Migration - in die Armut? Eine sozial- und integrationspolitische Betrachtung.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

38 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Zuwanderung und die Debatte in Deutschland

2. Hauptteil: Armut und Migration in Deutschland
2.1. Allgemeines
2.1.1. Armutsbegriff
2.1.2. Geschichte der Einwanderung in Deutschland
2.2. Beschreibung der Lage von Migranten in Deutschland
2.2.1. Allgemein
2.2.2. Gruppenspezifisch
2.2.3. Die besondere Situation von Kindern
2.3. Ausgrenzung als Armutsursache
2.3.1. Diskriminierung und öffentliche Wahrnehmung
2.3.2. Prozesse der Verarmung
2.3.3. Bildung von Parallelgesellschaften?
2.3.3.1. Gegenseitige Anerkennung und Interaktion
2.3.3.2. Soziale Netzwerke
2.3.3.3. Medien und Politik
2.4. Staatliche Maßnahmen zur Integrationsförderung

3. Schluss: Zusammenfassung, Ausblick, Beurteilung

1. Zuwanderung und die Debatte in Deutschland

Wie viele Autoren hervorheben, ist auch Deutschland ein Land mit einer weit zurück reichenden Migrationsgeschichte, welches auch aktuell durchaus als Einwanderungsland zu betrachten ist. Dafür sprechen nicht nur die Zahlen, sondern auch die Bedeutung, die den Einwanderern für unsere Gesellschaft und für unsere Volkswirtschaft zukommt. Diese resultiert vor allem aus der Ausgleichsfunktion, die Migranten angesichts des demographischen Wandels erfüllen, indem sie diesen durch ihre jüngere Demographie abmildern. Dadurch ermöglichen sie unter anderem auch ein stabiles Wirtschaftswachstum und erhalten die sozialen Sicherungssysteme finanzierbar. (vgl. Hanesch 2001, S.55)

Gerade vor diesem Hintergrund zeigt die recht kontroverse Debatte im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz, dass trotz ihrer Notwendigkeit die Einwanderung in Deutschland auch nachhaltige und längerfristige Probleme verursacht, deren Lösung nicht in unmittelbarer Zukunft zu erwarten ist und nur prozesshaft von statten gehen kann.

Ein Teil dieser Probleme ist rein struktureller Natur. Gemeint sind damit zum Beispiel die zumindest historisch oftmals prekäre Ausgangslage einer Vielzahl von Migranten, aber auch die zahlreichen Vorleistungen die auf ihrem Weg zur vollständigen Eingliederung notwendig sind. Der andere Teil jedoch ist in einem hohen Maße von der öffentlichen Wahrnehmung selbst beeinflusst und verursacht: Dort nämlich, wo Diskriminierung anfängt, eine Eingliederung und Angleichung der Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund an die Gesamtgesellschaft zu behindern oder sogar zu unterbinden.

Diesem Problem liegt häufig eine Überforderung der einheimischen Bevölkerung durch Integration und Bildung einer „multikulturellen Gesellschaft“ zu Grunde. Hierbei legt Hanesch die Vermutung nahe, dass die Rezeptionsbereitschaft der Bevölkerung mit einer sozialverträglichen Lösung der Konkurrenzsituation steige und durch Furcht vor Bildung von Parallelgesellschaften vermindert werde. (Hanesch, S. 55/56)

Vor allem wenn es um das Auffinden sozialverträglicher Lösungen geht, ist die Politik gefragt. Durch den politischen Diskurs, der in der Gesetzgebung mündet, wird Einfluss auf die rechtliche Lage von Migranten und damit auch auf die Barrieren genommen, welchen sie sich auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat gegenüber sehen. Um Konflikte mit der ansässigen Bevölkerung zu vermeiden und um eine möglichst baldige Angleichung der häufig disparaten sozioökonomischen Lagen zu erreichen hat der Staat prinzipiell ein starkes Interesse, die Eingliederung voranzutreiben und möglichst effektiv zu gestalten. Dies auch, zumal ja die Gefahr besteht, dass Migranten die sozialen Sicherungssysteme, welche sie ja langfristig zu bewahren helfen sollen, durch eigene Bedürftigkeit belasten können.

Doch nicht nur dies war Thema der langwierigen Debatte um das jüngste Zuwanderungsgesetz. Die Kontroverse erstreckte sich bis hin zur Frage nach einer Gefährdung der „deutschen Identität“?

Der Schlüsselbegriff für eine sozialverträgliche Annäherung und Angleichung der fremden und der ortsansässigen Bevölkerung ist jedoch vor allem der der Integration. Was bedeutet dies jedoch? Und vor allem: Was kann Integration für die Bekämpfung von Armut und Benachteiligung von Migranten leisten? Diese Fragen sollen uns im Folgenden interessieren.

2. Armut und Migration in Deutschland

2.1. Allgemeines

Um das Thema der Integration und des Armutsrisikos von Migranten adäquat zu fassen, gilt es zunächst die Begriffe zu klären, die eine essentielle Bedeutung für die Chancenzuteilung an Einwanderer im Empfängerland haben, nämlich Integration und Ausgrenzung. Integration ist hierbei zu verstehen als ein „Prozess der verhaltens- und bewusstseinsmäßigen Eingliederung in bzw. Angleichung an Wertstrukturen und Verhaltensmuster“. (Wörterbuch der Soziologie) Gemeint ist also nicht nur eine rein funktionelle Eingliederung in die zentralen Teilsysteme von Staat und Markt sondern auch ein ganzes Bündel psychophysischer Prozesse, die für alle Beteiligten befriedigend verlaufen sollten.

Bremer (2004, S. 260) unterscheidet mit Verweis auf Esser vier Varianten der Integration.

Die Kulturation zunächst meint den Erwerb kognitiver Fähigkeiten, die für eine gesellschaftliche Teilhabe nötig sind. Die Platzierung schließlich ist die Einnahme sozialer Positionen, welche vor allem aus der Stellung in der Hierarchie am Arbeitsmarkt resultieren. Mit Interaktion ist das Knüpfen sozialer Kontakte, die Einbindung in soziale Netzwerke und eine Partizipation in der Öffentlichkeit gemeint. Die Identifikation zuletzt umschreibt die subjektive Verortung innerhalb der Gesellschaft. Zwischen diesen genannten Dimensionen bestehen zudem vielfältige Wechselwirkungen.

Einen der Integration gegenläufigen Prozess umschreibt der Begriff der Ausgrenzung, auf den später noch ausführlicher eingegangen werden soll. Einen Sonderfall der Ausgrenzung stellt gewissermaßen die Segregation dar, die besonders den räumlichen Aspekt hervorhebt. Demzufolge wird sie unter anderem definiert als „isolierte, abgesonderte Lebensweise von Bevölkerungsteilen (Minderheiten) bestimmter ethnischer oder nationaler Herkunft“. (Wörterbuch der Soziologie)

2.1.1. Armutsbegriff

Um Armut zu fassen gibt es mehrere verschiedene Ansätze. In diesem Abschnitt soll nun dargestellt werden, wieso – was das Thema Armut und Migration betrifft – nur der erweiterte Lebenslagenansatz Verwendung finden kann.

Der Begriff der absoluten Armut zunächst umschreibt, „dass es allgemeine Grenzen der Versorgung mit Gütern gibt, ab deren Unterschreitung ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich ist.“ (Sommer 2000, S. 24) Gemeint ist also eine Unterschreitung des physischen Existenzminimums. Wenn man jedoch, wie in unserem Fall, die BRD betrachtet, wird man feststellen, dass absolute Armut hier ein vergleichsweise eher seltenes Phänomen ist. Dies ist auf den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand und die sozialen Sicherungssysteme zurück zu führen. Nichtsdestotrotz nehmen auch in Deutschland die sozialen Ungleichheiten immer weiter zu. So hat der Gini-Koeffizient, welcher die Reichtumsverteilung mittels einer Zahlenspanne zwischen 0 (absolute Gleichverteilung) und 1 (absolute Ungleichverteilung) wiedergibt im Zeitraum von 1998 bis 2003 von 0,396 auf 0,423 zugenommen. (Bundeszentrale für Politische Bildung, Quelle: Armuts- und Reichtumsbericht 2002 und 2004/2005, Stand: 11.2004)

Da somit ein absoluter Armutsbegriff den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht (mehr) gerecht wird, ist man dazu übergegangen, einen relativen Armutsbegriff zu verwenden, welcher den Grad der Versorgung an der Gesamtheit der Gesellschaft misst: „Relativ ist die Armut dann, wenn der Grad der Versorgung mit bestimmten Ressourcen mit gesellschaftlichen Versorgungsstandards verglichen wird.“ (Sommer 2000, S. 25) Doch auch bei der Operationalisierung dieses Armutsbegriffes gibt es bedeutende Unterschiede, da man ihn sowohl auf eine rein materielle Dimension reduzieren, als auch eine umfassendere Betrachtung vornehmen kann. Der aus ersterer Vorgehensweise abgeleitete ökonomische oder materielle Armutsbegriff hat den Vorteil, dass er Armut nach vermeintlich objektiven Aspekten relativ gut fassbar macht. Durch eine derartig einseitige Betrachtung gehen jedoch viele bedeutende Aspekte von Armut verloren: „Ökonomische Armut als eine Form des ungleichen Zugangs zu gesellschaftlichen Ressourcen erweist sich so als nur beschränkte Abbildung aller möglichen Ungleichheitserfahrungen von Sozialhilfeempfängern im Besonderen und Armen im Allgemeinen.“ (Sommer 2000, S. 29) Ganz zu schweigen von unserem Fall der Migranten, welche neben ökonomischen, noch ganz anderen gesellschaftlichen Zugangsbeschränkungen unterliegen können. Diese wirken zusammen und verstärken sich zudem teilweise gegenseitig. Auch subjektive Aspekte der Erfahrung von Armut und unzureichende Befriedigung sozialer Bedürfnisse gewinnen in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Bedeutung.

