Sebstkonzept - Eine geschlechtsspezifische Perspektive


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einführung in die Begriffe
- Was ist ein Selbstkonzept? Wie entsteht ein Selbstkonzept?
- Was ist Selbstwirksamkeit?

2.) PISA 2003 – Die Untersuchungen und Ergebnisse im Bereich Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit
- Das Selbstkonzept der Schüler und Schülerinnen in Mathematik
- Vertrauen der Schüler und Schülerinnen in die Fähigkeit zur Überwindung von Schwierigkeiten in Mathematik

3.) Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf das Selbstkonzept
- Die Ergebnisse
- Mögliche Ursachen
- Interpretation von Leistungsergebnissen
- Interessensentwicklung
- Selbsteinschätzung
- Umgang mit Noten
- Statusposition und Anerkennung
- Lernstrategien
- Lehrer
- Koedukation

4.) Jungen im Unterrichtsfach Pädagogik

5.) Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich als Lehrer?

6.) Literaturverzeichnis

1.) Einführung in die Begriffe

Was ist ein Selbstkonzept? Wie entsteht ein Selbstkonzept?

Der Begriff „Selbstkonzept“ wird mittlerweile sehr häufig gebraucht, ohne zu wissen was genau dahinter steckt. In PISA wird das Selbstkonzept als das Ausmaß an Vertrauen, dass Schüler und Schülerinnen in ihre eigenen Fähigkeiten haben, bezeichnet. (vgl. PISA 2003, S.150) Schüler und Schülerinnen können ein positives, also ein starkes Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten besitzen oder negatives Selbstkonzept haben und wenig Selbstvertrauen besitzen. Hier entscheidet die Höhe des Ausmaßes an Selbstvertrauen über die Ausprägung von positivem und negativem Selbstkonzept, wobei es viele unterschiedlich starke Ausprägungsstufen gibt.

Das schulische Selbstkonzept, auch Fähigkeits-Selbstkonzept genannt, ist individuell ausgeprägt. Das bedeutet, dass ein Schüler oder eine Schülerin ganz unterschiedliche Selbstkonzepte ausbildet, abhängig von den einzelnen Schulfächern. Diese unterschiedliche Ausprägung wird von bereits gemachten Erfahrungen in der Schule beeinflusst, verstärkt und entwickelt. Wobei die allerersten, schulischen Erfahrungen, also am meisten die Grundschule, Einfluss auf das Selbstkonzept nimmt. Aber trotzdem, ist auch die weiterführende Schule in der Lage, das Selbstkonzept zu beeinflussen.

Um den Sachverhalt an einem Beispiel zu verdeutlichen, stelle man sich Schüler XY vor, der über sich selbst denkt, in Mathematik gut zu sein und Mathematik schnell zu verstehen und auch schwierige Aufgaben lösen zu können. In Bezug auf das Fach Mathematik hat Schüler XY ein positives Selbstkonzept aufgebaut.

Allerdings traut sich der Schüler XY in Englisch nichts zu und sagt über sich selbst, ihm liege Englisch einfach nicht, er hätte Probleme beim Lernen. Außerdem denkt er über sich, dass er nicht in der Lage ist schwierige Aufgaben zu lösen. In Bezug auf das Fach Englisch hat dieser Schüler also ein negatives Selbstkonzept.

Im Fach Deutsch sieht der Schüler sich selbst als mittelmäßig und spricht sich aber trotzdem größere Begabung ab. In diesem Fall hat Schüler XY ein Selbstkonzept, dass zwischen den beiden ersteren liegt. Ein und derselbe Schüler bildet also unterschiedlich Selbstkonzepte aus, die immer nur einem Fach zugehörig sind.

Die bereits gemachten Erfahrungen spielen eine sehr große Rolle bei der Ausprägung der eigenen Einschätzung, dem Selbstvertrauen und damit auch dem Selbstkonzept.

Ich denke, dass die Lehrperson großen Einfluss auf das Selbstkonzept des Schülers ausübt. Noten und Feedback der Lehrperson führen dazu, dass die Selbsteinschätzung der Schüler sich immer mehr mit der des Lehrers decken. (vgl. Boenicke) Deshalb sollte das Selbstkonzept von Schülern bei Lehrpersonen mehr Beachtung und Verständnis finden.

Was ist Selbstwirksamkeit?

Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit, denn Selbstwirksamkeit kann als eine Facette des Selbstkonzeptes angesehen werden. Sie beschreibt die Stärke des Vertrauens in die Fähigkeit schwierige Aufgaben zu bewältigen. (vgl. PISA 2003, S.150,154)

Die Selbstwirksamkeit einer Person ist hoch, wenn sie bewältigungsorientiert handelt. Anhand des Beispiels bedeutet das, dass Schüler XY in der Englischarbeit trotz einer schwierigen Aufgabe nicht aufgibt, sondern sich noch mehr anstrengt. Er versucht sich nochmal zu konzentrieren um die Aufgabe zu lösen.

Selbstwirksamkeit ist niedrig, wenn eine Person hilflos reagiert. In diesem Falle würde Schüler XY sich während der Klassenarbeit unkonzentriert verhalten, aus dem Fenster schauen, versuchen sich selbst abzulenken und über ganz andere Sachen wie zum Beispiel das Fernsehprogramm am Nachmittag nachzudenken.

Die Selbstwirksamkeit wird ebenfalls durch schulische Erfahrungen beeinflusst, geprägt und gebildet. Weil Selbstwirksamkeit eine wichtige Facette des Selbstkonzeptes ist, sollte man immer beiden Begriffen Aufmerksamkeit schenken und sie gemeinsam betrachten.

