Indigo und indigoide Farbstoffe


Facharbeit (Schule), 2003

13 Seiten, Note: 14 Pkt


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.0 Was ist Indigo?

2.0 Vorkommen des natürlichen Indigo

3.0 Indigogewinnung aus Pflanzen
3.1 Indigo aus Isatis tinctoria (Färberwaid)
3.2 Heutige Verwendung von Isatis tinctoria
3.3 Indigo aus Indigofera tinctoria

4.0 Indigo Synthese
4.1 Indigo Synthese nach Adolf Baeyer
4.2. Indigo Synthese nach Karl Neumann/ Johannes Pfleger

5.0 Der Purpur

6.0 Wirtschaftliche Bedeutung des Indigo

Nachwort

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Vorwort

Wenn wir uns heute umschauen, dann ist es fast undenkbar, dass es eine Welt geben könnte, in der keine Farben existieren. Farben sind für uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden, doch ganz so selbstverständlich, wie sie auf uns wirken, sind sie nicht. Bunt ist nicht gleich bunt. Farben entstehen erst, wenn weißes Licht auf unsere Netzhaut trifft und dort von den Farbrezeptoren in die unterschiedlichsten Spektral färben zerlegt wird. Doch nicht alle Menschen können Farben wahmehmen. So z.B. Blinde, deren Farbrezeptoren nicht funktionieren.

Die Natur hat eine Palette geschaffen, die annähernd 10 Millionen Farben umfasst, wovon allerdings nur 3 Millionen vom Auge unterschieden werden können.

Einer der bemerkenswertesten unter den Farbstoffen ist der Indigo, welcher einen Farbton liefert, der auch als „Königsblau“ bekannt ist. Vom Indigo ging schon immer eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Und von dieser Faszination hat er bis heute nichts verloren. Aufgrund der beeindruckenden Möglichkeiten, die uns der Indigo liefert, möchte ich mich in der nachfolgenden Arbeit näher damit beschäftigen.

1.0 Was ist Indigo ?

Kurz gesagt Indigo ist ein blauer Farbstoff, der sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Lebewesen zu finden ist. Sein Namensursprung liegt im griechischem und bedeutet „das Indische“, was zweifellos auf den Hauptanbauort, nämlich Indien, zurückzuführen ist. Indigo gehört zu den Küpenfarbstoffen. Das heißt, dass der Pigmentträger erst in Bottichen, Bottiche werden auch Kübel genannt, mit Hilfe eines Fermentationsprozesses aus der Pflanze gelöst werden muss. Vom Wortstamm aus leitet sich so auch der Name „Küpe“ ab. Indigo an sich ist wasserunlöslich und muss erst in eine wasserlösliche Fonn überführt werden. Die entstandene Lösung bezeichnet man auch als Leukoform des Indigo oder Leukoindigo.

2.0 Vorkommen des natürlichen Indigo

Wie oben schon erwähnt, findet sich Indigo in sehr vielen Organismen wieder. Bei tierischen Lebewesen, ist er größtenteils im Ham zu finden. Allerdings sind diese Vorkommen so gering, dass sie eine Verwendung zu Färbezwecken ausschließen. Färbertechnisch rationell zu verwendende Mengen finden sich in der Pflanzenfamilie der Indigofera Arten wieder (siehe Anlage 4). Hierbei sind Indigofera anil, Indigofera argentea, Indigofera tinctoria jene mit dem höchsten Indigo-Anteil.

Des weiteren ist Indigo auch in nicht tropischen Pflanzen in gut erträglichen Mengen vorhanden. So z.B. Polygonum tinctorium oder Färberknötrich, wie er im Volksmund germant wird. Diese Pflanze hat einen Indigoanteil von 75%. Besonders im Thüringischen Raum, war Isatis tinctoria oder Färberwaid weit verbreitet (siehe Anlage 5). Die Ausbeute, die Isatis tinctoria lieferte, war dennoch so gering, dass der importierte Indigo, Indigofera tinctoria, bald den lokalen Waidanbau verdrängte. Zu den bedeutendsten Handel Städten für Färberwaid gehörten Erfurt, Gotha, Arnstadt und Langensalza. Die Färberwaidbauemlobby versuchte zwar mit allen Mitteln die Ausbreitung des Indigofera tinctoria zu verhindern, konnte seinen Siegeszug durch Europa aber nicht aufhalten. „Vielleicht hätte sie letztendlich sogar obsiegt, wenn es damals schon die Europäische Gemeinschaft und ihre Agrarordnung gegeben hätte.“11 Tatkräftige Unterstützung erhielt die Lobby noch einmal durch Napoleon, der gegen den Ausländischen „Indig“, wie er zur damaligen Zeit genannt wurde, eine Kontinentalsperre errichtete. Außerdem setzte er einen Preis aus für denjenigen, der den „Indig“ am effizientesten aus dem Färberwaid extrahierte. Doch letztenendes scheiterte Napoleon und der Waid verschwand von den Anbauflächen. Dies ist durchaus auch als positiv zu werten, da dadurch landwirtschaftliche Nutzfläche frei wurde, die zum Anbau von Lebensmitteln diente.

