Nachfrage- oder angebotsorientierte Wirtschaftspolitik


Forschungsarbeit, 2004

7 Seiten, Note: ohne


Leseprobe


Nachfrage- oder angebotsorientierte Wirtschaftspolitik?

Sind angesichts von immer noch mehr als vier Millionen Arbeitslosen zur Stabilisierung der Wirtschaft und insbesondere der Beschäftigungssituation mehr neoklassische oder postkeynesianische Reformen bzw. Konzepte erforderlich?

Zwar werden gelegentlich in wissenschaftlichen Aufsätzen und in den Medien noch die angebots- und nachfrageorientierten Konzepte der Wirtschaftspolitik diskutiert, doch die „alten“ Konzepte der Stabilisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, eben die neoklassisch-monetaristischen (angebotsorientierten) und postkeynesianischen (nachfrageorientierten) Ansätze, werden, seitdem vor allem institutionenökonomische Fragen in die Wirtschaftswissenschaft Einzug gehalten haben, kaum mehr in wissenschaftlichen Arbeiten untersucht.[1]

Richtig ist, dass wir keine geschlossene Volkswirtschaft sind. Unternehmen können weltweit agieren. Vor allem bei großen, daxnotierten Aktiengesellschaften gibt es unterschiedliche Anreize zwischen Kapitalgebern (Aktionären) und Management auf der einen Seite, und den Mitarbeitern auf der anderen Seite. Diese Konflikte löst das Management nicht selten zu Lasten der Mitarbeiter (jüngstes, populäres Beispiel ist die Allianz AG), die selbst bei hohen Gewinnen des Unternehmens abgebaut werden. Gewinner durch Personalabbau sind die Aktionäre und das Management.

Sobald ein Management ankündigt, dass Arbeitsplätze abgebaut werden, steigen an der Börse in der Regel die jeweiligen Aktienkurse, und auch das Management meint dann einen weiteren Grund zu haben, sich die ohnehin überdimensionalen Gehälter sich noch weiter zu erhöhen.[2]

Ein Management, das sich selbst in die oberste Gehaltsklasse bringen will, versucht zunächst, das Unternehmen zu vergrößern und zu globalisieren. Und anschließend, wenn die exorbitanten Managergehälter durch die Vergrößerung des Unternehmens bereits gesichert sind, wird umstrukturiert und – wie erwähnt – nicht selten Arbeitsplätze abgebaut, wodurch die Aktienkurse steigen. Außerdem dient ein gestiegener Aktienkurs nicht selten für eine weitere Erhöhung der Managergehälter. So eine Vorgehensweise funktioniert sicher nicht so perfekt in Unternehmen, die mehrheitlich im Eigentum von Familien sind bzw. deren Mitglieder im jeweiligen Aufsichtsrat sitzen. Dem allgemeinen Trend mit den sehr hohen Einkommen wird man sich allerdings auch dort nicht ganz verschließen können.[3]

Ob eine Veröffentlichungspflicht der einzelnen Gehälter des Managements ausreicht, damit nicht noch weitere Gehaltserhöhungen die Folge sind, wird an dieser Stelle angesichts des Einfallsreichtums von Spitzenmanagern, wenn es um ihre eigene, weitere Gehaltserhöhung geht, bezweifelt. Sicherer wäre unter Umständen eine Regelung, wonach beispielsweise zehn Prozent der Aktionäre eine weitere Gehaltserhöhung verhindern können. Hierbei müsste bedacht werden, dass auch die Mitarbeiter eines Unternehmens einen gewissen Anteil an Aktien halten, so dass nicht allein die externen Kapitalgeber, sondern auch die Mitarbeiter über Gehaltserhöhungen mit abstimmen können.