Beide Begriffe haben gemeinsam, dass die eigene Einschätzung des Schülers oder der Schülerin, von sich selbst, die Voraussetzung für die Bildung eines Selbstkonzeptes ist. Mit jüngstem Alter beginnen Kinder sich eine Meinung, über die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten, auszubilden. Das Feedback und die Benotung der Lehrperson in der Schule, spielen eine zentrale Rolle bei der eigenen Einschätzung. Damit Schüler und Schülerinnen in der Lage sind einzuschätzen ob sie eine Aufgabe lösen können, müssen sie zusätzlich die Fähigkeit besitzen, auf der einen Seite die Schwierigkeit einer Aufgabe zu erkennen und realistisch zu beurteilen und auf der anderen Seite ihre eigenen Fähigkeiten kennen. Die gebildete Meinung über sich selbst beeinflusst daher nicht nur die Zielsetzung und die Strategien um das Ziel zu erreichen, sondern letztendlich auch die erbrachte Leistung. Anhand eines Beispiels würde das heißen, zu Beginn schätzt sich der Schüler XY in Mathe gut ein und glaubt, selbst schwierige Aufgabe lösen zu können. Er setzt sich zum Ziel die Mathearbeit gut zu bestehen. Weil Schüler XY der Meinung ist, er kann die Klassenarbeit zwei schreiben, investiert er zwei Nachmittage Lernen um dieses Ziel zu erreichen und dadurch steigert er seine Leistung. Der Schüler XY erreicht also mehr als wenn er sich selbst positiv einschätzt und an sich glaubt. Die Grundlage um zu Lernen ist also daran zu glauben, dass sich das Lernen lohnt und das man dadurch ein Ziel erreichen kann.

Selbsteinschätzungen haben als Folge, dass sie uns in allen weiteren Schritten bei der Bewältigung einer Aufgabe beeinflussen. Ein Beispiel dafür ist über ein Seil zu balancieren. Schätzt man sich selbst als gut genug ein es zu schaffen, dann steht einem Probieren nichts im Weg. Glaubt man jedoch in dieser Situation das man es nicht schaffen kann, weil man zu breite Füße hat, dann wird man es wohlmöglich nicht einmal ausprobieren. Zum einen ist damit die Wichtigkeit der Selbsteinschätzung um uns selbst (zum Lernen) zu motivieren hervorgehoben. Zum anderen wird deutlich wie wichtig eine realistische Selbsteinschätzung ist. Folglich beeinflusst unsere eigene Einschätzung unsere Motivation und unser Handeln. Laut PISA glauben weniger Mädchen als Jungen an eine Begabung in Mathematik (5) und daran in Mathematik etwas zu erreichen, was viele Mädchen dazu veranlasst nichts mehr in Mathematik zu investieren, also nicht mehr für Mathe zu lernen.

Während bei Schuleintritt die meisten Kinder ihre Fähigkeiten noch positiv einschätzen, nimmt diese Bewertung mit laufender Schulzeit immer mehr ab, bis sich die Selbsteinschätzung und Noten decken. (1) An dieser Stelle möchte ich noch mal betonen, wie stark die Benotung die Selbsteinschätzung der Schüler und Schülerinnen beeinflusst.

Das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit eines Schülers oder einer Schülerin nimmt nicht nur Einfluss auf die Ebene der Leistung, sondern auch auf die soziale Ebene und kann Gefühle von Hilflosigkeit, Stress, Angst oder positive Gefühle erzeugen. Die soziale Ebene, halte ich für einen ebenso wichtigen Punkt, der von dem Selbstkonzept beeinflusst wird. Die emotionale Ebene, wird in der Literatur aber nur sehr kurz abgehandelt und kaum Beachtung geschenkt, obwohl PISA 2003 Untersuchungen dazu durchgeführt hat. Die Rolle der Leistung ist zwar eine der zentralsten Aufgaben der Schule, aber dennoch sollte es jeder Lehrperson wichtig sein, den Schülern und Schülerinnen Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu geben.

2.) PISA 2003 – Die Untersuchungen und Ergebnisse im Bereich Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit

PISA 2003 untersucht die drei Dimensionen Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit und emotionale Faktoren. Ich werde mich auf die Darstellung von Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit beschränken. PISA 2003 hat zwar Untersuchungen zur Mathematik-Angst durchgeführt, hat aber diese leider nicht in Verbindung mit dem Selbstkonzept gebracht.

PISA 2003 hat das Selbstkonzept, die Selbstwirksamkeit und die damit zusammenhängende Leistungserbringung im Fach Mathematik untersucht. Zur Erfassung von Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit wurde mit Fragebögen gearbeitet, worauf die Schüler und Schülerinnen eine Selbsteinschätzung im Fach Mathematik anhand von vorgegebenen Antworten angeben sollten. In diesem Falle liegt eine quantitative Forschung vor. Die Untersuchungen über das Selbstkonzept von SchülerInnen im Verhältnis zu ihren Noten ist eine sog. Korrelationsstudie, die eine Beziehung zwischen zwei oder mehr Erscheinungen feststellt.(2)

Das Selbstkonzept der Schüler und Schülerinnen in Mathematik

Ergebnisse der 15jährigen Schüler und Schülerinnen aus Deutschland:

Im folgenden, ist der Prozentsatz der Schüler und Schülerinnen dargestellt, die den folgenden Aussagen eher oder ganz zustimmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Werte entnommen aus: PISA 2003, S151)

Die wichtigsten Ergebnisse:

58% der deutschen 15jährigen stimmen der Aussage eher nicht oder gar nicht zu, die schwierigsten Aufgaben im Mathematikunterricht zu verstehen. Allerdings schätzen sich die deutschen 15-jährigen, im Vergleich mit den anderen OECD Staaten, insgesamt eher positiv ein. Von größerem Selbstvertrauen, in die eigenen Mathematikkompetenzen, verfügen demnach auf Länderebene Dänemark, Deutschland, Mexiko, Kanada… Niedrigstes Selbstvertrauen in die eigenen mathematischen Fähigkeiten haben die 15jährigen aus Japan und Korea. (5)

Die 15-jährigen SchülerInnen schätzen im Allgemeinem ihre Mathematikkompetenzen niedriger ein als ihre Lesekompetenzen, welche in PISA 2000 genauer untersucht wurden.