3.0 Indigogewinnung aus Pflanzen

Indigo kommt in Pflanzen nicht als direkt verwendbarer Farbstoff vor. Um ihn für die Färberei nutzbar zu machen, muss er erst in eine andere Form überführt werden. Ausgangsprodukt ist das in Isatis- und Indigofera tinctoria vorkommende, farblose Vorprodukt Indican, bzw. Isatan das je nach Pflanzenart an ein unterschiedliches Zuckennolekühl gebunden ist. Diese Verbindung muss zuerst durch Fermentationsprozesse gelöst werden. Dazu wird dem Indican ein Reduktionsmittel, wie zum Beispiel Schwefelarsen oder Pottasche, zugesetzt. Nachdem das Zuckermolekühl abgespalten wurde, liegt das giftige wasserlösliche Zwischenprodukt Indoxyl vor (siehe Anlage 6). Dieses verbindet sich mit einem anderen Indoxylmolekül zum Indigo. Dieser wird in Lösung gebracht und mit Hilfe von Natriumdithionit in die wasserlösliche Leukobase Indigoweiß oder Leukoindigo überführt (siehe Anlage 16). Anschließend wird der Textilstoff eingelegt und das Indigoweiß zieht auf die Faser auf. Um nun jedoch zum gewünschten Indigo und dem damit verbundenen Blauton zu gelangen, muss die Faser an der Luft oxidieren. Dadurch wird das Indigoweiß nun wieder zum wasserunlöslichen Indigo. Indigo ist außerordentlich lichtecht und Waschbeständig, aber nicht abriebfest. An besonders beanspruchten Stellen des Stoffes, kann dadurch der ursprüngliche Farbton der Faser wieder zum Vorschein kommen.

3.1 Indigo aus Isatis tinctoria

Die Färberwaidpflanze (Isatis tinctoria) ist eine recht anspruchslose Pflanze, die ursprünglich in den Steppengebieten des Kaukasus, in Vorder- und Innerasien bis Ostsibirien beheimatet war.

Durch Kaufleute und Reisende ist sie bis nach Europa vorgedrungen. Um Indigo zu gewinnen, werden der Pflanze die Blätter abgeschnitten und diese anschließend zu einem Brei vermahlen. Dieser Brei wird einen Tag stehengelassen und dann zu Kugeln geformt und getrocknet. Die Kugeln werden dann von den Waidbauem auf den Waidmärkten verkauft. Es gab strenge Richtlinien, wie mit Waid zu verfahren sei. Aus diesem Grund durften die Bauern die Kugeln auch nicht weiterverarbeiten. Die weitere Verarbeitung übernahmen die Waidhändler. Diese hatten die Aufgabe, den Farbstoff „aufzuschließen“. Für diese äußerst unangenehme, übelriechende Arbeit wurden Waidknechte angeworben. Diese zermahlten grob die Waidkugeln und schütteten sie auf einen Haufen. Danach wurde alles mit Wasser und Urin angefeuchtet („besonders wirksam war derjenige nach einem Trinkgelage!“2) ). Nachdem der Gärungsprozess eingesetzt hatte, wurde der Haufen auseinander gerissen und mit Hölzern zerrieben. Dies wurde mehrmals wiederholt. Danach ließ man den Haufen 5 Wochen lang ruhen. Nach dieser Phase führte man den Arbeitsprozess (zerkleinern, befeuchten) nochmals durch. Anschließend, nachdem alles getrocknet war, wurde der Waid gesiebt und in spezielle Fässer abgefullt. Normalerweise sollte das Pulver 2 Jahre darin lagern, doch auch schon zu dieser Zeit waren alle Beteiligten an größtmöglichem Gewinn interessiert. Der Waid wurde oft schon nach wenigen Wochen verkauft, obwohl seine Qualität zu wünschen übrig ließ. Wenn der Waid in Fässer abgepackt war, verkauften ihn die Pländler weiter an die Färber.