Trotzdem muss man sich immer bewusst darüber sein, dass „Armutsdefinitionen (...) immer gebunden an bestimmte Vorannahmen derjenigen, die sich mit ihnen auseinandersetzen“, bleiben. (Sommer 2004, S. 35)

2.1.2. Geschichte der Einwanderung in Deutschland

Deutschland ist, was Masseneinwanderung betrifft, ein Land mit einer vergleichsweise eher jungen Tradition. Besonders in jüngerer Vergangenheit, unter anderem in Folge der Weltkriege, haben Wanderungen in einem größeren Ausmaß statt gefunden. Bremer (2004, S. 266-68) stellt die jüngere Einwanderungsentwicklung wie folgt dar. So kamen nach dem Zweiten Weltkrieg 4,7 Mio. Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Gebieten nach Westdeutschland. Bis zum Mauerbau im Jahre 1961 sollten noch einmal 1,8 Mio. „Übersiedler“ aus Ostdeutschland dazu kommen. Ab den 60er Jahren schließlich fand eine Anwerbung von Arbeitskräften, vor allem aus der Türkei, aus Griechenland und Italien statt, zu der seit Ende der 80er Jahre noch eine große Zahl von Spätaussiedlern und Flüchtlingen aus vielen Krisenregionen Welt kam.

Das Ziel aller Beteiligten der Arbeitsmigration der 60er Jahre war zunächst ein zeitlich befristeter Aufenthalt. Als aber 1973 der Anwerbestopp verhängt wurde, gestalteten sich seine Folgen anders als beabsichtigt: Bei den Migranten kam zunehmend Verunsicherung auf. Da die meisten über keinen verfestigten Aufenthalsstatus verfügten, wäre dieser bei vielen mit einem längeren Aufenthalt bei ihren Familien im Herkunftsland nicht vereinbar gewesen. Statt also wieder in ihre Heimatländer zu ziehen, zogen viele es vor ihre Familien nachzuholen, um ihre Aufenthaltsberechtigung nicht aufs Spiel setzen zu müssen. So führte der Anwerbestopp letztendlich zu einem Zuzug.

Letztendlich noch problematischer stellte und stellt sich die Situation der Asylbewerber dar, die zugewiesene Unterkünfte erhalten, einem Arbeitsverbot unterliegen und Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, das noch unter dem Sozialhilfeniveau liegt. Zudem werden sie durch die langen Verfahren, welche ihre Anträge durchlaufen, belastet.

2.2. Beschreibung der Lage von Migranten in Deutschland

Bei einer Beschreibung der Lage von Migranten in Deutschland, sind Aussagen zu Integrations- und Ausgrenzungsprozessen Bremer (2004) zu folge am fundiertesten an Hand der Gruppe der „Gastarbeiter“ möglich: Sie stellen die größte Gruppe und die Zukunftsperspektiven der 2. Generation sind auf BRD gerichtet. (Obwohl nach Übergriffen und dem zum Teil ausländerfeindlichen Diskurs die Rückkehrorientierung wieder zugenommen hat.) (Bremer 2004, S. 268)

Generell ist oftmals festzustellen, dass sich Migranten bis zu einem gewissen Grade einer Art „Rückkehrillusion“ hingeben. Dies bedeutet, dass der Gedanke an eine Rückkehr in ihre Heimatländer häufig noch bei ihnen präsent ist und als Option wahrgenommen wird. Ein Grund hierfür ist unter anderem die Statusunsicherheit, mit der sich Migranten während ihres Aufenthalts in der BRD konfrontiert sahen und sehen.

Obwohl nicht ohne weiteres verallgemeinerbar, legt sich doch die Vermutung nahe, dass die Mehrzahl der Migranten, die sich in der BRD niedergelassen haben, bereits in ihren Heimatländern unter vergleichsweise schlechten Ausgangsbedingungen lebte. Daraus resultiert das Dilemma, dass durch diese schlechten Ausgangsbedingungen höhere relative Unterschiede bereits „mitgebracht“ werden, und sich selbst und gegenseitig verstärkende Ausgrenzungs- und damit Verarmungsprozesse nach sich ziehen. Hierzu wäre auch das Stichwort „Wirtschaftsflüchtlinge“, welches dieses Phänomen negativ besetzt und auch im öffentlichen Diskurs um Migranten und Migrantinnen öfter zu hören war.

Seifert erkennt zwar richtig, dass „Migration nicht per se als ein Armutsrisiko angesehen werden“ muss, da Migration in allen gesellschaftlichen Schichten stattfinde. Dies resultiere auch aus einer Internationalisierung der oberen Segmente des Arbeitsmarktes im Zuge der Globalisierung. Allerdings muss er auch zugeben, dass „diese Gruppe (…) noch vergleichsweise klein“ ist. (Seifert 2001, S. 201)

In diesem Zusammenhang ist den politischen Akteuren generell zu unterstellen, dass sie nach Möglichkeit den Anteil derjenigen Zuwanderer begrenzen wollen, bei denen sie eine erhöhte Gefahr einer Belastung der sozialen Sicherungssysteme erkennen. Auch die Anträge auf Asyl werden unter einem großen bürokratischen Aufwand akribisch geprüft. Dies deshalb, da man zwar humanitäre Aspekte in den Vordergrund stellen, aber nichtsdestotrotz die Zahl der statt gegebenen Anträge möglichst gering halten will.

Was die Integrations- und Ausgrenzungsprozesse, denen sich bereits hier lebende Migranten unterworfen sehen, betrifft, so gilt, dass vor allem die Freiwilligkeit der Zuwanderung, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Arbeitsmarktsituation über den Verlauf entscheiden.

So führte beispielsweise die Unfreiwilligkeit der Zuwanderung in der direkten Nachkriegszeit zu einer starken Orientierung an der alten Heimat. Im Gegenzug dazu aber wurde die Integration durch sofortige Erteilung der Staatsbürgerschaft stark erleichtert. (Bremer 2004, S. 266)

2.2.1. Allgemein

Für eine allgemeine Beschreibung der Lage von Migranten in Deutschland habe ich zunächst die drei großen Bereiche Bildung, Arbeit und Wohnen herausgegriffen, da über sie bereits ein erhebliches Maß an Integration erfolgen kann, wenn denn eine erfolgreiche Eingliederung in sie gelingen sollte.

Bildungs- und Ausbildungssituation

Das Bildungssystem besitzt eine herausragende Bedeutung für die künftige Erwerbs- und Lebensbiographie. Doch das Zusammenspiel zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt hat sich inzwischen verändert: Während also in den 50er/ 60er Jahren auch ohne einen Schulabschluss Aussicht auf eine dauerhafte, wenn auch belastende Tätigkeit bestand, sind heute Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigung die Folge. Das Bildungssystem legt also heute gewissermaßen fest, ob jemand überhaupt Zugang zum Arbeitsmarkt erhält. (Bremer 2004, S. 273) Da sich Migranten bei uns ohnehin am unteren Ende der gesellschaftlichen Bildungs- und Beschäftigungshierarchie befinden, entstehen dadurch Probleme.

Vor allem die Kinder der Anfang der 70er Jahre angeworbenen Arbeitsmigranten der ersten Generation waren Seifert (2001) zu folge davon betroffen. Dies resultiert zum einen aus dem auch für ihr Heimatland niedrigen Bildungsniveau der Eltern (welches ja den Qualifikationsanforderungen der gezielten Anwerbung entsprach), da sich „auch bei deutschen Kindern (…) ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft der Eltern und dem Bildungsgrad der Kinder“ zeigt. (Seifert 2001, S. 211) Weitaus wichtiger sind jedoch die Sprachbarrieren, die es zu überwinden galt, zumal auch das deutsche Bildungssystem kaum auf ausländische Kinder ohne Sprachkenntnisse vorbereitet war. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass ja eine Niederlassung der Arbeitsmigranten ursprünglich nicht vorgesehen war. Auch die Eltern konnten oftmals ihren Nachwuchs bei der Bewältigung der Anforderungen kaum unterstützen.

Weitere Faktoren, die mitunter eine Rolle spielen können nennen Janssen und Polat (2006): Die Unkenntnis der Eltern, sowohl in Bezug auf das deutsche Bildungssystem, als auch auf die Relevanz von Abschlüssen, und eine oftmals verhältnismäßig frühe Heirat, die einen längeren Bildungsweg ausschließt.