Das Selbstkonzept steht in starkem Zusammenhang mit der erbrachten Leistung des einzelnen Schülers, deshalb schnitten Schüler und Schülerinnen mit positivem Selbstkonzept auch durchschnittlich besser bei PISA 2003 ab.

In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der Koreaner widersprüchlich, denn Im Durchschnitt besitzen die Koreaner wenig Selbstvertrauen und erzielen trotzdem sehr gute Leistungen. Leider wird in PISA 2003 dieser Widerspruch außer Acht gelassen und nicht geklärt. In diesem Fall liegt allerdings die Vermutung nahe, dass durch die rabiaten Erziehungsmethoden und die hohe Leistungsanforderung die guten Ergebnisse und ein geringes Selbstkonzept zu erklären sind.

Anhand der Ergebnisse der Koreaner zeigt sich, dass ein Selbstkonzept nicht bloßer Spiegel der Leistung ist, sondern einen entscheidenden Einflussfaktor auf den Lernprozess darstellt.

Einen erfolgreichen Lernprozess zu verfolgen und zu erreichen hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits ist es wichtig, wie man seine Fähigkeiten und sein Potenzial in einem speziellen Fach einschätzt. Andererseits ist es wichtig, wie viel Vertrauen man in sich selbst hat, unter Schwierigkeiten, ein (Lern-) Ziel zu erreichen.

Die Wahrscheinlichkeit eine gute Leistung zu erbringen, wird durch starkes Selbstvertrauen in sich selbst und der damit verbundenen Anstrebung von Lernzielen erhöht.

Wer sich selbst gut einschätzt und großes Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten besitzt zeigt aber nicht zwingend die bessere Leistung. Ein Beleg dafür sind die gravierenden Unterschiede der Selbsteinschätzungen innerhalb der Länder, Schulen und Klassen auch wenn ähnliche Resultate erzielt worden sind. Daraus folgt, dass Selbsteinschätzung nicht die bloße Leistung widerspiegelt, sondern diese ermutigt oder entmutigt einen Schüler in Lernstrategien zu investieren, die zu einer besseren Leistung führen.

Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten basieren auf subjektiven Standards, die von dem jeweiligen Kontext, der die SchülerInnen umgibt, abhängen. Einschätzungen sind deshalb sehr subjektiv und selten realistisch. Diese lassen sich aber durch Gespräche mit den SchülerInnen „objektiver“ machen, indem man als Lehrer klare Standards festlegt und hinterfragt, warum sich ein Schüler unbegabt fühlt oder keine Lernstrategien verfolgt.

Vertrauen der Schüler und Schülerinnen in die Fähigkeit zur Überwindung von Schwierigkeiten in Mathematik

Einen widersprüchlichen Sachverhalt findet man erfahrungsgemäß in vielen Klassenarbeiten wieder, dort bleibt die Verteilung der Noten entsprechend der Gaußschen Normalverteilung aus. D.h. es ergibt sich oft die Aufteilung von sehr guten und sehr schlechten SchülerInnen. Eine mögliche Ursache findet sich, wenn man sich mit der Selbstwirksamkeit der Schüler und Schülerinnen auseinandersetzt.

Erfolgreiche Schüler vertrauen nicht blind den eigenen Fähigkeiten, sondern sie investieren in diese und glauben daran, dass lernen nutzbringend ist und dabei hilft Schwierigkeiten zu meistern. Diese Kinder haben ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit und handeln in der Schule bewältigungsorientiert.

Erfolglose Schüler glauben nicht daran, dass sie in der Lage sind sich den Lernstoff anzueignen und Schwierigkeiten zu überwinden. Sie reagieren in der Schule hilflos und verfügen nicht über Metawissen und Lernstrategien sich Wissen anzueignen. Diese Kinder sind prädestiniert für ein Versagen in der Schullaufbahn und im späteren Leben. An dieser Stelle muss eine Lehrperson eingreifen und den SchülerInnen Metawissen über „Lernen lernen“ vermitteln.

Selbstwirksamkeit ist also eine bestimmte Form des Vertrauens, das notwendig ist um Lernaufgaben erfolgreich zu lösen. Es erhöht die Lernaktivität und verbessert die Schulleistungen .

Die Selbstwirksamkeit steht noch enger im Zusammenhang mit schulischer Leistung als das Selbstkonzept, lassen die Ergebnisse von PISA 2003 vermuten. Selbstwirksamkeit wird damit zum aussagekräftigsten Faktor, der die Schulleistung mitbestimmt.

Schüler in leistungsschwächeren Schulen haben laut PISA 2003 weniger Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, Schwierigkeiten zu lösen und haben nur geringe Selbstwirksamkeit.

