im Bereich der Biomedizin überhaupt. Es hat die klare Aufgabenstellung eines Beratungsorgans der Legislative und hat bis 2005 über 80 Stellungnahmen publiziert.

Laut Gründungsdekret sollen Anfragen durch die Sprecher der Nationalversammlung oder des Senats, durch Regierungsmitglieder, öffentliche oder gemeinnützige Körperschaften und Hochschulen vorgebracht werden können, welche mit Stellungnahme beantwortet werden müssen. Darüber hinaus kann es auch andere Anfragen aufgreifen und selbst Themen vorschlagen, so beispielsweise die einzelner Parlamentarier oder von Regierungsmitgliedern. Zudem können auch kleine Anfragen und Briefe von Ärzten, Forschern, Verbänden, von Studenten und von Schülern weiterführender Schulen beantwortet werden.

Auch die lokalen Ethikkommissionen sind in Frankreich berechtigt, das nationale Ethikkomitee auf neue Probleme hinzuweisen, woraus z. T. wiederum Anregungen für Berichte und Stellungnahmen resultieren. (vgl. Fuchs 2005; S. 13/ 14)

Seit 1997 hat das Gremium 39 Mitglieder. „Der Vorsitzende des Komitees wird durch Erlass des Präsidenten der Republik ernannt. Weitere fünf Mitglieder, die den fünf wichtigsten weltanschaulichen und religiösen Strömungen entstammen (Katholizismus, Protestantismus, Judentum, Islam und Marxismus), werden ebenfalls durch den Präsidenten bestimmt. Darüber hinaus besteht das Komitee aus einer Gruppe von 19 Personen, die durch ihre Kompetenz und ihr Interesse hinsichtlich der ethischen Probleme qualifiziert sind, und 15 Personen aus dem Forschungssektor. Diese 19 (vormals 16) Mitglieder werden durch die einschlägigen Ministerien und den Premierminister ausgewählt oder aus dem Kreis der Nationalversammlung und des Senates, aus dem Staatsrat und dem Magistrat des Kassationshofes durch die jeweiligen Vorsitzenden benannt. Auf diese Weise sind zwei der 42 Ratsmitglieder Politiker im engeren Sinne. Die 15 Personen aus der Wissenschaft sind Mitglieder der Akademien und der großen nationalen Kollegien, Forschungsinstitute und Universitäten oder werden durch diese benannt. Diese gesetzlichen Vorgaben haben nicht zu Blockbildungen geführt. Die Zuständigkeit der Benennung korrespondiert nicht mit unterschiedlichen Kulturen der Wissenschaft oder einer Dualität von Experten und Laien.“

In einigen Aspekten unterscheidet sich dieses Französische Äquivalent von Deutschen Ethikrat: Die Zusammensetzung scheint zum einen heterogener zu sein. Dies liegt unter anderem daran, dass bei der Auswahl der Mitglieder weitaus mehr Institutionen mit einbezogen sind als in Deutschland. Zum anderen wird bewusst versucht, die miteinbezogenen Geistesströmungen nach Möglichkeit heterogen zu halten.

Des weiteren ist das Konzept des Französischen Ethikgremiums „passiver“, das heißt, die Anfragen und Aufträge werden ihm von einer Vielzahl von Akteuren von außen her zugetragen, als das beim Deutschen Ethikrat der Fall ist, der seine Themen in vielen Fällen selber wählt. Dies hat vermutlich zu Folge, dass weniger Spielraum für Eigeninitiative bleibt.

Anders als beim Nationalen /Deutschen Ethikrat ist eine Beteiligung aktiver Politiker nicht ausgeschlossen. Dennoch legt das französische Ethikkomitee „Wert auf die Unterscheidung zwischen einem Ethikkomitee und gewählten Organen der Gesetzgebung.“ und hat sich „als nationales Ethikkomitee gegenüber den politischen Gremien in Distanz gesetzt.“ Dieses Bestreben nach ethischer Selbstbestimmung hat auch zu einer „Abgrenzung gegen ärztlichen Standesvertretungen und deren Bemühungen“ geführt. (vgl. Fuchs 2005; S. 16) Um die Öffentlichkeit besser zu erreichen gibt das (CCNE) viermal im Jahr eine Zeitschrift heraus, in der sich auch ansonsten schwer zugängliche Informationen finden. Obwohl sich das französische Komitee sowohl in institutioneller Hinsicht, als auch in seiner Arbeitsweise vom deutschen Ethikrat unterscheidet, sind dies einige Punkte, in denen auch der Deutsche Ethikrat im Zuge seiner Reform verbessert werden könnte.

5. Schluss

Wie wir also gesehen haben, ist die Thematisierung ethischer Grenzfragen eine Aufgabe, der in modernen Gesellschaften aktuell eine große Bedeutung zukommt. Entscheidend ist jedoch nicht nur, dass über derartige Fragen in irgendeiner Form befunden wird, sondern auch auf welche Art und Weise. In vielen Teilen der Welt sind inzwischen Gremien entstanden deren erklärter Auftrag es ist, den ethischen Diskurs zu fördern. Diese Entwicklung scheint symptomatisch für eine Welt, die auf Grund ihrer technischen Errungenschaften an einem Scheideweg angelangt ist: Die Möglichkeit auf drastische Art und Weise in die Entwicklung der ganzen menschlichen Gattung einzugreifen scheint gegeben. Doch um zu entscheiden, auf welche Art und Weise dies geschehen soll, und ob überhaupt, muss man sich zunächst darüber im Klaren sein, was den Menschen überhaupt ausmacht. Darüber sind jedoch offenbar stark gegensätzliche Ansichten verbreitet, die aus unterschiedlichen Deutungen und Wahrnehmungen der Welt resultieren. Gerade deshalb ist es wichtig, alle Positionen zu hören, und ein gemeinsames Bewusstsein für die Probleme unserer Zivilisation zu schaffen. Eine Institution „Ethikrat“ könnte ein guter Ansatz sein, dem Aufkommen ethischer Probleme, und den sich daraus ergebenden Differenzen zu begegnen. Doch eine solche Institution, mit der man sich in gewisser Weise auf Neuland vorgewagt hat, birgt gewisse Risiken und Probleme. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Wertfragen an sich bereits politischer Natur sind. Gerade deshalb ist es wichtig, eine derartige Institution behutsam, legitim und frei von Interessen, zielgerichtet, aber ohne blinden Aktionismus zu konstruieren. Es gilt dabei vor allen Dingen zu verhindern, dass ein Deutungsmonopol entsteht, welches – ideologisch unterfüttert – die Grundlage für Politik, Wirtschaft und Wissenschaften liefert, über die Köpfe vieler hinweg, die bestimmte Positionen nicht teilen, in deren Augen unmoralische Handlungen zu begehen.