Diese erhitzten in einem Bottich Wasser, in das sie ein Gärungsmittel, in diesem Falle Kleie oder Krapp, ein Stoff der aus der Wurzel der Rubia tinctoria gewonnen wird, Zugaben. Zur gleichen Zeit kam das feingemahlene Waidpulver hinzu. Um den Farbstoff nun aber in die wasserlösliche Leukoform zu überführen, wurden faulender Urin und als Alkali ungelöschter Kalk oder Pottasche zugesetzt. Bis nun der Indigo als sogenannter Leukoindigo zur Verfügung stand, vergingen drei Tage, in denen man die Temperatur auf konstant 60°C hielt. Wenn die wasserlösliche Form vorlag, konnte mit dem eigentlichen Färbeprozess begonnen werden. Dazu wurde die angefeuchtete Wolle oder Seide in das Färbebad gelegt und nach etwa einer Stunde wieder entnommen. Anschließend wurden die Textilien zum Trocknen aufgehängt.

Für die Menschen zur damaligen Zeit etwas völlig unfassbarer und unbegreiflicher, ja schon an ein Wunder grenzender Vorgang fand nun statt. Faserstücke, welche kurz nach dem Herausnehmen aus dem Färbebad gelb waren, färbten sich auf einmal blau. Der Grund für diese Verwandlung ist der in der Luft vorhandene Sauerstoff, der die Leukoform zum wasserunlöslichen Indigo zurück oxidiert (siehe Anlage 12).

3.2 Heutige Verwendung von Isatis tinctoria

Derzeit erlebt der Waid ein „Comeback“, indem er wieder auf Flächen in Thüringen angebaut wird. Allerdings nicht mehr zu färbetechnischen Zwecken, sondern zur wissenschaftlichen Forschung. Man hat entdeckt, das drei Stoffe im Waid: Tryptanthrin, Indol-3-acetonitril und P- Cumarinsäuremethylester, besondere Pilz-tötende Eigenschaften haben. Es wird nun geforscht, ob ein Einsatz als Holzschutzmittel sinnvoll ist. Indol-3-acetonitril weist von allen dreien die größte fungizide Wirkung auf. Außerdem finden die Waidextrakte Verwendung in Cremes, Seifen und Shampoos.

3.3 Indigo aus Indigofera tinctoria

Der Umstand, das Färberwaid derart wenig verwendbaren Indigo enthält, macht für die Färberindustrie eine andere Pflanze interessant. Ihr Name: Indigofera tinctoria oder Indigopflanze, wie der Volksmund sie nennt. Wie oben schon erwähnt, waren die Waidbauern nicht gerade glücklich mit der Einfuhr dieses Gewächses, da es ganz massiv ihre Existens bedrohte. Die Indigopflanze liefert eine Indigoausbeute von 75%, des weiteren wurden die Anbaumethoden immer weiter verfeinert und rationalisiert, so das der Preis schon bald weit unter den des heimischen Indigo fiel. Alle Arten der Indigofera Familie bevorzugen feucht warmes Klima, wie es in den Äquatorgebieten vorzufmden ist. Die Blätter der Indigofera tinctoria haben einen bläulichen Glanz, riechen unangenehm und faulen leicht. Wie der Name des Farbstoffes schon sagt, ist der Hauptanbauort für diese Gewächse in Indien zu finden. Der Anbau erfolgte auf großen Plantagen, die, sobald die Pflanzen die richtige Höhe erreicht hatten, abgeemtet wurden. Anschließend wurden die zu Bündeln geschnürten Pflanzen in große Becken mit Wasser gelegt, worin bald darauf ein Gärungsprozess einsetzte. Ein in der Pflanze befindliches Enzym sorgt dafür, das die Bindung zwischen Indoxyl- und Zuckermolekül gelöst wird. Auch hier sind wieder die Vorteile der Indigopflanze gegenüber dem Waid erkennbar. Der Waid benötigt aufwendige Fermentationstechnologie, um den Indigo nutzbar zu machen, bei der Indigopflanze erledigt das ein pflanzeneigenes Enzym. Sobald der Gärungsprozess abgeschlossen war, wurde mit großen Schaufelrädern oder durch schlagen des Wassers, Sauerstoff in selbiges gebracht und der Indigo oxidiert, der sich als blaue, flockige Masse am Boden absetzte (siehe Anlage 7). Diese Masse wurde gereinigt, getrocknet und anschließend in Blöcke gepresst, die nach Europa verkauft wurden. In Europa angekommen, wurden die Blöcke wieder zu Pulver verrieben und auf die gleiche Art zum Färben eingesetzt wie der Indigo aus Färberwaid. Heutzutage erfolgt das Mahlen des Indigo in sogenannten Indigomühlen, in denen schwere Eisenkugeln, Zylinder oder Kegel den Indigo in feinstes Pulver zerreiben (siehe Anlage 18-21).