Die Meinungen, die Schüler und Schülerinnen über ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln, stellen sich als äußerst wichtig, für den schulischen Erfolg, heraus. Selbstwirksamkeit sollte als ein Bildungsziel anerkannt werden, weil es die Motivation der Schüler und Schülerinnen erhöht.

3.) Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf das Selbstkonzept

Die Ergebnisse:

Gravierend sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Selbsteinschätzung von Mathematikkompetenzen. Etwa 36% der Jungen stimmen der Aussage eher oder ganz zu, dass sie in Mathematik einfach nicht gut sind. Bei den Mädchen sind es ca. 50%. Ein Drittel der Jungen und die Hälfte der Mädchen denken über sich selbst, in Mathematik einfach nicht gut zu sein. In anderen Ländern, wie Italien oder Japan, fällt die Geschlechtergegenüberstellung noch extremer aus. (5)

Daraus folgt, dass Jungen im Durchschnitt über ein positiveres Selbstkonzept in Mathematik verfügen als Mädchen. „Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede sind für die Zukunft der Schülerinnen und Schüler von Bedeutung, nicht nur für ihre Leistungen in der Schule.“ (PISA 2003, S.172)

An dem Anteil der weiblichen Hochschulabsolventinnen in Mathematik und Informatik sind die Folgen kaum zu übersehen. In Deutschland liegt dieser Anteil bei ca. 9-25%, im OECD Durchschnitt bei 30%.

Mögliche Ursachen:

- Interpretation von Leistungsergebnissen

Untersucht wurde welche Ursachen man Erfolg oder Misserfolg zuschreiben kann (= Kausalattribution, Ursachenzuschreibung). Im Durchschnitt führen Jungen ihren Erfolg auf ihre Begabung zurück, also auf die eigene Person. Misserfolg wird dagegen auf äußere Umstände zurückgeführt. An dieser Stelle werden Informationen selbstwertdienlich selektiert.

Bei den Mädchen dreht sich die Ursachenzuschreibung um. Sie führen Erfolg auf die äußeren Umstände zurück. Misserfolg schreiben sie der fehlenden Begabung zu. Mädchen selektieren die Information so, dass sie ihren Selbstwert erniedrigen.

Als Ursache für die geschlechtsspezifische Attribution, wird das geschlechtsspezifische Feedback in früher Kindheit gesehen. Dabei werden Jungen durchschnittlich bereits im frühen Kindesalter mit Feedback versorgt, dass die Information beinhaltet warum sie etwas gut gemacht haben. Junge X wird folgendermaßen gelobt: „ Dein Bild ist aber besonders schön, weil du die Farbe nicht miteinander verschmiert hast.“ (6)

Mädchen erhalten im Allgemeinen ein Feedback, dass weniger darüber aussagt warum sie etwas besonders gut gemacht haben. Das Mädchen Y bekommt dieses Lob: „Das ist ein wunderschönes Bild. Das hast du ganz toll gemacht.“ Das Mädchen Y ist also im Gegensatz zu dem Jungen X, nicht in der Lage zu wissen, warum sie etwas gut gemacht hat. Sie erhält in diesem Falle kein konstruktives Feedback. Durch das globale Feedback, baut das Mädchen Y nach bestimmter Zeit, globale Theorien über sich selbst auf. An diesem Punkt entsteht ein Selbstkonzept. Der Junge X dagegen, kann nachvollziehen, warum sein Bild besonders schön geworden ist und kann damit Einfluss nehmen.

Ursachenzuschreibungen entstehen durch Informationsselektion. Dieses Schema des geschlechtsspezifischen Selbstkonzeptes und der geschlechterspezifischen Ursachenzuschreibung sind vor allem in den Ländern Deutschland, Luxemburg, Niederlande… signifikant auffallend. (5) Diese geschlechtsspezifischen Attributionsmuster kann man nur abbauen indem man die Gesamtheit aller Informationen betrachtet und als Lehrperson konkretes Feedback erteilt. An dieser Stelle sollte sowohl als SchülerIn und auch als Lehrperson darauf geachtet werden, dass Informationen nicht selbstwertdienlich selektiert werden.

Demnach schreiben 50% der Mädchen, welche über sich selbst denken, „einfach nicht gut in Mathematik zu sein“, den Misserfolg fehlender Begabung zu. Diese Mädchen haben eine sehr geringe Selbstwirksamkeit, denn gegen fehlende Begabung können sie nichts tun, diese besitzen sie. Die fehlende Begabung ist in diesem Falle ein stabiler Faktor, der in das Selbstkonzept eingebunden ist. Kinder die eine fehlende Begabung in ihr Selbstbild aufgenommen haben, gehören zu denjenigen die hilflos reagieren und die Verantwortung von sich schieben. (vgl. Gelernte Hilflosigkeit, C. Dweck)(7) Das sind die Folgen, wenn ein Schüler oder eine Schülerin den Misserfolg der eigenen Person zuschreibt. Die internale, der eigenen Person zugehörige, Ursachenzuschreibung beeinträchtigt die Erwartung von Erfolg und steigert die Erwartung von Misserfolg. „Auch erinnern sie Misserfolge eher als Erfolg und ziehen negative Schlüsse über die eigene Person bei Versagen.“ (G. Steins, S.144) Durch die ungünstige Kombination einer internalen, stabilen Attribution von Misserfolg, kann Hilflosigkeit begünstigt entstehen. Einer Studie von Carol Dweck zufolge, gehen Kinder die gleichermaßen begabt sind, unterschiedlich mit Erfolg und Misserfolg um und zwar abhängig von der Ursachenzuschreibung. Fehlende Begabung ist eine Attribuierung die zeitstabil, nicht kontrollierbar und dazu internal ist. Diese wird zum Auslöser von Leistungsdemotivation und Hilflosigkeit.

