"Was soll ich tun?" - Der Begriff des Rechts bei Kant


Magisterarbeit, 2003

79 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

2. Kurze Einführung in Kants Erkenntnistheorie

3. Die Metaphysik der Sitten
3.1. Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten
3.1.1. Der Wille und die Willkür
3.1.2. Die Pflicht
3.1.3. Die Maxime und das Gesetz
3.1.4. Die Imperative
3.1.4.1. Der hypothetische Imperativ
3.1.4.2. Der kategorische Imperativ
3.1.5. Autonomie und Heteronomie .
3.1.6. Die Freiheit

4. Der Begriff des Rechts
4.1. Moralität und Legalität
4.2. Die Definition des Rechts
4.3. Das Recht und der Zwang

5. Schlussbemerkungen

1. Einleitung

Der Begriff des Rechts gehört zu den am häufigsten behandelten, aber bis heute nicht ausdiskutierten Themen der Rechtsphilosophie. Immanuel Kant, ein wichtiger Philosoph des 18. Jahrhunderts, hat wesentliche Beiträge zu einer Definition des Rechts verfasst. Sein Begriff des Rechts ist das Thema dieser Arbeit.

Kant wurde im Jahr 1724 in Königsberg, damals preußisches Reich, geboren. Er wurde im Jahr 1770 Professor an der gleichen Universität, in der er sein Philosophie-, Naturwissenschafts- und Mathematik-Studium abgelegt hatte, der Universität Königsberg. Man kann nicht sagen, dass er ein lebendiges Leben hatte, nicht von einem Mann, der seine Stadt praktisch nie verlassen hat. Er führte ein ereignisarmes und geregeltes Leben. Man sagt von ihm auch, dass er ziemlich methodisch gewesen sei. Im Jahr 1804 stirbt Kant, ebenso in Königsberg1, der heutigen russischen Stadt Kaliningrad.

Die Zeit, zu der Kant seine Ideen entwickelt hat, war in Frankreich die Zeit der französischen Revolution (1789), in Preußen die Epoche der Regierung Friedrichs des Grossen (1740-1786). In der Philosophie wurde Kant u. a. von Hume und Rousseau beeinflusst, aber auch von Hobbes und Locke, Thomasius und Puffendorf, Grotius und Beccaria. Über den Einfluss von Christian Wolffs (1679-1754), v. a. von dessen Methode, sagt Kant:

“Man denke doch ja nicht, dass man das, was hier gefordert wird, schon an der Propädeutik des berühmten Wolff vor seiner Moralphilosophie, nämlich der von ihm so genannten allgemeinen praktischen Weltweisheit, habe, und hier also nicht eben ein ganz neues Feld einzuschlagen sei”2.

Sein Werk selbst wird die Philosophen späterer Zeiten maßgebend beeinflussen, so z. B. Ihering, Stammler, Kelsen, Del Vecchio, um nur einige zu nennen. Heutzutage gibt es die Richtung eines sogenannten Neukantianismus in der Rechtsphilosophie3, auch deshalb hat das Thema dieser Arbeit ‘Der Begriff des Rechts bei Kant’ einen aktuellen Bezug.

Diese Arbeit wird in Punkt 2. eine kurze Einführung in Kants für die damalige Zeit revolutionäre Erkenntnistheorie darstellen. So ist z.B. ein Verständnis von Kants Erkenntnistheorie eine Voraussetzung, um zu begreifen, dass die Metaphysik der Sitten ein System ist, das aus der Vernunft entsteht. Ohne ein Verständnis der kritischen Philosophie Kants ist ein Verständnis seiner Rechtslehre, bzw. seines Rechtsbegriffes nicht möglich.

Es scheint sowohl für das Verständnis des kantischen Rechtsbegriffes als auch für die Unterscheidung von Recht und Moral wichtig und notwendig, einige von seinen anderen Begriffen zu erläuten. Diese Begriffe, die in Punkt 3 dieser Arbeit dargestellt werden, sind: der Wille und die Willkür, die Pflicht, die Maxime und das Gesetz, die Imperative (kategorisch und hypothetisch), Autonomie und Heteronomie und die Freiheit. Diese Begriffe werden v. a. in Kants Werken ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’, ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ und ‘Die Metaphysik der Sitten’ von ihm dargestellt, obwohl er schon in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ einige dieser Begriffe vorgestellt hat.

In Punkt 4 werden die Unterscheidung zwischen Recht und Moral, Kants Rechtsbegriff, sowie der Zwang behandelt. Hier werden die vorher erläuterten Begriffe miteinbezogen.

An einigen Stellen werden die Zusammenhänge zentraler Begriffe von Kants Philosophie anhand von Schemata erläutert. Zum Schluss ist es noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Werke von Kant nach der ersten (als A bezeichnet) und zweiten (als B bezeichnet) Auflage zitiert sind.

2. Kurze Einführung in Kants Erkenntnistheorie

Kants gesamtes Werk hat vielfältige Inhalte. Man kann sie in zwei bestimmte Zeiten aufteilen: vorkritische und kritische Zeit. In seiner vorkritischen Periode beschäftigte er sich mit naturwissenschaftlichen Problemen. Die kritische Zeit basiert auf 3 von seinen berühmten philosophischen Werken: sein Durchbruchswerk ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ (1781), dann ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ (1788) und ‘Die Kritik der Urteilskraft’ (1790). Über diese kritische Zeit hat er selbst geschrieben:

“Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muss. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können”4.

Der Begriff “Kritik” leitet sich aus dem griechischen Wort krinein ab und bedeutet Untersuchung, Prüfung. Die Kritik der reinen Vernunft, so wie Kant sich dies vorstellt, soll man verstehen als die Überprüfung aller Vernunfterkenntnis, unabhängig von aller Erfahrung (darum rein). Nur durch Kritik wird eine wissenschaftliche Metaphysik der Sitten möglich, sowie auch eine wissenschaftliche Begründung des Rechts.

Es gibt zwei wesentliche einflussreiche philosophische Systeme in Kants Philosophie: Empirismus und Rationalismus. Für Philosophen dieser Richtungen war es das wesentliche Problem der Epistemologie festzustellen, wie und was wir wissen können. Es gibt unterschiedliche Varianten dieser philosophischen Systeme (Empirismus und Rationalismus), je nachdem welcher Philosoph sie vertreten hat. Hier soll jedoch nur eine Grundidee dieser Systeme vermittelt werden.

Die Vertreter des Rationalismus (v. a. Descartes, Spinoza, Leibniz, Malebranche, Wolff) lehren, dass das Wissen schon a priori existiert und nicht erst durch Erfahrung erkannt wird. Die Vernunft soll die Quelle des Wissens sein.

Demgegenüber vermittelt der Empirismus die Idee, dass alle Erkenntnis aus der Sinneswahrnehmung entstammt, dass also Wissen nur a posteriori erworben wird und daher keine Metaphysik möglich ist. Eine klassische Formulierung des Empirismus von Locke macht dies deutlich: “nihil est in intellectu quod prius non fuerit in sensu”5

(“Nichts ist im Verstand, was nicht zuerst im Geist gewesen ist”). Vertreter des Empirismus waren u. a. Hobbes, Locke, Berkeley und Hume.

Kant beschrieb, dass es die Erkenntnistheorie von David Hume (ein Vertreter des Empirismus) war, v. a. durch dessen Negation der Kausalität (der Notwendigkeit der Verknüpfung zwischen Ursache und Folge) als eine Erkenntnis, die aus der Erfahrung entstanden ist, die seinen dogmatischen Schlaf unterbrach und seinen Untersuchungen auf dem Feld der spekulativen Philosophie eine andere Richtung gab6.

Für Kant sind weder Sinnlichkeit (“die Rezeptivität unseres Gemüts, Vorstellungen zu empfangen, so fern es auf irgend eine Weise affiziert wird”) noch Verstand (“das Vermögen, Vorstellung selbst hervorzubringen” oder “Gegenstände sinnlicher Anschauungen”) allein die Quelle der Erkenntnis. Die Erkenntnis ist nur möglich durch eine Kombination von Sinnlichkeit und Verstand, da die Erfahrung (“ein empirisches Erkenntnis, d. i. ein Erkenntnis, das durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt”… eine “Synthesis der Wahrnehmungen”…) selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfordert7:

“Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel… wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung”8.

Deutlicher wird diese Feststellung in der weiteren Lektüre von ‘Die Kritik der reinen Vernunft’:

“Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so dass weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe eine Erkenntnis abgeben kann”9.

Kants Kritik ist insofern eine Synthesis zwischen Rationalismus und Empirismus, beides wichtige Erkenntnistheorien, die in seiner Untersuchung nicht vernachlässig wurden, obwohl er behauptete, dass es vor der kritischen Philosophie keine andere gegeben hat:

“Unsere Natur bringt es so mit sich, dass die Anschauung niemals anders als sinnlich sein kann, d.i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen affiziert werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der anderen vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sein leer, Anschauung ohne Begriffe sind blind”10.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Kritizismus, wie dieses philosophisches System nach Kant genannt wurde, behauptet, dass die Menschen für Erkenntnis sowohl Sinnlichkeit (die Affektion der Sinne: Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen) als auch Verstand brauchen (sozusagen die Bearbeitung der durch die Sinne gelieferten Informationen). Es gibt eine Abhängigkeit zwischen Sinnlichkeit und Verstand, was Erkenntnis anbelangt.

“Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich erwarten?11 ” Dies sind drei wichtige Fragen in Kants Werk ‘Die Kritik der reinen Vernunft’.

In der ersten und spekulativen Frage, die sich auf das Wissen bezieht, versucht er zu verstehen, was man weiss und was und wie man überhaupt wissen kann. Wahre Erkenntnis wäre nur im Zusammenwirken von Sinnlichkeit und Verstand möglich. Er stellt die Frage “wie sind synthetische Urteile a priori möglich?” als Aufgabe der reinen Vernunft dar, als einen ersten Schritt, um die Frage “Was kann ich wissen?” beantworten zu können. Die letzte Aufgabe der Vernunft ist die Beantwortung der Frage: “Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?”

Die zweite und praktische Frage und die wichtigste für diese Arbeit, bezieht sich auf das Problem der Moral und des Rechts. Das Wesentliche ist die Untersuchung, ob und wie reine Prinzipien des menschlichen Verhaltens möglich sind und welche Prinzipien dies

sind. Hier findet man eine Trennung zwischen Moral und Recht sowie den Versuch, Recht wissenschaftlich zu begründen. Die Untersuchung der zweiten Frage wird sowohl in ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ als auch in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ und in ‘Die Metaphysik der Sitten’ durchgeführt.

Die dritte, zugleich praktische und theoretische Frage bezieht sich auf das, was ich erhoffen darf, wenn ich tue, was ich tun soll. Diese Frage wird in Kants Werk ‘Die Kritik der Urteilskraft’ bearbeitet.

Was Kant als Wissenschaft bezeichnet, ist etwas ganz anderes als die Zeit vor ihm. Was Rechtswissenschaft anbelangt, versucht er eine nicht-empirische Begründung des Rechts zu erreichen. Für ihn verpflichtet die Empirie zu nichts.

Kant hat, wie er selbst sagte, die kopernikanische Wendung in der Erkenntnislehre gemacht. Diese Revolution besteht darin, anzunehmen, dass sich die Gegenstände der Erkenntnis nach unserer Erkenntnis richten, anstatt der Annahme, dass sich alle unsere Erkenntnis nach den Gegenständen richtet, die man kennen möchte. Das heisst, das Wissen a priori und nicht das Wissen a posteriori soll überhaupt die Erkenntnis ermöglichen:

“Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten; aber alle Versuche, über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit eben so, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelinge möchte, wenn es den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müsste, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstände (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen”.12

Dieser Unterschied wird wesentlich sein, um Kants Begriffe der Moral und des Rechts zu verstehen, v. a. wie er diese Begriffe ableitet.

A priori bedeutet von vornherein und kommt von dem lateinischen Wort prior, das “früher” heisst. Der Begriff des a priori in Kants Werk soll bezeichnen: unabhängig von aller Erfahrung oder von keiner Erfahrung abgeleitet. Dagegen bedeutet a posteriori im Nachhinein und kommt von dem lateinischen Wort post, das “nach” heisst. Dieser Begriff bedeutet für Kant, dass die Erkenntnis nur nach einer Erfahrung möglich ist.

Nur die Erkenntnis a priori ermöglicht die Eigenschaften der Universalität oder Allgemeinheit und absoluten Notwendigkeit der Wissenschaft. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der a priori und der a posteriori Erkenntnis. Diese Eigenschaften der Erkenntnis a priori, allgemein und notwendig zu sein, charakterisiert etwas als wissenschaftlich.

Erfahrung lehrt zwar, dass etwas so oder so beschaffen sei, aber lehrt nicht, dass es nicht anders sein könnte. Das Merkmal des Unbedingten, also der Notwendigkeit, macht ein Urteil a priori aus13:

“Denn das kündigt eine jede Erkenntnis, die a priori fest stehen soll, selbst an: dass sie vor schlechthin notwendig gehalten werden will, und eine Bestimmung aller reinen Erkenntnisse a priori noch vielmehr, die das Richtmaß mithin selbst das Beispiel aller apodiktischen (philosophischen) Gewissheit sein soll”.14

Kant erklärt weiter, was ein Urteil a priori bestimmt:

“Findet sich also erstlich ein Satz, der zugleich mit seiner Notwendigkeit gedacht wird, so ist es ein Urteil a priori; ist er überdem auch von keinen abgeleitet, als der selbst wiederum als ein notwendiger Satz gültig ist, so ist er schlechterdings a priori”.15

Das Merkmal der Allgemeinheit wird nicht aus der Erfahrung gelehrt, auch wenn es manchmal so scheint. Die Allgemeinheit, die die Erfahrung gebietet, kann höchstens eine Regel erzeugen, niemals aber ein Gesetz, da ein Gesetz unbedingt notwendig gilt und eine Regel nicht. Dieser Unterschied wird in Punkt 3.1.3. ausführlicher erklärt. Streng gedacht ist die Allgemeinheit eines Urteiles (also: keine Ausnahme ist zulässig) nicht aus der Erfahrung abzuleiten, sondern nur a priori gültig, sonst würde das Urteil auf Induktion gegründet. Ein wahres oder strenges Urteil a priori erlaubt keine

Ausnahme. Da Urteile a priori möglich sind, folgt, dass sie streng allgemein gelten

müssen.

Notwendigkeit und Allgemeinheit sind die Merkmale der Erkenntnis a priori:

“Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori und gehören auch unzertrennlich zu einander”16.

Den Beweis der Möglichkeit der Existenz von reiner Erkenntnis a priori, die unbedingt notwendig und streng allgemein ist, führt Kant sowohl durch die Sätze der Mathematik als auch durch den Zusammenhang zwischen Ursache und Folge.

Wichtig ist für Kant, zwischen Sein und Sollen zu unterscheiden. Aus dem Leben (Erfahrung/das Sein) darf nicht eine universelle Regel (das Sollen), Gebot oder Verbot, abgeleitet werden, es sei denn bezogen auf die Natur:

“Denn in Betracht der Natur gibt uns Erfahrung die Regel an die Hand und ist der Quell der Wahrheit; in Ansehung der sittlichen Gesetz aber ist höchst verwerflich, die Gesetze über das, was ich tun soll, von demjenigen herzunehmen, oder dadurch einschränken zu wollen, was getan wird”17.

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Allein das Wissen a priori ermöglicht die Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht. Die Urteile, die unsere Erkenntnis erweitern, sind nur die synthetischen Urteile a priori. Kant erklärt, dass bei allen Urteilen, in denen das Verhältnis eines Subjekts zum Prädikat gedacht ist, dieses Verhältnis von zweierlei Art ist: entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A als etwas, was in A enthalten ist (analytische Urteile oder Erläuterungsurteile) oder B liegt nicht in dem Begriff des A, obwohl es mit dem Begriff des A in Verknüpfung stehen kann (synthetische Urteile oder Erweiterungs- oder Erfahrungsurteile). Die Verknüpfung zwischen A und B in den synthetischen Urteilen ist ohne Identität gedacht, während in den analytischen Urteilen diese Identität erforderlich ist18.

Ein Urteil ist im kantischen Gebrauch eine Behauptung. Alle Urteile können a priori oder a posteriori gewonnen werden, sowie analytisch oder synthetisch sein. Synthetische Urteile erweitern zwar das Wissen, gelten aber nicht notwendig und allgemein, wenn sie nicht a priori sind. Wichtig ist also die Untersuchung der synthetische Urteile a priori.

Synthetische Urteile a priori sind diejenigen, bei denen (i) in dem Verhältnis zwischen Prädikat (B) und Subjekt (A) ‘B’ nicht in ‘A’ enthalten ist, UND (ii) die Behauptung, die in diesem Urteil enthalten ist, allgemein und notwendig gelten muss. Genau deswegen sind die synthetischen Urteile a priori die Urteile, die geeignet sind zur Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

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Die Wahrheit (“Übereinstimmung unserer Erkenntnis mit Objekten”19 ), die durch diese wissenschaftliche Erkenntnis festgestellt wird und nur so gesichert wird, muss befolgt werden. Weil das Recht eine solche Wahrheit enthält, muss es befolgt werden (darum Sollen). Die Durchsetzung des Rechts ist nur mit Zwang möglich. Der Begriff des Rechts enthält also den Begriff von Zwang. Unter Punkt 4 wird dies besser erläutert.

Dass es synthetische Urteile a priori gibt, lässt sich z. B. durch die Wirklichkeit der Mathematik oder Physik beweisen. Die wesentliche Frage der Untersuchung von Kant in Bezug auf synthetische Urteile a priori ist also, ob es die Möglichkeit solcher Urteile in der Metaphysik gibt oder, anders formuliert, eben die Frage, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist (s. Punkt 2).

3. Die Metaphysik der Sitten

Wie viele andere Philosophen, die sich mit Metaphysik beschäftigten, hat Kant geglaubt, den richtigen Weg für die Ethik gefunden zu haben. Dieses Thema behandelt er in ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’, in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ und in ‘Die Metaphysik der Sitten’. Man könnte annehmen, dass ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ nur eine Vorbereitung für seine Ethik ist, v. a. weil er in diesem Werk die Frage beantworten möchte, wie Metaphysik wissenschaftlich möglich ist (s. oben). Weiterhin wird dies belegt durch seine Aussage: “…vielmehr ist die Kritik die notwendige vorläufige Veranstaltung zur Beförderung einer gründlichen Metaphysik als Wissenschaft…”20. In ‘Die Metaphysik der Sitten’ werden seine Tugend- und Rechtslehre behandelt.

Das Konzept der Metaphysik, sowohl allgemein in der Philosophie als auch in Kants Werk, muss klar sein, um seinen Begriff der Metaphysik der Sitten zu verstehen.

Der Begriff “Metaphysik” leitet sich von den griechischen Begriffen Meta (“nach”) und Physis (“die Natur”). Daraus folgt, dass Metaphysik “die Wissenschaft bezeichnet, die über die Physik hinausgeht”21.

Die wesentliche Frage der Metaphysik aller Zeiten ist, ob es im Sein im weiteren Sinn eine Gesetzmäßigkeit gibt (ausserhalb der Naturgesetze, dass z. B. ein Stein zu Boden fällt und nicht nach oben). Viele Philosophen und Philosophien versuchten, diese Frage zu beantworten (mit Ausnahme der Theologen, da hier vorausgesetzt ist, dass Gott der Sinn und Zweck von allem ist; Gott selbst (die Heiligkeit) ist der Gegenstand der Metaphysik für die Theologen).

Es gibt eine Unterteilung der Metaphysik in theologische, ontologische, epistemologische usw. Trotzdem könnte man eine Definition der Metaphysik versuchen: die Metaphysik ist die Untersuchung der letzten Gründe, der letzten Ursachen von allem22.

Die epistemologische Metaphysik ist die, der Kant folgt. Die Metaphysik ist für Kant die Untersuchung der Möglichkeit des Wissens als Bedingung der Wissenschaft überhaupt. Durch diese Untersuchung wird es erstmals möglich, die Prinzipien aller Wissenschaft hervorzubringen.