Diese strukturelle Benachteiligung in Bezug auf Bildung lässt sich auch an Hand entsprechender Zahlen verdeutlichen. 1997 hatten 42,7 % aller ausländischen Schulabgänger einen Hauptschulabschluss (Deutsche 22,7 %). Zur Hochschulreife waren nur 9,8 % aller ausländischen Schulabgänger gelangt (Deutsche 23,7 %). Dazu kommt ein nach wie vor hoher Anteil an Sonderschülern und Abgängern ohne Abschluss, was in den 90er Jahren bei Ausländern knapp dreimal so häufig wie bei Deutschen der Fall war. Generell besuchen Ausländer wesentlich seltener weiterführender Schulen nach Beendigung der Schulpflicht. Die Folge davon ist eine weit unterdurchschnittliche Quote universitärer Bildung. Zwar kann man auch bei ausländischen Schülern einen Trend zu höheren Schulabschlüssen beobachten. Die Differenz zu deutschen Schulabgängern hat sich aber kaum verkleinert. In den 90er Jahren stagnierte dieser Trend zudem. (Bremer 2004, S. 272) Ein etwas optimistischeres Bild gibt Seifert (2001, S. 212) wieder, indem er hervorhebt, dass sich die Zahl der jungen Ausländer mit Realschulabschluss im Zeitraum von 1985-1997 von 19,0 % auf 28,1 % und die der Abiturienten im selben Zeitraum von 5,6 % auf 10,0 % gesteigert hat. Er nennt den Migrations-, Bildungs- und Sozialhintergrund der Eltern prägend für die Bildungsstruktur der zweiten Generation, mit entsprechenden Implikationen für das Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko. Deshalb stellt die Tatsache, dass bereits 22,5 % der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler 2005 einen Migrationhintergrund hatten (PISA 2005, aus „Aus Politik u. Zeitgeschichte“, 2 .Jan. 2006)

Was die Situation im Ausbildungsbereich betrifft, hat sich die Situation bis Mitte der 90er Jahre zunächst verbessert, danach fand jedoch eine Trendumkehr statt. Seit 1996 ist die Zahl ausländischer Auszubildender (im Gegensatz zu den deutschen) gesunken. Auch hier fungieren Bremer (2004) zu folge Ausländer als Ausgleichsmasse für konjunkturelle Schwankungen – ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt. Er legt die Vermutung nahe, dass ausländische Schüler zu einem hohen Anteil als die Arbeitslosen von morgen gelten können, da die Arbeitsmarktkrise die Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen ungleich zu Lasten ohnehin benachteiligter Bevölkerungsgruppen verteilt habe (v. a. ausländische Jugendliche bei denen auch familiär bedingt ein geringeres Qualifikationsinteresse besteht). (Bremer 2004, S. 273)

Bei neu ankommenden Migranten stellt es überhauptl ein großes Problem dar, dass sie eine Abwertung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten erfahren. (siehe auch Seifert 2001, S. 202) Dies kann mehrere Gründe haben: Zum einen sind Ausländer oft durch Sprachbarrieren gehindert, ihre Kenntnisse in Wert zu setzen. Oft fehlt aber auch die formal-rechtliche Anerkennung bestimmter Qualifikationen, wie z. B. bei Schulabschlüssen, wenn diese nur schwer im deutschen Bildungssystem verortet werden können. Auch berufliche Qualifikationen entsprechen oft nicht deutschen Standards. Meist ist aber nur die Unwissenheit von Arbeitgebern oder mangelnde Regelungsdichte der Grund für die Nicht-Anerkennung. Auch der Staat hat dieses Defizit bereits erkannt und bemüht sich sukzessive Abhilfe zu schaffen.

Einen weiteren Faktor stellt natürlich auch die Diskriminierung dar, da bei gleichem Qualifikationsniveau oft einem deutschen Bewerber der Vorzug gegeben wird. Das Ausmaß der Effekte von Diskriminierung lässt sich jedoch hier, wie auch in anderen Bereichen, kaum quantifizieren.

Arbeitsmarkt- und Einkommenssituation

Was die Situation von Migranten und Migrantinnen betrifft, entsteht ein negativer Effekt auf ihre Situation im Spiegel des ökonomischen Wandels, dessen Auswirkungen wir aktuell spüren: Die meisten Gastarbeiter wurden nämlich gezielt für Tätigkeiten im industriellen Sektor angeworben. Sie waren demzufolge meist jung und niedrig qualifiziert. Dem ökonomischen Strukturwandel in Folge der Modernisierung und Rationalisierung fielen jedoch vornehmlich Arbeitsplätze aus diesem Bereich zum Opfer.

Anders jedoch als die Gastarbeiter der ersten Generation trifft die 2. u. 3. auf einen kaum aufnahmefähigen Arbeitsmarkt, der gerade weniger qualifizierte weniger nachfragt. (Bremer 2004, S. 273)

Die Arbeitseinkommen ausländischer Erwerbstätiger sind deutlich niedriger als bei deutschen. Von 1984-97 sind die Unterschiede gewachsen und die Einkommensschere hat sich weiter geöffnet. Der Grund dafür ist, dass der Anteil der Erwerbstätigen, die zu den Niedrigverdienern zählen, bei den Ausländern (im Gegensatz zu den Deutschen) gestiegen ist.

Im Schnitt steigen mehr Deutsche, was ihr Einkommen betrifft, auf als ab. Bei Ausländern verhält es sich jedoch umgekehrt. Auch das Netto-Äquivalenzeineinkommen ist zwischen 1985 und 1995 bei Deutschen stärker angestiegen.

Wenn Ausländer von Armut betroffen sind, erhalten sie – da sie ja vornehmlich in niedrigeren Lohngruppen zu finden sind – entsprechend geringere Transferleistungen bei Arbeitslosigkeit. Außerdem sind sie im Schnitt häufiger arbeitslos. (Bremer 2004, S. 274)

Nach Bremer (2004) kann man davon ausgehen, dass die Armut von Ausländern größere Ausmaße als die von Deutschen annimmt: Ausländer sind zwei bis dreimal häufiger betroffen als Deutsche, darunter v. a. Türken und größere Familien überdurchschnittlich oft. Zudem ist auch die verdeckte Armut wahrscheinlich höher, da die rechtlichen Rahmenbedingungen häufig zu einer Nicht-Inanspruchnahme von Sozialhilfe führen. (Bremer, S. 275)

Zwischen 1985 und 1995 hat sich die Situation für Deutsche auf die verschiedenen Armutskategorien bezogen verbessert, die für Ausländer verschlechtert. Auch ist zwischen 1991 und 1995 der Anteil der verdeckt Armen im Gegensatz zu dem bei Deutschen gestiegen.

Ausländer sind häufiger und längerer arm: jeder Fünfte war zwischen 1984 und 1992 fünf Jahre oder länger arm (bei Deutschen jeder Fünfzehnte).

Diese Auseinanderbewegung der Haushalts- und Arbeitseinkommen bleibt nach Bremer (2004) nicht ohne Folgen für andere Lebensbereiche.

Situation auf dem Wohnungsmarkt

Auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist von besonderem Interesse, nicht nur deshalb, da auch über den Wohnstandort in einem hohen Maße Eingliederung erfolgen kann, sondern auch, da über ihn Segregation stattfinden kann. Auch ist er vermutlich einer der Bereiche, in denen Migrantinnen und Migranten mit auf die höchste Diskriminierungsrate bei den Anbietern treffen.

Bremer u. Gestring (2004) zu folge ist es hier besonders wichtig, auch die Prozesse zu betrachten, die zu einer Ausgrenzung führen, wobei sich die Wohnsituation von Migranten verschlechtert oder sie sukzessive in schlechtere Wohnungsmarktsegmente abgedrängt werden. (S. 276) Auf Daten des SOEP gestützt kommen sie zu dem Schluss, dass Migrantinnen und Migranten im Allgemeinen kleinere, schlechter ausgestattete Wohnungen besitzen. Dabei genießen sie eine geringere Wohnsicherheit, besitzen ein eher ungünstiges Wohnumfeld und zahlen überproportional hohe Mieten.

Was die Wohndichte betrifft (gemessen an Hand der Wohnfläche und Zahl der Räume) haben sich die Unterschiede zwischen In- und Ausländern im Zeitraum von 1984-89 vergrößert. Bremer und Gestring (2004, S. 276) vermuten, dass das sinken der Wohnfläche bei Ausländern (im Gegensatz zu Deutschen) in diesem Zeitraum, vermutlich durch nachziehende Familienangehörige verursacht wurde. Die durchschnittliche Wohnfläche ausländischer Haushalte betrug 1995 pro Person 24,8 qm und einen Raum (Deutsche 41,8 qm und 1,6 Räume). Mitte 90er Jahre galten 35 % der ausländischen und 12 % der deutschen Haushalte als unterversorgt (< 1 Raum pro Person).

Bei der Wohnungsausstattung war zwar keine Verschlechterung zu verzeichnen, aber nach wie vor ein erheblicher Abstand. Mitte 90er Jahre lebten 90 % der Deutschen, aber nur 75 % der Ausländer mit Zentralheizung.

Bei der Mietbelastung (Anteil der Miete am Haushaltseinkommen) waren 1995 keine nennenswerten Unterschiede feststellbar. Sie betrug ca. 25 %. Die Bruttokaltmiete in Haushalten nicht deutscher lag bei 10,30 DM (9,90 DM bei Deutschen).

Als Grund für diese geringfügig höhere Belastung bei schlechterer Ausstattung vermuten Bremer und Gestring „Ausländerzuschläge“. (2004, S. 277)

Was die Wohnsicherheit betrifft, so existiert keine Statistik über die Bedingungen der Mietverträge. So kann nur das Wohneigentum als Indikator dafür herangezogen werden. Man kann einen Anstieg der Wohneigentümer von 2,3 % (1980) auf 8,8 % (1998) feststellen. 1995 lebten 60 % der Bundesbürger, aber 90 % Ausländer in Mietwohnungen (das heißt ohne den sozialen Wohnungsbau lebten knapp 70 % in weniger geschützten Beständen).

Zum Wohnumfeld ist zu sagen, dass sich über 50 % der ausländischen Haushalte in Großstädten befinden, was häufig höhere Umweltbelastungen, schlechtere Bausubstanz, unattraktive Bauformen und andere Nachteile mit sich bringen kann.