Jungen neigen dazu Misserfolg external, den äußeren Umständen, zu attribuieren. Zum Beispiel ist in diesem Falle, die viel zu schwierige Klassenarbeit an einem schlechten Abschneiden Schuld. Im Gegenteil dazu wird Erfolg internal attribuiert und der eigenen Begabung zugeschrieben.

Jungen handeln im Allgemeinen Erfolgsorientiert, weil sie Erfolg internalen und Misserfolg externalen Ursachen zuschreiben. Mädchen handeln im Allgemeinen Misserfolgsorientiert, weil sie Erfolg externalen und Misserfolg internalen Ursachen zuschreiben. (nach Weiner 1975) „Fehler werden so als Möglichkeit zum Lernen, als Herausforderung aufgefasst, nicht als Ausdruck persönlichen Versagens“ (G. Steins, S.144)

- Interessenetwicklung

Das negative Selbstkonzept ist die Ursache für einen Verlust von Interesse an dem Fach und für das schlechtere Abschneiden von Mädchen in Mathematik. Der Erfahrungshintergrund spielt eine große Rolle bei der Entstehung eines negativen Selbstkonzeptes und der Interessensentwicklung. Dieser Prozess bestärkt das Verhalten der Mädchen, Mathematik aufzugeben.

Mädchen schreiben sich in der Regel geringere Kompetenzen in Mathematik zu als den Jungen.(5). Bei den sprachlichen Fächern ergibt sich ein umgekehrtes Bild, in Bezug auf die Interessenentwicklung der Jungen. (vgl. PISA 2000) Dieser Zuschreibungs-Prozess wird häufig von außen bestärkt. Geschlechterstereotype Interessenentwicklung wird durch Geschlechterstereotypisierungen der Lehrer, Eltern und der Peer-Group verstärkt. Folgende äußere Einflussfaktoren auf die Interessensentwicklung sind von großer Bedeutung: Eltern, Lehrer und die Peer-Group üben durch Erwartungen, Persönlichkeitsnormen, Rollenerwartungen und erwünschten Verhaltensnormen, Einfluss auf die Interessensentwicklung aus. Schulische Erfahrungen, wie die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lernangeboten, Lernanforderungen, Lernbedingungen, Mitschüler und elterlichen Erwartungen prägen das Selbstkonzept und das eigene Interesse an einem Fachgebiet.

Beispielsweise verlieren immer mehr Mädchen das Interesse an Mathematik, je länger sie in der Schule sind.(1) Eine Ursache dafür ist, dass Mädchen, Mathematik nicht dem eigenen Geschlecht zuschreiben und die Identifikation mit dem Fach für Mädchen schwerer ist, als für Jungen. Zudem helfen Interessensbekundungen für oder gegen bestimmte Unterrichtsfächer sich selbst von dem anderen Geschlecht abzugrenzen.

Ein weiterer Faktor der die Interessensentwicklung beeinflusst, ist der Selektionsdruck. Der Leistungsbegriff der deutschen Schule richtet sich auf erbrachte oder nicht erbrachte Leistung und dadurch entsteht Selektionsdruck. In dieser angstbesetzten Lernsituation in unseren Schulen entwickelt sich Lerninteresse und Noteninteresse auseinander. Schüler/Innen lernen für Noten und nicht aus eigenem Interesse an einem Fach. Folglich wird inhaltliches Interesse durch Interesse am Leistungserfolg ersetzt. (1) An dieser Stelle möchte ich widersprechen, denn ich denke, dass Interesse nicht durch reines Noteninteresse ersetzt wird, sondern das Interesse an einem Fach und an guten Noten gekoppelt auftreten. Bei Interesse an einem Fach bzw. Thema lernen Schüler/Innen von ganz alleine, weil sie bestimmte Artikel in Zeitschriften lesen oder bestimmte Fernsehbeiträge sehen, die die Leistung ganz automatisch steigern.

- Selbsteinschätzung

Auffällig sind die Ergebnisse zu der Selbsteinschätzung der Schüler und Schülerinnen. Mädchen schätzen sich im Durchschnitt etwas geringer ein, als die tatsächliche Schulnote ist. Jungen liegen mit ihrer Selbsteinschätzung durchschnittlich oberhalb der tatsächlichen Note. Jungen neigen dazu ihren Selbstwert zu erhöhen und Mädchen neigen dazu ihren Selbstwert zu erniedrigen. Durch die Steigerung des Selbstwertes steigert man automatisch den Stellenwert. Je besser sich ein Schüler in Mathematik fühlt, desto wichtiger wird ihm das Fach. Je schlechter sich eine Schülerin in Mathematik fühlt, umso unwichtiger wird für sie das Fach. Folglich beeinflusst die Selbsteinschätzung die Entwicklung von Interesse und Motivation im Fach Mathematik. Die Jungen sind im Allgemeinen begünstigt durch ihre „höhere“ Selbsteinschätzung und haben die besseren Voraussetzungen Mathematik zu lernen.

- Umgang mit Noten

Auffällig ist ebenfalls der unterschiedliche Umgang mit Noten. Mädchen lassen sich im Allgemeinen stärker von Noten beeinflussen als Jungen. Was zur Folge hat, dass Mädchen Schulnoten schneller in ihrem Selbstkonzept und Selbstbild verankern. Und Ihre Selbsteinschätzungen den Schulnoten angleichen. Widersprüchlich zu diesen Ergebnissen ist, dass Mädchen trotzdem insgesamt die besseren Leistungen in der Schule erzielen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Mädchen eher bereit sind als Jungen, den Anforderungen der Schule zu entsprechen, wie z.B. Hausaufgaben regelmäßig zu machen.