4.0 Indigo Synthese

Um jedoch von natürlich erzeugtem Indigo unabhängig zur werden, suchten die Wissenschaftler nach einem Weg, Indigo synthetisch herzustellen, um von den ausländischen Importen unabhängig zu werden. Was unbedingt bemerkt werden sollte, ist, dass zum damaligen Zeitpunkt die Atomkonfiguration und der Aufbau des Indigomoleküls völlig unbekannt war. Viele namhafte Wissenschaftler machten es sich zur Aufgabe, dieses schwierige Problem zu lösen. Unter ihnen sind einige der berühmtesten zu nennen wie: Adolph Baeyer, Heinrich Caro, Johannes Pfleger und Karl Heumann,

Doch zunächst zu den Anfängen der Indigo Synthese. Um früher einen Stoff zu reinigen, war es das einfachste, diesen Stoff zu verdampfen und anschließend wieder zu kondensieren. 1862 unterwarf der Apotheker Otto Unverdorben den Indigo dieser brutal einfachen Prozedur. Was er erhielt, war eine ölige Flüssigkeit, die er nach dem Portugiesischen Namen für Indigo Anil, Anilin nannte. Auch wenn dies noch keine Indigo Synthese im eigentlichen Sinn war, ebnete es doch den Weg für die chemische Erzeugung von Naturstoffen. Noch heute finden wir Firmen, die in ihrem Namen Anilin führen. Hier einige Beispiele: BASF (Badische Anilin und Sodafabriken), Agfa (Aktiengesellschaft für Anilinfarben) und GAF (General Anilin and Film Corporation). Einige Jahre später, 1841, wurde aus dem Indigo Anthranilsäure gewonnen. Diese konnte man zu Indol und Isatin weiterverarbeiten, Allmählich wurden auch chemische Zusammenhänge zwischen Färberwaid und indischem Indigo klar, von denen man zwar wusste, das beide Arten Indigo enthalten, aber nicht, das beide chemisch annähernd identisch sind. Doch bevor wir zu den einzelnen Synthesen übergehen, muss eines unbedingt noch erwähnt werden. Um ihr kostspieliges Ziel zu erreichen, vereinbarten die beiden Chemiekonzerne BASF und Hoechst, die größten zur damaligen Zeit, dass sie gemeinsam an dem Problem arbeiten werden. Die nachfolgende Zeit war von einer langen Kooperation der beiden Chemiefirmen gekennzeichnet.

4.1 Indigo Synthese nach Adolf Baeyer

Adolf Baeyer (siehe Anlage 2) gehört mit Recht zu den erfolgreichsten und klügsten Köpfen der Chemie. Schon als Kind interessierte er sich für chemische Abläufe in der Natur. Aus diesem Grund kaufte er sich mit 13 Jahren ein Stück Natur-Indigo und begann damit zu experimentieren. Zuerst pulverisierte er es und verarbeitete es dann nach einem Chemiebuch von Friedrich Wöhler weiter. Die Idee, Indigo künstlich herzustellen, ließ ihn nicht mehr los. Er experimentierte weitere 15 Jahre, bis er zu den ersten verwertbaren Erfolgen gelangte. Es gelang ihm durch Zinkstaubdestillation, Indol, ein im Grundgerüst ähnlicher Stoff des Indoxyls, herzustellen. Ein weiterer Fortschritt war die Herstellung synthetischen Indigos durch die Chlorierung und anschließende Reduktion des Isatins. Aber Baeyer verwendete für seine Erfindung Naturstoffe und damit kann eigentlich noch nicht von einer Synthese gesprochen werden. Die erste Vollsynthese des Indigos gelang ihm am 06. Juni 1878, indem er N-Phenylglycin in einer Alkalischmelze zu Indoxyl umformte (siehe Anlage 8). Zwar war dieses Verfahren unwirtschaftlich, doch Baeyer gab nicht auf. Zwischen ihm und dem damaligen technischen Direktor der BASF, Heinrich Caro (siehe Anlage 3) entwickelte sich ein reger BriefVerkehr, in dem sich beide über neue Erkenntnisse austauschten. Schließlich entdeckte er 1880 ein neues Verfahren, indem er Zimtsäure als Ausgangsstoff verwendete, die wesentlich billiger war als Isatin. Am 19. März 1880 ließ sich Baeyer sein nochmals verfeinertes Verfahren vom Kaiserlichen Patentamt patentieren (siehe Anlage 1 ). Doch auch dieser Erfolg war ihm noch nicht genug, schließlich wollte er die Struktur des Indigos ergründen und ließ sich ein zweites Verfahren patentieren. Bei diesem ging er von Orthonitrobenzaldehyd aus, das er mit Hilfe von Aceton zu 4-Hydroxy-4-Nitrophenylbuthan-2-on umformte und dieses anschließend in einer Alkalischmelze zum gewünschten Isatin verkochte (siehe Anlage 9). Damit erziehlte er den Durchbruch. Die Struktur des Indigos war Baeyer bekannt. In einem Schreiben informierte er Heinrich Caro über seine Erkenntnisse. Der war davon so begeistert, dass er über den Indigo alles andere vergaß. Am Ende des Briefes bemerkte er noch „Wie geht es denn ihrer Frau Gemahlin?“3' (siehe Anlage 13). Allerdings zeigte sich schon bald, das alle von Baeyer gefunden Synthesen sich als unwirtschaftlich erwiesen. Dennoch, Baeyer hatte das Tor zu einem neuen Zweig der Wissenschaft weit aufgestoßen. Für seine Verdienste erhielt er 1905 den Nobelpreis für Chemie.