In Großwohnsiedlungen und innerstädtischen Altbauquartieren ist der Ausländeranteil in den letzten Jahren am stärksten gestiegen.

Als Ursachen für die insgesamt schlechtere Wohnsituation von Migrantinnen und Migranten können Besonderheiten der Nachfrage, Wohnungsmarktstrukturen und Diskriminierung gelten. Mit eine Rolle spielt die Schichtzugehörigkeit: Migranten gehören häufiger der Unterschicht an, sind häufiger arbeitslos, haben unsicherere Arbeitsplätze und niedrigere Haushaltseinkommen als die deutsche Vergleichsgruppe.

(Bremer und Gestring 2004, S. 277/278)

Bremer und Gestring jedoch weisen darauf hin, dass ein Vergleich von Haushalten unterschiedlicher Herkunft und gleichen Einkommen eigentlich angemessener, da aufschlussreicher wäre. Die Wohnungen von Migranten bieten allgemein nur eine erheblich schlechtere Ausstattung, aber Ausländer sind darauf angewiesen, da ihnen bessere (auch bei ausreichend Geld) nicht zugänglich sind. Der Anteil diskriminierender Praktiken kann auch hierbei nicht beziffert werden. Als andere Gründe, die ebenfalls eine Rolle spielen nennen Bremer und Gestring die Familiengröße, die Wohndauer, den Informationszugang zum Wohnungsmarkt, und – nach wie vor ein großes Problem - die Unsicherheit über das Bleiberecht.

Der Anteil der schon länger in einer Wohnung wohnenden ist unter Migranten allgemein niedriger, der derer, die ihre Wohnung kürzlich wechselten oder gerade auf der Suche sind, höher. Nicht zu letzt deshalb bewegen sie sich im teuersten Bereich ihres Marktsegments.

Ein weiterer Gründ ist, dass es ihnen nur beschränkt möglich ist, die üblichen Informationskanäle zu nutzen. Sie sind in einem noch höheren Maße als die deutsche Unterschicht in diesem Bereich von ihren sozialen Netzwerken abhängig. (Bremer und Gestring 2004, S. 279)

Das oftmals herangezogene Argument einer bewussten Suche nach billigen Wohnungen, um Geldtransfers in die Heimatländer vornehmen zu können, kann nach Bremer und Gestring (2004) als überholt angesehen werden, da mit zunehmender Verweildauer auch die Unzufriedenheit mit den Wohnbedingungen zunimmt. Es kommt zu einer Anpassung an die Standards der Umwelt (v. a. ab der 2. Generation). Es gibt zwar kaum Untersuchungen zu den subjektiven Wohnansprüchen aber tendenziell zielen sie wie die der Deutschen vermutlich auf ein großzügiges, gut ausgestattetes Eigenheim ab.

Kulturelle Besonderheiten können zwar geltend gemacht werden, aber eine subjektive Orientierung kann die bestehenden Unterschiede nicht erklären. (Bremer und Gestring 2004)

2.2.2. Gruppenspezifisch

Wenn man sich mit Migranten und Migrantinnen und deren Armutsrisiken beschäftigt, so muss man sich immer vor Augen führen, dass es sich bei ihnen um eine überaus heterogene Gruppe handelt, die im Grunde nur durch die negativ formulierte Definition „von außerhalb eines Staatsgebildes kommend“ zusammengefasst wird.

Für eine nähere Beschreibung und Charakterisierung ist jedoch eine Eingrenzung anhand weiterer Kriterien unbedingt notwendig. Dies kann zum Beispiel das Alter sein oder, wie im Falle von Migranten besonders nahe liegend, das Herkunftsland. Auch eine Differenzierung nach rechtlichem Status könnte sich als aufschlussreich erweisen.

Alter

Wenn man das Alter in den Mittelpunkt der Betrachtung von besonderen Armutsrisiken von Migrantinnen und Migranten stellt, so geht es hierbei darum, zusätzlich auf die Risiken hinzuweisen, die ohnehin mit bestimmten Lebensabschnitten verbunden sind. Vor einem Migrationshintergrund können sie nämlich zusätzlich spezifische Ausprägungsformen erlangen. Im Zentrum einer Betrachtung könnte hierbei die Gruppe der älteren Migranten oder die der Jugendlichen stehen. Die Situation von Kindern soll exemplarisch später genauer herausgearbeitet werden.

Herkunftsland

Dieses weitere wichtige Unterscheidungskriterium richtet das Augenmerk auf die Besonderheiten, welche oft bereits durch die Vorbedingungen in den Heimatländern von Migrantinnen und Migranten verursacht sind. Hier tritt das Problem auf, dass die Datenlage eher dürftig ist und zudem über bestimmte Gruppen auf Grund der geringen Fallzahlen keine Aussagen möglich sind. Des Weiteren sind meist keine besonders differenzierenden Aussagen möglich. Sie beschränken sich im Wesentlichen meist auf die Einkommens- bzw. Erwerbssituation und die Bildungssituation. Was die wegen der begrenzten Fallzahlen nur wenigen Gruppen betrifft, so existieren dabei sehr große Unterschiede, wodurch man erkennen kann, dass nicht die Gesamtgruppe von einer prekären Einkommenslage oder Armut betroffen ist. Einkommensunterschiede ergeben sich v. a. dann, wenn man neben den verfügbaren Haushaltseinkommen auch die Größe und Struktur der Haushalte berücksichtigt und die so genannten Nettoäquivalenzeinkommen gegenüber stellt. (Hanesch 2001, S. 60)

1998 betrug das Nettoäquivalenzeinkommen bei ausländischen Migranten 1587 DM gegenüber 2074 DM bei deutschen Migranten und 2174 DM bei Nicht-Migranten.

Armuts- und Niedrigeinkommensquoten fallen gruppenspezifisch höchst unterschiedlich aus. Die Armutsquote für ausländische Migranten insgesamt lag 1998 bei über 20 %, die Niedrigeinkommensquote bei 63,8 %.

Türkische Migranten waren sehr hohe Armutsrisiken ausgesetzt. Von den über 2 Mio. Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit, die 1998 in den alten Bundesländern lebten, litten 27,9 % an Einkommensarmut, 83,0 % befanden sich im Niedrigeinkommensbereich.

Dies ist in einem hohen Maße auf den Bildungsbereich zurück zu führen. Denn im Vergleich zum Durchschnitt ausländischer Schulabgänger verlassen türkische Schüler die Schule häufiger mit unterdurchschnittlichen Abschlüssen. (Bremer 2004, S. 272)

Auch die Personen der 2. und 3. Generation, welche bereits in Deutschland geboren sind, sind einem nur wenig geringerem Risiko ausgesetzt. Bei ihnen hat sich die Armutsquote seit den 90er Jahren erhöht. 1998 waren 20 % von Einkommensarmut betroffen, fast 2/3 hatten nur Niedrigeinkommen. Weniger als ein Fünftel verfügte über ein höheres Einkommen als das des durchschnittlichen westdeutschen Niveaus

Gegenüber den zuvor genannten Gruppen ist die Armuts- und Niedrigeinkommensquote bei Migranten aus dem ehem. Jugoslawien, sowie aus Italien, Spanien und Griechenland vergleichsweise niedrig.

Bei Migranten aus dem ehem. Jugoslawien war sie bis 1991 auf 7,5 % gesunken, stieg daraufhin aber wieder an. Die Niedrigeinkommensquote war bei ca. 50 % nahezu gleich bleibend. Von 1997 auf 1998 (12,5%) sank die Armutsquote wieder. Nur ein Sechstel konnte ein überdurchschnittlich hohes Einkommen erzielen.

Bei italienischen, spanischen und griechischen Migranten sank die Armutsquote zwischen 1997 und 1998 auf 9,6% (nahe westdeutscher Durchschnitt). Während sich über die Hälfte im Niedrigeinkommensbereich befand, erzielte ein Viertel überdurchschnittliche Einkommen.

Damit sind die Armuts- und Niedrigeinkommensquoten für die Gesamtheit der deutschen Migranten günstiger. (Hanesch 2001, S. 62)

Rechtliche Stellung

Was die rechtliche Stellung von Migranten betrifft, können hier im Wesentlichen – wie bei Hanesch (2001) – folgende Gruppen unterschieden werden: Die der Spätaussiedler und Übersiedler aus der ehemaligen DDR, die der ausländischen Migranten, denen auch der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Rechnung trägt. Eine gesonderte Gruppe unter den ausländischen Migranten bilden zudem die Asylbewerber und Flüchlinge.

Seifert (2001) nennt zudem auch die Gruppe der Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Die Reihenfolge spiegelt dabei aller Wahrscheinlichkeit die Einkommenssituation wieder, da die rechtlichen Rahmenbedingungen von ihrer Qualität her stark abnehmen.

2.2.3. Die besondere Situation von Kindern

Das Kinder- und Jugendlichenalter ist eine Lebensphase, in der das Risiko in Armut zu geraten erhöht ist. Doch was sind die Folgen, wenn in diesem Lebensabschnitt zusätzlich ein Migrationshintergrund vorliegt? Die Vermutung, dass das Armutsrisiko damit zusätzlich erhöht wird, liegt nahe. Als Gründe hierfür können die bei Migranten im Schnitt größeren Familien gesehen werden, die zum einen das Nettoäquivalenzeinkommen drücken, zum anderen auch sonstige Ressourcen in einem höheren Maße auf splitten.