Die Metaphysik ist für Kant die Disziplin, die sich über die Jahre als Aufgabe gestellt hat, eine endgültige Antwort für viele Probleme durch den Versuch zu finden, die Dinge in sich selbst zu kennen.23 Er stellt hierbei die gesamte Metaphysik vor seiner Zeit als dogmatisch (bezogen auf die Rationalisten) und/oder indifferent (bezogen auf die Empiristen), also insgesamt unkritisch, dar:

“Man kann also und muss alle bisher gemachten Versuche, eine Metaphysik dogmatisch zustande zu bringen, als ungeschehen ansehen; denn was in der einen oder der anderen Analytisches, nämlich bloss Zergliederung der Begriffe ist, die unserer Vernunft a priori beiwohnen, ist noch gar nicht der Zweck, sondern nur eine Veranstaltung zu der eigentlichen Metaphysik, nämlich seine Erkenntnisse a priori synthetisch zu erweitern, und ist zu diesem untauglich, weil sie bloss zeigt, was in diesen Begriffen enthalten ist, nicht aber, wie wir a priori zu solchen Begriffen gelangen…”24.

So hat Kant gedacht und nach diesem Gedanken seine Lehre und seine Werke orientiert. Sein metaphysischer Ansatz ist, sichere Kriterien herauszufinden, anhand derer man die Scheinvernunft von der Wahrheit unterscheiden kann25.

Für Kant ist die Metaphysik, die vor ihm existierte, voller Widersprüche, weil u. a. die Philosophen versucht haben, die Dinge in sich selbst zu erkennen, und dieses ist nach Kant unmöglich:

“…alle unsere Anschauung nichts als die Vorstellung von Erscheinungen sei; dass die Dinge, die wir anschauen, nicht das an sich selbst sind… was die Gegenstände an sich selbst sein mögen, würde uns durch die aufgeklärteste Erkenntnis der Erscheinung derselben, die uns allein gegeben ist, doch niemals bekannt werden”26.

Man kann höchstens die Dinge als Phänomene (Erscheinungen) kennen. Damit behauptet Kant nicht, dass die Sachen in sich selbst nicht existieren, sondern nur, dass ihre Erkenntnis in dieser Form nicht möglich ist:

“Aber hierin liegt eben das Experiment einer Gegenprobe der Wahrheit des Resultats jener ersten Würdigung unserer Vernunfterkenntnis a priori, dass sie nämlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als für sich wirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse”27.

Ausserdem haben viele Philosophen, die sich vor ihm mit Metaphysik beschäftigt haben, Konzepte und Theorien entwickelt durch die “Beobachtung der Welt”, das heisst, durch die Erfahrung (nach Kant also zweifelhafte Kriterien, a posteriori).

Kant übernimmt die Einteilung der Philosophien der Griechen in drei Wissenschaften: die Ethik, die Logik und die Physik. Er unterscheidet noch alle Vernunfterkenntnis in formal und material, je nachdem ob sie sich mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens (ohne Unterschied der Objekte) beschäftigt oder mit einem bestimmten Objekt. Während die Logik eine formale Philosophie ist, sind die Ethik und die Physik materiale Philosophien. Sie unterscheiden sich nach den Gesetzen, die sie als Gegenstände ihre Philosophie haben: Naturgesetze oder Freiheitsgesetze.

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Der Ethik (sog. Sittenlehre) entsprechen die Gesetze der Freiheit, nach denen “alles geschehen soll, aber doch auch mit Erwägung der Bedingungen, unter denen es öfters nicht geschieht”28. Das heisst, nach dem moralischen Gesetz, jedoch mit Erwägung der Neigungen, die die Menschen affizieren können. Dies hat zur Folge, bzw. könnte zur Folge haben, dass sie das (moralische) Gesetz nicht mehr beachten. Die Gesetze der Freiheit unterscheiden sich von den Naturgesetzen dadurch, dass sie moralische sind;

Kant unterteilt sie in juridische und ethische. Weiter unten in Punkt 4.1 wird der Unterschied zwischen ethischen und juridischen Handlungen, sowie zwischen Moralität und Legalität erläutert.

Dem Begriff ‘Sitte’ entspricht das lateinische Wort mos und das griechische Wort ethos. Von diesen wurden die Begriffe Moral und Ethik abgeleitet. Sitte bezieht sich auf die Lehre des menschlichen Verhaltens im Gegensatz zu der Lehre der Natur (oder Physik)29. Auf den Begriff der Freiheit bei Kant wird später noch ausführlicher eingegangen, da diese Definition unbedingt notwendig ist für das Verständnis des Kantischen Rechtsbegriffes.

Die Philosophie wird danach von Kant in empirische und reine eingeteilt. Die empirische Philosophie ist die, die aufgrund der Erfahrung aufgebaut wird; die reine Philosophie wird aus Prinzipien a priori abgeleitet. Kant teilt die reine Philosophie in Logik und Metaphysik.

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Die Metaphysik ist die Philosophie die “auf bestimmte Gegenstände des Verstandes eingeschränkt”30 ist. In ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ definiert er auch, was Metaphysik ist. Er benennt als die Ziele der Forschung der Metaphysik drei Ideen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Er behauptet sogar, dass alles, womit die Metaphysik sich als Wissenschaft beschäftigt, als Mittel dient, um “in diese(n) Ideen und ihre(r) Realität zu gelangen”31:

“Die Wissenschaft aber, deren Endabsicht mit allen ihren Zurüstungen eigentlich nur auf die Auflösung derselben gerichtet ist, heisst Metaphysik”32.

Sowohl die Physik als auch die Ethik haben einen empirischen Teil und einen rationalen

(reinen) Teil. Der empirische Teil der Ethik heisst praktische Anthropologie und der

rationale Teil heisst Moral oder Metaphysik der Sitten, sorgfältig gesäubert”33.

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Die Metaphysik der Sitten bei Kant enthält die Prinzipien, welche a priori und darum notwendigerweise zeigen, was zu tun oder zu unterlassen ist.

Die Existenz einer Metaphysik der Sitten, so meint Kant, “leuchtet von selbst aus der gemeinen Idee der Pflicht und der sittlichen Gesetze ein”34. Ein moralisches Gesetz, d.

h. aufgrund seiner Verbindlichkeit, soll notwendig sein und für alle Leute gelten (Eigenschaften der Notwendigkeit und Allgemeinheit, für alle Wissenschaften gültig). Der Grund der Verbindlichkeit soll in der reinen Vernunft/Philosophie gesucht werden und nicht in der Erfahrung. Das moralische Gesetz hat eben die reine Vernunft als Grund ihrer Verbindlichkeit. Jedes ‘Gesetz’, das aus der Erfahrung abgeleitet werden kann, ist kein (moralisches) Gesetz mehr, sondern eine blosse praktische Regel (auch wenn sie der Allgemeinheit dient). Über die Notwendigkeit einer Metaphysik der Sitten behauptet Kant:

“Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich notwendig, nicht bloss aus einem Bewegungsgrunde der Spekulation, um die Quelle der a priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Gründsätze zu erforschen, sondern weil die Sitten selber allerlei Verderbnis unterworfen bleiben, so lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurteilung fehlt”35.

Die Metaphysik der Sitten ist also nach Kant die reine oder rationale Lehre des

Verhalten der Menschen oder die reine oder rationale Lehre der Freiheitsgesetze. Anders formuliert ist die Metaphysik der Sitten (oder die reine Philosophie der Sitten) eine Untersuchung der Prinzipien der Sittlichkeit (Prinzipien der Moral- und Rechtslehre), in der diese Prinzipien aus der reinen Vernunft abgeleitet werden müssen, unabhängig von aller Erfahrung.

Kants Werk “Die Metaphysik der Sitten”, in dem er seinen Rechtsbegriff darstellt, ist in zwei Teile unterteilt: Rechts- und Tugendlehre. Von der Rechtslehre sagt er, dass das Recht nicht ein Form der Macht sein sollte, sondern aus der Vernunft abgeleitet werden muss. Die Verbindlichkeit aller Rechtsregeln ergibt sich also aus einer metaphysischen, rein vernünftigen, von Willen und Subjektivität unabhängigen Begründung (der kategorische Imperativ, s. unten Punkt 3.1.4.2.).

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Es ist nicht schwierig, die kopernikanische Wendung in der Ethik selbst anzuerkennen. Das Sollen, das Gebot des moralischen Gesetzes, ist nicht in der Welt der Erscheinung (oder in der Erfahrung) zu finden, sondern im Subjekt selbst, durch das Denken, durch die Ausübung der Fähigkeiten der Vernunft.

Nach Kants Ethik soll der Mensch mit Hilfe seiner Vernunft ein sittliches Verhalten haben nach einem sittlichem Gesetz (auch genannt praktisches oder moralisches Gesetz). Er versucht, die Ethik wissenschaftlich zu betrachten, indem er die Eigenschaften der Wissenschaft, Notwendigkeit und Allgemeinheit, in seine Theorie der Ethik einbezieht. Nach Kants Ethik zu handeln heisst, dem Gesetz zu gehorchen. Dieses Gesetz muss einen kategorischen Imperativ enthalten um überhaupt moralisch genannt werden zu können. Die Handlung nach Kants Ethik gliedern sich in juridisch und ethisch. Eine ethische Handlung muss nicht nur dem moralischen Gesetz entsprechen, sondern sie muss auch aus moralischem Willen geschehen, d.h. die Handlung muss aus Pflicht geschehen und nicht aus irgendeinem anderen Grund. Eine juridische (rechtliche) Handlung ist auch eine Befolgung des Gesetzes, das einen kategorischen Imperativ enthält, aber geschieht nicht aus Pflicht. Der Unterschied eben liegt darin, aus welchem Grund gehandelt wird. Der Unterschied zwischen eine ethischen und eine juridischen Handlung mit den daraus folgenden Implikationen wird in Punkt 4 ausgeführt.

Also kann aus Kants Sicht nur eine Metaphysik der Sitten die Grundlegung einer Morallehre und einer Rechtslehre darstellen.

3.1. Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten

Bei seiner wissenschaftlichen Begründung einer Tugend- und Rechtslehre, erklärt Kant diejenigen Begriffe, welche für diese Erklärung wichtig waren und welche daher hier ebenfalls erläutet werden.

3.1.1. Der Wille und die Willkür

Der Begriff des Willens sowie der Begriff der Willkür sind von wesentlicher Bedeutung in Kants Philosophie und für das Verständnis seines Rechtsbegriffes. Es ist wichtig, zwischen Wille und Willkür zu unterscheiden. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist notwendig, um z. B. den Begriff der Freiheit verstehen zu können.

Der Mensch ist das einzige vernünftige Wesen, das nach der Vorstellung der Gesetze handeln kann, d. h. er steht nicht unter dem Gesetz der Natur (“den Zusammenhang der Erscheinungen ihrem Dasein nach, nach notwendigen Regeln, d. i. nach Gesetzen”36 oder “die Existenz der Dinge unter Gesetzen”37 ) sondern handelt nach dem Gesetz der Freiheit. Was in der Natur passiert, d. i. unter Naturgesetz, ist nicht frei, eben weil es unbedingt passieren muss. Der Mensch kann aber auch ausserhalb dieser Gesetze handeln, da er einen freien Willen hat:

“Von eben demselben Wesen also, z. B. der menschliche Seele, würde ich nicht sagen können, ihr Wille sei frei, und er sei doch zugleich der Naturnotwendigkeit unterworfen, d. i. nicht frei, ohne in einen offenbare Widerspruch zu geraten”38.

Ein freier Wille ist also einer, der den Gesetzen der Natur nicht unterworfen ist, d. h. er steht nicht unter dem unbedingt notwendigen Geschehen der Natur. Diese Freiheit beruht auf einer Unabhängigkeit des Willens von der mechanischen Welt der Natur.

Die Möglichkeit, nach der Vorstellung der Gesetze zu handeln, definiert einen Willen:

“Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d. i. nach Prinzipien, zu handeln, oder einen Willen”39.

Der Wille ist also von seiner “Natur” her frei, nicht nur weil er allein nicht unter dem Gesetz der Natur steht, sondern auch weil er ein Vermögen des Menschen ist, nach der Vorstellung der Gesetze zu handeln und nicht (mechanisch) nach dem Gesetz (der Natur).

Kant formuliert zum ersten Mal in dem Werk ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ den Begriff des Willens unter alleiniger Bestimmung der Vernunft, den sogenannten reinen Willen:

“…der Wille ist ein Vermögen nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung, als praktisch notwendig, d. i. als gut erkennt”40.

Eine Handlung, die als objektiv notwendig erkannt wird, kann subjektiv notwendig sein oder nicht. Wenn der Handelnde nach einem reinen, d. h. guten Willen handelt, erkennt er die objektive Notwendigkeit des Gesetzes und handelt nur nach der Vorstellung dieses Gesetzes, weil seine Vernunft ihm zeigt, dass er so handeln soll. Wäre der Mensch allein durch Vernunft beeinflusst, wären seine Handlungen sowohl objektiv als auch subjektiv notwendig. Aber, der Mensch wird nicht nur beeinflusst von der Vernunft, sondern auch aus anderen Quellen, wie, z. B. den menschlichen Neigungen. Wenn der Handelnde dann die objektive Notwendigkeit eines Gesetzes erkennt und nach diesem Gesetz handelt, aber nicht nach der Vorstellung des Gesetzes allein, sondern nach anderen Bestimmungsgründen (seinem Willen), dann ist die Handlung subjektiv zufällig (der Wille ist nicht völlig der Vernunft gemäss) und die Bestimmung eines solchen Willens heisst Nötigung.

Für Kant ist der gute Willen das einzige, was innerhalb und ausserhalb der Welt gut sein kann und über alles geht. Insofern sind Glückseligkeit und Selbstliebe als (immer) gut ausgeschlossen. Jeder vernünftige Mensch handelt nach dem guten Willen. Der Begriff der Pflicht enthält den Begriff eines guten Willens. Der gute Wille ist ein reiner Wille und wird in “Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten” definiert als:

“Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut, und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen, als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja, wenn man will, der Summe aller Neigungen, nur immer zu Stange gebracht werden könnte”41.

Ein guter Wille ist also in sich selbst gut; Handlungen aus gutem Willen werden nicht beeinflusst durch Neigungen, Selbstinteresse, usw. Der gute Willen ist ein Wille, der keinen anderen Bestimmungsgrund hat als die reine Vernunft, deswegen hat er nur die Idee der Pflicht als Triebfeder zu handeln. Eine Person, die nach einem guten Willen handelt, ist eine vernünftige Person, die aus Pflicht handelt, unabhängig von dem Ergebnis, das durch diesen guten Willen erreicht wird. Die Unterscheidung zwischen Handlung aus Pflicht und pflichtmäßiger Handlung wird in dem nächsten Punkt der Arbeit erklärt.

In Ansehung der ausgewählten Maxime ist der gute Wille derjenige, welcher sich nicht widersetzt, wenn die entsprechende Maxime nach dem Gebot des kategorischen Imperativs zu einem allgemeinen Gesetz gemacht wird.

Ebenfalls in ‘Die Metaphysik der Sitten’ bestimmt Kant den Begriff der Willkür: Das Vermögen beliebig zu tun oder zu lassen heisst Willkür, “so fern es mit dem Bewusstsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objekts verbunden ist”42, d. h. sofern sich die Person bewusst ist, dass durch dieses Vermögen (zu tun oder zu lassen) die Handlung Ursache des Objektes ist. Der Wunsch dagegen ist ein Vermögen, auch nach Belieben zu tun oder zu lassen, aber er ist nicht mit dem Bewusstsein der Hervorbringung des Objektes verbunden.

Der Wille ist das Begehrungsvermögen, das seinen Bestimmungsgrund in der Vernunft des Subjektes findet; er ist das Begehrungsvermögen in Bezug auf den Bestimmungsgrund der Willkür. Wenn der Wille die Willkür bestimmen kann, ist er die

praktische Vernunft selbst43. Später in demselben Werk wird Kant die Erklärung des Unterschiedes zwischen Wille und Willkür anders formulieren: “Von dem Willen gehen die Gesetze aus; von der Willkür die Maxime”44.

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Der Wille ist also die Eigenschaft des Menschen, die Willkür durch Prinzipien der Vernunft zu bestimmen. Wenn er die Willkür bestimmen kann, dann ist der Wille die praktische Vernunft selbst. Der Wille gibt das Gesetz, nach dem die Willkür ihre Maxime richten soll. Die Willkür ist die Eigenschaft, nach Belieben zu handeln, was immer auch der Bestimmungsgrund der Willkür sein mag. Heutzutage würde man Willkür als Freiheit “übersetzen”. Die Willkür, die durch den Willen (reine Vernunft) bestimmt werden kann, ist frei. Der Wunsch steht der Willkür gegenüber, er ist zwar auch eine Vorstellung, nach Belieben zu tun oder zu lassen, aber ist dagegen unwirksam, da er durch diese Vorstellung das Objekt nicht hervorbringen kann45.

Die Willkür kann von zweierlei Art sein: frei oder tierisch. Die freie Willkür wird durch die reine Vernunft (den Willen) bestimmt, während die tierische Willkür (arbitrium brutum) ihre Bestimmung in der Neigung (sinnlicher Antrieb, stimulus) hat. Die Tiere haben eine tierische Willkür, weil sie nicht nach der Vorstellung eines Gesetzes handeln können und auch nicht bewusst handeln, um ein Ziel zu erreichen. Der Mensch dagegen wird zwar u. a. durch Neigungen affiziert, aber seine Willkür ist nicht tierisch, da sie nicht allein durch solche Antriebe bestimmt wird46.

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Kant erklärt einen wesentlichen Begriff für das Verständnis seines Rechtsbegriffes, schon am Anfang von “Die Metaphysik der Sitten”, d. i. die Freiheit der Willkür: “Die Freiheit der Willkür ist jene Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnlichen Antrieb; dies ist der negative Begriff derselben”47.

Die Willkür der Menschen ist immer frei. Sie wird zwar durch Neigungen (sinnliche Antriebe) affiziert, aber sie ist nicht absolut, d. h. unbedingt von diesen Neigungen abhängig.

Die Definition der Freiheit der Willkür im negativen Sinn kann schon aus der Erklärung einer freien Willkür deduziert werden, weil die Freiheit der Willkür im negativen Sinn und die freie Willkür einerlei sind. Die freie Willkür ist die Willkür, die durch reine Vernunft bestimmt wird; die Freiheit der Willkür im negativen Sinn ist die Willkür, die unabhängig von Neigungen (sinnliche Antriebe) bestimmt wird (diese Definition stimmt übrigens überein mit der Definition der Freiheit im negativen Sinn, wie in Punkt 3.1.6. erläutet). Wenn die Willkür von Neigungen unabhängig ist, d. h. wenn die Neigungen keinen Einfluss auf die Bestimmung der Willkür haben, dann hat die Vernunft selbst, von jeder Neigung gereinigt, diesen Einfluss. In der Freiheit der Willkür im negativen Sinn wird also die reine Vernunft die Willkür (die deswegen frei sein wird) bestimmen.

Die Freiheit der Willkür hat nicht nur einen negativen (Unabhängigkeit von Neigungen auf die Bestimmung der Willkür), sondern auch einen positiven Sinn, der lautet:

“Der Positive ist: das Vermögen der reinen Vernunft, für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter die Bedingung der Tauglichkeit der ersten zum allgemeinen Gesetze”48.

Diese Definition stimmt auch mit der Definition von Freiheit im positiven Sinn überein.

Das ist nicht überraschend, weil Kant fast immer den Begriff der Freiheit durch den Begriff des Willens oder der Willkür definiert.

Die Freiheit der Willkür im positiven Sinn ist nur möglich, wenn die Menschen ihre sinnlichen Antriebe dadurch aufopfern, dass sie den Prinzipien der Vernunft folgen und ihre Maxime zum allgemeinen Gesetz machen.