4.2 Indigo Synthese nach Karl Neumann/Johannes Pfleger

Da die Synthesen von Baeyer für die großindustrielle Herstellung von synthetischem Indigo ungeeignet waren, mussten neue gefunden werden. Zu den bedeutendsten zählen unter anderem die zwei von Heumann gefundenen. Ausgangsprodukt für seine erste Synthese war Nitro- Phenylglycin, das aus Anilin, Chloressigsäure und Kaliumhydroxid gewonnen wurde. Alle drei Edukte standen der BASF in großen Mengen zur Verfügung, so das sie sich gleich darauf auf dieses Verfahren stürzte. Das Nitrophenylglycin wurde in einer Alkalischmelze zu Indoxyl umgeformt. Dieses Verfahren brachte eine Ausbeute von 10%. Heumann verfeinerte dieses Verfahren, indem er vom Naphthalin ausging und durch Oxidation und Versatz mit Ammoniak zur Anthranilsäure gelangte. Dieser versetzte er mit Chloressigsäure und gelangte zur Nitro- Phenylglycin-ortho-carbonsäure, die wiederum in einer Alkalischmelze zu Indoxyl umgeformt wurde (siehe Anlage 10). BASF und Hoechst kauften gemeinsam dieses Patent und 1897 erschien der erste synthetische Indigo auf dem Markt. Allerdings war der Vorstand der BASF über die Entwicklung nicht zufrieden. Man hielt die Indigo Synthese wirtschaftlich für nicht rationell, immerhin hatte BASF bis zu diesem Zeitpunkt für die Entwicklung, Patenterwerb und Bau der Produktionsanlagen fast 18 Millionen Goldmark ausgegeben! Diese Summe war mehr als das damalige Grundkapital der Gesellschaft und trieb die AG fast in den Ruin. Was noch hinzukam, war, das Indigo auf Großplantagen in Indien rationell angebaut wurde, was den Chemikern enge Grenzen setzte. Nur dem Einsatz des technischen Direktors Heinrich von Brunck ist es zu verdanken, dass die Forschungen weitergeführt wurden. Letztendlich kam das „BASF Indigo rein“ auf den Markt, das bereits für 17 Goldmark je Kilo zu haben war. Zum Vergleich: ein Kilo Natur Indigo kostete zur damaligen Zeit etwa 20 Goldmark je Kilo.

Doch auch hier blieb die Forschung nicht stehen, und es begann ein Kapitel, in dem sich die Wege von Hoechst und BASF trennen. Aus den ehemaligen Partnern werden Konkurrenten. Das Problem war folgendes: Beim 2. Heumann’schen Verfahren wird Naphtalin m.H von Salpetersäure zu Phtalsäureanhydrid oxidiert. Nun war Salpetersäure aber sehr teuer und ließ eine technisch rationelle Verwendung nicht zu. Hoechst forschte auf dem Gebiet der Chromsäuren und Chromaten. Allerdings war dies wiederum wirtschaftlich eine Sackgasse, da sich Chromsäuren nicht wirtschaftlich aus Chromlaugen herstellen ließen. Hoechst schloss mit einem Energielieferant einen Vertrag zur Lieferung von günstigem Strom ab, da sie mit Hilfe der Elektrolyse eine wirtschaftliche Methode gefunden hatten. Unterdessen versuchte es BASF mit rauchender Schwefelsäure. Am Anfang allerdings mit wenig zufriedenstellenden Resultaten.

