Heine, Heinrich - Lebensfahrt - Gedichtinterpretation


Referat / Aufsatz (Schule), 2006

7 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Gedichtinterpretation des Gedichtes „Lebensfahrt“ von Heinrich Heine

In dem Volkslied „Lebensfahrt“ geschrieben 1843 thematisiert Heine sein Exilleben und die Missstände in seinem Vaterland, Deutschland. Heine, der von 1797-1856 lebte, fällt in die Epoche der Romantik, von der er sich in seinen Gedichten unentwegt ironisch abzusetzen versucht. Geschichtlich wird seine Wirkungs,- bzw. Schaffenszeit als Vormärz bezeichnet, da Deutschland vor der Märzrevolution 1848 in einem totalitären Polizeistaat organisiert war, in dem keine freie Meinungsäußerung gestattet und die Presse sowie sonstige Schriften einer starken Zensur unterlagen. Heine verkörpert den literarischen Revolutionär, der sich nicht an Straßenbarrikaden,- oder –kämpfen beteiligt, sondern dies als schändlich und aufhetzend abtut. Doch er kritisiert die Obrigkeit, bzw. die konservative gestimmten Bürger in seinen Gedichten oftmals sehr scharf. Diesen Tatsachen verdankt er auch, dass er 1831 ins Exil nach Paris gehen musste, da ihn die Obrigkeit wegen seiner Schriften verfolgte und die Revolutionäre wegen seiner „zur Schau“ gestellten Angriffslust, bzw. Kritik an der Obrigkeit, die sich in seinen Gedichten widerspiegelte, hasste.

Aus seiner Exilzeit in Frankreich stammt auch das Gedicht „Lebensfahrt“. Das lyrische Ich beschreibt sich darin einem „lustigen Kahn“ (Z.3) zugehörig, der jedoch „zerbrach“ (Z.5). Bei diesem Unglück gingen seine Freunde unter, doch er konnte sich, vom Sturm getragen, an einen Strand retten. All dies konnte ihn jedoch nicht davon abhalten ein „neues Schiff“ zu besteigen, das wieder von Wellen geschüttelt in die Nacht hinausfährt, nichtsdestotrotz vermisst er seine Heimat.

Das Gedicht besteht aus 4 Quartetten, die durch Paarreime miteinander in Verbindung stehen.

Der Titel „Lebensfahrt“ lässt verschiedene Assoziationsmöglichkeiten offen, die erst im Gedicht näher spezifiziert werden können. Zum einen könnte Heine damit sein Leben revué passieren lassen, er könnten doch einmal eine „Fahrt“ durch sein Leben unternehmen, zum anderen könnte er den Lauf der Dinge beschreiben, d.h. wie sich die Dinge entwickelten und wahrscheinlich noch entwickeln werden. Doch was wollte Heine uns mit „Lebensfahrt“ eigentlich sagen?

Sicherlich wollte er auf gesellschaftliche Missstände hinweisen, indem die Allegorie der Schifffahrt, die das lyrische Ich durchlebt, für die Gesellschaft in Deutschland in Strophe 1 und 2 und für das Exil in Frankreich Strophe 3 und 4, in dem er ein „neues Schiff“ (Z.9) bestiegen hat, steht. Die erste Strophe ist in romantisch, verklärtem Stil verfasst, womit sich Heine als zwiespältig zeigt, da er am romantischen Stil hängt, ihn jedoch nicht das ganze Gedicht über durchhalten kann und will. Er entlarvt ihn sogar zeitweise als Klischee. Diese Entlarvung wird beispielsweise in Z.6 deutlich, als er in lapidarem Tonfall das lyrische Ich sagen lässt: „Die Freunde waren schlechte Schwimmer“. Die biedermeierliche Welt aus friedvoller Natur wird in den Strophen 2-4 ironisch-kritischer beleuchtet gezeigt, denn wenn es in Z.2 noch heißt: Die Wellen schaukeln“, so beschreibt er die Naturgewalten in Z.14: „Es pfeift der Wind, die Planken krachen“ schon kritischer und weitaus naturgetreuer.

