Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Charakterisierung der Corinna an Hand des 5. Kapitels


Referat / Aufsatz (Schule), 2005

7 Seiten


Leseprobe


Was leistet das 5. Kapitel zur Charakterisierung der Corinna?

Der Roman „Frau Jenny Treibel“ von Theodor Fontane aus dem Jahre 1888 in Berlin, ist in die Epoche des Realismus einzuordnen. Der Realismus in Deutschland (ungefähr 1850–1890) wird häufig auch bürgerlicher Realismus oder poetischer Realismus genannt. Diese Bezeichnung rührt daher, dass der Realismus in Deutschland auch offen für Erfundenes, Poetisches und Phantastisches war (Märchen etc.). Er beschränkte sich also nicht nur auf bloße Beschreibung der Wirklichkeit und ve rschloss sich nicht einer Ästhetisierung der Realität. Träger dieser Bewegung war in Deutschland das Bürgertum. Deshalb spielen in Deutschland im Realismus auch bürgerliche Werte und Ideen eine Rolle. Die handelnden Charaktere sind in der Regel im Bürgertum angesiedelt.

Die beiden oben genannten Begriffe engen allerdings das Bedeutungsfeld des Realismus ein, indem sie bestimmte Konzepte und Merkmale besonders betonen.

Die Gegensätze Besitzbürgertum und Bildungsbürgertum erhalten in dem Roman „Frau Jenny Treibel“ eine ganz besondere Bedeutung. Jenny Treibel ist das weibliche Oberhaupt einer Berliner Familie des Besitzbürgertums. Ihr Mann hat den Titel eines Kommerzienrates. Ihr Sohn Otto ist mit der finanziell noch besser gestellten Helene Munk verheiratet. Der andere Sohn Leopold ist noch nicht verheiratet, am Ende des Buches verlobt er sich mit Hildegard Munk. Der Roman beginnt mit einer Szene im Haus der Professorenfamilie Schmidt. Jenny läd Corinna zu einer Abendgesellschaft ein und glaubt - zu ihrer Missbilligung - ein Interesse von Corinna an ihrem Sohn Leopold zu bemerken. Beim Dinner ist ein Engländer namens Mr. Nelson zugegen, sowie die am Anfang eingeladene Corinna Schmidt, die "blitzgescheite" Tochter des Professoren Schmidt. Sie ist recht kokett und gibt vor, um Mr. Nelson zu werben, wodurch sie Leopold T. umso interessierter erscheint - was sie beabsichtigte. Corinna will in die Familie Treibel einheiraten, um gesellschaftlich aufzusteigen. Die Familie Treibel verfügt über viel mehr Geld als die Familie Schmidt, die nur dem Bildungsbürgertum angehört. Sie spiegelt zwar emotionale Beweggründe vor, im Laufe des Romans ist aber eine deutliche Tendenz zum Pragmatismus ersichtlich. Ungefähr in der Mitte des Romans verlobt sich Corinna mit Leopold; eine Heirat wird allerdings durch Jenny Treibel verhindert. Diese weiß um die charakterliche Schwäche ihres Sohnes und glaubt daher, dass er sich von Corinna hat umgarnen lassen. Letztendlich will sie Corinna nicht in ihrem Hause haben, da diese zu arm und auch zu ehrgeizig ist. Jenny hat für Leopold jemand kontrollierbareren und reicheren auserkoren. Am Ende hat niemand so recht bekommen, was er eigentlich wollte. Leopold heiratet die zwar attraktive und wohlhabende aber ihrer Schwester in der Unkontrollierbarkeit ähnelnde Hildegard Munk, Corinna heiratet Marcell, ihren Cousin, der zwar ebenso gebildet und sympathisch ist, dafür aber ihrem ersehnten gesellschaftlichen Stand nicht entspricht.

Im 5. Kapitel des Romans begeben sich Corinna und Marcell nach dem Dinner im Treibelschen Haus nach Hause. Es kommt zu einem Zerwürfnis zwischen Corinna und Marcell.