Doch wie überall steckt auch hier der Teufel im Detail. Einem der größten Zufälle der Chemie ist es zu verdanken, dass, das Verfahren doch noch ein Erfolg wurde. Einem Chemiker zerbrach beim Experimentieren das Thermometer und das Quecksilber floss in das Reaktionsgefaß. Als er die Lösung anschließend untersuchte, stellte er fest, dass die Oxidation gelungen war. Quecksilber stellte sich als ein hervorragender Katalysator für diese Reaktion heraus. Endlich hatte die BASF ein wirtschaftliches Verfahren gefunden, um preisgünstigen Indigo herzustellen. Der darauf entbrannte Konkurrenzkampf mit Hoechst drückte in den darauffolgenden Jahren den Preis für synthetischen Indigo auf 7 Goldmark je Kilo.

5.0 Der Purpur

Er ist zwar nicht blau, sollte aber in dieser Belegarbeit unbedingt Erwähnung finden, da seine chemische Struktur eng mit dem Indigo verwandt ist. Aus diesem Grund bezeichnet man diese Farbstoffe auch als indigoide Farbstoffe (siehe Anlage 11).

Einer Sage nach soll der Hund eines Phönizischen Schäfers am Strand mit einer Schnecke gespielt und diese anschließend zerbissen haben. Als der Schäfer seinen Hund nach einiger Zeit fand, bemerkte dieser, dass seine Schnauze rot gefärbt war. Der Schäfer dachte, es sei Blut und wischte dem Hund das vermeintliche Blut aus der Schnauze. Doch schließlich bemerkte er, dass es kein Blut war und der Stoff färbende Eigenschaften besaß. In den darauffolgenden Jahren Entwickelte sich eine regelrechte „Purpurindustrie“. Eine der bedeutendsten Zentren dieser Industrie war die Stadt Tyrus.

Um nun Textilien mit Purpur zu färben wurden die Purpurschnecken der Art Murex brandaris und Murex trunculus verwendet (siehe Anlage 14). Diese gehören zur Art der Vorderkiemer und sondern in ihrer Atemhöhle einen farblosen Schleim ab, der unter Licht- und Sauerstoffeinwirkung zum Purpur oxidiert. Natürlich ist die Ausbeute, die solch eine Schnecke liefert, verschwindend gering, so das für 1,4 g reinen Purpur eine Menge von 12000 Schnecken nötig ist. Um den Farbstoff zu gewinnen, wurden die Schnecken an der Küste gesammelt und getötet. Großen Schnecken wurden gleich die Schleimdrüsen mit samt der Atemhöhle herausgerissen. Kleinere wurden in die Stadt gebracht wo man sie von ihrer Schale befreite und in Salz einlegte. Wenn sie drei Tage in Salz gelegen hatten, kamen sie in einen Kessel, in welchem sie mit Wasser zehn Tage lang gekocht wurden bis nur noch 1/16 der ursprünglichen Masse übrig blieb. Nun ist es auch verständlich, warum Purpur zu den teuersten Farbstoffen überhaupt zählt. Zu seiner Zeit ist er mit Gold aufgewogen wurden, und war durchaus als Zahlungsmittel akzeptiert. Dazu kommt dass die Purpurfärberei ein äußerst unangenehmes Geschäft war. „In Tyrus, einem Zentrum der Purpurgewinnung, soll es damals ganz erbärmlich gestunken haben. Es hat also auch schon im Altertum durch handwerkliche Produktion massive Umweltprobleme gegeben“9'.

Chemisch gesehen ist Purpur ein Derivat des Indigo mit der Summenformel 6,6-Dibrom-Indigo. Mann versuchte den sündhaft teuren Naturstoff durch ein billiges Syntheseprodukt zu ersetzen. Paul Friedländer stellte 1909 1,4 g Naturpurpur her und fand die Strukturformel des Purpurs. Als es endlich soweit war und ihm die Ergebnisse seiner Untersuchungen Vorlagen, war er aus zwei Gründen sehr überrascht: 1. Eine Bromverbindung ist für einen Naturstoff sehr ungewöhnlich und 2. die Stellen, an denen die Bromatome sitzen, widersprechen den Substitutionsregeln. Genau aus diesem Grund ist eine technische Herstellung sinnlos, da der Synthesestoff kaum billiger wäre als das Naturprodukt. Es ist heutzutage möglich, Purpur synthetisch aus 4-Methyl-3-nitrophenamin, welches bei der Nitrierung von p-Toluidin entsteht, herzustellen. Dieses wird am Amin diazotiert und anschließend durch eine Sandmeyer-Reaktion unter Katalyse von Kupfer(I)-Ionen bromiert. Das erhaltene Produkt wird an der Methylgruppe durch Chrom(VI)oxid und Essigsäureanhydrid zum Aldehyd oxidiert. Im letzten Schritt entsteht in wässrigem Aceton unter Zugabe von Natriumhydroxid 6,6-dibromindigo (siehe Anlage 15). Heute kostet ein Gramm reinster Purpur 240 €. Deshalb er kaum noch verwendet, außer bei der Restaurierung alter Skulpturen und Bilder.