Als Indikator hierfür kann der Empfang von Sozialhilfe herangezogen werden. So empfingen Ende 1998 14,7 % der Ausländerinnen und Ausländer unter 7 Jahren außerhalb von Einrichtungen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei Deutschen in derselben Altersgruppe (künftig in Klammern) war es mit 7,7 % fast nur die Hälfte. In der Altersgruppe von 7 bis unter 11 Jahre waren es noch 14,4 % (5,7 %), von 11 bis unter 15 Jahre 14,0 % (4,9 %), von 15 bis unter 18 Jahre 12,2 % (4,0%), was immerhin ein über dreimal so hoher Anteil ist.

Auffällig ist, dass auch mit zunehmendem Alter die Unterschiede zwischen Kindern deutscher und nicht-deutscher Herkunft sich eher zu verschärfen als anzugleichen scheinen. Wenn man zudem die verdeckte Armut hinzuzieht, die bei Ausländern ohnehin höher liegt, stellt sich die Situation noch bedenklicher dar. 1995 betrug sie bei Ausländern aller Altersgruppen 7,3 %, bei Deutschen nur 3,2 %. Damit kann man 1998 bei ausländischen Kindern unter 7 Jahren eine Armutsquote von ganzen 21 % (19,1 %) ausmachen, zwischen 7 und 18 beträgt sie 19,1 % (11,5 %). Wenn man nun berücksichtigt, dass die Armutsquote von Kindern mit zunehmender Geschwisterzahl stark ansteigt, kann man vermuten, dass ausländische Kinder nicht nur häufiger, sondern auch stärker von Armut betroffen sind. (Sozialbericht 2000)

Des Weiteren müssen von Migrantenkindern wesentlich höhere Integrationsleistungen in ihren verschiedenen Ausprägungen (siehe Punkt 2.1.) erbracht werden, als von deutschen. Ein Beispiel dafür ist der enorm erschwerte Erwerb von Sprachkompetenz, der auch dazu führt, dass die Kinder von Migranten auch im Bildungssystem erheblich benachteiligt sind. Gerade in diesem Bereich können sie auch nur bedingt auf die Unterstützung ihrer Eltern bauen. (siehe Punkt 2.2.2.) Auch hier müsste man natürlich gruppenzpezifisch mitunter stark differenzieren. Gerade aktuell wird in der Diskussion um die multikulturelle Gesellschaft wieder die mangelnde Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem bemängelt, von dem vor allem jungen Migranten und Migrantinnen betroffen sind.

2.3. Ausgrenzung als Armutsursache

Der Begriff der Ausgrenzung, welcher bereits in Punkt 2.1. angesprochen wurde, ist umstritten, da er in unterschiedlichen Zusammenhängen und auch für unterschiedliche Phänomene verwandt wird.

Bremer und Gestring (2004, S. 262/263) halten vor allem vier Aspekte bei der Betrachtung von Ausgrenzung für zentral:

- Ausgrenzung ist kein neues Phänomen. Sie erhält ihre Bedeutung vor dem Hintergrund einer Phase wirtschaftlicher Prosperität, sozialstaatlicher Absicherung und gesellschaftlicher Integration und ist damit relativ. Die Thematik soll daher weniger der Bruch mit der Gesellschaft und die Verortung vom Individuen und Gruppen außerhalb sein, sondern vielmehr die Ermöglichung von Teilhabe der hinter der Gesamtgesellschaft zurück gebliebenen.
- Ausgrenzung als ein multidimensionaler Begriff umfasst ökonomische, soziale, kulturelle, institutionelle und räumliche Dimensionen und deren Wechselwirkungen.
- Des Weiteren gibt es im Wesentlichen zwei Sichtweisen bei der Betrachtung von Ausgrenzungsprozessen: Zum einen kann das Ergebnis im Zentrum stehen. (vgl. Forschungen zur urban underclass, als Härtefall einer verfestigten sozialräumlichen Ausgrenzung in der westlichen Welt) Integration wäre hierbei als ein Entweder-oder-Zustand zu charakterisieren und Ausgrenzung als ein Mangel an Integration wird hierbei als Problembeschreibung einer gesellschaftlichen Minderheit thematisiert. Zum anderen kann auch der Verlauf der Ausgrenzung im Mittelpunkt stehen. Eine Thematisierung sieht sie damit als gesamtgesellschaftliches Problem. Dadurch werden auch die Ursachen in einem viel stärkeren Maße berücksichtigt.
- Auch ist Ausgrenzung ein Prozess mit zwei Seiten, dessen Erfassung und Verständnis nur durch eine Berücksichtigung sowohl objektiver, als auch subjektiver Faktoren möglich wird, zwischen denen auch Rückkopplungen bestehen. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass es unter gewissen Bedingungen auch zu Prozessen der Selbstausgrenzung kommen kann.

2.3.1. Diskriminierung und öffentliche Wahrnehmung

Wie zuvor bereits angedeutet ist die Lage von Migrantinnen und Migranten in mancher Beziehung nicht nur strukturell bedingt, sondern wird auch durch die Rezeptionsbereitschaft und das Ausmaß der Diskriminierung in der aufnehmenden Gesellschaft beeinflusst. Diskriminierung bedeutet hierbei eine Form der informellen Ausgrenzung auf individueller Ebene, welche aber vor allen Dingen durch das kollektive Bewusstsein gesteuert wird. Gerade in diesem Bereich ist die Möglichkeit einer staatlichen Einflussnahme zwar eher gering einzuschätzen, allerdings ist es ebenfalls als unverantwortlich einzustufen, wie unvernünftig und unsensibel manche Politiker im Zuge der Debatte um das Zuwanderungsgesetz mit dem heiklen Thema Migration umgingen. Dies deshalb, da gerade Personen des öffentlichen Lebens durch die Medien einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung haben. Auch momentan – im Zuge des Karrikaturenstreits – wird wieder hinterfragt, inwieweit Integration bei offensichtlich starken kulturellen Unterschieden überhaupt möglich ist. Hier müsste man zunächst klären, was Kultur überhaupt ist, und was für eine gesellschaftliche Funktion ihr zukommt. Zweifellos ist sie ein bewusstes Abgrenzungskriterium und wird über die materielle Welt kommuniziert. Darüber hinaus dient sie als konstruiertes Ordnungsprinzip der Welt und des Zusammenlebens, aber vor allem da, wo sie sich bedroht sieht, der Vermittlung von Ansprüchen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde möchte ich hier nicht weiter in diese Thematik einsteigen, sondern vielmehr für einen verantwortungsvollen Umgang mit Themen plädieren, deren Wahrnehmung gruppenspezifisch völlig unterschiedlich ausfallen kann.

Die Frage von Integration und Ausgrenzung darf jedoch auch nicht frei von ihrem historischen und politischen Kontext betrachtet werden.

So gestaltete sich die Definition der (Nicht-)Zugehörigkeit aus Sicht langansässiger Migranten recht problematisch: Als die Spätaussiedler, welche von Anfang an keinen Beschränkungen unterlagen, zuzogen, wuchs der Unmut türkischer Zuwanderer (v. a. der 2. Generation). Dies auch vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher Übergriffe seit Anfang 90er Jahre. Eine Hinwendung zu nationaler Symbolik und fundamentalistischer Orientierung als Reaktion auf mangelnde Integrationsbereitschaft der Gesellschaft war die Folge. (Bremer und Gestring 2004, S. 267)

Noch problematischer (geworden) ist die Situation der Asylbewerber: Sie erhalten zugewiesene Unterkünfte, unterliegen einem Arbeitsverbot, erhalten Sozialleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz (unter Sozialhilfeniveau). All dies schadet ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, fördert ihre Diskriminierung und verhindert eine Integration, die in diesem Falle auch nicht gewollt ist, aber unbedingt notwendig zur Reduktion und Prävention von Armut wäre.

Diskriminierung kann vielfältig wirksam werden, und dabei oftmals Armutssituationen, wenn nicht gar bedingen, so doch zumindest begünstigen. Ein Beispiel hierfür wäre die bereits genannte Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, auf dem die Gefahr einer bildungsinadäquaten Anstellung auch aus Diskriminierung resultieren kann, die einer nicht Einstellung bei ausreichendem Qualifikationsniveau es definitiv tut. So bemerken auch Bremer und Gestring (2004, S.273), dass diskriminierende Praktiken der Arbeitgeber eine Umsetzung der oftmals schon lang erbrachten kognitiven Integrationsleistung in sozialstrukturelle Integration verhindern.

Auch die Geschehnisse auf dem Wohnungsmarkt können uns die Bedeutung von Diskriminierung für Integrations- und Ausgrenzungsprozesse vor Augen führen.

Bei Befragungen wurde häufig Diskriminierung seitens der Vermieter Ablehnungsgrund genannt. Trotzdem muss man zugeben, dass zwischen 1985 und 1995 Gründe, die ihre Ursache in der Wohnungsmarktstruktur haben, an Relevanz gewonnen haben. Dazu zählen

Versuche von Wohnungsbaugesellschaften über Quotierungen Zuzugssperren zu erreichen, da man meint die einheimische Bevölkerung mit keiner größeren Zahl ausländischer Nachbarn belasten zu können. Zudem werden Migrantinnen und Migranten bevorzugt sanierungsbedürftige Wohnungen angeboten, da sie die Bedingungen vermeintlich besser ertrügen und meist nicht so schnell rechtliche Schritte einleiteten. (Bremer und Gestring 2004, S. 280)

Strukturell kann der Wohnungsmarkt durch eine steigende Nachfrage nach preisgünstigen Mietwohnungen bei gleichzeitig schrumpfendem Angebot charakterisiert werden. Deshalb kommt es sukzessive – aus Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll – zu einer Abdrängung schwächerer Einkommensgruppen, an denen der Anteil an Migranten ja überproportional hoch ist, in bestimmte funktional benachteiligte Quartiere, was die Ausgrenzungssituation von Migranten zusätzlich verschärft.