3.1.2. Die Pflicht

Pflicht wird in ‘Die Metaphysik der Sitten’ als die Handlung definiert, zu welcher eine Person verbunden ist49. Es wird nicht die Frage gestellt, wie die Person auf diese Pflicht gekommen ist, also, wie sie sich verpflichtet gemacht hat; nur weil es Pflicht ist, ist diese Person so gebunden, dass sie einer Vorschrift folgen muss. Die Pflicht ist die Materie der Verbindlichkeit, das heisst, wozu man verbunden ist (was getan werden muss).

In ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ beschreibt Kant die Pflicht als “die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz”50. Gesetz ist hier als das moralische Gesetz (Sittlichkeit) zu verstehen. Objektiv wird der Wille durch das Gesetz bestimmt; subjektiv, durch die Achtung für das Gesetz. Im Bezug auf das moralische Gesetz, erklärt Kant, was diese Achtung ist:

“Also ist Achtung fürs moralische Gesetz ein Gefühl, welches durch einen intellektuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefühl ist das einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Notwendigkeit wir einsehen können… so ist die Achtung fürs Gesetz nicht Triebfeder zur Sittlichkeit, sondern sie ist die Sittlichkeit selbst subjektiv als Triebfeder betrachtet… Achtung fürs moralische Gesetz ist also die einzige und zugleich unbezweifelte moralische Triebfeder, so wie dieses Gefühl auch auf kein Objekt anders, als lediglich aus diesem Grunde gerichtet ist”51.

Man kann das Gefühl von Achtung für das Gesetz nur durch Vernunft empfinden, da es nur durch einen intellektuellen Grund bestimmt wird. Da dieses Gefühl a priori von der Vernunft erkannt wird, trägt es die Merkmale der Notwendigkeit in sich. Die Achtung für das Gesetz ist der subjektive Bestimmungsgrund eines guten Willens.

Man kann den Begriff der Pflicht objektiv und subjektiv betrachten. Objektiv gesehen ist die Pflicht die Übereinstimmung der Maxime mit dem Gesetz; subjektiv, die Achtung für das Gesetz (als alleinigen Bestimmungsgrund des Willens).

Kant unterteilt Handlungen in pflichtmäßige Handlungen und Handlungen aus Pflicht. Dieser Unterschied liegt nicht in der Folge der Handlung, eher in den Prinzipien des Wollens (Maxime), nach denen eine Person handelt. Eigentlich liegt dieser Unterschied in der Triebfeder (dem Motor) der Handlung; in der Antwort auf die Frage, aus welchem Grund (Triebfeder) eine Person diese Maxime ausgewählt hat. Dieser Unterschied ist ein Zeichen einer Charakterisierung des ethischen und juridischen Gesetzes je nach Modalitäten der Pflicht, je nachdem wie man handelt.

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Eine pflichtmäßige Handlung ist einschlägig, wenn man von der Triebfeder dieser Handlung (ihren Gründen) ableiten kann, dass die Person so gehandelt hat, weil sie selbst eine unmittelbare Neigung haben könnte, oder in “selbstsüchtiger Absicht” gehandelt hat. Es gibt also einen anderen Grund, so zu handeln, der nicht allein die Idee der Pflicht selbst ist. Vor allem hat die Person für sich einen Vorteil durch diese Handlung gesehen. Ein Beispiel dafür ist Ehrlichkeit aus Angst vor Strafe. Weil die Person aus Neigung gehandelt hat und nicht aus Pflicht, haben pflichtmäßige Handlungen keinen moralischen Wert.

Im Gegensatz dazu besitzen die Handlungen aus Pflicht alle moralischen Wert. Diese Handlungen haben als Motor die Maxime des Handelnden, die, wie später erklärt wird, in Übereinstimmung mit dem moralischen Gesetz sein muss, das den kategorischen Imperativ enthält. Die Person, die aus Pflicht handelt, ist ehrlich, nicht weil sie Angst vor einer Strafe hat oder sonst aus irgendeinem anderen Grund handelt, sondern weil sie das Sittengesetz allein aus Achtung für das Gesetz beachtet.

Der moralische Wert der Handlung liegt auch nicht in ihrer Wirkung, die erwartet wird, z. B. persönliche oder fremde Glückseligkeit, sondern allein in der Vorstellung des Gesetzes als Bestimmungsgrund des Willens:

“Es kann daher nichts anders als die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst, die freilich nur im vernünftigen Wesen stattfindet, so fern sie, nicht aber die verhoffte Wirkung, der Bestimmungsgrund des Willens ist, das so vorzügliche Gute, welches wir sittlich nennen, ausmachen, welches in der Person selbst schon gegenwärtig ist, die danach handelt, nicht aber allererst aus der Wirkung erwartet werden darf”52.

Weiter erklärt Kant, dass, obgleich man ihm den Vorwurf machen könnte, dass solche sozusagen reine Sittlichkeit (Moralität), Handlungen aus Pflicht, kaum in der Welt zu beobachten ist, der wesentliche Punkt ist, dass nicht in Frage steht, wie man handelt, sondern, wie man handeln soll:

“…wenn es auch niemals Handlungen gegeben habe, die aus solchen reinen Quellen entsprungen wären, dennoch hier auch davon gar nicht die Rede sei, ob dies jenes geschehe, sondern die Vernunft für sich selbst und unabhängig von allen Erscheinungen gebiete, was geschehen soll...”53.

Eine Handlung kann aus Neigung, Furcht, eigennütziger Absicht, innerem Vergnügen, Eitelkeit, usw. gemacht werden, aber nur die Handlung aus Pflicht ist moralisch:

“…eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Wert nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird, hängt also nicht von der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern bloss von dem Prinzip des Wollens, nach welchem die Handlung unangesehen aller Gegenstände der Begehrungsvermögen, geschehen ist”54.

Pflicht ist dann ein Begriff, der die Gesetzgebung unserer Handlung enthalten soll und der durch das (moralische) Gesetz ausgedrückt wird. Da sie die praktische Notwendigkeit der Handlung (durch das Gesetz) ist, trifft sie auf alle vernünftigen Wesen zu und darum soll sie für alle vernünftigen (menschlichen) Willen ein Gesetz sein.

3.1.3. Die Maxime und das Gesetz

Ursprünglich aus dem Lateinischen abgeleitet (maximae propositiones: “Höchste Aussage”), bezeichnet die Maxime ein Prinzip des Wollens und zwar ein subjektives Prinzip des Wollens. Eine Maxime ist eine Regel, die zum Prinzip gemacht wird. Diese Regel ist die Regel eines Handelnden (darum subjektiv), der er sich selbst unterwirft und die er aus eigenen subjektiven Gründen zum Prinzip macht55. Maxime bedeutet also, nach einem subjektiven Prinzip zu handeln. Die Person selbst entscheidet nach ihrem Willen, was für Prinzipien ihre Handlungen bestimmen.

Die Sittlichkeit (moralitas) ist die Übereinstimmung einer Maxime der Handlung mit dem Gesetz. Eine Maxime ist das subjektive Prinzip des Wollens während das objektive Prinzip das praktische Gesetz ist. Später wird Kant das Gesetz formulieren als einen moralisch-praktischen Satz, der einen kategorischen Imperativ enthält. Anders formuliert ist eine Handlung durch eine Maxime nur moralisch, wenn sie dem kategorischen Imperativ nicht widerspricht. Eine Maxime ist also moralisch, wenn ihr Gegenstand ein allgemeines Gesetz sein kann, d. h. wenn sie verallgemeinerungsfähig ist. In einer anderen Formulierung ist der kategorische Imperativ:

“Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben können”56.

Man könnte folgendermassen eine Pflicht von einer Maxime unterscheiden: Maxime: wie das Subjekt handeln will; Pflicht: wie das Subjekt handeln soll. Deswegen kann eine Maxime nur moralisch sein, wenn sie in ihrem Inhalt das Gesetz beachtet. Es fehlt einer Maxime ein moralischer Gehalt, wenn die Person, die nach einer Maxime handelt, nicht aus Pflicht handelt.

Das praktische Gesetz ist der Maxime gegenüber gestellt. Während die Maxime dem subjektiven Prinzip des Wollens entspricht, ist das Gesetz das objektive Prinzip. In ‘Die Grundlegung der Metaphysik der Sitten’ erklärt Kant den Begriffe des praktischen Gesetzes: das praktische Gesetz ist das objektive Prinzip des Wollens, was allen vernünftigen Wesen auch subjektiv zum praktischen Prinzip dienen würde, wenn Vernunft die volle Gewalt über unser Begehrungsvermögen hätte, und nicht auch unsere Neigungen57.

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Die Menschen sind nicht nur durch Vernunft beeinflusst, sondern auch durch Sinnlichkeit. Der Rationalität der Menschen und ihrem Gebrauch der Vernunft stehen ihre Neigungen und Interessen gegenüber. Die Achtung für das Gesetz entsteht nicht spontan als menschliches Verhalten. Wenn es so wäre, bräuchten die Menschen kein Gesetz, weil dies ein Selbstverständlichkeit sein würde. Darum ist das in dem moralischen Gesetz enthaltene Gebot eine Pflicht für vernünftige Menschen (die auch Einflüsse durch ihre Sinne bekommen, nicht nur durch die Vernunft), weil sie etwas (ihre Interessen) opfern müssen, um das Gesetz zu beachten. Kant erklärt dies auch in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’:

“Könnte nämlich ein vernünftige Geschöpf jemals dahin kommen, alle moralische Gesetze völlig gerne zu tun, so würde das so viel bedeuten als, es fände sich in ihm auch nicht einmal die Möglichkeit einer Begierde, die ihn zur Abweichung von ihnen reizte; denn die Überwindung einer solchen kostet dem Subjekt immer Aufopferung, bedarf also Selbstzwang, d. i. innere Nötigung zu dem, was man nicht ganz gerne tut”58.

Die Menschen müssen sich beherrschen, um dem Gesetz zu folgen. Sie haben Achtung für das Gesetz, weil sie als vernünftige Wesen machen, was sie sollen, nicht, was sie wollen. Wären die Menschen nur durch Vernunft beeinflusst, wäre das Gebot des moralischen Gesetzes kein ‘sollen’, sondern gleich ein ‘wollen’. Anders formuliert würde in diesem Fall eine moralischen Handlung nicht aus Pflicht geschehen (es wäre keine Verpflichtung mehr notwendig), sondern die Menschen würden die moralische Handlung wollen und sie würde spontan geschehen.

Im dem Gesetz ist der Begriff der unbedingten, objektiven und allgemeinen Notwendigkeit enthalten. In ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ unterscheidet Kant zwischen einem Gesetz und einer Regel, deren Unterschied genau in diesem Merkmal der Notwendigkeit (was gemacht werden muss) liegt:

“Nun heisst aber die Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach welchen ein gewisses Mannigfaltige (mithin auf einerlei Art) gesetzt werden kann, eine Regel, und, wenn es so gesetzt werden muss, ein Gesetz”59.

Ein Gesetz im strengen Sinne, also keine blosse Regel, muss (Notwendigkeit) für alle ohne Ausnahme (Allgemeinheit) gelten. Hier ist nicht zu unterscheiden, ob dieses Gesetz ein Naturgesetz ist oder ein Gesetz der Freiheit. Der Begriff des Gesetzes setzt die Merkmale der Allgemeinheit und Notwendigkeit voraus.

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Welches ist dann dieses notwendig Gesetz, das den Willen bestimmt und nach dessen Vorstellung die Menschen handeln sollen ohne Rücksicht auf die Wirkung zu nehmen? Kant antwortet auf diese Frage:

“Da ich den Wille alle Antriebe beraubt habe, die ihm aus der Befolgung irgend eines Gesetzes entspringen könnten, so bleibt nichts als die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlung überhaupt übrig, welche allein dem Willen zum Prinzip dienen soll, d. i. ich soll niemals anders verfahren, als so, dass ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden”60.

Das Gesetz ist also eine Vorschrift, die einen kategorischen Imperativ enthält.

3.1.4. Die Imperative

Imperativ ist nach Kant ein Gebot der Vernunft. Wenn für einen Willen die Vorstellung eines objektives Prinzips nötig ist, heisst es Gebot61. D. h. wenn ein Wille nicht allein durch Vernunft bestimmt wird (nicht rein ist), dann ist die Bestimmung dieses Willens Nötigung und die (subjektive) Vorstellung dieses objektiven Prinzips ein Gebot.

Die Imperative sind praktische Regeln, die die Menschen nötigen, etwas zu tun, das sie nicht spontan machen würden, da sie nicht allein durch Vernunft beeinflusst werden.

Alle Imperative zeigen ein Verhältnis eines objektives Gesetzes der Vernunft zu einem nicht reinen Willen an (d. i. zu einem Willen, der nicht die subjektive Notwendigkeit des Gesetzes erkennt und dessen Bestimmung eine Nötigung ist). Die in den Imperativen enthaltenen Gebote sagen, was zu tun oder zu unterlassen gut sein würde. Durch die Imperative wird dem Willen gezeigt, dass er eine bestimmte Handlung tun oder unterlassen soll, weil es so gut ist. Was ist dann gut zu tun? Kant erläutet nicht nur, was praktisch gut ist, sondern auch was nicht als praktisch gut gelten kann, weil es nicht objektiv notwendig und allgemein ist:

“Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellung der Vernunft, mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d. i. aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen, als ein solches, gültig sind, den Willen bestimmt. Es wird vom Angenehmen unterschieden, als demjenigen, was nur vermittelst der Empfindung aus bloss subjektiven Ursachen, die nur für dieses oder jenes seinen Sinn gelten, und nicht als Prinzip der Vernunft, das für jedermann gilt, auf den Willen Einfluss hat”62.

Die Imperative sind also Formeln, die das Verhältnis des objektiven Gesetzes mit dem subjektiven “unreinen” Willen ausdrücken, wie Kant definiert:

“Daher sind Imperativen nur Formeln, das Verhältnis objektiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjektiven Unvollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z. B. des menschlichen Willens, auszudrücken”63.

Es gibt den kategorischen und den hypothetischen Imperativ, beide werden im folgenden dargestellt.

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3.1.4.1. Der hypothetische Imperativ

Eine Hypothese ist eine Annahme: “wenn es morgen regnet, dann gehe ich ins Museum”, sozusagen eine “wenn-dann” Formulierung. Der hypothetische Imperativ betrifft die Materie der Handlung. Er bezeichnet eine Handlung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen geschehen kann; diese Voraussetzung heisst Mittel. Der hypothetische Imperativ stellt die Notwendigkeit einer oder mehrerer Handlungen als Mittel zu einem bestimmten Zweck (Ziel) dar, den der Handelnde will oder wollen kann.

Die Notwendigkeit, die im hypothetischen Imperativ steckt, ist subjektiv, da die handelnde Person den Zweck bestimmt (auswählt). Die Handlung, die aus einem Mittel geschehen muss, um den Zweck zu erreichen, ist darum subjektiv-notwendig. Sie ist notwendig, weil die Person ihr Ziel ohne dieses Mittel nicht erreichen kann (auch wenn es mehrere Mittel zur Auswahl gibt, um den Zweck zu erfüllen) und sie ist subjektiv, weil das Subjekt (die Person) selbst den Zweck für sich ausgesucht hat.

Der hypothetische Imperativ sagt, dass eine Handlung für irgendeinen Zweck oder eine Absicht (möglich oder wirklich) gut ist. Wenn die Absicht möglich ist, dann ist der hypothetische Imperativ problematisch; wenn sie wirklich ist, dann ist er assertorisch64.

Der hypothetische Imperativ ist in Ansehung des Zweckes, den der Handelnde sich vorstellt, materiell, weil er den Zweck, den der Handelnde durch seine Handlung (Mittel) erreichen will, nicht abstrahiert. Wenn jemand z. B. in Berlin ist und in Dresden sein will, muss er dorthin fahren, fliegen oder gehen. In Dresden zu sein ist der Zweck, das Ziel, das diese Person hat. Das Mittel zu diesen Zweck ist entweder fahren, fliegen oder gehen. Was den hypothetischen vom kategorischen Imperativ unterscheidet, ist eben diese Vorstellung eines konkreten Zwecks.

3.1.4.2. Der kategorische Imperativ

Kant versucht, die Moral durch die Frage nach der Gültigkeit des kategorischen Imperativs zu begründen. Diese Begründung ist schon durch die Einteilung der “Welt” in sinnlich und vernünftig oder in ‘Sein’ und ‘Sollen’ gemacht. In ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ hat Kant die Möglichkeit der synthetischen Urteile a priori in der Metaphysik untersucht. Um die Möglichkeit des kategorischen Imperativs zu beweisen, kehrt er zurück zu der Möglichkeit dieser Urteile, ohne welche Wissenschaft und Metaphysik nicht möglich sind.

Über die Möglichkeit des kategorischen Imperativs sagt Kant:

“Und so sind kategorische Imperativen möglich, dadurch dass die Idee der Freiheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht, wodurch, wenn ich solches allein wäre, alle meine Handlungen der Autonomie des Willens jederzeit gemäss sein würden, da ich mich aber zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue, gemäss sein sollen, welches kategorischen Sollen einen synthetischen Satz a priori vorstellt, dadurch, dass über meinen durch sinnliche Begierden affizierten Willen noch die Idee ebendesselben, aber zur Verstandeswelt gehörigen, reinen, für sich selbst praktischen Willens hinzukommt, welcher die oberste Bedingung des ersteren nach der Vernunft enthält…”65.

Wie die Freiheit als Voraussetzung für den kategorischen Imperativ möglich ist, lässt sich aber nicht beweisen; sie ist eine Annahme. Im Punkt 3.1.6 wird der Begriff der Freiheit bei Kant behandelt.

Der kategorische Imperativ ist synthetisch, weil der Bezug meiner Maxime zu dem Gesetz (das den kategorischen Imperativ enthält) nicht vorher im meinen Willen enthalten ist (die Menschen sind nicht allein zur intelligibelen Welt gehörig, sondern auch durch Sinnlichkeit affiziert, insofern ist es keine Selbstverständlichkeit, dass ich durch meine Maxime das Gesetz beachte); er ist auch a priori, weil er nicht aus der Erfahrung abgeleitet werden kann und darum allgemein und notwendig gelten muss.

Nur weil die Menschen frei sind, ist die Möglichkeit des kategorischen Imperativs vorhanden, weil die Freiheit, die Voraussetzung eines guten Willens ist (und ein guter Wille, weil er gut ist, das Gesetz beachtet, das den kategorischen Imperativ enthält).

Der kategorische Imperativ im Unterschied zu dem hypothetischen betrifft nicht die

Materie der Handlung, sondern bedingungslos (deshalb kategorisch) die Form und das Prinzip, das diese Materie haben wird.

In dem kategorischen Imperativ ist das ‘Sollen’ ausgedrückt. Ein Sollen kann niemals aus einem ‘Sein’ entstehen, deswegen entspringt der kategorischen Imperativ nicht aus der Erfahrung. Die Erfahrung zeigt, wie die Sachen sind, nicht wie sie sein sollen. Der kategorische Imperativ ist also lediglich eine praktische Regel, die jedes vernünftige Wesen verpflichten muss.

Er stellt eine praktische Regel dar, die eine Handlung notwendig macht. Die Notwendigkeit dieser Handlung ist aber im Gegensatz zu dem hypothetischen Imperativ objektiv, weil die Handlung, ohne Bezug auf einen Zweck für sich selbst gut ist. Also ist der kategorische Imperativ objektiv-notwendig. Weil sich der kategorische Imperativ ohne einen anderen Zweck für gut erklärt, gilt er als apodiktisch und könnte der Imperativ der Sittlichkeit genannt werden.

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Der kategorische Imperativ erklärt, was Verbindlichkeit überhaupt ist. So tautologisch es klingen mag, definiert Kant Verbindlichkeit als “die Notwendigkeit einer freien Handlung unter einem kategorischen Imperativ der Vernunft”66. In ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ wird dieser Begriff als “die Abhängigkeit eines nicht schlechterdings guten Willens vom Prinzip der Autonomie (die moralische Nötigung)”67 definiert.