Trotz besserer Leistung fühlen sich Mädchen nicht zufriedener oder wohler. Das Wohlbefinden der Mädchen hängt von den positiven Sozialbeziehungen in der Klasse und zum Lehrer ab. Die Zufriedenheit hat aber keine größeren Auswirkungen auf das Selbstvertrauen in Leistungssituationen oder die Leistungen selbst.(1) Obwohl Mädchen durchschnittlich besser mit den Leistungsanforderungen der Schule zurecht kommen, sorgt die Schule nicht dafür, dass Mädchen ein positives Selbstbild entwickeln.

- Statusposition und Anerkennung

Statuspositionen sind wichtig für das eigene Selbstvertrauen, das Selbstkonzept und die Selbstdarstellung. Diese sind in der Familie sehr festgelegt und starr, denn entweder ist man Tochter, Sohn, Mutter oder Vater und hat dementsprechend Rechte und Pflichten. In der Schule wird die Statusposition jedoch beeinflussbar, z.B. durch Leistung. Erfolg wird zum Kriterium für Anerkennung und Beachtung und die Position innerhalb der Klasse wird vor allem über Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft festgelegt.

Die Situation der dauerhaften Leistungsmessung ist folgenreich für das Selbstbild der Schüler. Leistung als Bewertungsmaßstab bleibt kein äußerlicher Reiz, sondern wird in dem Selbstbild internalisiert.

Allerdings wird schulische Leistung durch die Leistungsnormen der Peer-Group ergänzt, welche oft ganz andere Kriterien besitzt. Zusätzlich kann die Peer-Group schwierige Unterrichtserfahrungen ausgleichen und kompensieren.

- Lernstrategien

In Bezug auf Interesse, Selbsteinschätzung und Gefühle gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Im Bereich der Anwendung von Lernstrategien ergibt sich ebenfalls ein geschlechtsspezifisches Bild. Jungen und Mädchen gehen unterschiedlich an das Lernen heran. Jungen zeigen im Durchschnitt einen höheren Einsatz von Memorierstrategien und Elaborationsstrategien. Mädchen hingegen zeigen im Durchschnitt einen stärkeren Einsatz von Kontrollstrategien. Das bedeutet, dass Mädchen ihren Lernprozess eher von sich aus beurteilen. Für Mädchen wäre es wichtig Elaborationsstrategien einzuüben. Jungen würde es hingegen zugute kommen, eine allgemeine Unterstützung bei der Planung und Organisation des Lernprozesses zu bekommen. (5)

- Lehrer

Für die Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzept ist das Verhalten der Lehrer und der heimliche Lehrplan wirkungsvoll und folgenreich. Lehrer unterstützen bestimmte Lernprozesse, welche Etikettierungen begünstigen. Diese Lernprozesse können bestimmte Erwartungen an die Schüler sein und wirken sich auf das Selbstkonzept der Schüler und Schülerinnen aus.

Eine Mathematikdistanz wird auch durch die Lehrpersonen gefördert, weil diese Mathematik immer noch für eine Männer-Domäne halten. Zudem ist die Geschlechterstereotypisierung der Fächer, bei den Lehrern und Lehrerinnen stärker ausgeprägt als bei den Schülern. Lehrpersonen schreiben den Schülern Begabung in geschlechterstereotyper Weise zu. (vgl. …) Etwa ein Drittel der befragten Lehrer und Lehrerinnen antworteten auf die Frage, welches Geschlecht sie in Mathematik für begabter hielten, mit Jungen. Zwei Drittel der Befragten hielten beide Geschlechter für gleichermaßen begabt. Aber niemand hielt Mädchen für das begabtere Geschlecht in Mathematik. Die Antworten der Lehrer und Lehrerinnen unterscheiden sich dabei nicht signifikant voneinander.

Dieses Ergebnis bestärkt, dass noch heute geschlechterstereotype Vorurteile seitens des Lehrpersonals bestehen, welche auch die Erwartungen an die Schüler und Schülerinnen beeinflussen.

Nicht einzig und alleine die Lehrer haben Einfluss, aber sie vermitteln Wertschätzungen und Geschlechterstereotypisierungen. Geschlechterstereotype Erwartungen werden wahrgenommen, internalisiert und geschlechterstereotypes Verhalten wird entwickelt und angenommen. Folglich nehmen Mädchen seltener positive Erwartungen der Lehrperson in ihre Mathematik-Kompetenz wahr und passen sich den Erwartungen an.

Ich erinnere mich an einen Mathematiklehrer, der zu Beginn des Schuljahres zu einer Schülerin sagte, die sich weigerte an die Tafel zu gehen: „ Typisch! Das wird sich nie ändern. Mädchen fangen immer gleich an zu heulen, wenn man sie an die Tafel holen will.“ Solche Situationen bewirken, dass unterschiedliche Lernvoraussetzungen entstehen. Den Schülerinnen war nach dieser Stunde klar, dass man sich ganz einfach davor drücken kann an die Tafel zu müssen, der Lehrer erwartet von einem Mädchen sowieso nichts anderes. Die Schülerinnen entziehen sich dem Unterricht und gehen einfach im Mathematikunterricht unter. Natürlich gibt es auch Mädchen die anders reagieren, aber diese Schülerinnen werden dann oft als Streberinnen abgestempelt. Durch solche Lernsituationen werden das Interesse, das Selbstvertrauen und die Leistung beeinflusst. Geschlechterstereotype Erwartungen werden im Sinne von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen wie in diesem Beispiel übertragen.