6.0 Wirtschaftliche Bedeutung des Indigo

Bevor ich auf die wirtschaftliche Bedeutung eingehen kann, muss zuvor noch geklärt werden, wie früher und heute der Wert des Indigo bestimmt wurde. Früher wie heute versuchten natürlich die Indigoproduzenten sich einen höheren Gewinn zu verschaffen, indem sie den Indigo mit anderen Beimengungen, wie Indigorot oder Indigobraun, streckten. Diese Beimengen beinsträchtigen in nicht zu vernachlässigendem Maße die Qualität der Färbungen.

Bei den ersten Methoden wurde der Indigo durch Oxidation in farbloses Isatin überführt, und anschließend in Wasser gelöst. Der im Wasser vorhandene Sauerstoff oxidiert das Isatin zu Indigo. Durch die Intensivität der Färbung kann der Reinheitsgrad einigermaßen genau bestimmt werden. Eine weitere Möglichkeit, die von einem Wissenschaftler namens Stein gefunden worden ist, beinhaltet, dass Indigo m.H. von Teeröl extrahiert und anschließend mit Ether das Indigoblau herausgelöst und gewogen wird. Wesentlich einfacher, wenn auch nicht so genau, ist das Probefärben eines Stoffes und anschließendem Vergleich mit einer Probe eines, mit reinstem Indigo gefärbten Stoffes. Zweifellos ist hier ein gutes und geschultes Auge unabdingbar. Eine der genauesten Methoden der Wertbestimmung des Indigo ist die Colorimetrische Prüfung. Dazu werden in ein Colorimeter, in seiner einfachsten Konfiguration besteht das Colorimeter aus zwei Glaszylindern, die mit je einem Ablaufhahn versehen sind und auf einem Gestell befestigt werden, zwei Indigolösungen eingefüllt, die Normalindigolösung und die zu untersuchende Lösung. Nun wird solange verdünnt, bis die Farbintensität angeglichen ist. Aus dem Unterschied der Volumina lässt sich nun ebenfalls der Indigogehalt berechnen. Auf der Tatsache, das Licht beim durchqueren von farbigen Flüssigkeiten an Intensität verliert, beruht die letzte und genaueste Colorimetrische Prüfvariante. Durch ein Gerät (siehe Anlage 17) werden Lichtstrahlen geleitet und diese durch ein Prisma auf einen Schirm gelenkt. Nun kann wiederum durch Verdünnen die Lichtintensität variiert werden, bis sie bei Beiden gleich ist. Aus dem Verhältnis der beiden Volumina lässt sich nun wiederum der Indigogehalt berechnen.

Um zum wirtschaftlichen Aspekt zurückzukommen: Indigo spielte im Altertum eine große Rolle, da er als einer der lichtechtesten Farben überhaupt galt. Die Geschichte der Indigofärbung ist schon fast so alt wie die Menschheit selbst. Man hat Überreste von indigogefärbten Stoffen in Pharaonengräbem gefunden. Trotz seiner relativ einfachen Verarbeitung blieb er größtenteils der Oberschicht Vorbehalten. Was beeindruckend ist, ist das sich die Indigofärbung auf vielen Kontinenten unterschiedlich entwickelt hat. Jedes Volk hat auf andere Weise die Kunst des Färbens zu seiner Blüte gebracht. Die Ägypter, die Assyrer, die Inkas sowie die Germanen haben völlig isoliert voneinander diese Technik der Einfärbung ihrer Kleidung für sich entdeckt und entwickelt. Für viele Völker ist ein solch gefärbter Stoff etwas ganz besonderes. Besonders die Tuareg, ein Reitervolk aus der Sahara, ist bekannt für ihre Blaue Kleidung, die so mit Indigo übersättigt ist, dass sie einen metallischen Glanz erhält. Die überschüssige auf der Haut abgeriebene Farbe wird als Make-Up geschätzt. Aber auch Eingeborenen-Stämme im tiefsten Dschungel wissen, wie Kleidung mit Naturfarben gefärbt wird. „Selbst bei äußerster Anspruchslosigkeit wird zumindest auf ein Stück indigogefärbten Tuches[...], Wert gelegt“31. Doch kommen wir nun vom Altertum in die Neuzeit. Als nun endlich eine Synthese für Indigo gefunden war gingen die Importe für natürlichen Indigo allmählich zurück (siehe Anlage 22) Bengalen- und Javaindigo verschwand aus der Wirtschaft. Von nun an begann Deutschland sogar Indigo zu exportieren. Einen Wiederaufschwung erlebte der Indigo während des ersten Weltkrieges, da Deutschland und die Schweiz die einzigen Länder waren, die synthetischen Indigo herstellten. Heutzutage wird in kleinem Maßstab wieder Indigo angebaut. 100 g kosten 13,80 €, Die Entdeckung neuer, beständigerer Farbstoffe machte die geringe Abriebbeständigkeit besonders deutlich, die man früher als selbstverständlich hingenommen hatte. Ein „Comeback“ erlebte der Indigo, als ein zwanzigjähriger Kaufmann aus Bayern, Levi Strauss, nach San Francisco auswanderte, um für die Goldgräber strapazierfähige Kleidung zu entwerfen, die mit Indigo gefärbt wurden. Der Name dieser Kleidung ist allen wohl bekannt, es handelt sich um die heute viel getragene Jeans. Ende der 70er setzte ein regelrechter Jeansboom ein, da Jeans gut zur neuen Lebenseinstellung der Leute passte. Ein nicht ganz perfekter Farbstoff für nicht ganz perfekte Leute. Heute ist die Bedeutung von Indigo nicht mehr ganz so hoch, da er hauptsächlich nur noch zum Färben von Jeans verwendet wird.