Die Erläuterungen der Begriffe widersprechen sich nicht. Verbindlichkeit ist also die Notwendigkeit eines Willens, dem Gesetz zu gehorchen. Dieser Wille ist frei (steht nicht unter dem Gesetz der Naturnotwendigkeit). Da er aber auch andere Einflüsse bekommt (Neigungen, Interesse, usw.) und nicht nur von der Vernunft bestimmt wird, ist die Achtung für das Gesetz (Pflicht) subjektiv gesehen eine Nötigung. Der Wille ist nicht immer gut. Um gut zu sein muss er dem moralischen Gesetz (das als Inhalt den kategorischen Imperativ hat) gehorchen. Um gut zu sein, muss der Wille sich außerdem selbst bestimmen können, der Wille muss also autonom sein. Ein Wille handelt autonom, wie unter Punkt 2.1.5 ausführlicher erklärt wird, wenn er durch seine Maxime sich selbst zum allgemeinen Gesetz macht, unabhängig von irgend einem anderen Interesse außer der Achtung für das Gesetz. Eben diese Abhängigkeit des Willen, dass er um moralisch zu sein autonom handeln muss, ist die Verbindlichkeit. Die Materie der Verbindlichkeit ist die Pflicht. Kants Erklärungen des Begriffes der Verbindlichkeit schliessen sich also in einem Kreis.

Der kategorische Imperativ kann eine Begehung, d.h. Gebot (lex praeceptiva, lex mandati) oder eine Unterlassung, d. h. Verbot (lex prohibitiva, lex vetiti) sein, je nachdem was für eine Handlung er verbindlich macht. Diese notwendige Handlung ist objektiv-notwendig, von allem Zweck abstrahiert (ausser natürlich, diese Handlung als notwendig vorzustellen), wie oben erklärt.

Der kategorische Imperativ erfüllt die zwei Voraussetzung des a priori (Allgemeinheit und Notwendigkeit) für das Handeln. Kants Ethik hat den kategorischen Imperativ als Grundnorm. Nach dieser Ethik sollte man handeln und zwar immer nur nach einer Maxime, von der man gleichzeitig wollen kann, dass sie eine strenge allgemeine Regel (darum Gesetz) wird:

“...handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”68.

Dies ist die erste Formel des kategorischen Imperativs und drückt die geforderte Allgemeinheit des moralischen Gesetzes aus, v. a. der Maxime, die um moralisch sein zu können, allgemein gültig sein muss.

Die Wichtigkeit des kategorischen Imperativs besteht darin, dass er ein Prinzip darstellt, dass alle Leute anwenden können, um mittels ihrer Vernunft (Selbstbestimmung der Vernunft) zu entscheiden, ob ihre Handlung zur Ethik gehört oder nicht, anders gesagt, ob sie sittlich oder unsittlich handeln. Wenn die Maxime des Handelnden mit dem kategorischen Imperativ vereinbar ist, dann ist dieses Prinzip zu handeln moralisch, die Handlung eine Handlung nach Sittlichkeit. Der kategorische Imperativ wird zur notwendigen Bedingung der moralischen Handlung gemacht und so handelt die Person nach Sittlichkeit.

In ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ zeigt Kant, wie jemand beurteilen kann, ob seine Handlung sittlich gut oder böse ist. Dies geschieht letztlich durch die Überprüfung der Befolgung oder Nichtbefolgung des kategorischen Imperativs:

“Frage dich selbst, ob die Handlung, die du vorhast, wenn sie nach einem Gesetze der Natur, von der du selbst ein Teil wärest, geschehen sollte, sie du wohl, als durch deinen Willen möglich, ansehen könntest”69.

Die praktische Regel des kategorischen Imperativs sollte nicht mit der sog. Goldenen Regel verwechselt werden: “…was du nicht willst, dass man dir tu, tu niemandem an”. Die Sittlichkeit des kategorischen Imperativs kann laut Kant nicht daraus entstehen, dass der Mensch anderen nicht zufügen wird, was er selbst nicht erfahren möchte. Dies wäre zu willkürlich, d. h. der Handelnde selbst würde nach subjektiven Prinzipien eine Handlung für gut oder nicht gut erklären, je nachdem wie er subjektiv diese Handlung einschätzt. Die Sittlichkeit würde nicht mehr allgemein sein, weil jeder eine verschiedene Vorstellung haben könnte, was er von anderen angetan bekommen möchte oder nicht. Außerdem ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass diese Vorstellung (ob ich etwas mache oder nicht, weil ich die gleiche Handlung gegen mich vollzogen vermeiden möchte) aus Selbstinteresse entstehen kann.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Maxime, die ich zum allgemeinen Gesetz machen will und einer Maxime, die zum allgemeinen Gesetz gemacht werden kann. D. h. es ist nicht einfach so, dass eine Maxime zum allgemeinen Gesetz gemacht wird weil ich es will. Mein Wille muss aus der reinen praktischen Vernunft entspringen können; er darf nicht durch Sinnlichkeit affiziert werden, muss ohne Rücksicht auf die Wirkung der Handlung geschehen. Ich kann nur meine Maxime zum allgemeinen Gesetz machen, wenn mein Wille gut ist.

Obwohl Kant selbst sagt, dass der kategorische Imperativ nur ein einziger ist (wie oben dargestellt), formuliert er den kategorischen Imperativ anders als den allgemeinen Imperativ der Pflicht:

“…handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte”70.

Dies ist nichts anderes als der kategorische Imperativ, der in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ als Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft dargestellt wird:

“Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne”71.

Diese erste Formel des kategorischen Imperativs oben unterschiedlich formuliert ist das erste praktische Prinzip des Willens, in dem der Grund aller praktischen Gesetzgebung in der objektiven Regel und Form der Allgemeinheit des Gesetz liegt.

Man muss also wollen können, dass die Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz wird, damit unsere Handlung sittlich wird.

Letztlich ist jede Maxime, die dem kategorischen Imperativ entgegengesetzt ist, nicht moralisch. Dies ergibt sich aus der Sittenlehre (durch den Inhalt des kategorischen Imperativs selbst): man soll nach einer Maxime handeln, die auch als allgemeines Gesetz gelten kann. Der Mensch selbst soll nach Kant dieses überprüfen: für jede Handlung muss der Mensch überprüfen, ob sie nach ihren subjektiven Prinzipien (den Grundsätzen, die jemand für sich selbst aufgebaut hat, seine Maxime) sich auch für eine allgemeine Gesetzgebung qualifiziert, ob sie also auch einem allgemeinen Gesetz entsprechen kann.

Anders formuliert: um eine Handlung in sittlich oder nicht sittlich einzuordnen, braucht man die Vernunft. Die Vernunft wird zu dieser Handlung (oder einfach zu der blossen Vorstellung einer Handlung) eine Maxime heranziehen (ein Prinzip so zu handeln ableiten) und dann überprüfen, ob diese Maxime verallgemeinert werden kann (ob diese Maxime als allgemeines Gesetz gelten kann). Diese Überprüfung ist eine Überprüfung, ob diese Maxime mit dem kategorischen Imperativ vereinbar ist.

Nun ist der kategorische Imperativ formell, weil er von allem Zweck abstrahiert im Gegensatz zu dem hypothetischen Imperativ. Er hat einen Zweck an sich ohne Rücksicht auf irgend einen anderen (materiellen) Zweck.

Kant untersucht in der Folge, ob es etwas gibt, das als Zweck an sich selbst gelten kann und ob darin dann der Grund des kategorischen Imperativs liegen würde. Dieses Etwas soll der Mensch sein.

In Bezug auf Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, kann durch ein Äquivalent ersetzt werden, während, was eine Würde hat, nicht ersetzt werden kann, weil es wesentlich ist. Der Mensch ist das einige Wesen, das einen inneren, unbedingten und unvergleichbaren Wert hat: dies ist die Würde. Die Würde der Menschheit besteht darin, dass die Menschen fähig sind, allgemein gesetzgebend zu sein und zugleich selbst dieser Gesetzgebung unterworfen zu sein72.

Der Mensch als “Zweck an sich” ist also eine andere Formel des kategorischen Imperativs. Die Würde der Menschen ist von fundamentaler Bedeutung für Kant. Wenn die Menschen nur als Mittel ausgenutzt würden, wäre dies ein Verstoss gegen die Sittlichkeit. In seinem Werk “Die Grundlegung der Metaphysik der Sitten” ist diese andere Formel des kategorischen Imperativs beschrieben:

“Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck niemals bloss als Mittel brauchest”73.

Dieses ist das zweite praktische Prinzip des Willens, in dem vorgestellt wird, dass der Mensch immer als Zweck an sich selbst betrachtet werden muss.

Der kategorische Imperativ soll den Willen bestimmen, da er ein objektives Prinzip des Willens ist, und als Grund hat, dass die vernünftigen Wesen als Zweck an sich selbst existieren.

Der Mensch soll nicht als Mittel zum Zweck ausgenutzt werden, da er (jeder einzelne) Zweck an sich selbst ist. Dieser Zweck (die Menschheit) aber, ist nicht als subjektiver Zweck zu verstehen, d. i. als Gegenstand, den man sich selbst zum Zweck macht, sondern die Menschheit soll als objektiver Zweck an sich selbst betrachtet werden74.

Objektive Zwecke sind diejenigen, die für jedes vernünftige Wesen gelten. Ihre Objektivität entspringt daraus, dass sie nicht aus der Erfahrung entstehen, sondern, a priori aus der Vernunft, deswegen gelten sie allgemein und sind notwendig.

Dieses Prinzip, dass die Menschen Zweck an sich selbst sind, ist die oberste einschränkende Bedingung der Freiheit der Handlung jedes Menschen.75 Da der Mensch frei ist, d. i. von seiner Vernunft Gebrauch machen kann, ist er das einzige Wesen, das als Zweck an sich selbst angesehen und behandelt werden muss; er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes. Der Mensch als vernünftiges Wesen soll Rücksicht auf andere Menschen aus genau diesem Grund nehmen und soll sie immer als Zweck an sich, niemals als Mittel behandeln.

Der Wille des Menschen wird nicht bloss dem Gesetz unterworfen, sondern er ist auch selbst Gesetzgeber:

“…die Idee des Willens jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens”. Oder anders formuliert: “…dass der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne”76.

Die vorgestellte Formel des kategorischen Imperativs ist das dritte Prinzip des Willens, in dem jeder Wille durch seine Maximen gesetzgebend ist und das Prinzip der Achtung für das allgemeine Gesetz berücksichtigt. Der Wille wird sich also selbst als allgemein gesetzgebend betrachten.

Der Wille als allgemeiner Gesetzgeber, also der autonome Wille wird in nächsten Punkt behandelt.

Der kategorische Imperativ ist nur eine von drei Arten (durch die drei Formel), das Prinzip der Sittlichkeit durch die Prinzipien des Willens darzustellen. Das Gesetz, das den kategorischen Imperativ enthält, ist objektiv-notwendig, d. h. es muss allgemein beachtet werden.

In Ansehung der Maximen sind die Formeln der kategorischen Imperative77:

(i) eine Form: Diese besteht aus der Allgemeinheit, in der die Maximen ausgewählt werden müssen, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten;

(ii) eine Materie: Die Einschränkende Bedingung der Maxime ist der Mensch als Zweck an sich selbst, sie soll keinem anderen willkürlichen Zweck dienen; (iii) eine vollständige Bestimmung aller Maximen: Die Maximen werden durch den autonomen Willen bestimmt, der allgemein selbstgesetzgebend ist.

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Nach der Präsentation und Erklärung des kategorischen Imperativs von Kant, ist es weiterhin wichtig zu erklären, warum die Menschen dem kategorischen Imperativ gehorsam sein müssen. Das ist auch der Weg, den Kant vollzogen hat, als er fragte “Warum aber soll ich mich denn diesem Prinzip unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt, mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen?”78.

Am Anfang dieses Abschnitts wurden Freiheit und die Möglichkeit des synthetischen Satzes a priori für die Möglichkeit des kategorischen Imperativs vorausgesetzt. Wie Kant aber gesteht, reicht das nicht, um zu beweisen, wieso die Menschen dem Gesetz gehorchen müssen:

“Es zeigt sich hier, man muss es frei gestehen, eine Art von Zirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus zu kommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens beigelegt haben…”79.

Der Schlüssel, um aus diesem Kreis herauszukommen, ist eben weil der Mensch neben dem Verstand durch Sinnlichkeit affiziert ist, sozusagen zu zwei Welten gehört: der Sinneswelt und der Verstandeswelt. Als der Verstandeswelt zugehörig, denken sich die Menschen frei und erkennen die Autonomie des Willens an; als zur Sinneswelt gehörig, denken sich die Menschen verpflichtet, dem moralischen Gesetz zu folgen zu Lasten ihrer Gefühle und Interessen. Deswegen weil die Menschen nicht allein durch die Vernunft beeinflusst werden, müssen sie als Verpflichtung (nicht als Spontaneität) dem kategorischen Imperativ gehorchen.

3.1.5. Autonomie und Heteronomie

Wichtig ist für Kant, dass der Handelnde autonom handelt, d. h. er bestimmt durch seine Vernunft, wie er handelt. Der Mensch kann nur dem kategorischen Imperativ gehorsam sein, wenn er seine Handlungen selbst bestimmen kann, wenn er also autonom handelt. Man kann auch sagen, dass diese Autonomie zu handeln die formelle Bedingung jeder Maxime ist (ohne welche nur nach Fremdbestimmung gehandelt würde), die sich an einem allgemeinen Gesetz orientiert. Die Fähigkeit, autonom zu handeln, ist nur möglich, weil die Person einen freien Willen hat.

Der Begriff “Willensfreiheit” (oder ein freier Wille) steht im Gegensatz zur Natur, wobei dieser nicht die Natur ausschliesst. In der Welt der Erscheinung gibt es eine Naturkausalität (zum Beispiel Newtons Schwerkraftgesetz: was ich nach oben werfe, fällt unbedingt nach unten); in der vernünftigen Welt gibt es zudem etwas, das in der Natur nicht vorkommt: ein Sollen. Dies ist nur möglich, weil der Mensch, das einzige Wesen ist, das fähig ist, neben der Naturkausalität zu handeln, also nach einem (freien) Willen, wie schon in Punkt 2.1.1. erläutert.

Dies verdeutlicht Kant durch ein Beispiel: um ein Leben zu retten gibt es kein Gesetz, das jemanden hierzu verpflichtet. Wenn jemand es spontan macht, stellt dies ein (ethisches) Sollen dar, das von der Willensfreiheit umgesetzt wurde. Das Beispiel zeigt, dass die Notwendigkeit zu helfen nicht von der Natur vorgegeben wurde. Dies bedeutet, dass diese Notwendigkeit nicht die Natur als Ursache hat, sondern die Freiheit der Menschen (als Kausalität).

Die Autonomie zu handeln ist mit dem Prinzip des Willens einstimmig, d. h. mit dem kategorischen Imperativ, der gebietet, dass der Willen allgemein selbstgesetzgebend sein muss und nach einem Gesetz handeln muss, das zugleich ein allgemeines Gesetz sein kann. Die Autonomie ist der Grund der Würde des Menschen.

Der kategorische Imperativ würde nichtig sein, wenn er bedingt wäre, d. h., wenn ihm nur unter bestimmten Umständen gefolgt würde. Der kategorische Imperativ würde dann nicht mehr kategorisch sein und insofern nicht mehr ein Imperativ der Sittlichkeit. Die Autonomie des Willen ist das oberste Prinzip der Sittlichkeit im Gegensatz zu der Heteronomie des Willen, die als Quelle aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit steht:

“Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen, als so, dass die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien… Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er indem er über sich selbst hinausgeht, und in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objekte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus”80.

Der autonome Wille ist also der Wille, der durch Gebrauch der Vernunft sich selbst bestimmen kann. Diese Bestimmung aber muss beachten, dass die Maximen, die der Wille auswählt, auch einem allgemeinen Gesetz entsprechen müssen. Der Wille ist frei in kantischem Sinne und autonom, er entsteht also parallel zum Naturgesetz, d. h. hat Freiheit als Kausalität, und bestimmt vernünftigerweise sich selbst durch Hochachtung für das (allgemeine) Gesetz, das er sich selbst gegeben hat. Ein autonomer Wille steht also unter dem Gesetz der Freiheit.

Ein heteronomer Wille steht ganz im Gegensatz zum autonomen Willen. Er ist ein Wille, der durch eine fremde Ursache (nicht durch sich selbst) bestimmt wird. Die Maximen, die er auswählt, werden nicht durch Vernunft ausgewählt, d. h. unabhängig von der Erfahrungswelt (Neigungen, Interessen, usw.). Das Objekt seines Willens ist nicht primär die Pflicht gegenüber dem Gesetz, sondern gegenüber einem bestimmten Zweck wie beim hypothetischen Imperativ und hat nicht bloss die Menschheit an sich als Zweck.

Der heteronome Wille widerspricht dem kategorischen Imperativ dadurch, dass er die Vorstellung eines konkreten Zwecks hat, der nicht allein die Menschheit ist; d. h. der heteronome Wille erwartet eine bestimmte Wirkung seiner Handlung. Man handelt heteronom, wenn man so handelt, weil man dieses oder jenes Objekt will.

Nach Kant sind alle vorherigen Ethiken heteronom, d. h. sie haben den Grund der moralischen Handlung nicht in dem (guten) Willen selbst. Der Grund der moralischen Handlung liegt einfach in dem guten Willen des Handelnden, abgesehen von der Wirkung, die die Handlung tatsächlich erreicht oder erreichen kann.

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Kant erklärt noch den Unterschied zwischen einer Erlaubten Handlung und einer Unerlaubten Handlung, weiterhin die Definition der Befugnis81. Jede Handlung ist erlaubt (licitum), soweit sie nicht der Verbindlichkeit entgegen steht. Unerlaubt (illicitum) ist eben, was nicht erlaubt ist. Die Befugnis (facultas moralis) ist die Möglichkeit, so zu handeln, wenn kein kategorischer Imperativ das Gegenteil vorschreibt. Anders formuliert Kant diesen Unterschied in ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’. Eine erlaubte Handlung ist diejenige, die mit der Autonomie des Willens zusammen bestehen kann. Im Gegensatz dazu ist eine unerlaubte Handlung eine, die dieses nicht kann.

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Das Prinzip, dem der gute Wille folgen muss, ist das des kategorischen Imperativs. Er enthält keine bestimmten Objekte außer der Form des Wollens als Autonomie, d. h. durch seine Maxime macht er sich zum allgemeinen Gesetz, ohne irgendein Interesse ausser Achtung für das Gesetz zu Grunde zu legen.

3.1.6. Die Freiheit

Der Kernbegriff der praktischen Philosophie Kants ist der Begriff der Freiheit. Kant hat gezeigt, dass Freiheit des Willens möglich ist und wie sie wirklich ist. Die Freiheit ermöglicht dem Willen, Gesetzgeber der reinen praktischen Vernunft zu sein.

Die kantische Bedeutung des Begriffs der Freiheit kann nicht im allgemeinen Sinne (common sense) verstanden werden. Freiheit für Kant ist weder die sog. natürliche Freiheit (die Eigenschaft zu machen, was man will) noch die sog. juridische Freiheit (die Eigenschaft zu machen, was nicht die - juridischen positiven - Gesetze verbieten) noch die freie Willkür (die Möglichkeit, auswählen zu können, was man macht). Ein falsches Verständnis dieses wesentlichen Begriffs von Kants Philosophie würde die Möglichkeit des Verständnisses seines Rechtsbegriffes einschränken, sogar unmöglich machen.

Einer der historischen Hintergründe des philosophisches Denkens von Kant ist die französische Revolution. Die durch diese Revolution vermittelte Ideologie hat bis heute noch wichtige Werte: Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Die Bedeutung der Freiheit in der französische Revolution ist zusammen mit dem Absolutismus des Ancién Regime, das damals herrschte, zu verstehen als Ende für die autoritäre Staatsform der Monarchie. Die Idee der Freiheit der Bürger gegenüber dem Staat, die die Revolution brachte, ist nicht im Einklang mit der Idee der Freiheit bei Kant. Bei der französischen Revolution war die Idee eines Gesetzes eher Einschränkung der staatlichen Macht als Einschränkung der bürgerlichen Freiheit durch Gebrauch der Vernunft und Festlegung von Gesetzen a priori (die allgemein und notwendig gelten müssen).