2.3.2. Prozesse der Verarmung

Im Folgenden eine idealtypische Darstellung einiger Aspekte (kein Anspruch auf Vollständigkeit!), unter denen sich die Lebensbedingungen von Migranten in einer Gesellschaft ausgestalten und sich in einer Kumulation von Armutsrisiken äußern können. Die Prozesse der Verarmung, denen Migrantinnen und Migranten anheim fallen können sind sehr vielfältig. Sie können bereits bei einer benachteiligten Situation im Herkunftsland, was Bildung und Wohlstand betrifft, beginnen. Dies kann sich dann zwar ohnehin in der Situation der Kinder fortschreiben. Im Empfängerland angekommen, haben jedoch Kinder wie Erwachsene zusätzlich mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Als erstes wäre da die Sprache zu nennen, die oft nur unzureichend gesprochen wird. Insbesondere für Kinder, die ihre Qualifikationen erst erwerben müssen, ist dies eine nachhaltige Benachteiligung, zumal unserem Bildungssystem erst aktuell vom Bildungsbeauftragten der UN bescheinigt wurde, hochgradig selektiv zu sein. Für Erwachsene bedeutet dies, dass sie oftmals nicht in der Lage dazu sind, ihre Qualifikationen entsprechend umzusetzen, oder ihnen die formal-iuristischen Voraussetzungen fehlen.

Dazu kommt, dass Migrantinnen und Migranten nun beginnen müssen, den ihnen zukommenden Teil zur Integration beizutragen. Dies wird oft auch durch die nur rudimentär ausgebildeten Netzwerke erschwert, die sich im schlimmsten Fall im Wesentlichen nur auf die Familie beziehen, die – ja selbst mit Migrationshintergrund – nicht gerade dazu prädestiniert ist, Integration in die Gesellschaft zu fördern. Das Herstellen einer räumlichen Nähe zu Freunden und Bekannten aus dem Heimatland wird im Empfängerland meist von öffentlicher Seite unterbunden, um eine Ausbildung von teilweise politisch-medial stilisierten Parallelgesellschaften zu verhindern. Darüber, ob dies im Hinblick auf die soziale Situation von Migrantinnen und Migranten, aber auch der Empfängergesellschaft, sinnvoll ist oder nicht, herrscht auch in der wissenschaftlichen Diskussion eine Kontroverse. Erwähnenswert sind auch die Unstimmigkeiten, die sich durch Einbettung in einen völlig neuen, teilweise sogar widersprüchlichen Kulturellen Kontext ergeben. Da jedoch Integration kein einseitiger Prozess, und in hohem Maße auch von der Empfängergesellschaft zu leisten ist, tun sich hier weitere Schwierigkeiten auf. Zunächst von Bedeutung sind hierbei die rechtlichen Rahmenbedingungen, auf die der Staat direkten Einfluss hat und die sich sowohl fördernd als auch hemmend auswirken können. Weiterhin entscheidend für die Eingliederung ist die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung, die von der sozialen Situation und der Wahrnehmung durch die Bevölkerung im Empfängerland abhängig ist. Sind die Voraussetzungen eher negativ, ist anzunehmen, dass die Diskriminierung damit hoch, die Integrationsleistung seitens der Bevölkerung damit gering und somit das Ausgrenzungspotential wiederum hoch ist. Sehen sich Migrantinnen und Migranten mit zu hohen Barrieren konfrontiert, und ihre eigenen Bemühungen nicht entsprechend honoriert, kann es zu Prozessen der Selbstausgenzung kommen – sozialpsychologisch eine vollkommen normale, sowie eigentlich vorhersehbare Reaktion.

Ausgrenzungsprozesse bleiben jedoch nie auf das Imaginäre beschränkt, sondern äußern sich immer auch materiell: Beispielsweise in einem reduzierten Gesundheitsbewusstsein als Reaktion auf mangelnde psychische Bedürfnisbefriedigung oder durch die in Punkt 2.2.1. dargestellten Prozesse. Hierzu sei nur gesagt, dass all diese Prozesse zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken können.

Glücklicherweise scheint der Mensch in Ausnahmesituationen oft eine erstaunliche Findigkeit und Lernfähigkeit unter Beweis zu stellen, wodurch viele Risiken und Benachteiligungen abgefedert werden. Aufgabe der Politik wäre es hierbei, diese in die richtigen Bahnen zu lenken.

2.3.3. Bildung von Parallelgesellschaften?

Wenn man sich die Frage stellt, ob in Deutschland Parallelgesellschaften begonnen haben, sich auszubilden, so ist es zunächst notwendig, den Begriff zu klären. In der öffentlichen Debatte wird damit „die Vorstellung von ethnisch homogenen Bevölkerungsgruppen verbunden, die sich räumlich, sozial und kulturell von der Mehrheitsgesellschaft abschotten.“ So fasst es Belwe in ihrem Editorial zu „Aus Politik und Zeitgeschichte“ vom 2. Jan. 2006 zusammen. Gemeint ist also ein „Scheitern der Integration von Zuwanderern und der multikulturellen Gesellschaft insgesamt“. (Janßen und Polat 2006) Der Begriff ist negativ besetzt, relativ unreflektiert und taucht vor allem in Zusammenhang mit kulturell motivierten Gewaltverbrechen und anderen Rechtsverstößen auf Seite der Minderheit auf.

In der soziologischen Diskussion wird der Begriff zwar durchaus gebraucht, allerdings weisen Janssen und Polat (2006) daraufhin, das bislang noch keine systematische Auseinandersetzung mit dem Begriff statt gefunden hat. Da die Ausformung einer „Gesellschaft“ in jedem Falle eine gewisse Quantität erfordert, kommt für die Untersuchung der Frage, inwieweit Parallelgesellschaften zur deutschen Gesellschaft existieren, demnach vor allen Dingen die Untersuchung der türkischen Bevölkerung als größte in Deutschland lebende Minderheit in Frage. Dies, obwohl Janssen und Polat (2006) zu Recht darauf hinweisen, dass auch andere Gruppen in Betracht gezogen werden könnten.

Um Parallelgesellschaften genauer zu charakterisieren, ziehen Halm und Sauer (2006) Meyer (2002) heran, der fünf Merkmale nennt, welche eine idealtypische Parallelgesellschaft bedingen:

- die ethno-kulturelle bzw. kulturell-religiöse Homogenität der Mitglieder
- eine nahezu vollständige lebensweltliche und zivilgesellschaftliche, sowie weitgehende Möglichkeiten der ökonomischen Segregation
- nahezu komplette Verdopplung der mehrheitsgesellschaftlichen Institutionen
- eine formal-freiwillige Segregation
- siedlungsräumliche oder nur sozial interaktive Segregation, sofern die anderen Merkmale auch erfüllt sind

Unter Einbeziehung der Daten der Stiftung Zentrum für Türkeistudien (ZfT) operationalisieren sie diese Kriterien Folgendermaßen: Das Merkmal Religiosität soll Aufschluss über die kulturelle Homogenität geben, die Kontakte zu Deutschen über die lebensweltliche Segregation, der Organisationsgrad soll eine etwaige Verdopplung von Institutionen hinterfragen, der Faktor Diskriminierung die Freiwilligkeit der Segregation. Eine Untersuchung der ethnischen Quartiersbildung soll die Wohnraumsegregation verdeutlichen.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass 77,5 % der türkischstämmigen Migranten als nicht segregiert, 22,5 als tendentiell segregiert gelten können, d. h. vermehrt parallelgesellschaftliche Strukturen ausbilden, wobei jedoch die Sprachkompetenz der dominante Faktor zu sein scheint. Wollen wir uns nun näher mit einigen Strukturen befassen.

2.3.3.1. Gegenseitige Anerkennung und Interaktion

Leibold et al. (2006) stellen die These auf, dass insbesondere der türkisch dominierten islamischen Gemeinschaft aktuell eine generalisierende Kritik entgegengebracht wird, die aber im Gegenzug auch eine Abwehrhaltung hervorruft. Dies in einer Situation, in der ein Mehrheits-Minderheitsverhältnis herrscht, Kulturen und Religionen mit erheblicher Wertedifferenzierung aufeinander treffen und eine politische Instrumentalisierung stattfindet, welche natürlich durch die Medien getragen wird. Dies untersuchen sie zum einen anhand von Daten einer repräsentativen Befragung des Langzeitprojektes „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass die generelle Ablehnung von Muslimen im Zeitraum zwischen 2003 und 2005 sich nur gering verändert hat, obwohl sie leicht gestiegen ist, was jedoch bei der kurzen Zeitreihe wenig aussagekräftig scheint. Allerdings hat der Anteil der Personen die die Aussage ablehnten, dass der Islam eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht habe, im selben Zeitraum drastisch von 37 auf 50 % zugenommen. Eine kulturelle Abwertung sei damit in einem hohen Maße gegeben. Auch sind gleichzeitig offenbar weniger Leute der Überzeugung der Islam passe sich unserer Kultur an. Der Anteil unter den Befragten stieg auf von 65,9 auf 74,2 %. Dies werten sie als einen Hinweis auf zunehmende Skepsis dem Islam gegenüber.