Kaum zu glauben ist allerdings, dass so mancher Politiker glaubt, dass einzig und allein durch eine Unternehmenssteuerreform Anreize für Unternehmen (im Gegensatz zu Aktionären und Managern) gesetzt werden, dass Arbeitsplätze gehalten werden bzw. entstehen. Obwohl in letzter Zeit immer wieder in der Öffentlichkeit das Management von Unternehmen kritisiert wird angesichts von überdimensionalen Gehaltssteigerungen des Führungspersonals und gleichzeitigem Arbeitskräfteabbau, oder Verlegung des Hauptfirmensitzes ins Ausland (zum Beispiel nach Österreich)[4], wird die Frage nicht oder kaum in der Öffentlichkeit aufgeworfen, dass offensichtlich nicht allein das Unternehmen, sondern auch das Management selbst Anreizmechanismen braucht, um Arbeitsplätze im Inland zu schaffen. Erst wenn es gelingt, die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend zu ergänzen bzw. zu schaffen, dass entsprechende Einkommensanreize für das Management gesetzt sind, neben einem entsprechenden Aktienkurs auch Arbeitsplätze zu schaffen, erst dann werden Manager diese auch schaffen und nicht abbauen. Allerdings besteht hier die Schwierigkeit, dass Spitzenmanager bereits über exorbitant hohe Einkommen verfügen, so dass – nolens volens - deren Einkommen (oder deren Rentenansprüche) dann noch einmal steigen müssten. Eine weitere Schwierigkeit für den Manager besteht hier möglicherweise in einem Trade-off zwischen den Kapitalgebern und den zu schaffenden bzw. zu erhaltenden Arbeitsplätzen.

Trotz allem müsste dem Staat gelingen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Aktionäre, Arbeitnehmer und Manager in etwa gleicher Weise von Maßnahmen oder Unterlassungen des Managementes profitieren.

Natürlich ist klar, dass die meisten Arbeitsplätze bei kleinen und mittleren Unternehmen (ca. 80 %) angesiedelt sind. Deshalb müssen sich wirtschaftspolitische Maßnahmen/Reformen vor allem am Mittelstand orientieren. Aber dennoch machen 20 % der Stellen, wenn dort rigoros abgebaut wird, auch einen großen Anteil aus.

Erst wenn die Frage geklärt wird, wenn sich also Politiker fragen, welcher Anreize es bedarf, wie die Rechtslage geändert oder ergänzt werden muss, dass Spitzenmanager ihren eigenen „Gewinn“ oder auch ihre spätere Rente steigern können mit einer Steigerung, nicht mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, erst dann werden voraussichtlich in großen Dax-Unternehmen Arbeitsplätze zunehmen, erst dann wird sich in unserer Volkswirtschaft der Arbeitsmarkt spürbar erholen. Wenn das nicht geschieht, werden sich möglicherweise die in großen Unternehmen dennoch wegfallenden Arbeitsplätze mit den entstehenden Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Betrieben durch eine Reformierung von Unternehmenssteuern und der Abgabenlast insgesamt (so sinnvoll und notwendig diese angebotsorientierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen auch sind) gegenseitig aufrechnen.

Im neoklassisch-monetaristischen bzw. angebotsorientierten Ansatz wird davon ausgegangen, dass in der Wirtschaft Kräfte am Werke sind, die mittel- und langfristig automatisch zu einem Ausgleich führen.

Beispielsweise heißt das, wenn das Pro-Kopf-Einkommen aus irgendwelchen Gründen in Region A steigt und in Region B sinkt,, dass dann dadurch ausgelöste Arbeitskräftewanderungen von B nach A in A lohndämpfend und in B lohnsteigernd wirken bis zu einem Ausgleich. In der Realität kann das jedoch nur unter mehreren folgenden Voraussetzungen wirken:

- Es wandern nicht gleichzeitig Unternehmen von B nach A
- Die Löhne sind tatsächlich flexibel
- Es herrscht Vollbeschäftigung, so dass sich die Unternehmen in B kaum Ersatz für die abgewanderten Arbeitskräfte beschaffen können und dadurch die Löhne dort steigen

So konnte man beispielsweise in Bayern beobachten, dass nicht nur Arbeitskräfte dort hin gewandert sind, als es Bayern wirtschaftlich besser ging, sondern es wanderten vor allem aus den neuen Bundesländern auch Unternehmen dorthin. Die Löhne wirkten nicht lohnsenkend durch einen Arbeitskräftezuzug. Es gab eindeutig eine Überlagerung der beiden Effekte.

Allein an diesem kleinen Beispiel sieht man schon, dass auch Angebotsbedingungen (bzw. neoklassische wirtschaftspolitische Maßnahmen) genauer untersucht werden müssen, ob sie wirken oder möglicherweise von anderen (ausgeklammerten) Bedingungen überlagert werden können.

Nach dem neoklassisch-monetaristischen (angebotsorientierten) Ansatz hat bekanntlich der Staat in den Wirtschaftsprozess nicht einzugreifen, wie er es beispielsweise in Form von Subventionen für Regionen oder auch Branchen tut, sondern er hat im wesentlichen über Anreizmechanismen dafür zu sorgen, dass sich die Marktkräfte frei entfalten können.