In einem anderen Werk von Kant, ‘Reflexionen’, wird deutlich, was der Begriff der Freiheit bedeutet:

“Ich bin frei aber nur vom Zwang der Sinnlichkeit…, kann aber nicht zugleich von einschränkenden Gesetzen der Vernunft frei sein; denn eben darum, weil ich von jenem frei bin, muss ich unter diesen stehen”82.

Der Begriff der Freiheit als ‘totale’ oder ‘absolute’ Freiheit, die Möglichkeit, ohne Grenzen zu tun, was man will, oder anders formuliert, die Möglichkeit, unter mehreren Optionen ohne Rücksicht auf irgendeine Maßstab wählen zu können, ohne dafür Sanktionen befürchten zu müssen, stimmt nicht mit Kants Ethik überein. Eine Ethik der “totale Freiheit“, d. h. wenn die Menschen einfach handeln würden, wie sie wollten, nicht wie sie sollten, würde nach Kant keine Ethik ausmachen, sondern ein Chaos, in dem Neigungen und Interessen totale Kontrolle über den menschlichen Willen hätten. Dies ist nicht das Verständnis des Freiheitsbegriffes von Kant, weil, wie oben ausgeführt, aus der Erfahrungswelt kein Gesetz entsteht. Die Metaphysik der Sitten, also die Ethik, ist a priori möglich und nur a priori wirklich feststellbar. Alles, was nicht nach dieser Methode (durch synthetische Urteile der Vernunft a priori) zustande gekommen ist, ist keine Ethik im Sinne Kants.

Kant unterscheidet zwischen den Begriffen der Freiheit im negativen und im positiven Sinn, obwohl der Begriff der Freiheit nur als ein einziger Begriff verstanden werden muss. Die Freiheit im negativen Sinn wurde schon in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ als Spontaneität der Handlung vorgestellt. Er präsentiert in diesem Werk die Freiheit im negativen Sinn als die Freiheit im praktischen Verstand:

“Die Freiheit im praktischen Verstande ist die Unabhängigkeit der Willkür von der Nötigung durch Antriebe der Sinnlichkeit”83.

Seine Erklärung des Begriffs der negativen Freiheit in ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ lautet:

“Der Wille ist eine Art von Kausalität lebender Wesen, so fern sie vernünftig sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser Kausalität sein, da sie unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann; so wie Naturnotwendigkeit die Eigenschaft der Kausalität aller vernunftlosen Wesen, durch den Einfluss fremder Ursachen zur Tätigkeit bestimmt zu werden”84.

In ‘Die Metaphysik der Sitten’ lautet der Begriff der Freiheit im negativen Sinn wie folgt:

“Denn die Freiheit (so wie sie uns durchs moralische Gesetz allererst kundbar wird) kennen wir nur als negative Eigenschaft in uns, nämlich durch keine sinnliche Bestimmungsgründe zum Handeln genötigt zu werden”85.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Kant der Begriff der Freiheit im negativen Sinn in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’, ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ und in ‘Die Metaphysik der Sitten’ nur anders formuliert, d. h. der Inhalt dieses Begriffes ist trotz der verschiedenen Darstellungsart gleich.

Die Naturgesetze sind notwendig, d. h. es herrscht in der Natur eine Notwendigkeit, dass Dinge so geschehen, wie sie eben geschehen, weil es so sein muss. Alles was unter dem Naturgesetz passiert, muss unbedingt passieren. Die Erde dreht sich um ihre Achse - das ist eine Naturgesetz. Dies lässt sich nicht ändern. Die Natur ist die Ursache dieses Geschehens und dieses muss unbedingt geschehen. Alle Wesen, die nicht von der Vernunft Gebrauch machen können, vernunftlose Wesen also ohne Willen, stehen unter der Notwendigkeit des Naturgesetzes, d. h. alles, was im Bezug auf diese Wesen geschieht, hat die Natur als Kausalität.

Die Natur ist. Was in der Natur geschieht, geschieht, weil es geschehen muss. Es kommt niemals in Frage zu problematisieren wie die Natur sein soll (wie die Sachen, die unter Naturgesetz geschehen, geschehen sollen); sie kann nicht sein sollen, da sie sein muss:

“Das Sollen drückt eine Art von Notwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen aus, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt. Der Verstand kann von dieser nur erkennen, was da ist, oder gewesen ist, oder sein wird. Es ist unmöglich, dass etwas darin anders sein soll, als es in allen diesen Zeitverhältnissen in der Tat ist, ja das Sollen, wenn man bloss den Lauf der Natur vor Augen hat, hat ganz und gar keine Bedeutung. Wir können nicht fragen: was in der Natur geschehen soll; eben so wenig, als: was für Eigenschaften ein Zirkel haben soll, sondern was darin geschieht, oder welche Eigenschaft der letztere hat”86.

Hier werden das ‘Sein’ (Gesetz der Natur) und das ‘Sollen’ (Gesetz der Freiheit) ausdrücklich unterschieden. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der den Begriff der Freiheit im negativen Sinn ausmacht, da sie dem Begriff der Naturnotwendigkeit gegenüber steht.

Freiheit ist die Ursache des moralischen Gesetzes. Weil die Menschen frei sind, können sie unbeeinflusst von der Affektion der Sinneswelt, ihre Vernunft gebrauchen und dadurch dem Gesetz gehorchen. Nur weil der Wille frei ist und sich selbst bestimmen kann (Autonomie des Willens), kann eine Handlung moralisch sein.

Die Freiheit im negativen Sinn, auch genannt Freiheit als Kausalität, ist die Voraussetzung der Existenz des Willens des Menschen überhaupt. Wären die Menschen nicht frei, hätten sie keinen Willen, da alles unbedingt unter der Naturnotwendigkeit geschehen müsste. Freiheit ermöglicht den Menschen, ihre Vernunft zu gebrauchen und nach dieser Vernunft ihren Willen zu orientieren. Wie schon erwähnt, ist der Wille des Menschen nicht nur durch Vernunft beeinflusst, sondern die Menschen werden auch durch vernunftfremde Dinge affiziert (Sinnlichkeit), wie z. B. Neigungen, Interessen, Selbstliebe, Gefühle, Glückseligkeit, usw. Die Eigenschaft der Freiheit im negativen Sinn ist, was den Menschen ermöglicht, unabhängig von diesen anderen Ursachen die Bestimmung des Willens zu sein. Sie kann bezeichnet werden als etwas, das eine Handlung spontan (ohne unter dem unbedingten Naturgesetz zu stehen) anfangen lässt (somit die Freiheit als Kausalität oder Freiheit im negativen Sinn).

In ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ erklärt Kant den Begriff der Freiheit im positiven Sinn:

“Die Naturnotwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ursachen; denn jede Wirkung war nur nach dem Gesetz möglich, dass etwas anderes die wirkende Ursache zur Kausalität bestimmte; was kann denn wohl die Freiheit des Willens sonst sein, als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein?”87.

Frei zu sein in positivem Sinn heisst, dass die Person, in dem sie sich Maximen gibt, fähig ist, durch etwas anderes als empirisches Verlangen bestimmt zu sein, nämlich durch die Erkenntnis, dass es eine vernünftige Art zu handeln gibt, die absolut und ohne Einschränkung gültig ist88.

Diese Aussage wird durch den folgenden Abschnitt verdeutlicht:

“…denn Unabhängigkeit von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit sich selbst beilegen muss) ist Freiheit. Mit der Idee der Freiheit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden…”89.

Freiheit im positiven Sinn (sog. Freiheit als Autonomie) kann nur zusammen mit dem Begriff des Willens wirklich verstanden werden. Der freie Wille ist ein Wille, der die Eigenschaft hat, sich selbst bestimmen zu können.

In seinem Werk ‘Zum ewigen Frieden’ formuliert Kant wiederum den Begriff der Freiheit, jedoch in Übereinstimmung mit dem Begriff der Freiheit als Autonomie:

“Vielmehr ist meine äußere (rechtliche) Freiheit so zu erklären: sie ist die Befugnis keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Beistimmung habe geben können”90.

Dies ist nichts anderes als die Freiheit als Autonomie, weil auch hier der Wille sich ohne Einfluss der Sinnenwelt selbst bestimmen muss. Wenn der Wille nicht selbstgesetzgebend ist, muss die Person einem Gesetz nicht gehorchen.

In der Erklärung des Prinzips der Sittlichkeit in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ wird der Begriff der Freiheit sowohl im negativen als auch im positiven Sinn weiter verdeutlicht:

“In der Unabhängigkeit nämlich von aller Materie des Gesetzes (nämlich einem begehrten Objekte) und zugleich doch Bestimmung der Willkür durch die blosse allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fähig sein muss, besteht das alleinige Prinzip der Sittlichkeit. Jene Unabhängigkeit aber ist Freiheit im negativen, diese eigene Gesetzgebung aber der reinen, und, als solche, praktischen Vernunft ist Freiheit im positiven Verstande. Also drückt das moralische Gesetz nichts anders aus, als die Autonomie der reinen praktischen Vernunft, d. i. der Freiheit, und diese ist selbst die formale Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit dem obersten praktischen Gesetze zusammenstimmen können”91.

Man kann den Begriff der Freiheit einheitlich so definieren: die Eigenschaft des Willens, sich selbst bestimmen zu können (Freiheit als Autonomie) in Abstraktion der Sinneswelt (Freiheit als Kausalität).

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Das Prinzip der Sittlichkeit besteht in der Fähigkeit des Willens, seine Maximen nach einem allgemeinen Gesetz zu richten, d. h. abgesehen von aller Materie des Gesetzes. Diese Unabhängigkeit des Gesetzes von aller Materie ist die Freiheit im negativen Sinn; die eigene Gesetzgebung der reinen praktischen Vernunft, d. h. die Fähigkeit des Willens, sich selbst ein Gesetz zu geben, ist die Freiheit im positiven Sinn. Daraus resultiert, dass die Freiheit die Bedingung jeder Maxime ist.

Freiheit ist die Voraussetzung, ja die Bedingung des moralischen Gesetzes, aber nur durch das moralische Gesetz ist es für die Menschen möglich, sich ihrer Freiheit bewusst zu werden. Kant erklärt, wieso dies kein Widerspruch ist:

“Denn wäre nicht das moralische Gesetz in unserer Vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir uns niemals berechtigt halten, so etwas, als Freiheit ist (ob diese gleich sich nicht widerspricht), anzunehmen. Wäre aber keine Freiheit, so würde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen”92.

Wenn die Menschen nicht frei wären, d. h. wenn der Wille abgesehen von der Sinnlichkeit, die die Menschen affiziert, sich nicht selbst bestimmen könnte, gebe es kein moralischen Gesetz, weil die Menschen allein der Sinneswelt zugehörig sein würden und Vorteile, Interessen, Neigungen, usw. ihren Willen bestimmen würden. Vorausgesetzt, dass keine Moralität a posteriori oder nach Erfahrung entstehen kann, könnten aus der Heteronomie, die den Willen des Menschen bestimmen würde, höchstens Regeln aber kein moralisches Gesetz entspringen. Andererseits haben die Menschen die Möglichkeit, dem Gesetz zu gehorchen, weil sie zur Sinnenwelt aber auch zur Verstandeswelt gehören. Sie werden sich ihrer Freiheit nur dadurch bewusst, dass sie ihre Neigungen, Interessen, usw. aufopfern und sich verpflichten, dem Gesetz zu gehorchen. Die Freiheit ist also die ratio essendi des Gesetzes während das Gesetz die ratio cognoscendi der Freiheit ist.

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Kant unterteilt den Begriff der Freiheit in ‘Die Metaphysik der Sitten’ in: Freiheit im äußeren Gebrauch der Willkür und Freiheit sowohl im äußeren als auch inneren Gebrauch der Willkür. Dieser Gebrauch des Begriffs der Freiheit von Kant ist wesentlich, um sowohl die Definition des Rechts (Punkt 4.2) als auch die Unterscheidung zwischen Legalität und Moralität (Punkt 4.1) verstehen zu können.

Den Gesetzen der Freiheit stehen, wie oben erläutert, die Naturgesetze gegenüber. Beziehen sie sich auf gesetzmäßige äußere Handlungen, heißen sie juridisch und die Freiheit hier ist die Freiheit im äußeren Gebrauch der Willkür; wenn aber zusätzlich gefordert ist, dass die Gesetze selbst die Bestimmungsgründe der Handlungen sein sollen, so sind diese Gesetze ethisch und die Freiheit hier ist die Freiheit sowohl im äußeren als auch im inneren Gebrauch der Willkür. Die Übereinstimmung mit einer juridischen Handlung heisst Legalität; die mit einer ethischen Handlung Moralität. Kant erklärt dies so:

“Die Gesetze der Freiheit heissen, zum Unterschied von Naturgesetzen, moralisch. So fern sie nur auf blosse äußere Handlungen und deren Gesetzmäßigkeit gehen, heißen sie juridisch; fordern sie aber auch, dass sie (die Gesetze) selbst die Bestimmungsgründe der Handlung sein sollen, so sind sie ethisch, und alsdann sagt man: die Übereinstimmung mit den ersteren ist die Legalität, die mit den zweiten die Moralität der Handlung. Die Freiheit, auf die sich die ersten Gesetze beziehen, kann nur die Freiheit im äußeren Gebrauche, diejenigen aber, auf die sich die letztere beziehen, die Freiheit sowohl im äußern als innern Gebrauche der Willkür sein, sofern sie durch Vernunftgesetze bestimmt wird”93.

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4. Der Begriff des Rechts

Nach der Untersuchung der sog. Vorbegriffe einer Metaphysik der Sitten, ist es, um einer Definition des Rechts (Punkt 4.2) näher zu kommen, wichtig, zwischen moralischer und juridischer Gesetzgebung zu unterscheiden, somit also zu unterscheiden zwischen Moralität und Legalität. Vor allem in Kants Werk ‘Die Metaphysik der Sitten’ ist dieser Unterschied zu finden. Dies wird unter Punkt 4.1 erläutert. Zum Abschluss wird der Bezug zwischen Recht und Zwang (Punkt 4.3) behandelt.

4.1. Moralität und Legalität

Die Gesetzgebung der reinen praktischen Vernunft ist entweder ethisch oder juridisch. Alle Gesetzgebung, sowohl die ethische als auch die juridische, hat zwei Teile: ein Gesetz und eine Triebfeder. Es ist für die Erklärung dieser Begriffe nicht wichtig, ob die Gesetzgebung eine innere oder eine äußere Handlung bezeichnet oder ob diese Handlungen sich aus der Vernunft a priori oder aus einer willkürlichen Entscheidung ergeben94.

Die Gesetzgebung hat nicht nur einen objektiven Teil, das Gesetz. Die Gesetzgebung braucht auch einen subjektiven Teil, den subjektiven Beweggrund der Willkür, die Triebfeder.

Ein Gesetz (erster Teil der Gesetzgebung) stellt eine Handlung als objektiv-notwendig dar, da es einen kategorischen Imperativ enthält. Das Gesetz beschreibt alle Handlungen die geschehen sollen. Dieses ‘Sollen’ ist eine objektive Vorschrift von Handlungen, die jede Person zur Verwirklichung dieser Vorschrift verbindet (z. B. alle schriftlichen und veröffentlichten Gesetze einer Rechtsordnung - obwohl Kant hier nichts über die Publizität der Gesetze sagt). Das heisst, jeder ist verpflichtet, diesem Gesetz zu folgen; das Gesetz macht die Handlung zur Pflicht. Im ersten Teil der Gesetzgebung wird also die Handlung als Pflicht vorgestellt.

Das Subjekt muss die Handlung als Pflicht sehen, dafür braucht es eine Triebfeder (zweiter Teil der Gesetzgebung), d. h. die Triebfeder ist die Verknüpfung der Vorstellung des Gesetzes mit dem Bestimmungsgrund der Willkür. Da die Person einen Willen hat, hat sie die Möglichkeit, nach der Vorstellung des Gesetzes zu handeln. Das Gesetz macht eine Handlung zur Pflicht. Die Person handelt willkürlich, wie sie möchte. Der Bestimmungsgrund dieser Willkür ist die Triebfeder. Die Triebfeder ist also ein Antrieb, der sich im Subjekt vollzieht und durch den das Subjekt nach der Vorstellung des Gesetzes handelt.

Das Gesetz muss aber auch der Sitte der Menschen entsprechen, sonst würde kein Mensch die Gesetze beachten, obwohl sie als Pflicht dargestellt sind. Vorausgesetzt, dass das Gesetz moralisch ist, ist als zweiter Teil der Gesetzgebung die Triebfeder notwendig. Sie ist ein innerer Antrieb jeder Person, der die Gesetze für diese Person (in ihrer inneren Subjektivität) zur Pflicht macht. Durch die Triebfeder wird die Verbindlichkeit, eine bestimmte Handlung haben zu müssen, das objektive Gesetz, also, mit der willkürlichen Überzeugung des Handelnden (seiner Subjektivität) verbunden.

In Hinblick auf die Triebfedern kann man die Gesetzgebung in ethische oder juridische Gesetzgebung unterteilen.

Die ethische Gesetzgebung macht aus der Pflicht für eine Handlung (aus dem objektiven Gesetz) zugleich die Triebfeder für diese Handlung (sozusagen eine innere Pflicht, so zu handeln). Die Idee der Pflicht, die jemand hat, ist die Triebfeder zur Handlung. Wenn jemand nach der Idee der Pflicht handelt, handelt er aus Pflicht. Die Idee der Pflicht soll nach Kant verstanden werden als die Einstellung einer Person, ihre Gründe und Überzeugungen, dass eine Handlung zur Pflicht gemacht werden muss, weil es dem moralischen Gesetz entspricht. Dieser Triebfeder (Idee der Pflicht) entspricht die ethische Gesetzgebung, die sich mit der Tugendlehre befasst und in der die Gesetze der Bestimmungsgrund der Handlung sein sollen.

Bei der juridischen Gesetzgebung ist im Gegensatz zur ethischen Gesetzgebung nicht die Idee der Pflicht die Triebfeder zur Handlung, sondern eine andere Idee. Das heisst, auch wenn die Person nicht selbst überzeugt ist (keine Idee der Pflicht hat), dass sie so handeln soll, so handelt sie doch aus anderen Gründen so. Die Triebfeder der juridischen Gesetzgebung ist also die Gesamtheit aller anderen Ideen, die eine Person zur Handlung antreibt, außer der Idee der Pflicht. Diese anderen Ideen, die die Triebfeder der juridischen Gesetzgebung ausmachen, sind pathologische Bestimmungsgründe der Willkür (Neigungen, Interessen, usw.), da der Bestimmungsgrund der Willkür nicht allein die Idee der Pflicht und somit die reine Vernunft ist. Die juridische Gesetzgebung befasst sich mit der Rechtslehre und ist einschlägig, wenn es um eine äußere Handlung und deren Gesetzmäßigkeit geht.

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Die Fragen, die daraus entstehen, sind: Können die Menschen eine solche Ethik (ethische Gesetzgebung durch die Idee der Pflicht) überhaupt haben? Können Menschen zu ethischer Handlung verpflichtet werden? Kant selbst beantwortet diese Frage in seinen Werken.

Wenn seiner Meinung nach eine gesamte Ethik nicht möglich wäre, hätte seine Mühe keinen Sinn, eine Theorie der Ethik (oder eine Metaphysik der Sitten) aufzustellen. Wenn reine Vernunft möglich ist und daraus praktische Vernunft entspringen kann (wie Kant geglaubt hat bewiesen zu haben), ist eine Ethik möglich und zwar nicht nur möglich, sondern auch für vernünftige Menschen notwendig.

Die Menschen können jedoch nicht zur ethischen Handlung gezwungen werden. Die ethische Gesetzgebung hat allein die Idee der Pflicht als Triebfeder zur Handlung. Wenn die Menschen gezwungen wären, so oder so zu handeln, wäre der Zwang die Triebfeder dieser Handlung, das hieße Heteronomie und somit wäre diese Handlung keine moralische Handlung.