Da Marcell Corinna gerne heiraten möchte, ist er von Corinnas Entscheidung, Leopold beeindrucken zu wollen, nicht begeistert. Marcell wirft Corinna vor, dass sie kein Herz habe und lässt sich auf eine Auseinandersetzung mit ihr ein: „‚Weil du kein Herz hast, sag ich, keinen Sinn für Familie, nicht einmal für deine Vater…’“ (S. 39, 15 f.) Marcell erkennt Corinnas Situation, dass sie trotz ihrer 25 Jahre immer noch eine Jungfer ist. Er kennt seine Cousine gut, da er genau weiß, dass sie es besonders auf Besitz und Geld anlegt, und sie allein aus diesem Grund der Bourgeois-Familie Treibel angehören möchte. Dadurch, dass Corinna ihren Vater an diesem Abend allein gelassen hat, stellt Marcell dar, dass Corinna sich bereits von dem Bildungsbürgertum abgewendet hat: „Aber dein Vater. Da lässt du nun heute en alten Mann einsam und allein und kümmerst dich sozusagen um gar nichts. Ich glaube, du weißt nicht einmal, ob er zu Haus ist oder nicht.’“ (S. 39, 19 ff.)

Marcell erzählt Corinna, dass er sie auf dem Fest beobachtet habe, und ihm ist auch deutlich geworden, dass sie vor Mr. Nelson glänzen wollte, nur um Leopold zu beeindrucken. Mit den Worten „Ach Corinna, du nimmst alles so leicht und denkst, wenn du’s leicht nimmst, so hast du’s aus der Welt geschafft“ (S. 39, 36 f.) stellt Leopold seine Cousine als naiv dar. Es ist für ihn unbegreiflich, wie Corinna auf diese Weise ihre Intelligenz ausspielt, um so „[…] dem armen Jungen, dem Leopold, den Kopf zu verdrehen“. (S. 40, 3 f.) Doch Corinnas naive Art bestätigt sich, da sie Marcells Worte gar nicht ernst nimmt und ihn auch nicht verstehen will: „ ‚Sieh, Marcell, wenn da drüben nicht der einsame Schutzmann stände, so stellt ich mich jetzt mit verschränkten Armen vor dich hin und lachte dich fünf Minuten lang aus.“ (S. 40, 9 ff.) Corinna möchte sich rechtfertigen und spielt Marcell etwas vor: „Ich habe mich mit Mr. Nelson unterhalten, und ein paar Mal hab ich mich ganz ausführlich an dich gewandt.’“ (S. 40, 16 f.) Sie glaubt, sie könne durch ihren Intellekt Marcell etwas vormachen. Was sie allerdings vergisst, ist, dass auch Marcell über einen hohen Intellekt verfügt. Er kennt Corinna nämlich besser, als diese denkt: „ ‚Ach, das sagst du so, Corinna, und weißt doch, wie falsch es ist. Sieh, du bist sehr gescheit und weißt es auch; aber du hast doch den Fehler, den viele gescheite Leute haben, dass sie die anderen für ungescheiter halten, als sie sind. Und so denkst du, du kannst mir ein X für ein U machen und alles so drehen und beweisen, wie du’s drehen und beweisen willst. Aber man hat doch auch so seine Augen und Ohren und ist also, mit deinem Verlaub, hinreichend ausgerüstet, um zu hören und zu sehen.’“ (S. 40, 19 ff.) Marcell möchte seiner Cousine verdeutlichen, dass er ebenfalls dem Bildungsbürgertum angehört; aber auch, dass es nicht immer auf die intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen ankommt, sondern auf die einfachen Dinge, wie in diesem Fall das Sehen und das Hören. Doch Corinna begreift Marcells Worte nicht und spielt die ganze Situation ins lächerliche: „ ‚Und was ist es denn nun, was der Herr Doktor gehört und gesehen haben?’“ (S. 40, 27 f.) Marcell und auch Corinna behalten beide fest ihre Standpunkte; niemand von beiden lässt sich vom anderen beeinflussen, oder gar überzeugen. Marcell behält weiterhin seinen Standpunkt, dass Corinna nur die Absicht hatte, durch ihr Wissen gegenüber Mr. Nelson Leopold Treibel zu beeindrucken. Doch er muss auch zugegeben, dass Corinnas Plan aufgegangen ist, und dass es ihr gelungen ist, Leopold zu beeindrucken: „ […] der, um dessentwillen das alles geschah, der zusehen und bewundern sollte, der hieß Leopold Treibel, und ich habe wohl bemerkt, wie mein Cousinchen auch ganz richtig gerechnet hatte; denn ich kann mich nicht entsinnen, einen Menschen gesehen zu haben, der […] durch einen ganzen Abend hin so ‚total weg’ gewesen wäre wie dieser Leopold.’“ (S. 40, 39 ff.) Corinna lässt sich endlich von Marcells Worten überzeugen, denn sie hat von ihm das gehört, was sie hören wollte; sie konnte Leopold beeindrucken und hat dafür die Bestätigung ihres Cousins erhalten: „ ‚Nun, darüber ließe sich reden.“ (S. 41, 5)