Zudem zeigt sich für 2005 eine geringe Differenzierungskompetenz in Bezug auf den Islam, eine recht hohe Quote derer, die die eine Segregationsneigung und/ oder Sympathien für Terroristen unterstellen. Auch meinten 80 % der Befragten, dass Muslime von sich aus den Kontakt zu Deutschen meiden und ein hoher Anteil möchte auch nicht in eine Gegend mit hoher muslimischer Bevölkerungsdichte ziehen.

Aufgrund dieses relativ hohen Ablehnungs- und Stereotypisierungpotentials stellt sich nun die Frage, wie die muslimische Gemeinschaft im Einzelnen darauf reagiert. Hier stellen Siebel et al. (2006) eine Forschungslücke fest, legen jedoch nahe, „dass die berichteten islamophoben und generalisierenden Einstellungen nicht zu einer Verbesserung des Klimas zwischen Mehrheit und Minderheit beitragen.“ - geschweige denn zu einer Normalisierung.

Ein in diesem Zusammenhang Bedeutung gewinnender Indikator ist die Kontakthäufigkeit.

Kontakthäufigkeit

Die Interaktionen zwischen Deutschen und Muslimen sind nach Leibold et al (2006) durch komplexe Konstellationen zunächst allgemein als tendentiell störanfällig zu charakterisieren. Anhand von Daten des SOEP kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Schwankungen zu gering sind, um einen eindeutigen Trend ausmachen zu können. Auch die Zahl deutscher Freunde unter den ersten dreien hat leicht zugenommen, obwohl sie mit knapp 0,7 im Schnitt noch weit unter einem liegt. Der öffentliche Diskurs um die Eigenarten des Islam scheint hier nicht sonderlich geschadet zu haben. Daten des ZfT erweitern das Bild um einen leichten Rückgang der Toleranz unter Freunden und Nachbarn und um eine skeptischere Beurteilung des Verhältnisses zu jungen Muslimen.

In oben beschriebenen Zusammenhängen taucht – wie bei anderen Autoren – immer wieder die Frage auf, inwieweit das Ereignis vom 11.09.2001 und der dadurch losgetretene mediale Diskurs mit verantwortlich für die Entwicklungen sind. Obwohl die Indizien in Verlaufsuntersuchungen sich häufen, kann man wohl eher weniger von einem eklatanten Einschnitt sprechen.

Weltbilder

Der Indikator Religiosität ist deshalb von Interesse, da er gewissermaßen eine innerislamische Auseinandersetzung, vor allem in Folge der Ereignisse von 09/11 widerspiegelt. Sie scheint insgesamt unter dem Gesichtspunkt einer größeren Polarisierung zugenommen zu haben. Auch der objektiv eindeutige Indikator Moscheebesuch hat tendenziell zugenommen, wobei mit verstärktem Moscheebesuch die Neigung zu Kontakten zur die Mehrheitsgesellschaft und die Bereitschaft zum Austausch abzunehmen scheinen. Die Zunahme der Religiosität ist deshalb als bedenklich einzustufen, da sie aus einer Art Rückzugshaltung zu resultieren scheint.

Das vergleichsweise sowieso stark religiös geformte Weltbild des Islam tritt noch einmal zusätzlich deutlich zu tage, wenn es um die Rolle der Frau geht. Hier entsteht gewissermaßen ein Kristallisationspunkt der Konfrontation zweier verschiedener Weltanschauungen, auf dessen Bedeutung und Eigenschaften jedoch hier nicht eingegangen werden kann. Trotzdem müssen die teilweise gravierenden lebensweltlichen Einschnitte und Krisen betont werden, denen die direkt und indirekt Betroffenen unterliegen, wenn ihre Sitten und Gewohnheiten vor dem Hintergrund einer dominanten Mehrheitskultur hinterfragt werden.

Gesagt sei nur, dass es weniger Sinn macht derartig kulturell bedingte Differenzen einseitig und mit repressiven Mitteln aus der Welt schaffen zu wollen. Besser wäre es, Verständnis für das Wertesystem dieser Gesellschaft zu wecken und dadurch interne Angleichungstendenzen zu fördern.

2.3.3.2. Soziale Netzwerke

Auch die Untersuchung von sozialen Netzwerken ist für die Frage nach einer Etablierung von Parallelgesellschaften aufschlussreich, da sie den gängigen Vorstellungen einer ethnisch homogenen Gruppe mit community-artigen Strukturen gegenübergestellt werden kann. Janßen und Polat (2006) tun dies anhand einer qualitativen Studie, in der sie 55 türkischstämmige Migranten und Migrantinnen mit überwiegend niedrigen Schulabschlüssen aus zwei typischen Migrantenquartieren Hannovers befragten.

Die Bedeutung von Netzwerken generell liegt sowohl in ihrer materiellen, aber auch psychosozialen Unterstützungsfunktion.

Eigenschaften

Janßen und Polat (2006) kommen zu dem Ergebnis, dass gerade enge Netzwerke mit verantwortlich sind für die bereits geschilderte Situation in Bezug auf Bildung, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Sie stellen in einer qualitativen Untersuchung eben diese engen Netzwerke bei türkischstämmigen Jugendlichen in zwei Quartieren in Hannover fest. Auch Halm und Sauer (2006) weisen auf eine Untersuchung hin, nach der auch bei türkischstämmigen Jugendlichen in Köln eine ausgeprägte Schließung vorliegt, die im Erwachsenenalter sogar noch zunimmt.

Für die Netzwerke der befragten Personen stellten Janßen und Polat (2006) eine ausgeprägte Familienzentriertheit fest. Diese äußert sich mit wenigen Ausnahmen in kleinen familialen Netzwerken, die hauptsächlich die Kernfamilie umfassen. Teilweise gibt es wenig intensive Kontakte zu Freunden, die vor allem aus der Schul- und Ausbildungsphase herrühren. Nach Heirat und Kind verlaufen aber auch diese in der Regel im Sande. Anscheinend werden familiäre Kontakte in der Fremde für verlässlicher gehalten. In materieller Hinsicht dienen sie als wichtige Auffangstation, wenn es um Dinge wie Geldverleih oder Kinderbetreuung geht. Ebenso wichtig sind sie aber auch für die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse.

Gekennzeichnet sind die Netzwerke außerdem durch eine starke soziale und ethnische Homogenität, welche u. a. durch eine kulturell begründete Distanz (anderes Verständnis, andere Gewohnheiten) Deutschen gegenüber verursacht ist. Auch interethnische Kontakte bleiben sind auf Grund ihres Ursprungs meist sozial homogen. Dies ist auch der Grund, weshalb sie nicht als leistungsfähiger gelten können. Oft stellen sich homogene Netzwerke sogar als ressourcenreicher heraus. Jedoch halten sie ein „verschärftes, dauerhaftes Ausgrenzungsrisiko der Migranten und ihrer Nachfolgegenerationen in unserer Gesellschaft und hier vor allem im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt“ bereit. (Janssen und Polat 2006) Vor allem die Heiratspraxis, die meist einen der Partner aus der Türkei heranführt, ist als problematisch zu betrachten, da sie keine effektive Erweiterung der sozialen Netze ermöglicht und auch eine bessere sprachliche Eingliederung der Nachkommen unwahrscheinlicher macht.

Weiterhin weisen die sozialen Netzwerke eine ausgesprochene Lokalität auf, was bedeutet, dass alle Mitglieder in starker räumlicher Nähe wohnhaft sind und sonstige Kontakte sehr „entfernungsempfindlich“ sind.

Ambivalenter Charakter

Netzwerke haben einen ambivalenten Charakter, da sie zum einen beschränkte Ressourcen, zum anderen auch Restriktionen beinhalten. Negativ wirkt sich aus, dass sie keine ausreichende Unterstützung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt - und erst recht nicht für eine gute Positionierung dort – bieten. Außerdem fallen die Bildungskarrieren durch traditionell frühe Heirat oftmals eher kurz aus. Andererseits bieten die Netzwerke einen für die Betroffenen oft unerlässlichen Schutz vor materieller Not und Isolation.

2.3.3.3. Medien und Politik

In Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Migranten „ist jedoch nicht zuletzt der politisch-mediale Diskurs über ethnische Minderheiten (…) von Bedeutung.“ (Janssen und Polat 2006) Deshalb ist es auch als problematisch anzusehen, wenn in der öffentlichen Debatte die Auffassung einer mangelnden Integrationsbereitschaft als Bringschuld vermittelt wird. (Leibold et al. 2006) Und es ist auch nicht verwunderlich, dass es – als Reaktion auf gesellschaftliche Diskriminierungserfahrungen – durchaus zu Rückbesinnungsprozessen kommen kann. In diesem Zusammenhang taucht auch die Frage auf, in wieweit die Erfahrungen von 09/11 und der US-Angriffskriege auf Afghanistan und den Irak, die durch die Medien allseits präsent waren, eine Polarisierung vorangetrieben wurde. Dies konnte bislang noch nicht ausreichend geklärt werden, zumal die dadurch hervorgerufenen Spannungen noch anhalten.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das in den Medien produzierte Bild sich kaum bestätigen lässt. Eine innerökonomische Ökonomie existiert in dieser Form kaum. Dies zeigt schon die Selbstständigenquote, die für 2003 gerade bei 6,1 % liegt (Janssen und Polat 2006).

Was jedoch gerade in Zeiten einer recht aggressiven Auseinandersetzung mit kulturellen Differenzen bedenklich erscheint, ist dass eine trotz allem relativ große ethnische Homogenität der Netzwerkbeziehungen einen konstruktiven Austausch erschwert. Halm und Sauer (2006) stellen zudem fest, dass auch die Diskriminierungserfahrungen ein erschreckendes Ausmaß haben und nach 2001 zunächst zu- dann wieder abgenommen zu haben scheinen. Ob dies jedoch auf eine wachsende Sensibilisierung der Betroffenen zurückzuführen ist oder nicht, lässt sich kaum sagen.