Die Schwierigkeiten, ethisch zu handeln, das heißt ohne andere Triebfeder als die Achtung für das moralische Gesetz (Idee der Pflicht), hat Kant aber auch erkannt. Dem Gesetz gegenüber stehen die menschlichen Neigungen und Interessen (z. B. Selbstliebe oder Glückseligkeit) die den Menschen ablenken können. Eben darum ist die Achtung für das moralische Gesetz eine Pflicht, keine Selbstverständlichkeit. Nach Kant würde dieses Verhalten, dem Gesetz selbstverständlich zu gehorchen, herrschen, wenn für alle Menschen die Vernunft Vollmacht über ihre Willen hätte und nicht auch ihre Neigungen. Weil dieses eben nicht so ist, gibt es Pflicht, und die Befolgung dieser Pflicht ist im Rahmen der ethischen Gesetzgebung nur durch eine innere Nötigung möglich.

Ethik nach Kant ist nur möglich, wenn die Menschen ihre Maxime nach dem moralischen Gesetz aufbauen. Das heisst, wenn die Handlung der Menschen nach Prinzipien gemacht wird, die im Einklang mit dem moralischen Gesetz stehen. Dieses moralische Gesetz ist nach Kants Definition ein Gesetz, das im wesentlichen den kategorischen Imperativ enthält.

Man könnte denken, dass Personen zu ethischen Handlungen verpflichtet werden könnten, dass heisst von außen gezwungen werden, so zu handeln, weil die Regeln der ethischen Gesetzgebung den Regeln der juridischen Gesetzgebung entsprechen (der Unterschied liegt eher in den Triebfeder zur Handlung). Aber, wie vorher erklärt, wird die Handlung dann nicht mehr moralisch sein. Dies ist so, weil die Triebfeder der ethischen Gesetzgebung die Idee der Pflicht ist, also nur die Vorstellung des Gesetzes allein macht die Pflicht aus. Die juridische Gesetzgebung dagegen hat eine andere Idee als Triebfeder. Darum brauchen die Rechtspflichten, um befolgt zu werden, eine äußere Nötigung.

Einen Unterschied zwischen Legalität und Moralität beginnt Kant bereits in ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ darzustellen:

“Nun ist zwar klar, dass diejenigen Bestimmungsgründe des Willens, welche allein die Maxime eigentlich moralisch machen und ihnen einen sittlichen Wert geben, die unmittelbare Vorstellung des Gesetzes und die objektiv-notwendige Befolgung desselben als Pflicht, als die eigentlichen Triebfedern der Handlungen vorgestellt werden müssen; weil sonst zwar Legalität der Handlungen, aber nicht Moralität der Gesinnungen bewirkt werden können”95.

Eine Handlung kann mit einem Gesetz übereinstimmen oder nicht. Wenn die Handlung mit einem Gesetz übereinstimmt und der Handelnde als Triebfeder irgend etwas anders hat als die Idee der Pflicht, spricht man von Legalität oder Gesetzmäßigkeit. Wenn aber die Idee der Pflicht zur Triebfeder einer Handlung gemacht wird, so nennt man dies Moralität. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine moralische Handlung, das heisst, eine Handlung, die durch die Idee der Pflicht gemacht wurde, auch mit einer legalen Handlung, die eine andere Idee als Triebfeder hat, übereinstimmt.

In der juridischen Gesetzgebung, können die Pflichten nur äußerlich sein. Die Rechtsordnung (objektiver Teil der Gesetzgebung) hat keine Macht, die Pflicht zur innerlichen Triebfeder, also zur Idee der Pflicht des Handelnden (subjektiver Teil der Gesetzgebung) zu machen. Darum können die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung nur äußerlich sein. Die ethische Gesetzgebung ist diejenige, die eine Pflicht internalisieren kann und dadurch die Idee der Pflicht, die innerlich ist, zur Triebfeder der Handlung macht. Dies passiert im Inneren der Person, keine äußere Macht hat die Fähigkeit, dies zu bewirken. Kant erläutet den Unterschied zwischen inneren und äußeren Pflichten wie folgt:

“Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, dass die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei, und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebfeder bedarf, nur äußere mit dem Gesetze verbinden kann”96.

Die ethische Gesetzgebung verpflichtet jemanden, Handlungen zu machen, die völlig unabhängig sind von Handlungen, die von der äußerlichen Gesetzgebung vorgeschrieben sind. In der ethischen Gesetzgebung hat die Willkür des Handelnden die Idee der Pflicht als innere Triebfeder; die ethische Gesetzgebung ist selbst eine innere Gesetzgebung.

Das Halten eines in einem Vertrag gegebenen Versprechens, weil der andere Teil mich kraft des Gesetzes dazu zwingt (pacta sunt servanda), gehört nicht zum ethos sondern zum jus. Das ist so, weil die Triebfeder die zur Handlung motiviert, in diesem Fall der Zwang ist und nicht allein die Idee der Pflicht. Wenn aber die Triebfeder, so zu handeln (was versprochen wurde, muss gehalten werden) nicht der äußere Zwang wäre, sondern die Idee der Pflicht, dann könnte man diese Handlung als ethische Handlung einordnen. Die ethische Gesetzgebung kann somit nicht äußerlich sein, d. h. kann keine äußere Triebfeder haben, sondern hat als Triebfeder allein die Idee der Pflicht. Die juridische Gesetzgebung kann äußerlich sein, weil diese Gesetzgebung eine andere Idee als die Idee der Pflicht als Triebfeder haben kann. Dies schliesst jedoch die innere Gesetzgebung nicht unbedingt aus.

Der Unterschied zwischen Moralität und Legalität und somit der Unterschied zwischen Moral und Recht liegt eben nicht in der Verschiedenheit der Pflichten, sondern in der Verschiedenheit der Triebfeder. Mit anderen Worten, es hängt davon ab, ob man die Idee der Pflicht (ethische Gesetzgebung) oder eine andere Idee (juridische Gesetzgebung), z. B. den Zwang, als Triebfeder eingesetzt hat:

“Rechtslehre und Tugendlehre unterscheiden sich also nicht sowohl durch ihre verschiedene Pflichten, als vielmehr durch die Verschiedenheit der Gesetzgebung, welche die eine oder die andere Triebfeder mit dem Gesetze verbindet”97.

Moralität (Tugendlehre) ist also einschlägig wenn z. B. jemand ein Versprechen hält, weil er selbst denkt, dass man dies so machen muss; wenn er also seine ethische Gesetzgebung beachtet allein aus dem Grund, dass es Pflicht ist. Eine moralische Handlung ist diejenige, die aus Pflicht geschieht. Was ihn zur Handlung treibt, ist die Idee der Pflicht, also die innere Nötigung. Durch Gebrauch der Vernunft wird der Willen selbstbestimmend (Autonomie) und gehorcht dem Gesetz.

Das Gegenteil aber, wenn jemand so handelt, weil er dazu von außen gezwungen werden kann (Heteronomie), ohne dass seine Idee der Pflicht ihn beeinflusst, dann spricht man von Legalität (Rechtslehre). Die Legalität ist also einschlägig, wenn die Willensbestimmung nicht allein durch die Vorstellung des Gesetzes, sondern vermittelst eines anderen Gefühls geschieht. Eine legale Handlung ist diejenige, die pflichtmäßig geschieht, d. h. die Handlung ist dem Gesetz gemäss, aber nicht allein, weil es Pflicht ist.

Ein anderer Weg der Unterscheidung zwischen Moralität und Legalität ist nach den Merkmalen der ‘Vollkommenheit’ oder ‘Unvollkommenheit’ der Verbindlichkeit. Die vollkommene Verbindlichkeit (obligationes perfectae) entspricht dem Bereich des Rechts, die unvollkommene Verbindlichkeit (obligationes imperfectae) dem Bereich der Moral98.

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Bevor er seinen Begriff des Rechts darstellt, erläutert Kant in ‘Die Metaphysik der Sitten’ noch einige weitere wichtige Begriffe, die im folgenden kurz erklärt werden: Tat, Person, Recht oder Unrecht, Übertretung, Verschuldung, Verbrechen, äußerliche und innere Gesetze, positive und natürliche Gesetze, sowie Zurechnung.

Kant definiert Tat als eine Handlung, durch welche der Handelnde als Urheber der Wirkung dieses Aktes zugerechnet wird. Durch diese Zurechnung entsteht die Verbindlichkeit und dadurch die Verantwortung. Person wird als das Subjekt definiert, dessen Handlung zurechnungsfähig ist, das heisst, das Wesen, das eine Tat begehen kann oder nicht99.

Die Pflichtmäßigkeit oder Pflichtwidrigkeit einer Tat (factum licitum aut ilicitum) definiert Recht oder Unrecht (rectum aut minus rectum). Es ist völlig gleichgültig, von welcher Art diese Pflicht ist. Übertretung (reatus) ist die Definition einer pflichtwidrigenTat100.

Eine unvorsätzliche Übertretung (unabsichtliche pflichtwidrige Tat), die zugleich zugerechnet werden kann, wird als Verschuldung (culpa) definiert (wenn jemand etwas macht (eine Tat), das als Unrecht bezeichnet werden kann und gleichzeitig für diese pflichtwidrige Tat diese Person verantwortlich gemacht werden kann). Eine vorsätzliche Übertretung ist im Gegensatz dazu verbunden mit dem Bewusstsein, dass diese Tat eine

Übertretung ist, ein Verbrechen (dolus). Hier ist vorausgesetzt, dass die Person, die diese Tat begeht, bewusst weiß, dass diese Tat ein Verbrechen ist. Eine Tat ist nach äußerem Gesetz gerecht (iustum) oder ungerecht (iniustum), je nachdem ob sie Recht oder Unrecht ist101.

Die Zurechnung (imputatio) ist in ihrer moralischen Bedeutung das Urteil, wodurch jemand (eine Person) als Urheber einer Tat (factum) angesehen wird. Diese Tat wird im Gesetz beschrieben. Einfach gesagt, macht die Zurechnung jemanden (den Täter) für die Begehung einer Tat verantwortlich. Eine Tat kann aber einer Person nur zugerechnet werden, wenn diese frei ist, d. h. ihre Willkür durch reine Vernunft bestimmt ist. Unter dieser Bedingung ist die Person zurechnungsfähig.

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Kant teilt die verbindenden Gesetze weiter ein, je nachdem ob eine äußere Gesetzgebung möglich, ist oder nicht. Ist diese nicht möglich, spricht man von innerer Gesetzgebung, welche der oben definierten ethischen Gesetzgebung entspricht. Ist eine äußere Gesetzgebung möglich bezeichnet Kant die Gesetze als äußere Gesetze und dies entspricht der juridischen Gesetzgebung. Ein Gesetz, dessen Inhalt a priori durch Vernunft erkannt werden kann heisst natürlich. Eines, auf das dieses nicht zutrifft, heißt positiv102.

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4.2. Die Definition des Rechts

‘Die Kritik der reinen Vernunft’, ‘Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ und ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ bilden die Grundlage für Kants Rechtslehre. Aber erst in ‘Die Metaphysik der Sitten’ behandelt Kant die Gegenstände der Rechtsphilosophie, also Rechtslehre als ersten Teil der Sittenlehre, das System, das nach Kant ‘Metaphysik des Rechts’ genannt werden könnte.

Kants Rechtsphilosophie kennt zwei Rechtsquellen: die Vernunft und den Willen des Gesetzgebers. Aus der Vernunft sollen Prinzipien a priori hervorgebracht werden; aus dem Willen des Gesetzgebers das positive Recht.

Die Metaphysik befasst sie mit Erkenntnis a priori, darum behandelt sie nicht die gesamte Rechtslehre, sondern nur die Prinzipien, d. h. die metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre103.

Von Anfang an, bereits in seiner Einleitung in die Rechtslehre, versucht Kant die Begriffe zu definieren, die wichtig sein werden für die Erklärung seiner Rechtslehre. Seine Rechtslehre ist der Teil seiner Moralphilosophie, in dem die Pflicht sowie deren Befolgung, durch (äußeren) Zwang gesichert werden kann104. Die Rechtslehre ist also der Inbegriff der äußerlichen Gesetze. Da diese Gesetze äußerlich sind, ist diese Rechtslehre eine Lehre des positiven Rechts.

Ein Rechtsgelehrter (iusconsultus) heisst ein Rechtserfahrener, ein peritus, ein wie man heute definieren würde Experte, in Rechtsfällen. Er ist ein erfahrener Rechtsgelehrter, der sich gut mit der Rechtsklugheit (iurisprudentia), mit der Rechtsprechung sozusagen, auskennt, nicht aber unbedingt mit der Rechtswissenschaft (iurisscientia)105.

Ein Rechtsgelehrter kann wissen, was rechtens ist (quid sit iuris?), d. h. was die positiven Gesetze an einem bestimmten Ort zu einem gewissen Zeitpunkt gebieten, aber er kann nicht wissen, was Recht ist (quid sit ius?). Durch die Beantwortung der ersten Frage kann man keine wissenschaftlich Begründung des Rechts geben; die adäquate Frage dafür ist ‘ quid sit ius? ’. Um Recht oder Unrecht (iustum et iniustum) zu erkennen, müsste der Rechtsgelehrte seine empirischen Prinzipien verlassen und die Quelle für den Begriff des Rechts in der reinen Vernunft suchen. Im Einklang mit seiner Erkenntnistheorie verwirft Kant jede empirische Definition des Rechts. Er vergleicht sogar die empirische Rechtslehre mit dem hölzernen Kopf in Phädrus Fabel106, einem Kopf, der zwar schön sein mag, aber kein Gehirn hat. Weil der Begriff des Rechts aus der reinen Vernunft entsteht, muss er notwendig und allgemein gelten, d. h. an allen Orten, zu jedem Zeitpunkt und für alle Menschen.

“Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriff vom Recht”107 hat Kant in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ geschrieben. Für ihn können die Rechtsgelehrten niemals einen vernünftigen Begriff des Rechts finden, ohne eben dieses Erkenntnislehre vorausgesetzt zu haben. Die Rechtslehre kann nur aus der Vernunft entstehen (aus dem ‘Sein’ kann nicht ein ‘Sollen’ entstehen), insofern ist die Frage, die für die Rechtslehre wesentlich ist quid iuris? und nicht quid facti?:

“Die Rechtslehrer, wenn sie von Befugnissen und Anmassungen reden, unterscheiden in einem Rechtshandel die Frage über das, was Rechtens ist (quid iuris), von der, die die Tatsache angeht (quid facti), und indem sie von beiden Beweis fordern, so nennen sie den ersten, der die Befugnis, oder auch den Rechtsanspruch dartun soll, die Deduktion. Wir bedienen uns einer Menge empirischer Begriffe ohne jemandes Widerrede, und halten uns auch ohne Deduktion berechtigt, ihnen einen Sinn und eingebildete Bedeutung zuzueignen, weil wir jederzeit die Erfahrung bei der Hand haben, ihre objektive Realität zu

beweisen. Es gibt indessen auch usurpierte Begriffe, wie etwa Glück, Schicksal, die zwar mit fast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage: quid iuris, in Anspruch genommen werde, da man alsdenn wegen der Deduktion derselben in nicht geringe Verlegenheit gerät, in dem man keinen deutlichen Rechtsgrund weder aus der Erfahrung, noch der Vernunft anführen kann, dadurch die Befugnis seines Gebrauchs deutlich würde”108.

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Der Rechtsgelehrte beschäftigt sich mit Fakten. Seine Aufgabe ist, Tatsachen, so fern sie für das Recht Relevanz haben, in dem (positiven) Gesetz zu subsumieren. Er arbeitet also eher mit der Materie des Rechts als mit seiner Form. Was Kant untersucht ist aber die Form des Rechts; er abstrahiert die Inhalte der Gesetze, um eben den Begriff des Rechts a priori zu finden.

Um den Begriff des Rechts zu analysieren, muss man Materie und Form, Besonderheit und Allgemeinheit, Zufälligkeit und Notwendigkeit trennen. Das Recht hat einen Inhalt (Materie) der wandelbar ist (positive Gesetze), während seine Form nicht wandelbar ist und a priori aus der Vernunft abgeleitet werden kann. Darum ist das Recht seiner Form nach allgemein und notwendig. Von der Notwendigkeit des Rechts sowie von seinem Begriff hat Kant schon in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ angedeutet:

“Eine Verfassung von der grössten menschlichen Freiheit nach Gesetzen, welche machen, dass jedes Freiheit mit der andern ihrer zusammen bestehen kann (nicht von der grössesten Glückseligkeit, denn diese wird schon von selbst folgen), ist doch wenigstens eine notwendige Idee, die man nicht bloss im ersten Entwurfe einer Staatsverfassung, sondern auch bei allen Gesetzen zum Grunde legen muss…”109.

Die Form des Rechts enthält den kategorischen Imperativ. Dieses ist umstritten. Die

Frage, die in philosophischen Kreisen diskutiert wird, ist, inwieweit die Prinzipien sowohl der Tugendlehre als auch der Rechtslehre von dem kategorischen Imperativ abgeleitet sind110.

Kants Tugendlehre und Rechtslehre sind von seiner praktischen Philosophie abzuleiten. Sowohl die Rechtslehre als auch die Tugendlehre haben jeweils ein oberstes Prinzip. Das oberste Tugendprinzip lautet:

“…handle nach einer Maxime der Zwecke, die zu haben für jedermann ein allgemeines Gesetz sein kann”111.

Kants oberstes Rechtsprinzip lautet:

“…handle äußerlich so, dass der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen könne…”112.

Es ist selbstverständlich, dass das Tugendprinzip dem Sittengesetz entspricht, nicht aber das Rechtprinzip. Die Tugendlehre erfordert durch ihr Prinzip, dass die Handlung aus Pflicht geschieht; die Rechtslehre besagt durch ihr Prinzip, dass eine Handlung einen beliebigen Grund (Triebfeder) haben kann, so fern die Handlung gesetzmäßig ist. Es ist für das Recht völlig gleichgültig, ob eine Handlung, die rechtmäßig ist, aus Pflicht geschieht oder weil die Person dazu von außen gezwungen wurde.

Der kategorische Imperativ ist ein Prinzip, das eine Formel des richtigen Verhaltens (äußerlich) und nicht nur der guten Gesinnung (innerlich) darstellt. Insofern gilt die Regel des kategorischen Imperativs sowohl für die Tugendlehre als auch für die Rechtslehre. Die Regel des kategorischen Imperativs gebietet also ein richtiges Verhalten sowohl im Inneren der Person als auch im Äußeren. Der Unterschied liegt in dem Grund der Achtung des Gesetzes (das immer den kategorischen Imperativ enthält). Die Handlungen die durch diese Achtung entstehen können, sind entweder ethisch oder juridisch, je nach dem Antrieb, der die Handlung motivierte.

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Kants Rechtslehre und somit sein Rechtsbegriff sind aus der Vernunft entstanden. D. h. die Begriffe, die diese Rechtslehre umfasst, sind a priori (abgesehen von aller Erfahrung) durch Gebrauch der Vernunft zustande gekommen.

Der Begriff des Rechts ist ein Begriff der in der Praxis vorkommt, d. h. er ist praktisch anwendbar. Kant erklärt wiederholt in seinen Werken, dass die Eigenschaft der reinen Vernunft, praktisch zu sein, Freiheit im positiven Sinn heisst. Daher ist abzuleiten, dass die Begründung seines aus der reinen Vernunft entstandenen Rechtsbegriffes in der Freiheit liegt.

Weiterhin erklärt Kant in seiner Rechtslehre die wichtigen Merkmale des Rechts. Aus seiner Darstellung dieser Elemente lässt sich seine Definition des Rechts ableiten. Diese Elemente sind:

(i) eine praktische externe Beziehung. Alles Recht ist eine Beziehung zwischen Menschen und diese Beziehung ist wichtig für das Recht, sofern die Handlung irgendeine Wirkung (mittelbar oder unmittelbar) für den anderen hat:

“Der Begriff des Rechts, sofern er sich auf eine ihm korrespondierende Verbindlichkeit bezieht (d. i. der moralische Begriff desselben), betrifft erstlich nur das äußere und zwar praktische Verhältnis einer Person gegen eine andere, sofern ihre Handlung als Facta aufeinander (unmittelbar, oder mittelbar) Einfluss haben können”113.