Untersuchungen zu der Verteilung von Aufmerksamkeit der Lehrperson auf Jungen und Mädchen haben ergeben, dass Jungen durchschnittlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als den Mädchen.(8) Jungen sind im Allgemeinen aktiver als Mädchen, dass heißt sie fallen im Unterricht auf, durch Beteiligung am Unterricht und Unterrichtsstörungen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Lehrperson auf die Jungen gezogen. Hier wird deutlich, dass Mädchen mehr als Jungen die Chance haben sich aus dem Unterricht zurückzuziehen. Erfahrungsgemäß sprechen viele Lehrpersonen Zurückhaltung und Schüchternheit den Mädchen zu. Im Gegensatz dazu werden Unterrichtsstörungen häufiger den Jungen zugeschrieben. Als Lehrperson sollte man darauf achten, welche eigenen Vorurteile und Alltagstheorien manifestiert sind und genau überprüfen ob sich diese auch bewahrheiten und gegebenenfalls diese Vorurteile abbauen.

Langfristige Folgen sind schlechtere Berufschancen und eingeschränkte Berufswahl der Mädchen in zukunftsorientierten Branchen.(4) Die Schule verstärkt die Perpetuierung der herrschenden Geschlechterhierarchie durch den heimlichen Lehrplan. Die Interessenentwicklung wird stark beeinflusst. Lernen aus Interesse, außerhalb der Schule, bleibt durch Lernen aus Leistungsvergütung unterbunden.

Allerdings ist hinzuzufügen, dass Jungen und Mädchen fachspezifische Geschlechterstereotypisierungen nicht übernehmen müssen, denn Sozialisation ist ein aktiver Prozess und die produktiven, eigenständigen Schüler und Schülerinnen können Geschlechterstereotypisierungen auch ablehnen.

- Koedukation

Die neueren empirischen Untersuchungen zeigen, dass Koedukation negative Auswirkungen auf Mädchen, besonders im Bereich Mathematik/Naturwissenschaften, hat.

Jungen bekommen mehr Aufmerksamkeit, in Form von Lob und Tadel, entgegengebracht als Mädchen. Das Verhalten der Jungen, wird von der Lehrperson weniger stereotyp bewertet, als das der Mädchen. Die Intelligenz der Jungen, wird von der Lehrperson, höher als die Intelligenz der Mädchen eingeschätzt. Die Interaktionen zwischen Schülern aber auch zwischen Schülern und Lehrern wird häufig von Aggressionen, ausgehend von den Jungen, beherrscht. Lehrinhalte und Unterrichtsmaterialien werden von den Interessen der Jungen dominiert. Auch Schulbücher tragen dazu bei geschlechterstereotype Rollenklischees widerzuspiegeln.(8)

Das sind Gründe, die bei den weiblichen Schülern zu einer Demotivation innerhalb der Schullaufbahn führen und das Selbstkonzept negativ beeinträchtigen. Die Benachteiligung von Mädchen im Unterricht, ist den Beteiligten nicht bewusst und dadurch wird eine Veränderung sehr schwer. Zudem haben bereits geringe Veränderungen der Aufmerksamkeitsverteilung dazu geführt, dass ein subjektives Gefühl einer Bevorzugung der Mädchen unter den Beteiligten entstand. Außerdem werden Mädchen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, durch einen jungen-orientierten Unterricht, benachteiligt. Die Benachteiligung der Mädchen ist zwar kaum sichtbar, weil sie durchschnittlich die besseren Schulnoten bekommen. Sie wird aber sichtbar, zum Zeitpunkt der Leistungskurs-Wahlen oder Studiumsfächerwahl oder bei der Schultypwahl nach der Pflichtschule. Es zeichnet sich eine enorme Distanz von Mädchen zu mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern ab, die besonders in Deutschland ausgeprägt ist. (4)

Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Besuch einer Mädchen-Schule und der späteren Wahl eines technisch-naturwissenschaftlichen Faches. (vgl. BMUK Studie) Offenbar sind diese reinen Mädchen-Schulen in der Lage, mehr als nur das traditionelle Frauenbild zu vermitteln. Ganz im Gegensatz zu den Regelschulen, die den Ergebnissen zu Folge Geschlechterstereotype weitergeben.

4.) Jungen im Unterrichtsfach Pädagogik

Das Unterrichtsfach Pädagogik ist genauso wie Mathematik und Informatik, ein Fach das sehr geschlechterspezifisch von den Schülern und Schülerinnen ausgewählt wird. Allerdings gibt es in Bezug auf dieses Fach und die Benachteiligung von Jungen keinerlei Literatur, so dass ich selbst tätig geworden bin. Die folgenden Eindrücke, habe ich während meines Praktikums am Gymnasium September 2004 gesammelt. Sie sind daher nur Anhaltspunkte und sind nicht repräsentativ. In dem Schulpraktikum und in meiner eigenen Schulzeit habe ich die Erfahrung gemacht, das rund 33% eines Grundkurses der Klasse 11 männliche Schüler sind und das diese Anzahl bei der Wahl des Leistungskurses etwa auf 10% -20% gesunken ist. Ich habe bereits erwähnt, dass die Ergebnisse von PISA 2000 in der Lesekompetenz ein umgekehrtes Bild im Bereich Selbstkonzept, Motivation und Selbstwirksamkeit bei den Jungen aufgezeigt haben. Gerade in den Fächern Deutsch und Pädagogik sollte angestrebt werden diese Geschlechterstereotypen ebenfalls abzubauen.