Nachdem Corinna dem Singuhrturm ihre Beachtung schenkt, verinnerlicht sie dieses Bild und schildert Marcell ihr Bild von diesem Turm: „ ‚Sieh nur […] nie hab ich den Singuhrturm in solcher Schärfe gesehen. Aber ihn schön finden, wie seit kurzem Mode geworden, das kann ich doch nicht; er hat so etwas Halbes, Unfertiges, als ob ihm auf dem Wege nach oben die Kraft ausgegangen wäre. Da bin ich doch mehr für die zugespitzten, langweiligen Schindeltürme, die nicht wollen als hoch sein und in den Himmel zeigen.’“ (S. 41, 13 ff.) Durch diese Schilderung erhält man ein Gesamtbild von Corinnas Situation. Der in Mode getretene Singuhrturm symbolisiert Leopold Treibel und die Schindeltürme stellen Marcell dar. Sie äußert sich unbewusst darüber, dass Leopold im Moment nur eine Modeerscheinung ist, und sie nur für einen Augenblick glücken machen kann. Jedoch ist es auch etwas Unfertiges, da Corinna auch weiß, dass sie Leopold niemals vollends lieben kann. Sie möchte lieber beim alten, gewohnten bleiben, der Schindeltürme, die Marcell symbolisieren. Auch, wenn diese langweilig sind, ist es ihr doch angenehmer, bei der alten Gewohnheit zu bleiben. Marcells Antwort darauf ist allerdings eher überraschend, denn er schildert, dass er nichts über diese Türme hören möchte, er legt auf etwas anderes viel mehr Wert: „ ‚Üb immer Treu und Redlichkeit’“ (S. 41, 27) Marcell erwartet von Corinna, dass sie ehrlich zu ihm ist, doch Corinna, ein wenig entsetzt, fragt durch eine rhetorische Frage nach, ob sie ihm denn jemals untreu gewesen ist: „ Aber nun sage mir, Freund, was soll das alles heißen? Treu und Redlichkeit. Meinst du wirklich, dass mir die fehlen? Gegen wen versünd’ge ich mich denn durch Untreue? Gegen dich? Hab ich Gelöbnisse gemach? Hab ich dir etwas versprochen und das Versprechen nicht gehalten?’“ (S. 41, 29 ff.) Durch Marcells Schweigen fühlt sich Corinna bestätigt und weiß, das sie Marcell immer treu war; schließlich besteht zwischen Marcell und Corinna schon eine innige und langjährige Freundschaft. Diese Freundschaft wird von Corinna auch durch ihre Worte „in aller Freundschaft“ (S. 41, 43) bestätigt. Corinna empfindet sich selber für treu, jedoch streitet Marcell dies weiterhin ab und vertritt seinen Gesichtspunkt: „ ‚Und spielst doch beständig eine Komödie.’“ (S. 42, 4)

Doch hinter Corinnas Naivität befinden sich doch Überlegungen: „Ich habe mir, nach reiflicher Überlegung, ein bestimmtes Ziel gesteckt […]“ (S. 42, 6 f.) Sie beharrt richtig darauf, ihr Ziel durchzusetzen. Ihre ganze Art wirkt an dieser Stelle reifer.