(ii) die Willkür ist mit Wirksamkeit verbunden114 ; sie hat die Eigenschaft, das Objekt wirklich hervorbringen zu können, während der Wunsch für die Hervorbringung des

Objekts kraftlos ist. Da die Handlungen, die für das Recht relevant ist, eine Wirkung

haben müssen, und da nur die Willkür (und nicht der Wunsch) das Geschehen dieser Handlung hervorbringen kann, ist diese äußere Beziehung eine Beziehung zwischen der Willkür einer Person und der Willkür anderer, nicht zwischen der Willkür einer Person und den Wünschen anderer:

“Aber zweitens bedeutet er nicht das Verhältnis der Willkür auf den Wunsch (folglich auch auf das blosse Bedürfnis) des anderen, wie etwa in den Handlungen der Wohltätigkeit oder Hartherzigkeit, sondern lediglich auf die Willkür des anderen”115.

(iii) diese Beziehung ist bloss formell, d. h. für den Begriff des Rechts ist nicht der Inhalt (Materie) dieser Beziehung wichtig, sondern, dass sie eine bestimmte Form hat. Die Absicht, die man hatte, als man gehandelt hat, ist völlig gleichgültig. Man fragt also nicht nach dem Zweck dieses Handelns. In der Form des Rechts ist das Verhältnis des wechselseitigen Handelns der Willkür des einen sowie der Willkür des anderen enthalten. Diese individuellen Formen der Willkür sollen jeweils als frei betrachtet werden, d. h. als unabhängig von jeder Neigung und Unterwerfung der Maxime unter die Bedingungen der Tauglichkeit zum allgemeinen Gesetz. Weiterhin müssen sie sich nach einem allgemeinem Gesetz zusammen vereinigen lassen:

“Drittens in diesem wechselseitigen Verhältnis der Willkür kommt auch gar nicht die Materie der Willkür, d. i. der Zweck, den ein jeder mit dem Objekt, was er will, zur Absicht hat, in Betrachtung, z. B. es wird nicht gefragt, ob jemand bei der Ware, die er zu seinem eigenen Handel von mir kauft, auch seinen Vorteil finden möge, oder nicht, sondern nur nach der Form im Verhältnis der beiderseitigen Willkür, sofern sie bloss als frei betrachtet wird, und ob dadurch die Handlung eines von beiden sich mit der Freiheit des andern nach einem allgemeinen Gesetze zusammen vereinigen lasse”116.

Der von den oben dargestellten Elementen abgeleitete Begriff des Rechts lautet:

“Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann”117.

Man könnte den Begriff des Rechts durch seine oben erklärten Elementen anders formulieren, z. B. als den Inbegriff einer äußeren Gesetzgebung.

Das Recht betrifft nur das äußere Verhältnis zwischen Personen. Diese Personen müssen zurechnungsfähig sein, d. h. sie müssen frei sein. Das Recht betriff also die gegenseitige freie Willkür dieser Personen, sofern ihre Handlungen für das Recht relevant sind. Ein Wunsch (als innerer Akt des Gemüts) ist für das Recht völlig irrelevant, da er keine Handlung hervorbringen kann. Deswegen handelt es sich beim Recht um eine Beziehung zwischen freien Willküren. Der Zweck dieser Handlung ist für das Recht nicht wichtig, d. h. die Handlung mag aus welchem Grund auch immer geschehen. Dies stimmt mit der Definition des Rechts als Inbegriff einer äußeren Gesetzgebung überein, weil der Zweck, den jemand bei einer Handlung verfolgt, zum inneren Akt des Gemüts gehört und eben nicht einer äußeren Gesetzgebung entspricht. Das Recht kann nicht kontrollieren, wieso jemand seine Gebote befolgt hat, was auch nicht die Absicht des Rechts ist. Es genügt für das Recht, dass die Gesetze befolgt werden.

Ein anderer wichtiger Teil von Kants Rechtsbegriff ist die Unterwerfung unter ein allgemeines Gesetz. Dies muss ausführlich untersucht werden. Die Allgemeinheit ist ein wesentliches Merkmal sowohl von Kants Tugendlehre als auch seiner Rechtslehre.

Wenn Recht als Vernunftrecht118 zu verstehen ist, d. i. wenn seine Verbindlichkeit sich auf den kategorischen Imperativ gründet, soll die Allgemeinheit selbst aus der Reinheit des Begriffs des Rechts entspringen, das a priori durch Vernunft entstanden ist.

Ein reine Erkenntnis ist, was eine Wissenschaft ausmacht. Kant hat in seiner Erkenntnislehre die Erfahrung für die Möglichkeit der Erkenntnis abgewiesen (wie in Punkt 2. erläutert). Die Folge einer Erkenntnis a priori ist also, dass sie notwendig und allgemein gelten muss. Daraus ergibt sich, dass aus der Möglichkeit eines reinen Begriffes des Rechts der Anspruch sowohl auf Allgemeinheit als auch auf Notwendigkeit entsteht. Wenn Recht nicht allgemein und notwendig gilt, wäre es partikulär und zufällig, insofern erfahrungsabhängig, was gegen Kants Erkenntnislehre, bzw. auch gegen seine Metaphysik der Sitten verstoßen würde.

Bis zu diesem Punkt hat sich Kant mit der ethischen Frage beschäftigt, inwieweit die Maxime des Handelnden mit dem sittlichen Gesetz in Einklang steht. Mit dieser Definition des Rechts stellt er die Frage anders. Wie verträgt sich meine Freiheit (nach einer von mir ausgewählten Maxime zu handeln) mit der Freiheit des anderen, nach

einem allgemeinen Gesetz? Die Definition des Rechts von Kant wird aber deutlicher durch seine Definition einer rechtlichen Handlung.

Eine rechtliche Handlung ist eine Handlung, nach deren Maxime die Freiheit der Willkür des einen mit der Freiheit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz vereinigt werden kann:

“Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann etc.”119.

Eine rechtliche Handlung entsteht nicht nur aus den willkürlichen subjektiven Entscheidungen der Handelnden (Maxime). Diese Maxime muss zusätzlich die Freiheit der Willkür jedes Menschen vereinbar machen und den kategorischen Imperativ beachten. Das heisst, diese Maxime muss sowohl für den einen als auch für den anderen Handelnden nach einem allgemeinen Gesetz aufgestellt werden.

Eine jede Handlung ist recht, wenn nach dem Prinzip dieser Handlung (nach deren Maxime) die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit zusammen bestehen kann (wenn also alle diese Freiheiten vereinbar sind) und diese Maxime nach einem allgemeinen Gesetz entsteht (sich also nach einem kategorischen Imperativ richtet).

Jeder Mensch kann seine Freiheit bis zu dem Grade ausnutzen, wie er die Freiheit der anderen nicht stört. Kant geht noch weiter: die Handlung, die diese Freiheit bestimmen wird, muss in Einklang mit dem allgemeinen Gesetz sein, das heisst, mit dem kategorischen Imperativ.

Es ist von grosser Bedeutung für das Verständnis des Rechtsbegriffes bei Kant, den Unterschied zwischen Recht und kategorischem Imperativ zu erläutern.

Erstens: wie schon erklärt, ist der kategorische Imperativ eine praktische Regel, die sowohl für die Tugendlehre als auch für die Rechtslehre gültig ist; das Recht gehört zu der Rechtslehre und ist der inneren Gesetzgebung (Tugendlehre) nicht zugänglich. D. h. während für die Moral absolut notwendig ist, dass der Grund (Triebfeder) der Handlung die Idee der Pflicht ist, ist für das Recht ganz und gar irrelevant, aus welchem Grund die Handlung geschehen ist.

Zweitens und eigentlich aus dem vorigen Punkt ableitbar, ist die Befolgung des kategorischen Imperativs nur erzwingbar in Bezug auf die äußere Gesetzgebung. Eine innere Handlung geschieht nie unter (äußerem) Zwang.

Der Begriff des Rechts ist ein Begriff, der durch das allgemeine Gesetz eine Einschränkung der Willkür der Menschen enthält. Die Willkür der jeweiligen Handelnden ist frei, wenn sie der allgemeinen Gesetzgebung nicht widerspricht. Das allgemeine Gesetz ist also der Spielraum, innerhalb dessen die Menschen frei handeln können. D. h. nur innerhalb dieses Raumes handeln die Menschen rechtlich. Diese Einschränkung geschieht in der Praxis durch den Zwang.

Kant hat Recht als Einschränkung der Freiheit der Menschen nach einem allgemeinen Gesetz bereits in ‘Über den Gemeinspruch’ beschrieben:

“Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann, insofern diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist…”120.

Die Freiheit der Willkür der Menschen muss sich an einem allgemeinen Gesetz orientieren. Die Menschen stehen also unter Zwangsgesetz, d. h. die Menschen, die ihre Handlungen nicht innerhalb des Spielraums des allgemeinen Gesetzes geschehen lassen, werden hierzu gezwungen.

Das Recht hat als Zweck eine Ordnung, in der die Menschen durch ihre freie Willkür innerhalb des allgemeinen Gesetzes handeln können. Wesentlich ist für Kant, dass das Gesetz, das a priori aus der Vernunft entstanden ist, beachtet wird. Die Einschränkung der Freiheit der Willkür der Menschen, ist jedoch ein Mittel um die Freiheit der Willkür jedes Menschen zu sichern121.

Das Recht hat also einen mittelbaren und einen unmittelbaren Zweck. Jener ist die Achtung für das Gesetz, dieser die Sicherung der Freiheit der Willkür der Menschen.

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Die Willkür der Menschen, d. h. die Eigenschaft der Menschen, wählen zu können, was sie tun oder lassen, wird durch das Recht, per definitio, gesichert. Die Sicherung der Freiheit der Willkür (im heutigen Verständnis, die Freiheit) ist für Kant der eigentliche Hintergrund für die Befolgung des Gesetzes.

Trotz dieser Freiheit (der Willkür) dürfen die Menschen nicht eigennützig und ohne Rücksicht auf andere machen, was sie wollen. Das Recht ist zwar eine Sicherung der Freiheit der Willkür der Menschen (v. a. durch die Möglichkeit des Zwanges, wie im nächsten Punkt dargestellt), aber diese Willkür muss unbedingt im Einklang mit dem allgemeinen Gesetz stehen.

Da der Mensch teil von zwei Welt ist (Sinneswelt und Verstandeswelt), wird er nicht spontan dem Gesetz gehorchen. Er hat darum die Pflicht, das Gesetz zu befolgen. Die Gründe für eine Befolgung des Gesetzes können jedoch unterschiedlich sein.

Wie bereits dargestellt, kann die Achtung für das Gesetz zwei Gründe haben: entweder die (innere) Idee der Pflicht als Bestimmungsgrund der Willkür, oder eine andere (äußere) Idee, die die Willkür bestimmt. Trotz der Verschiedenheit der Triebfeder, die jemanden zur Handlung treibt, ist beiden Gesetzgebungen (ethisch wie juridisch) eines gemeinsam: das Gesetz muss befolgt werden.

Und so ist es, dass der Zweck des Rechts ist, die Menschen zur Befolgung (Observanz) des Gesetzes zu zwingen (wenn sie dieses nicht von sich aus - aus welchem Grund auch immer - tun) um die Freiheit der Willkür der Menschen zu sichern.

Kant hat auch einen Begriff des strikten Rechts, der lautet:

“…so ist das strikte Recht, nämlich das, dem nichts Ethisches beigemischt ist, dasjenige, welches keine andern Bestimmungsgründe der Willkür als bloss die äußern fordert; denn alsdenn ist es rein und mit keinen Tugendvorschriften vermengt”122.

Ein striktes Recht ist also dasjenige, welches ein völlig äußeres ist. Die Willkür wird hier nicht durch die Idee der Pflicht bestimmt, sondern durch irgendeine andere Idee, da das strikte Recht sich zwar an das Bewusstsein der Verbindlichkeit von jemandem nach einem allgemeinen Gesetz richtet, aber die Willkür dieser Person nicht durch dieses Bewusstsein bestimmt wird, sondern sich auf die Möglichkeit eines äußeren Zwanges beruft, der mit der Freiheit von jeder Person nach einem Allgemeinen Gesetz bestehen kann.

Tatsächlich will Kant, wenn er behauptet, dass das strikte Recht nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit mit der Möglichkeit eines wechselseitigen Zwanges verbunden ist, hervorheben, dass dieses Recht dasjenige ist, das nicht in Bezug zur Ethik steht, weil es nicht einen inneren Bestimmungsgrund der Willkür verlangen kann. Das Recht per definitio kann mich nicht ohne Zwang (als Triebfeder meiner Handlung) dazu bewegen, das Gesetz zu beachten. Dies wäre ein Widerspruch in sich selbst. D. h. das Recht kann von mir nicht verlangen, dass ich unabhängig von äußerer Nötigung (Zwang) das Gesetz beachte.

Hier erläutert Kant diesen Begriff durch ein Beispiel. Wenn jemand (ein Gläubiger) das Recht hat, von einem Schuldner die Bezahlung einer Schuld zu fordern, kann er nicht verlangen, dass der Schuldner durch Gebrauch seiner Vernunft spontan (d. h. ohne Zwang) zu dieser Leistung kommt. Der Zwang aber wird den Schuldner nötigen, die Schuld zu bezahlen.

Der Zusammenhang zwischen Recht und Zwang wird im nächsten Abschnitt behandelt.

In der Einteilung der Rechtslehre in ‘Die Metaphysik der Sitten’, erläutert Kant die Einteilung der Rechtspflichten und der Rechte.

Die Einteilung der Rechtspflichten bei Kant erfolgt unter Bezug auf Ulpian wie folgt:

(i) honeste vivere (lex iusti): Der Mensch soll ehrlich sein. Wichtig im kantischen Sinne ist hierbei, dass man niemals nur Mittel sein soll, sondern auch immer Zweck. Dies

ist eine innere Pflicht. Der Mensch als Zweck an sich entspricht dem kategorischen

Imperativ;

(ii) neminem laede (lex iuridica): Der Mensch soll niemandem und unter keinem Umstände unrecht tun. Dies ist eine äußere Pflicht;

(iii) suum cuique tribue (lex iustitiae): Jedem Menschen soll das Seine erhalten und gegen andere gesichert werden. Dieses Prinzip ist eine Kombination aus innerer und äußerer Pflicht. Hier kann man die Möglichkeit des wechselseitigen Zwanges erkennen.

Die Rechte werden von Kant wie folgt eingeteilt:

(i) als systematische Lehre: diese wird weiter unterteilt in Naturrecht und positives (statutarisches) Recht. Das Naturrecht ist das Recht, das allein a priori aus der Vernunft entsteht; das positive Recht das, welches aus dem Willen des Gesetzgebers hervorgeht. Das positive Recht soll sich nach der Form des natürlichen Rechts richten;

(ii) als (moralisches) Vermögen, andere zu verpflichten: dieses wird weiter in

angeborenes und erworbenes Recht eingeteilt. Das angeborene Recht ist dasjenige, das unabhängig von einem rechtlichen Akt jede Person von ihrer Natur her hat, es ist nur ein einziges: die Freiheit. Das erworbene Recht ist dasjenige, das einen solchen Akt erfordert.

4.3. Das Recht und der Zwang

Ein häufig diskutiertes Problem des Begriffs des Rechts ist, ob Zwang eine Komponente des Rechts ist oder nicht, d. i., ob Zwang in diesem Begriff enthalten ist oder nicht. Diese Diskussion war bereits früh sehr wichtig und ist immer noch aktuell.

Die Römer haben die Gesetze in leges perfectae und leges imperfectae unterschieden, je nachdem, ob das Gesetz mit einem Zwang verbunden war oder nicht. Leges perfectae waren diejenigen, welche mit Zwang verbunden waren. In der Geschichte des Naturrechts gibt es auch eine Tradition, Recht zu unterscheiden zwischen ius perfectum und ius imperfectum. Für die Durchsetzung des ersten ist Zwang notwendig. Vor Kant war der deutsche Thomasius der erste, der Recht nur als ius perfectum gesehen hat. Für

ihn ist Recht ohne die Möglichkeit zu zwingen kein Recht123. Thomasius hatte grossen Einfluss auf Kant, für welchen Recht auch mit der Befugnis zu zwingen verbunden ist.

Aus der Definition einer rechtlichen Handlung kann man ableiten, was recht und was unrecht ist und weiterhin auch Kants Behauptung, dass Recht zusammen mit der Befugnis zu zwingen verstanden werden soll.

Ein Unrecht entsteht, wenn jemand gehindert wird, eine rechtliche Handlung auszuführen. Eine rechtliche Handlung ist eine Handlung nach einem Recht oder eine gerechte Handlung. Dieses Hindernis oder dieser Widerstand kann also mit der Freiheit nach allgemeinem Gesetz nicht bestehen. Letztlich ist ein Unrecht ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen. Kant erklärt Zwang folgendermassen:

“…der Zwang aber ist ein Hindernis oder Widerstand, der der Freiheit geschieht. Folglich: wenn ein gewisser Gebrauch der Freiheit selbst ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen (d. i. unrecht) ist, so ist der Zwang, der diesem entgegengesetzt wird, als Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammen stimmend, d. i. recht: mithin ist mit dem Rechte zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen, nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft”124.

Ein Recht setzt als Folge einen Zwang zur Einhaltung der Rechtsvorschrift voraus. Was würde ansonsten passieren, wenn die Freiheit des anderen, die den kategorischen Imperativ nicht befolgt hat, mit meiner Freiheit in Konflikt kommt? Jedes Recht hat per se die Befugnis zu zwingen. Ein Unrecht behindert die Freiheit zu handeln (nach allgemeinem Gesetz); diese Freiheit wird einen Widerstand darstellen gegen dieses Hindernis, das ist der Zwang; mithin eine Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit.

Diese Definition ist aber noch nicht vollständig. Die Freiheit, die dieses Hindernis (Zwang) verhindern muss, soll auch mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen übereinstimmen, sonst würde wiederum ein Unrecht entstehen. So ist der Zwang unmittelbar Bestandteil des Rechts: “Recht und Befugnis zu zwingen bedeuten also einerlei”125. Die Person, die rechtlich handelt, muss jedoch auch den Grundsatz beachten, dass ein e quilibrium der Freiheiten aller gewahrt bleibt, indem aller Freiheit das allgemeine Gesetz beachtet, weil sie ansonsten gezwungen wird. Der Zwang ist also kein Element des Rechts, er ist das Recht selbst.

Der Unterschied hier zwischen Rechtslehre und Tugendlehre ist wie oben gezeigt die Triebfeder zur Handlung: die Idee der Pflicht (ethische Gesetzgebung) oder eine andere Idee (juridische Gesetzgebung).

Die Person handelt also nach einer ethischen oder juridischen Verpflichtung. Nach einer ethischen Verpflichtung handelt sie aus Pflicht in Beachtung des kategorischen Imperativs. Nach einer juridischen Verpflichtung handelt sie pflichtmäßig in Beachtung des Rechtsgesetzes, weil, sie bei nicht Beachtung ansonsten dazu gezwungen wird.

Der Kern des Rechts besteht darin, dass die freie Willkür unbedingt mit einem allgemeinen Gesetz übereinstimmen muss, und dass die Person, die nicht rechtlich handelt, hierzu gezwungen werden kann. Ein Recht ist eine Regel, die zuletzt auch dem kategorischen Imperativ unterworfen ist. Es ist wichtig zu beachten, dass jemand, der diesem Gesetz folgt, dazu verschiedene Triebfedern haben kann: die Idee der Pflicht oder eine andere Idee wie z. B. Angst vor Strafe. Nur wenn jemand nicht allein die Achtung für das Gesetz als Bestimmungsgrund seiner Handlung hat, handelt er rechtlich.