Nachwort

In seiner langen Entwicklungsgeschichte waren die Menschen immer wieder bestrebt, ihre Umwelt zu verstehen. Sei es z.B. der Einschlag eines Blitzes oder das entstehen von Farben. Farben üben seit je her einen ungeheuren Reiz auf uns aus. Der Indigo gehört zu diesen „Reizauslösem“. Worin mag der Reiz des Indigo nun genau liegen? Zum einen in der Unfasslichkeit: Indigo gibt seine färbenden Eigenschaften erst nach einer Behandlung durch den Menschen preis. Die Herausforderung, die Natur sich mit Hilfe der Technik zu erschließen, machte auch vor diesem beeindruckenden Stoff nicht halt. Wenn wir einem Wissenschaftler den Auftrag geben würden, mit den Grundelementen der Natur also im wesentlichen Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Schwefel einen der lichtechtesten Farbstoffe zu entwickeln, würde er zwangsläufig zu Indigo gelangen. Wenn wir gezwungen wären im Temperaturbereich von 0 °C bis 40°C im neutralen wässrigen Milieu und unter Normaldruck zu arbeiten, also wie die Natur es tut, wir hätten vermutlich nicht die Hälfte von dem, was wir heute hätten. So gleicht die Indigosynthese in einer Alkalischmelze eher den Bedingungen im innersten eines Vulkans als dem zarten Saftfluss einer Pflanze.

Quellenverzeichnis

1 ) Seefelder, Matthias, Indigo, S. 31 f
2) Meyer, Ute, Farbstoffe aus der Natur, S. 40
3) Seefelder, Matthias, Indigo, S. 50
4) Seefelder, Matthias, Indigo, S. 72
5) Seefelder, Matthias, Indigo, S. 65

Literaturverzeichnis

Bücher:

Fierz, David, Hans, Eduard, Blangey, Louis, Grundlegende Operationen der Farbenchemie. 7. Auflage Springer Wien 1947

Georgievics, Georg von, Der Indigo. Vom praktischen und theoretischen Standpunkt. Deuticke Leipzig/Wien 1892

Meyer, Ute, Farbstoffe aus der Natur. Geschichte und Wiederentdeckung. Die Werkstatt Göttingen 1997

Müller, Wolfgang, Winfried R., Pötsch, Vom Königspurpur zum Jeansblau. 1. Auflage Urania­Verlag Leipzig/Jena/Berlin 1983

Müller, Wolfgang, Handbuch der Farbenchemie. Grundlagen, Technik, Anwendung, ecomed Landsberg am Lech

Seefelder, Matthias, Indigo. BASF Aktiengesellschaft Ludwigshafen am Rhein 1982

Römpp, Herrmann, Falbe, Jürgen, Römpp-Lexikon Chemie. 9. Auflage Thieme Stuttgart/New York 1999

Software:

Microsoft Encarta Enzyklopädie 2000 Intemetquellen:

www.seilnacht.tuttlingen.com/Lexikon. 12.05.2002 www.dutlv.ch/indigohtrnl/indigoLhtml. 06.06.2002 www,kremer-pigmente.de. 29.05.2002

www.omikron-onIine.de/cvberchem/cheminfo/narnensrk/sandmev.htm. 02.06.2002

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Indigo und indigoide Farbstoffe
Note
14 Pkt
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V110249
ISBN (eBook)
9783640084241
Dateigröße
2838 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indigo, Farbstoffe
Arbeit zitieren
Herbert Grönemaier (Autor:in), 2003, Indigo und indigoide Farbstoffe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110249

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