Marcells Wunsch ist es nicht, Corinna zu ändern, er möchte nur nicht, dass Corinna Leopold heiratet: „ […] spiele so viel Komödie, wie du willst, sei so kokett, wie du willst, ich werde doch nicht so dumm sein, die Weiberwelt und die Welt überhaupt ändern zu wollen, ich will sie wirklich nicht ändern, auch dann nicht, wenn ich’s könnte; nur um eins muss ich dich angehen, du musst, wie du dich vorhin ausdrücktest, die großen Wasser an der rechten Stelle, das heißt also vor den rechten Leuten springen lassen, vor solchen, wo’s passt, wo’s hingehört, wo sich’s lohnt. Du gehst aber mit deinen Künsten nicht an die richtige Adresse, denn du kannst doch nicht ernsthaft denken, diesen Leopold Treibel heiraten zu wollen?’“ (S. 42, 30 ff.) Es wird deutlich, mit welchen Mitteln Marcell versucht Corinna von dieser Hochzeit abzuhalten. Für Corinna jedenfalls steht der materielle Wert an erster Stelle; sie will nicht begreifen, dass sie und Leopold gegensätzlich voneinander sind, und dass sie etwas Besseres verdient hat: „Du bist eine aparte Person, vielleicht ein bisschen zu sehr, und er ist kaum Durchschnitt.“ (S. 43, 2 ff.) Leopold versucht es, mit den Gegensätzen zwischen Besitz- und Bildungsbürgertum. Dies ist auch für ihn der entscheidende Grund, warum die Hochzeit zwischen Corinna und Leopold verhindert werden sollte. „[…] aber du würdest dich doch totlangweilen an seiner Seite. Du, deines Vaters Tochter, und noch klüger als der Alte, du wirst doch nicht dein eigentliches Lebensglück wegwerfen wollen, bloß um in einer Villa zu wohnen […]“ (S. 43, 8 ff.) Leopold hat Corinnas Gier nach dem Aufstieg im Besitzbürgertum längst begriffen. Doch Corinna widerspricht ihm permanent: „[…] wenn er also morgen antritt und um diese rechte Hand deiner Cousine Corinna anhält, so nimmt ihn Corinna und fühlt sich als Corinne au Capitole.’“ (S. 43, 21 ff.)

Sie bewundert ihr großes Vorbild Jenny Treibel und möchte gerne so sein wie sie: „Ich finde es ungemein reizend, wenn so die kleinen Brillanten im Ohre blitzen, etwa wie bei meiner Schwiegermama […]“ (S. 43, 43 ff.)

Dass es Corinnas pure Absicht ist, Leopold nicht der Liebe wegen zu heiraten, sondern wegen des Aufstiegs macht sie zu Ende des Kapitels deutlich: „ […] und Leopold Treibel erscheint mir dann mit einem Mal als der Rettungsanker meines Lebens […]“ (S. 44, 14 ff.)

Marcell und Corinna können sich nicht einigen, beiden halten an ihren Standpunkten fest. Am Ende des Kapitels gehen sie getrennte Wege.

Abschließend ist festzustellen, dass Corinna nicht beeinflussbar ist. Mit ihren 25 Jahren hast sie sich endlich Ziele gesetzt, die sich auch unbedingt durchsetzen möchte. Sie zeigt keinerlei Anzeichen der Entwicklung, sondern bleibt bei ihrer Meinung, sie müsse Leopold heiraten und dass Jenny Treibel ihr großes Vorbild ist. Sie hat sich die Bourgeoisie als Ziel gesetzt.

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Details

Titel
Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Charakterisierung der Corinna an Hand des 5. Kapitels
Autor
Jahr
2005
Seiten
7
Katalognummer
V109711
ISBN (eBook)
9783640078899
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgabenstellung: Was leistet das 5. Kapitel zur Charakterisierung der Corinna?
Schlagworte
Fontane, Theodor, Frau, Jenny, Treibel, Charakterisierung, Corinna, Hand, Kapitels
Arbeit zitieren
Ina Goebels (Autor:in), 2005, Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Charakterisierung der Corinna an Hand des 5. Kapitels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109711

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