Diese Annahme mag innerhalb einer relativ geschlossenen Volkswirtschaft mit flexiblen Löhnen zum Tragen kommen, aber nicht unbedingt in einer globalisierten Wirtschaft.

Im postkeynesianischen (nachfrageorientierten) Ansatz wiederum wird davon ausgegangen, dass Produktionsfaktoren nicht beliebig mobil sind, weil die Mobilität mit Kosten verbunden ist und außerdem externe Kosten und Nutzen zu Marktverzerrungen führen, so dass durch unterschiedliche Standortvoraussetzungen reiche Regionen immer reicher und arme immer ärmer werden. Deshalb werden staatliche Eingriffe gefordert. So eine Forderung nach staatlichen Eingriffen kann darin bestehen, benachteiligte Regionen mittels Subventionen zu fördern.[5]

Neoklassiker würden in so einem Fall eher vorschlagen, wie erwähnt, die Anreize im Steuersystem, also die Angebotsseite, entsprechend auszugestalten, wobei die Marktkräfte anschließend selbst für einen Ausgleich sorgen.

Global gesehen kann man jedoch feststellen, dass der Produktionsfaktor Kapital zwar relativ mobil ist, doch der Produktionsfaktor Arbeit ist es nicht oder kaum, weil für den einzelnen Arbeitnehmer viel zu hohe Opportunitätskosten mit einer Mobilität in ein anderes Land verbunden wären.[6]

Man kann bei globalisierten Unternehmen beobachten, dass es die oben beschriebenen Konflikte zwischen Eigentümern (Aktionären), Management und Aktionären gibt. Das Management kann mitunter sein eigenes Management-Gehalt dadurch erhöhen, indem es Arbeitsplätze am Hauptsitz abbaut und möglicherweise sogar einen anderen Standort wählt, der zudem noch niedrigere Steuersätze gewährt. Dieses Abwandern kann allerdings mit einer Reformierung der Angebotsbedingungen, einer niedrigeren Steuer- und Abgabenlast, etwas zurückgedrängt werden.

Die Politik, unterstützt von der Wissenschaft, sollte also klar erkennen, dass es die beschriebenen Konflikte bei großen globalen Unternehmen gibt und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, dass sich ein Abbau von Arbeitsplätzen für das Management nicht mehr lohnt, sondern im Gegenteil. Dadurch würden sich die positiven Effekte einer Unternehmenssteuerreform mit niedrigeren Steuersätzen und/oder Senkung der Lohnnebenkosten nicht mehr überlagern mit den beschriebenen negativen Effekten eines Stellenabbaus.

Außerdem sollte die Politik erkennen, dass nicht nur neoklassisch-monetaristische Ansätze eine Rolle spielen können, sondern auch postkeynesianische (nachfrageorientierte).

[...]


[1] Eine Ausnahme bilden die von der großen Koalition und der Opposition eingesetzten Kommissionen/Ausschüsse, die jedoch vom Auftraggeber in der Regel irgend welche Vorgaben bekommen

[2] Erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass es nicht um eine Neiddiskussion geht.

[3] Als Beispiel für ein mehrheitlich in Familienbesitz befindliches Unternehmen sei hier BMW genannt. Allerdings müssen, orientiert an Managergehältern bei anderen Unternehmen, auch bei BMW einigermaßen vergleichbare Löhne gezahlt werden.

[4] Zum Beispiel Infineon

[5] Vgl. zu dieser Darstellung Frey, René L. (1998), S. 179 f. Frey untersucht dort das Beispiel der benachteiligten Berggebiete in der Schweiz und die Asymmetrie zwischen ihnen mit den reichen Städten. Vgl. zur Unterscheidung des neoklassischen und postkeynesianischen Paradigmas Pätzold, Jürgen (1989)

[6] Das trifft aber scheinbar für Arbeitnehmer, die beispielsweise aus Polen oder sonstigen osteuropäischen Ländern in die Bundesrepublik zuziehen, nicht zu

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Details

Titel
Nachfrage- oder angebotsorientierte Wirtschaftspolitik
Hochschule
Universität Kassel
Veranstaltung
Vortrag/Veröffentlichung bei der ehemaligen Blue-Planet-Gmbh
Note
ohne
Autor
Jahr
2004
Seiten
7
Katalognummer
V110273
ISBN (eBook)
9783640084487
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachfrage-, Wirtschaftspolitik, Vortrag/Veröffentlichung, Blue-Planet-Gmbh
Arbeit zitieren
Dipl.-oec. Monika J. Stoegmayer (Autor:in), 2004, Nachfrage- oder angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110273

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