Es sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, das Heine sich oftmals in seinen Gedichten mit dem lyrischen Ich gleichsetzt, was auch in „Lebensfahrt“ der Fall ist. Aus diesem Grund kann von Heine gesprochen werden, wenn das lyrische Ich etwas sagt oder durchlebt. Was Heine durch die Abgrenzung der Strophn erreichen wollte, ist schon durch das Metrum ersichtlich. In der ersten und letzten Strophe beherrscht ein 4-hebiger Daktylus die Szenerie, was die Geschlossenheit des Gedichtes verdeutlichen soll. Doch Heine legt kein festes Metrum fest, das die Strophen hindurch läuft. Um die Zerrissenheit in sich besser zum Ausdruck bringen zu können springt er in den verwendeten Metren immerzu hin und her. Dies hat zur folge, das der Daktylus zwar in Strophe 1 und 4 vorherrscht, doch nicht das einzige verwandte Metrum bleibt. In die Strophen mischt sich ebenfalls ein Jambus mit ein. Somit kann immer nur auf das gerade vorherrschende Metrum eingegangen werden, da Heine kein feststehendes Metrum angelegt hat. Die Gemeinsamkeiten der vorherrschenden Metrums werden jedoch inhaltlich wieder ganzheitlich gesprengt. Was in der ersten Strophe verklärt dargestellt wurde, sieht Heine in der letzten Strophe ernüchternder und realer. Es herrscht „wieder ein Singen und Lachen“ (Z.13), doch es hat nur den Anschein eines „Rückbesinnens“ auf alten Zeiten, denn in der letzten Zeile wird noch einmal ganz deutlich, das die Lebensumstände niemals wieder so glücklich werden würden. Denn Heine sagt voll Kummer: „Wie schwer mein Herz! Die Heimat wie fern!“ In den Strophen 2 und 3 beherrscht ein 4-hebiger Jambus die Szenerie, wobei hier auch nicht von einem konstanten Metrum ausgegangen werden kann. Heine legt insgesamt in diesem Volkslied kein Metrum fest, dadurch will er seine Zerrissenheit untermalen. Doch der vorherrschende Jambus verleit der Szene mehr Dramatik. Der verklärte „lustige Kahn“ (Z.3), der als Personifikation für die Dichterunion „Junges Deutschland“ steht, „zerbrach“ (Z.5) und dessen Insassen „gingen unter“ (Z.7). Diese Metapher wird durch das sich ständig verändernde Metrum in seiner Dramatik zusätzlich gestützt. Zusätzlich zu dem Metrum, das dem Leser die Dramaturgie der Szene näher bringen soll, benutzt Heine verschiedene sprachliche Mittel, um seine Belange mitzuteilen. Durch die „Sonnenlichter“ (Z:“) die „blitzen und gaukeln“ (Z.1) beschriebt Heine ein Gefühl der Hoffnung, die in ihm aufkommt, als er mit „lieben Freunden“ (Z.4), d.h. gleich gesinnten Schriftstellern und Dichtern jener Zeit, eine lockere Verbindung knüpft, die sich später „Junges Deutschland“ nennt. In dieser Verbindung tauscht man sich untereinander über politische Meinungen aus und verfasst Gedichte und prosaische Texte, die sich gegen die Obrigkeit richteten. Der „leichte Sinn“ (Z.4) wie ihn Heine in „Lebensfahrt“ nennt, d.h. der Leichtsinn mit dem sie politische Kritik geäußert haben, wird dem „Jungen Deutschland“ schließlich zum Verhängnis, die Verbindung „zerbrauch“ (Z.5) in „eitel Trümmer“ (Z.5). Damit rekapituliert Heine noch einmal die damalige Zeit und konstatiert, dass das „Junge Deutschland“ verboten wurde und er ins Exil fliehen musste. Die „eitel Trümmer“ (Z.5) stehen hier für das damalige Deutschland. Die Dichter zerstreuten sich in ganz Deutschland und dies bedeutete jeder von seinen Kameraden war in einem anderen „Land“ bzw. Herzogtum. Denn Deutschland wie wir es heute kennen gab es damals noch nicht, die „eitel Trümmer“ die Heine hier beschriebt stellen die einzelnen Fürstentümer da und ihre absolutistischen Monarchen, die zur Zeit des „Jungen Deutschland“ an der Macht waren. Doch diese Fürsten sahen in einem Zusammenschluss ihrer Machtbereiche zu einem großen Deutschland einen enormen Machtverlust ihrerseits. Heine jedoch plädierte für eine Vereinigung dieser Fürstentümer, weswegen er diese einzelnen Staaten als „eitel Trümmer“(Z.5) in seinem Gedicht „Lebensfahrt“ charakterisiert. Durch die Alliteration in Z.6: „waren schlechte Schwimmer“, verdeutlicht Heine, dass seine „lieben Freunde“ (Z.4) doch nicht so „lieb“ und selbstlos oder standfest waren, wie sie es vorgaben. Denn in Z.7 wir deutlich, dass die „schlechten Schwimmer“ schließlich auch untergingen: „Sie gingen unter, im Vaterland“. Dieses untergehen ist so zu verstehen, dass viele Dichter und Schriftsteller dieser Zeit sich dem Polizeisaat, bzw. dessen Regime, beugten. Sie verfassten keine Texte mehr, die politischen Inhalts waren, sondern wechselten ins unpolitische Prosa. Andere wiederum wurden gefangen genommen und eingesperrt oder flohen, so wie Heine selbst, ins Exil. Doch Heine wurde vom „Sturm“ (Z.8), was eine Metapher für die Unruhen ist, die er und das „Junge Deutschland“ ausgelöst haben, an den „Seinestrand“ geworfen. Der „Seinestrand“ seinerseits ist hier wiederum eine Metapher jedoch für Frankreich. In Franreich hat Heine ein „neues Schiff“(Z.9) „bestiegen“(Z.9), was allegorisch für ein neues leben in Frankreich steht. Diese Allegorie manifestiert sich in dem „neuen Schiff“, das, getreu dem Titel „Lebensfahrt“, für ein neues Leben und neue Chancen in Frankreich steht. Alles wird neu aufgebaut und „neue Genossen“ (Z.10) gesellen sich zu Heines Seite. In dieser Textstelle bringt er seine Bekanntschaften und neuen Freunde, die er in Frankreich gefunden hatte, mit ein. Dies wären z.B. Karl Marx, Franz Liszt, Georg Herwegh etc, die ihm Kraft geben und die Trennung von den alten Freunden und der alten Heimat besser zu bewältigen. „Es wogen und wiegen“ (Z.10) heißt es im Gedicht weiter, was darauf hindeutet, das sich Heine schon lange Zeit im Exil befindet, denn weiter heißt es: „Die fremden Fluten mich hin und her“(Z.11). Dieses „wogen“ (Z.10) bezieht sich auf die, für Heines Verständnis zu lange, Exilszeit und das „wiegen“ bezieht sich darauf, dass der Zustand noch immer anhält, Heine lebt noch immer in der Fremde und wahrscheinlich wird er nicht wieder in seine Heimat zurückkehren. Mit der Alliteration „fremde Fluten“ (Z.11) verdeutlicht Heine noch einmal die Tristes seines Daseins und die unverkennbare Sehnsucht nach seiner Heimat. Doch er wird „hin und her“ (Z.11) geschwemmt von den Fluten, was wieder auf die Zwiespältigkeit seines Charakters hindeutet. Heine vermisst die alte Heimat Deutschland, doch in der neuen Heimat Frankreich fühlt er sich zusehends wohler mit „neuen Genossen“ (Z.10). Hein ist in der Geschichte nicht umsonst als Freund der Franzosen bekannt und dieses fast schon schizophrene Verhalten, was er an der Tag legt, spiegelt sich in diesem Gedicht in der „hin und her“ Gerissenheit (Z.11) wieder, die ihn während der Schiffsfahrt überkommt. In der letzten Strophe wird dies noch einmal deutlich, als es „wieder ein Singen und Lachen“ (Z.13) wie in der ersten Zeile gibt, doch diese Scheinfröhlichkeit wird gestört: „Es pfeift der Wind, die Planken krachen“(Z.14), was natürlich nicht annähernd dem verklärtem