Alfred Lichtenstein, "Die Fahrt nach der Irrenanstalt I"


Hausarbeit, 2005

3 Seiten


Leseprobe


Interpretieren Sie das Gedicht „Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1“ von Alfred Lichtenstein! Gehen Sie dabei auch auf die Epoche des Barocks ein!

Das Gedicht „Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1“ von Alfred Lichtenstein ist in die Epoche des Expressionismus einzuordnen, welche sich in den Jahren 1910-1925 erstreckte.

Der Expressionismus leitet den Beginn der Moderne ein und befasst sich in der Literatur durch diesen Generationskonflikt in erster Linie mit den Themen Krieg, Großstadt, Zerfall, Tod, Angst, Ich- Verlust und dem Weltuntergang. Aber er befasst sich auch mit positiven Themen wie Hoffnung, neuer Mensch, Revolution und Veränderung. Auch Lichtensteins Gedicht „Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1“ lässt die Glanz- und Trostlosigkeit des Daseins im Expressionismus erspüren.

Es handelt von einem Menschen, der außerhalb der Gesellschaft steht oder stehen wird. Davon ausgehend, dass der Irre, der Kranke, der Selbstmörder jemand ist, der an den gesellschaftlichen Verhältnissen verzweifelt, bieten dieses Gedicht einen Blick auf die Wirklichkeit, der bei Lichtenstein nicht durch den Titel veralbert wird.

Der Tod spielt in dem Gedicht eine große Rolle. Das Haus, von dem die Rede ist, symbolisiert die Endstation des Menschen, denn sie werden mit Särgen assoziiert: „Auf lauten Linien fallen fette Bahnen / Vorbei an Häusern, die wie Särge sind.“ Durch die „fetten Bahnen“ erhält man eine Eintönigkeit, die auch in dem nächsten Vers deutlich zu erkennen ist: „An Ecken kauern Karren mit Bananen.“ Die Bananen liegen alle gleich in dem Karren, liegen eintönig aufeinander, möglicherweise auch verwüstet. Durch die Verwüstung kann ein Bezug zur Überschrift hergestellt werden, da es in einer Irrenanstalt nicht gegliedert abläuft. Die Bananen werden so behandelt, dass sie alle gleichwertig sind und somit ihre Gefühle und Wünsche auch nicht zur Geltung bringen können. Es herrscht die

Trostlosigkeit des Expressionismus, da jeder von einem anderem bedrückt und unterdrückt wird und keine Chance bekommt sich zur Wehr zu setzen. Auch durch das Wort „kauern“ erhält man den Eindruck der Hilflosigkeit. Dies lässt sich auf den nächsten Vers übertragen: „Nur wenig Mist erfreut ein hartes Kind.“ Die Wörter „Mist“ und „Kind“ in diesem Vers passen nicht zusammen. Die Freiheit des Kindes wird unterdrückt; somit würde auch dieses Kind in der bereits erwähnten Trostlosigkeit zerfallen.

Einsamkeit und Hilflosigkeit sind in der nächsten Strophe des Gedichtes besonders hervorgehoben. Menschen werden mit Biestern assoziiert und der Beobachter betrachtet sie als elend und grau: „Die Menschenbilder gleiten ganz verloren / Im Bild der Straße, elend grau und grell.“ Die Mensch ist also nur noch eine Maschine, die sich verloren und ohne Ziel in ihrer Umgebung aufhält. Diese Maschine wird auch im nächsten Vers weiter erwähnt: „Arbeiter fließen von verkommenen Toren.“ Alles scheint verkommen und trostlos zu sein. Die Menschen sind müde und scheinen nur noch dem Tod entgegenzustreben: „Ein müder Mensch geht still in ein Rondell.“ Die Stille gewinnt hier Oberhand und gewinnt Macht über den Menschen, den sie bereits ermüdet hat.

In der dritten Strophe des Gedichtes erscheint der Tod, auch ein sehr typisches Merkmal des Expressionismus. Der Leser wird direkt mit dem Tod konfrontiert, auch dadurch dass der im neunten Vers auftretende Leichenwagen von zwei Rappen gezogen wird: „Ein Leichenwagen kriecht, voran zwei Rappen, / Weich wie ein Wurm und schwach die Straße hin.“ Da es sich bei Rappen um schwarze Pferde handelt, wird die Trauer an dieser Stelle durch die schwarze Farbe noch deutlicher zum Vorschein gebracht, da diese in enger Verbundenheit zur Trauer steht. Da der Leichenwagen wie ein Wurm kriecht, erhält der Leser den Eindruck, dass er sich windet. Denkt man an einen Wurm, assoziiert man ihn mit einem hilflosen Geschöpf, das sich windet. Der Leichenwagen wird also als hilflos dargestellt; er wird benötigt, um dem Elend sein endgültiges Ende zu bereiten. Die darin liegenden Leichen sind auf der einen Seite wehrlos, auf der anderen Seite frei.

Mit den letzten beiden Versen "Und über allem hängt ein alter Lappen - Der Himmel... heidenhaft und ohne Sinn." benennt auch Lichtenstein den Perspektivverlust seiner Zeit, der Glaube ist verloren.

Lichtenstein erscheint einem selbst als trostlos. Er war verzweifelt und drückte seine Todesvorahnung in seinen Gedichten aus.

Zwei Jahre nach dem Gedicht „Die Fahrt nach dem Irrenhaus 1“ ging er im Oktober 1913 als Freiwilliger in das bayrische Infanterieregiment und nahm von Kriegsbeginn an am 1. Weltkrieg teil. Er fiel am 25. September 1914 in Vermandevillers/Reims an der Westfront.

Seine Todesängste teilt er auch besonders in dem Gedicht „Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1“ mit. Er hat Angst vor der Einsamkeit und Angst davor, an der Gesellschaft zu verzweifeln. Er will dem Leser die Wirklichkeit zeigen und zeigt seinen Ernst durch dieses Gedicht.

Im Hinblick auf den Barock lässt sich das Gedicht mit seiner Vergänglichkeit beziehen. Der Barock wurde durch den 30-jährigen Krieg stark beeinflusst, so dass daraus eine starke Beschäftigung mit den Themen Vergänglichkeit, Memento mori (Gedenke zu Sterben) und Carpe diem resultiert. In dem Gedicht „Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1“ befasst sich Lichtenstein hauptsächlich mit dem Tod und der damit zusammenhängenden Vergänglichkeit des Menschen. In Lichtensteins Gedicht fehlt im Bezug auf den Barock allerdings die antithetische Gegenüberstellung von Begriffen. So würde ein Autor des Barocks in diesem Fall Leben und Tod gegenüberstellen, Lichtenstein beschränkt sich aber hauptsächlich auf den Tod und der Trostlosigkeit. Seinem Gedicht ist nichts positives abzugewinnen.

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Alfred Lichtenstein, "Die Fahrt nach der Irrenanstalt I"
Autor
Jahr
2005
Seiten
3
Katalognummer
V109713
ISBN (eBook)
9783640078912
Dateigröße
327 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgabenstellung: Interpretieren Sie das Gedicht 'Die Fahrt nach der Irrenanstalt 1' von Alfred Lichtenstein! Gehen Sie dabei auch auf die Epoche des Barocks ein!
Schlagworte
Alfred, Lichtenstein, Fahrt, Irrenanstalt
Arbeit zitieren
Ina Goebels (Autor:in), 2005, Alfred Lichtenstein, "Die Fahrt nach der Irrenanstalt I", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109713

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