Zwar gibt es ethnisch verdichtete Quartiere, aber Verbreitung und Konzentration sind relativ stationär. Die Gründe dafür sind aber eher ökonomischer Natur. Im Endeffekt bleibt zu konstatieren, dass es eher an den Möglichkeiten, als am Willen zur Integration fehlt

2.4. Staatliche Maßnahmen zur Integrationsförderung

Inwieweit der Staat der ihm zukommenden Verantwortung in Bezug, sowohl auf eine sozialverträgliche Zuwanderungspolitik, als auch auf eine sozialverträgliche Gestaltung der Zuwanderung – auch für Migranten – nachgekommen ist, bleibt umstritten. Zu konstatieren ist jedoch der Aufschrei, der mit der Verabschiedung des (neuen) Zuwanderungsgesetzes durch sozial orientiert Verbände und Vereine ging.

Mit in Kraft treten des „Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern“ (vgl. Pflugbeil 2005, S. 84) 2005 wurde gleichzeitig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ins Leben gerufen. In Bezug auf Integration nimmt es nach eigenen Angaben folgende Aufgaben wahr:

- Konzeption und Durchführung von Integrationskursen
- Umsetzung der Integrationsarbeit vor Ort durch 23 Regionalstellen
- Umstrukturierung der Einrichtung für Migrationsberatung
- Konzeptionsarbeit und erstellen von Broschüren
- Vernetzung der Angebote
- Projektförderung
- Verteilung für jüdische Zuwanderer/innen aus der ehemaligen Sowjetunion
- Verteilung von Fördergeldern der Europäischen Union (Europäischer Flüchtlingsfonds) zur Aufnahme, Integration und freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen, Vertriebenen und Asylbewerbern

Obgleich es viele positive Ansätze gibt, ist es nicht zuletzt auf die Rahmengesetzgebung zurückzuführen, dass das potential für eine besonders effektive Arbeit eher gering ist. Vor allem an der Gruppe der von Armut gefährdeten und bedrohten Migranten gehen sie vermutlich teilweise vorbei. Dies soll anhand einiger Punkte exemplarisch Diskutiert werden.

Die Bundesbehörde leistet zu einem Großteil Verwaltungsarbeit. Sie führt zwar einige Modellprojekte durch, fördert jedoch vor allem externe Projekte und ehrenamtliches Engagement. Diese Maßnahmen sind sicherlich sinnvoll und richtig, müssen sich jedoch vermutlich erst noch etablieren und verbreiten.

Ein relativ großer Schritt ist jedoch mit der festen Institutionalisierung von Integrationskursen (Srach- und Orientierungskurs) gemacht, auf die für nicht EU-Ausländer und Spätaussiedler ein gesetzlicher Anspruch besteht. Bedauerlich ist die Kostenpflicht für ausländische Migranten. Eine Befreiung kann zwar beantragt werden, erfolgt jedoch nach Ermessen. Zudem kann diese Gruppe zur Teilnahme verpflichtet werden. Bei Schülern allerdings bleibt die sprachliche Förderung voll und ganz den ohnehin überforderten Bildungseinrichtung überlassen. Auch Asylanten haben keinerlei Anspruch, obwohl sie in besonderer Weise von Ausgrenzung betroffen und von Armut gefährdet sind.

Weiterführend findet auch eine gezieltere berufsspezifische Sprachförderung statt, die die Möglichkeit zur Inwertsetzung von Qualifikationen geben soll.

Auch die Integrationserstberatung, deren Aufgabe es ist, „den Integrationsprozess gezielt zu initiieren, zu steuern und zu begleiten“, richtet sich „schwerpunktmäßig an Erwachsene Neuzuwanderer“ (eigene Angaben). Hier legt sich der Vermutung nahe, dass die Absicht zwar eine möglichst rasche Arbeitsmarktintegration ist, jedoch weite Teile der Migrantenpopulation und andere Aspekte der Integration ausgeklammert werden.

Als sehr positiv zu betrachten ist, dass das BAMF eine Objektivierung des öffentlichen Bewusstseins in Bezug auf das Thema Migration zumindest in seine Zielformulierungen aufgenommen hat und sich um eine sinnvolle Koordination bereits bestehender Projekte und Maßnahmen bemüht. Ein weiter wichtiger Punkt ist, dass das BAMF sich auch um die Anerkennung bereits mitgebrachter Qualifikationen bemüht. Diese sind jedoch in den Armutsrisikogruppen sowieso gering. (siehe Punkt 2.2.)

Der Verdacht legt sich also nahe, dass vor allem die ökonomische Integration gefördert werden soll. Hier gehen die Maßnahmen jedoch oft an den ohnehin benachteiligten Gruppierungen vorbei, und dienen nur bedingt dazu, deren Armutsrisiko zu minimieren.

Äußerst problematisch ist der Umgang mit der Gruppe der Asylanten und Flüchtlinge, die einem hochgradigen Armutsrisiko ausgesetzt ist. Obwohl die Asyl-Gesetzgebung in Deutschland vorbildlich ist, wird dafür gesorgt, dass ihre Lebenssituation auf niedrigem Niveau stagniert. Dies deshalb, da der Staat gewissermaßen darauf wartet, bis sich die Bedingungen in ihren Heimatländern so weit normalisiert haben, dass sie rückgeführt werden können. Jede Investition in die Förderung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe wird deshalb, ungeachtet ihrer Situation, als Vergeudung von Ressourcen betrachtet.

Der Verdacht legt sich also nahe, dass Integration, wie so vieles aktuell, neben mangelndem politischem Willen auch Opfer der prekären Haushaltslage bleibt.

3. Zusammenfassung, Ausblick, Beurteilung

Wir haben also gesehen, dass Einwanderung in die BRD mit einem zunächst strukturell Verursachten erhöhtem Armutsrisiko verbunden ist. Der Anspruch, dieses zu reduzieren kann gleichsam mit dem Begriff Integration gleich gesetzt werden. Hierbei ist jedoch das Problem, dass diese Aufgabe in der Öffentlichkeit oftmals einseitig den Migranten zugewiesen wird. Dies ist auf den Unwillen und die Bequemlichkeit des Einzelnen zurückzuführen, der sich dadurch leicht, sowohl von den Medien manipulieren, als auch von der Politik instrumentalisieren lässt. Dahinter stehen wie so oft nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen. Integration fängt also vor allen Dingen in den Köpfen an. So sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan am 21. Feb. 2006 dadurch, dass sie Bildung als Schlüssel für die Integration erkannte, unfreiwillig mehr aus. Der eigentliche Hintergrund war die Bemängelung der Chancengleichheit für Migrantenkinder im deutschen Bildungswesen durch den UN Sonderbeauftragten Muños. Doch eine politische Strategie der Qualifikationsverbesserung bei jungen Migranten ist nicht ausreichend: auch bei ausreichenden Qualifikationen werden sie häufig nicht eingestellt. Dies gilt besonders für türkische Jugendliche. Auch die Gefahr einer bildungsinadäquaten Anstellung ist hier deutlich höher als bei Deutschen. So verhindern oft diskriminierende Praktiken der Arbeitgeber eine Umsetzung der bereits erbrachten kognitiven Integrationsleistung in sozialstrukturelle Integration. (Bremer 2004, S. 273) Doch es ist ebenfalls richtig, dass die faktische Integration oftmals besser als ihr Ruf ist, wie es auch Meier-Braun (2003) darstellt. Denn so unmündig, wie Medien und Politik es voraussetzen, ist der Bürger oftmals nicht. So ist es nicht schwer zu erkennen, dass nicht nur die Debatte um das (neue) Zuwanderungsgesetz „etwas Irrationales“ an sich hatte, sondern auch die Debatte um Zuwanderung in Deutschland überhaupt: „Die Debatte kreiste ein halbes Jahrhundert um den Begriff „Einwanderungsland“, wobei sich der feine Unterschied zwischen Zu- und Einwanderung, um den so heftig gestritten wird, in keine Sprache der Welt übersetzen lässt.“ (Meier Braun, 2003 S.141) Wünschenswert wäre es in diesem Zusammenhang, dass sich einerseits die Politik verantwortungsbewusster zeigt und sich um faktische Verbesserungen bemüht. Aber auch die Medien sollten ihrer Verantwortung gerecht werden, da sie in einer globalisierten Welt mehr Einfluss denn je auf kollektive Vorstellungsmuster haben können.

Literatur

Schriftstü>http://www.bamf.de (Zugriff 24. Feb. 2006)

Bundeszentrale für politische Bildung (BPB): http://www.bpb.de (Zugriff 24. Feb. 2006)

Integrationsbeauftragte: http://www.integrationsbeauftragte.de (Zugriff 24. Feb. 2006)

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Migration - in die Armut? Eine sozial- und integrationspolitische Betrachtung.
Hochschule
University of Sheffield
Veranstaltung
Hauptseminar Armut
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
38
Katalognummer
V110047
ISBN (eBook)
9783640082247
Dateigröße
622 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Sie haben das sehr schön dargestellt. Bis auf ein paar kleine Formsachen." (Dozent)
Schlagworte
Migration, Armut, Eine, Betrachtung, Hauptseminar, Armut
Arbeit zitieren
Martin Drischmann (Autor:in), 2006, Migration - in die Armut? Eine sozial- und integrationspolitische Betrachtung., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110047

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