Bild in Zeile 2 entsprich, wo es heißt: „Die Wellen schaukeln“. Heine fühlt sich also wohl in Frankreich, so wohl, dass ihm nach singen zumute ist, doch es werden von ihm auch einige Abstriche diesbezüglich gemacht, was an: „Es pfeift der Wind, die Planken krachen“ ganz deutlich aufgezeigt wird. Heine scheint klar zu sein, dass es nie wieder wie damals sein wird und dass er sich mit dem zufrieden geben muss, was er hat. Weiterhin fährt das „neue Schiff“ nun bei Nacht, da „der letzte Stern“ (Z.15) „Am Himmel erlischt“ (z.15), was wiederum die Tristes verdeutlichen soll, in der sich Heine befindet. Die Hoffung der „Sonnenlichter“ (Z.2) wurde jäh enttäuscht wodurch er aus dem Exil schreiben musste und immer noch muss. Diese Tatsache, nicht mehr aus dem Heimatland schreiben zu können und nur noch ein Schatten seines einstigen Einflusses, den er mit dem „Jungen Deutschland“ hatte, zu haben, zeigt er hier auf. Sein Revolutionärsgeist, der „letzte Stern“, bzw. der letzte Funken Revolutionär beginnt zu erlöschen. In Zeile 12: „Wie fern die Heimat! mein Herz wie schwer!“ und Zeile 16: „Wie schwer mein Herz! die Heimat wie fern!“ manifestiert sich sein Heimweh und er verstärkt seine Aussage durch den Chiasmus dieser zwei Zeilen. Er sehnt sich nach der Heimat, doch sein Schlusswort „die Heimat wie fern!“ (Z.16) zeigt auf, dass die Heimat immer mehr in die Ferne rückt, dass sie einen immer kleineren Teil in seinem Leben einnimmt und er sich nun langsam mit der neuen Heimat Frankreich anfreundet. Zusammenfassend wäre diese Schlussaussage festzuhalten, Heines Zwiespältigkeit ist geprägt von einer immensen Vaterlandsliebe, die jedoch zu ersterben droht, oder besser formuliert, immer weniger Platz in seinem Gedankengut einnimmt, und einer Liebe zu seinem Exilland Frankreich, das ihn so herzlich aufgenommen hat. Heine wollte mit deinem Gedicht dem Leser darlegen, warum er ein so großer Freund der Franzosen ist, da sie ihm eine neue Heimat gewährten. Außerdem wollte er zeigen, wie es ihn im Leben „gebeutelt“ hat und seine „Lebensfahrt“ von statten ging. Demzufolge war die erste Assoziation des Titels „Lebensfahrt“ folgerichtig und Heine beschrieb damit seinen Werdegang und seine Empfindungen gegenüber Deutschland. Diese Zwiespältigkeit gibt es auch in unserer heutigen Zeit, als Beispiel würde sich anbieten die in Deutschland lebenden Türken herzunehmen. Sie versuchen ihre Kultur zu wahren, doch gleichzeitig müssen, oder wollen sie sich auch in Deutschland integrieren und etablieren. Deshalb denken auch sie oft schmerzlich an ihr Heimatland zurück, das sei z.B. wegen Verfolgung oder wirtschaftlicher Not verlassen mussten, das sie aber immer noch lieben und ehren. Doch auch sie müssen im Exilland nach vorne blicken und weiterleben, dies hat sich auch Heine gedacht und unter anderem dadurch ergibt sich seine Zwiespältigkeit, die sich in seinen Gedichten manifestiert.

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Heine, Heinrich - Lebensfahrt - Gedichtinterpretation
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2006
Seiten
7
Katalognummer
V110014
ISBN (eBook)
9783640081929
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heine, Heinrich, Lebensfahrt, Gedichtinterpretation
Arbeit zitieren
Alexander Rieber (Autor:in), 2006, Heine, Heinrich - Lebensfahrt - Gedichtinterpretation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110014

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