Literatur:

- Van den Daele, Wolfgang: Objektives Wissen als Politische Ressource. Experten und Gegenexperten im Diskurs; in van den Daele, Wolfgang und Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung; Berlin 1996, S. (297-326)
- Thalmayer, Karl: Ethik im Spannungsfeld zwischen Glauben, Wissen und Macht – Fragen und Beiträge; Berlin/ München 1980; Herausgegeben von der Siemens AG
- Offe, Claus: Die Utopie der Null-Option; in Berger, Johannes (Hrsg.): Die Moderne – Kontinuität und Zäsuren; Göttingen 1986, S. (97-117)
- Potentiale und Grenzen der Konsensfindung zu Bio- und Gentechnik: Vorträge vom 34. Tutzing-Symposion vom 11.-14. März 1996; Frankfurt am Main 197
- Habermaß, Jürgen: Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln; Frankfurt am Main 1983
- Mayntz, Renate: Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme; in Mayntz, Renate: Soziale Dynamik und politische Steuerung; Frankfurt/ New York 1997, (S. 186-208)
- Schwinn, Thomas: Gibt es eine ‚zweite Moderne’?“ in Beck, Ulrich und Kieserling, André (Hrsg.): Ortsbestimmungen der Soziologie – Wie die kommende Generation Gesellschaftswissenschaften betreiben will; Baden-Baden 2000, (S. 91-100)
- Van den Daele, Wolfgang und Neidhardt, Friedhelm: „’Regierung durch Diskussion’ – über Versuche, mit Argumenten Politik zu machen“ in Van den Daele, Wolfgang und Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung

Internet:

- Deutscher Ethikrat eingerichtet: Online-Veröffentlichung der Bundesregierung vom 12.07.2006 (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2006/07/2006-07-12-dauerhaftes-expertengremium-fuer-ethikfragen.html; Abruf am 30.08.06)
- Deutscher Ethikrat in der Kritik – Ein Interview mit der Vorsitzenden der Enquete-Kommission "Ethik und Recht in der modernen Medizin", René Röspel, durchgeführt von Dieter Kassel; Online-Veröffentlichung von Deutschlandradio Kultur am 3.07.2006 (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/516132/; Abruf 30.08.06)
- Fuchs, Michael: Nationale Ethikräte – Hintergründe, Funktionen und Arbeitsweisen im Vergleich; Publikation des Nationalen Ethikrates 2005 (http://www.ethikrat.org/publikationen/pdf/Fuchs_Nationale-Ethikraete.pdf; Abruf 30.08.06)
- Infobrief des NER vom August 2006 (http://www.ethikrat.org/publikationen/pdf/Infobrief_02-2006_Website.pdf; Abruf 30.08.06)
- Loik, Antonia: Berater in Fragen der Bioethik – der Nationale Ethikrat; online-Veröffentlichung des Goethe-Instituts vom Januar 2005 (http://www.goethe.de/ges/phi/thm/de303676.htm; Abruf 30.08.06)
- Manifest der Zerrissenheit – Die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zeigt: Beim Thema Sterbehilfe gibt es keinen Konsens; Kommentar von Alexander Kissler; SZ vom 14.07.2006 (http://www.sueddeutsche.de/,poll2/deutschland/artikel/626/80546/; Abruf 30.08.06)
- Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 12. Juli 2006 (http://www.bmbf.de/press/1838.php; Abruf am 29.08.06)
- Tätigkeitsbericht des Nationalen Ethikrates vom August 2003 (http://www.ethikrat.org/ueber_uns/pdf/Bericht_an_den_Bundeskanzler_2003-10-14.pdf#search=%22ethikrat%20t%C3%A4tigkeitsbericht%22; Abruf 30.08.06)
http://www.ethikrat.org
http://www.nationaler-ethikrat.de
http://www.bmbf.de
http://www.bundesregierung.de
http://www.ungesundleben.de
http://www.kritischebioethik.de

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Der Ethikrat - Bedeutung vor dem Hintergrund der Moderne
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
HS "Risikogesellschaft": Zur Plan- und Steuerbarkeit moderner Gesellschaften
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V110393
ISBN (eBook)
9783640085668
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vielleicht nicht perfekt ausgearbeitet, aber sicherlich mit guten Ansätzen und einer gehörigen Portion kritischen Bewusstseins.
Schlagworte
Ethikrat, Bedeutung, Hintergrund, Moderne, Risikogesellschaft, Plan-, Steuerbarkeit, Gesellschaften
Arbeit zitieren
Martin Drischmann (Autor:in), 2006, Der Ethikrat - Bedeutung vor dem Hintergrund der Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110393

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