Es gibt letztlich zwei Unterschiede zwischen einer moralischen Handlung und einer rechtlichen oder juridischen Handlung:

(i) der Unterschied der Triebfeder: die moralische Handlung geschieht, weil die Person die Achtung für das Gesetz hat, d. h. allein die Idee der Pflicht bestimmt ihre Handlung. Eine rechtliche Handlung geschieht durch eine andere Idee als Triebfeder (z. B. eigener Vorteil).

(ii) die Möglichkeit, die für das Recht besteht, die Person zu zwingen. Wenn ein Gesetz existiert und die Person nicht nach diesem Gesetz handelt, besteht die Möglichkeit, dass sie zu dieser Handlung gezwungen wird.

Kant erläutet weiter den Begriff des Rechts in Bezug auf den Zwang:

“Das strikte Recht kann auch als die Möglichkeit eines mit jedermanns Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden durchgängigen wechselseitigen Zwanges vorgestellt werden”126.

Der Begriff des Rechts ist eine Einheit, weder darf man ihn allein als die Verbindlichkeit, nach einem Gesetz zu handeln, verstehen noch allein als die Befugnis, Willkür zu zwingen. Recht ist Verbindlichkeit der Willkür nach einem allgemeinen Gesetz, wo eine wechselseitige Zwangsmöglichkeit besteht.

Das positive Gesetz muss befolgt werden, weil es eben a priori aus der Vernunft entstammt, darum Vernunftrecht. Deswegen ist das Gesetz auch notwendig und allgemein geboten.

Vorausgesetzt ist dass das Gesetz befolgt werden. Da nicht immer zu erwarten ist, dass die Menschen spontan handeln werden, kann man Recht sicher als ein notwendiges Mittel bezeichnen, um die Befolgung des Gesetzes zu sichern. Aber allein die Existenz einer rechtlichen Vorschrift gibt keine Sicherheit, dass das Gesetz befolgt wird. Die Möglichkeit des Zwanges ist eben, was diese Sicherheit gebietet (oder mindestens gebieten sollte). Wenn jemand gegen das Gesetz handelt, wird er gezwungen, dem Gesetz gemäss zu handeln.

In der Diskurstheorie ist die Notwendigkeit des Rechts, somit die “Notwendigkeit zwangsbewehrter Regeln”127 auch vorgesehen. Der Zwang ist erkannt als wesentlich (notwendig), um die Befolgung der Rechtsvorschriften zu sichern. Hier merkt man deutlich den wichtigen Einfluss von Kant auf die heutige rechtsphilosophische Diskussion.

Kant hat den Begriff des Rechts im Zusammenhang mit dem Zwang auch in seinem Werk ‘Über den Gemeinspruch’ erarbeitet:

“Der Zweck nun, der in solchem äußern Verhältnis an sich selbst Pflicht und selbst die oberste formale Bedingung (conditio sine qua non) aller übrigen äußeren Pflicht ist, ist das Recht der Menschen unter öffentlichen Zwangsgesetzen, durch welche jedem das Seine bestimmt und gegen jedes anderen Eingriff gesichert werden kann”128.

Er spricht hier von “Zwangsgesetzen”, d. i. den (juridischen) Gesetzen, die die Befugnis zu zwingen haben. D. h. wenn diese nicht spontan befolgt werden, kann die Person dazu gezwungen werden. Noch einmal wird der Zweck des Rechts erläutet als die Befolgung der allgemeinen Gesetze, auch wenn es notwendig ist, die Person dazu zu zwingen.

Kant vergleicht den Begriff des Rechts mit dem der freien Bewegung der Körper unter dem Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung. Das Gesetz setzt die Möglichkeit eines wechselseitigen Zwangs voraus, der die Freiheit der Willkür aller reguliert.

Neben dem ius strictum gibt es laut Kant ein ius latum, d. h. neben einem Recht, das mit der Befugnis zu zwingen verbunden ist, gibt es ein Recht im weiteren Sinne, wo die Befugnis zu zwingen nicht bestimmt werden kann. Kant unterteilt die ius latum in zwei Arten von Recht: die Billigkeit und das Notrecht. Das erste wird als ein Recht ohne Zwang bezeichnet; das zweite als ein Zwang ohne Recht129.

Die Billigkeit oder aequitas ist ein Recht, dem es an den erforderlichen Bedingungen für den Richter mangelt, zwingen zu können. Kant fügt als Beispiel für die Billigkeit einen Vertrag an, der mit einem Hausdiener für die Dauer von einem Jahr geschlossen wird. In diesem Vertrag wird dem Diener ein bestimmter Lohn als Zahlenwert zugesichert. Verschlechtert sich während der Laufzeit die Kaufkraft des Geldes, ergibt sich hieraus kein rechtlicher Grund für eine gerichtliche Klage, da dies im Vertrag nicht vorgesehen war und der Richter nicht nach unbestimmten Bedingungen Recht sprechen kann. Der Diener kann höchstens die Billigkeit anrufen. Der Sinnspruch der Billigkeit lautet: “Das strengste Recht ist das größte Unrecht (summum ius, summa iniuria)”130. Kant behauptet außerdem, dass dieses Übel nicht auf dem Rechtsweg gelöst werden kann, also durch das Zivilgericht (forum soli), weil es zum Gewissensgericht (forum poli) gehört.

Das Notrecht oder ius necessitatis ist ein Recht, das sozusagen erlaubt, den Verlust des Lebens anderer in Kauf zu nehmen, wenn das eigene Leben in Gefahr ist. Kant führt als Beispiel eine Person an, die nach einem mit einer anderen Person (die also in der gleichen Gefahr schwebt) erlittenen Schiffbruch, dieser das rettende Brett wegnimmt, um das eigene Leben zu retten. Diese Person soll dafür nicht bestrafft werden, weil sie eben in Not war. Die Person ist zwar sträflich (culpabile), aber unstrafbar (inpunibile). Der Sinnspruch des Notrechts lautet: “Not hat kein Gebot (necessitas non habet

legem)”131. Nach Kants Rechtsauffassung kann es jedoch keinen Zustand geben, der ein

Unrecht legitimiert. Ein Notrecht ist zwar ein Unrecht, wird aber keine entsprechende Strafe finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sowohl Notrecht als auch Billigkeit reflektieren eine sog. Doppelsinnigkeit (ius aequivocum) der Rechtsbeurteilung, resultierend aus der Verwechselung von objektiven und subjektiven Gründen der Rechtsausübung. Hier erkennt Kant also eine Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Gesetzgebung. Im Fall der Billigkeit: was jemand für sich selbst - und sei es auch aus guten Gründen - für Recht hält, kann nicht vor ein Gericht gebracht und von einem Richter bestätigt werden. Im Fall des Notrechtes: was jemand für sich selbst als Unrecht beurteilen muss, erlangt Nachsicht vor dem Gerichtshof und wird nicht bestraft.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass abgesehen von dem Recht im weiteren Sinne (Billigkeit und Notrecht), für das strikte Recht (Recht im engeren Sinne) der Zwang erforderlich ist.

5. Schlussbemerkungen

Obwohl Kant bereits vor beinahe 200 Jahren gestorben ist, ist sein philosophisches Erbe doch immer noch lebendig. Er hat durch seine für die damalige Zeit bahnbrechende und geradezu revolutionäre Arbeit unseren heutigen Rechtsbegriff und unser Rechtsverständnis maßgebend beeinflusst. Obwohl einige seiner praktischen Auslegungen des Rechts, wie z.B. seine Überlegungen und Ausführungen zur Todesstrafe, die nicht Gegenstand dieser Arbeit waren, für die heutige Zeit befremdlich anmuten und seine Verhaftung in der Tradition seiner Zeit zeigen, so hat er doch ein grundlegend neues Erkenntnissystem geschaffen, das eine neue Rechtslehre ermöglicht hat. Dieses wird vom Geist der Aufklärung getragen und ist durch eine kritische Methode charakterisiert. Durch diesen Ansatz stellt Kant ein System vor, das weit über seine Zeit hinausweist. So ist Kants Rechtslehre, somit der Inhalt seines Rechtsbegriffes, auch heutzutage noch ein Thema, das viele Juristen und Philosophen beschäftigt.

In einer Gesellschaft muss das Zusammenleben der Menschen geregelt sein. Man kann daher nicht auf Recht verzichten. Auch deswegen ist diese Diskussion immer noch aktuell. In einer demokratischen Gesellschaftsordnung wird das Recht durch demokratische Entscheidungen legitimiert. Dadurch wird ein bestimmtes Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort gültig. Für Kant aber ist es wichtig, einen Rechtsbegriff zu definieren, der allgemein und notwendig gilt und immer anwendbar ist. Er untersucht nicht, was rechtens ist, sondern was Recht ist. Dafür musste er auf alle Materie des Rechts verzichten, weil nur die Erkenntnis a priori (unabhängig von aller Erfahrung) dies ermöglicht. Dieser Ansatz hat ihm gelegentlich den Vorwurf des Formalismus eingetragen.

Freiheit ist ein wesentliches Element in Kants Rechtstheorie. Interessanterweise unterscheidet sich der Bedeutungsgehalt von Freiheit bei Kant jedoch von den Definitionen des Liberalismus und auch von seiner heutigen Anwendung. Freiheit beschreibt bei Kant einen autonomen Willen, der unabhängig vom Einfluss der Sinnlichkeit handeln kann. Freiheit ist damit die Voraussetzung für die Möglichkeit des Rechts und ist zugleich der unmittelbare Zweck des Rechts.

Die Menschen sind zu zwei Welten gehörig: Sinneswelt und Verstandeswelt. Sie sind also nicht nur durch Vernunft beeinflusst, sondern auch durch Sinnlichkeit affiziert.

Genau aus diesem Grund, dass die Menschen eben nicht allein durch die Sinnlichkeit Einfluss bekommen und weil die Menschen sich Gesetze geben können, sind die Menschen frei. Sie haben also die Eigenschaft, nach der Vorstellung des Gesetzes (also nach einem freien Willen) zu handeln.

Für das Recht ist Freiheit vorausgesetzt, weil Recht ein Produkt der menschlichen Vernunft ist und nur freie Wesen vernünftig sind. Verbunden ist mit dem Begriff des Rechts noch die Freiheit in dem Sinne, dass sie sein unmittelbarer Zweck ist. Hier ist der Begriff der Freiheit in seiner heutigen Bedeutung verstanden. Streng gesagt ist der unmittelbare Zweck des Rechts die Willkür der Menschen.

Die kantische Rechtsordnung will einerseits die Freiheit der Willkür der Menschen sicherstellen. Andererseits soll die Freiheit der Willkür der Menschen nur garantiert werden, wenn die Menschen nach einem allgemeinen Gesetz handeln.

Die Handlung der Menschen nach einem allgemeinen Gesetz entspricht dem kategorischen Imperativ: Man soll sich eine Maxime geben, die zugleich als allgemeines Gesetz betrachtet werden kann. Der Begriff des Rechts bei Kant richtet sich also nach dem kategorischen Imperativ.

Der kategorische Imperativ gilt aber sowohl für die Moral als auch für das Recht. Der Unterschied liegt darin, dass im Rahmen des allgemeinen Gesetzes, sozusagen nach dem Rechtskategorischen Imperativ, die Menschen nach Belieben Handlungen ausführen oder unterlassen dürfen, solange diese sich im Rahmen des allgemeinen Gesetzes bewegen. Ansonsten können die Menschen gezwungen werden, das allgemeine Gesetz zu respektieren.

Das allgemeine Gesetz ist zwar eine Einschränkung der Willkür, aber um die Koexistenz der Willkür unterschiedlicher Individuen zu ermöglichen. Der Zwang ist, was diese Sicherheit ermöglicht, deswegen behauptet Kant, dass der Zwang das Hindernis des Hindernisses der Freiheit der Willkür ist.

Somit bildet Kants Rechtsbegriff eine wesentliche Grundlage für alle modernen Rechtssysteme der heutigen Zeit.

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[...]


1 Vgl. Sammlung: Os Pensadores, Kant, S. 5.

2 Kant, GMS, S. BA XI.

3 S. z. B. die Bücher: ‘Neukantianismus und Rechtsphilosophie’, ‘Rechtsystem und praktische Vernunft’ und ‘Metaphysische Anfangsgrund der Rechtslehre’.

4 Kant, KrV, S. A XII (Fussnote).

5 Locke, Essai Philosophique Concernant l’Entendement Humain, zitiert nach Reale, Filosofia do Direito. S. 89.

6 Kant, Prolegomena, S. 9.

7 Alle in Klammern gesetzten Erklärungen dieses Paragraphen sind aus der KrV. Die Begriffe der Sinnlichkeit und des Verstandes sind u. a. auf Seite B 75 zu finden; die Begriffe der Erfahrung, u. a. auf Seite B 219.

8 Kant, KrV, S. B I.

9 Kant, a. a. O., S. B 74.

10 Kant, KrV, S. B 375.

11 Kant, a. a. O., S. B 833.

12 Kant, KrV, S. B XVI, XVII.

13 Kant, KrV, S. B 4.

14 Kant, a. a. O., S. A XV.

15 Kant, a. a. O., S. B 3.

16 Kant, KrV, S. B 4.

17 Kant, a. a. O., S. B 375.

18 Kant, KrV, S. B 10, 11.

19 Kant, a. a. O., S. B 296.

20 Kant, KrV, S. B XXXVI.

21 Ludwig, Kant für Anfänger - KrV, S. 13.

22 Vgl. dazu Abbagnano, S. 633 u. f.

23 Vgl. dazu die Sammlung: Os Pensadores, Kant, S. 12.

24 Kant, KrV, S. B 22 u. f.

25 Vgl. dazu Ritter, Immanuel Kant, S. 333.

26 Kant, KrV, S. B 59 u. f.

27 Kant, KrV, S. B XIX, XX.

28 Kant, GMS, S. BA III.

29 Vgl. dazu Bobbio. Direito e Estado no Pensamento de Kant, S. 50.

30 Kant, GMS, S. BA V.

31 Kant, KrV, S. B 395 (Fussnote).

32 Kant, a. a. O., S. B 7.

33 Kant, GMS, S. BA VII.

34 Kant, a. a. O., S. BA, IX.

35 Kant, a. a. O., S. BA IX, X.

36 Kant, KrV, S. B 263.

37 Kant, KpV, S. A 74.

38 Kant, KrV, S. B XXVI.

39 Kant, GMS, S. BA 36.

40 Kant, a. a. O., S. BA 36, 37.

41 Kant, GMS, S. BA 3.

42 Kant, MS, S. AB 5.

43 Kant, MS, S. AB 5.

44 Kant, a. a. O., S. AB 26.

45 Vgl. dazu Wood, Kant’s Doctrine of Right: Introduction, S. 25 u. f.

46 Kant, MS, S. AB 5.

47 Kant, MS, S. AB 5, 6.

48 Kant, a. a. O., S. AB 6.

49 Kant, MS, S. AB 21.

50 Kant, GMS, S. BA 15.

51 Kant, KpV, S. A 131 u. f.

52 Kant, GMS, S. BA 14, 15.

53 Kant, a. a. O., S. BA 27, 28.

54 Kant, a. a. O., S. BA 13.

55 Kant, MS, S. AB 25.

56 Kant, GMS, S. BA 81, 82.

57 Kant, GMS, S. BA 15 (Fussnote).

58 Kant, KpV, S. A 149.

59 Kant, KrV, S. A 113.

60 Kant, GMS, S. BA 17.

61 Kant, a. a. O., S. BA 37.

62 Kant, GMS, S. BA 38.

63 Kant, a. a. O., S. BA 39.

64 Kant, GMS, S. BA 40. Kant erklärt in ‘Die Kritik der reinen Vernunft’ (B 99) die Modalität der Urteile: apodiktisch, assertorisch oder problematisch ist. Apodiktische Urteile sind diejenigen, die als notwendig angesehen werden; assertorisch die, die als wirklich (wahr) betrachtet werden; und, die problematischen sind solche, bei denen Bejahen und Verneinen (beliebig) möglich ist.

65 Kant, GMS, S. BA 111, 112.

66 Kant, MS, S. AB 19.

67 Kant, GMS, S. BA 86.

68 Kant, GMS, S. BA 52.

69 Kant, KpV, S. A 122.

70 Kant, GMS, S. BA 52.

71 Kant, KpV, S. A 54.

72 Kant, GMS, S. BA 87.

73 Kant, a. a. O., S. BA 66,67.

74 Kant, GMS, S. BA 69.

75 Kant, a. a. O., S. BA 69, 70.

76 Kant, a. a. O., S. BA 70, 71.

77 Kant, GMS, S. BA 80, 81.

78 Kant, a. a. O., S. BA 102.

79 Kant, a. a. O., BA 104.

80 Kant, GMS, S. BA 87, 88.

81 Kant, MS, S. AB 21.

82 Kant, Reflexionen 7202, XIX, S. 281, zitiert nach Salgado, A idéia de justiça em Kant, S. 257.

83 Kant, KrV, S. B 562, s. auch KpV, S. A 212.

84 Kant, GMS, S. BA 97.

85 Kant, MS, S. AB 27.

86 Kant, KrV, S. A 547.

87 Kant, GMS, S. BA 98.

88 Wood, Kant’s Doctrine of Right: Introduction, S. 29.

89 Kant, GMS, S. BA 109.

90 Kant, ZeF, S. B 21 (Fussnote).

91 Kant, KpV, S. A 58, 59.

92 Kant, KpV, S. A 5 (Fussnote).

93 Kant, MS, S. AB 6, 7.

94 Kant, MS, S. AB 13, 14.

95 Kant, KpV, S. A 269.

96 Kant, MS, S. AB 15.

97 Kant, MS, S. AB 17.

98 Vgl. dazu Ritter, Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, S. 76, 77.

99 Kant, MS, S. AB 22.

100 Kant, a. a. O., S. AB 23.

101 Kant, MS, S. AB 23.

102 Kant, a. a. O., S. AB 24.

103 Vlg. dazu Höffe, Einführung, S. 10.

104 Vgl. dazu Ludwig, Kants Rechtslehre, S. 82;

105 Kant, MS, S. AB 31.

106 Kant, a. a. O., S. AB 32.

107 Kant, KrV, S. B 759 (Fussnote).

108 Kant, KrV, S. B 116.

109 Kant, a. a. O., S. B 373.

110 Vgl. dazu Dreier, Recht - Moral - Ideologie, S. 290. 111 Kant, MS, S. A 30 (Teil der Tugendlehre). 112 Kant, a. a. O., S. AB 34.

113 Kant, MS, S. AB 32.

114 Vgl. dazu Zaczyk, Untersuchung zum rechtlichen Postulat der praktischen Vernunft in Kants Metaphysik der Sitten, S. 319;

115 Kant, MS, S. AB 32.

116 Kant, a. a. O., S. AB 32, 33. 117 Kant, a. a. O., S. AB 33.

118 Vgl. dazu Klein, Versuch ein Theorie des Rechts im Ausgang von Kant, S. 330.

119 Kant, MS, S. AB 33.

120 Kant, ÜdG, S. A 234.

121 Vgl. dazu Höffe, Der kategorische Rechtsimperativ, S. 55.

122 Kant, MS, S. AB 36.

123 Vgl. dazu Bobbio, Direito e Estado no pensamento de Immanuel Kant, S. 76.124 Kant, MS, S. AB 35.

125 Kant, a. a. O., S. AB 36.

126 Kant, MS, S. AB 35.

127 Alexy, Eine Diskurstheoretische Konzeption der praktischen Vernunft, S. 24.128 Kant, ÜdG, S. A 233.

129 Kant, MS, S. 38.

130 Kant, a. a. O. S. 40.

131 Kant, MS, S. 42.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
"Was soll ich tun?" - Der Begriff des Rechts bei Kant
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Abschlussarbeit des LL.M. Programms
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
79
Katalognummer
V109796
ISBN (eBook)
9783640079742
Dateigröße
630 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begriff, Rechts, Kant, Abschlussarbeit, Programms, Thema Kant
Arbeit zitieren
Daiana Vasquez (Autor:in), 2003, "Was soll ich tun?" - Der Begriff des Rechts bei Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109796

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