In den Fächern Deutsch und Pädagogik sind Jungen in der Regel unterrepräsentiert und schneiden auch meist schlechter, bei der Benotung und den Klausuren, ab. Gesellschaftlich betrachtet ist das nicht so schlimm, da Deutsch und Pädagogik in der Hierarchie der Unterrichtsfächer weit unter den Naturwissenschaftlichen Fächern stehen. D.h. in der Gesellschaft ist es angesehener gut in Mathe und Physik zu sein als in Pädagogik und Deutsch. Ein Beweis dafür, ist die Umgangssprachliche Bezeichnung des „Hausfrauen Abiturs“, welches die Leistungskurse Deutsch und Pädagogik beinhaltet.

Das, worin Jungen schlechter abschneiden wird abgewertet und als „Mädchen-Sache“ etikettiert.(6) Dieses Prinzip der Unwichtigkeit von Pädagogik als Unterrichtsfach im Vergleich zu Physik wird durch die Gesellschaft vertreten. Dieser Zustand macht das Fach Pädagogik für viele Jungen unzugänglich. Ich glaube, alleine die Situation, sich als Junge für den Leistungskurs Pädagogik zu entscheiden und dieses seinen Eltern mitzuteilen, fällt vielen jungen Männern schwer. Alle drei Jungen in meinem Leistungskurs lebten bei der allein erziehenden Mutter und hatten keine Probleme mit ihrer Fächerwahl. Im Gegensatz dazu, hatte ich in meinem Praktikum gleich zwei Schüler die mir berichteten, dass ihre Väter sie ausgelacht hätten und gefragt haben, „ob sie nicht ganz richtig wären“. Zwei weitere Schüler berichteten mir, dass ihre Eltern verdutzt waren, aber ihre Wahl akzeptiert hätten. An diesen Aussagen wird deutlich, dass Pädagogik immer noch als Frauen Domäne angesehen wird und das Jungen, die sich in diesem Bereich interessieren, mit Widerstand umgehen müssen.

Ich habe mich während meines Praktikums, mit den verschiedenen Schulbüchern im Fach Pädagogik beschäftigt und habe festgestellt, dass sich in diesem Bereich schon etwas getan hat. Die Abbildungen in den Schulbüchern waren größtenteils so ausgewählt, dass sich beide Geschlechter damit identifizieren konnte. Bei der Beurteilung der Inhalte, ist es schwer eine Aussage zu machen, da sich die Inhalte größtenteils, mit der Erziehung von Kindern und mit Fallbeispielen beschäftigt. Weil die Kindeserziehung immer noch ganz traditionell zu den Aufgaben der Frau gezählt wird, könnte man an dieser Stelle sagen, dass die Schulbuchinhalte nicht mit der Lebensvorstellung der Jungen einhergehen. Andersherum gesehen könnte man meinen, dass heutzutage Kindeserziehung als Aufgabe beider Geschlechter betrachtet wird. In den Schulbüchern wird gleichermaßen die Rolle der Mutter und die Rolle des Vaters abgehandelt und angesprochen und deshalb wird auch die Lebensplanung der Jungen berücksichtigt. Allerdings sollte darauf geachtet werden, Unterrichtsthemen immer wieder zu aktualisieren, anzupassen und zu überdenken, unabhängig vom Unterrichtsfach. An dieser Stelle ist es wichtig, auf die Vorstellungen der Jungen einzugehen und ihnen die Chance zu geben, sich in das Fach einzubringen.

Es ist sehr schwierig in diesem Bereich Aussagen zu machen, weil kaum Untersuchungen oder Forschung betrieben worden sind. Aus diesem Grund habe ich selbst während meines Praktikums eine nicht repräsentative Umfrage gemacht und einige Interviews geführt.

Ich habe mit den Schülern zweier Pädagogik Kurse darüber gesprochen, wie sie sich selbst einschätzen, wie leicht oder schwer es ihnen fällt Pädagogik zu lernen und warum sie glauben gut oder schlecht in Pädagogik zu sein. Alle Jungen stimmten darüber ein, dass ihnen das Fach schriftlich „nicht so besonders liegt“, dass sie aber mündlich „gut zurecht kommen“. Warum ihnen das Klausuren schreiben in diesem Fach schwer fällt, war den fünf Schülern klar: „Ich kann nicht so gut Aufsätze schreiben. Ich muss oft Sätze durchstreichen, während der Klausur und das sieht dann so unordentlich aus. Außerdem kann man für Pädagogik nicht so gut lernen, so etwas weiß man einfach.“ Es wird deutlich, dass diese fünf Jungen dazu neigen, Misserfolg sich selbst zuzuschreiben und das sie nicht wissen welche Lernstrategien sie anwenden sollen. Während des Gespräches, ist mir aufgefallen, dass diese Jungen eigentlich schon aufgegeben haben und sie überhaupt keine Motivation besitzen, etwas an der Situation zu verändern, weil sie den Glauben an sich selbst und an ihre eigenen Fähigkeiten verloren haben. In einer Klausur reagieren diese Jungen wahrscheinlich hilflos und können ihre Leistung nicht steigern.

Während des Unterrichts habe ich ganz andere Jungen gesehen, sie haben sich rege am Unterricht beteiligt und haben sich bei jeder Diskussion engagiert. Schule trägt dazu bei, dass die Ressourcen dieser Jungen, einfach nicht genutzt werden. Mir haben die Gespräche mit den Jungen und meine persönlichen Beobachtungen während meines Praktikums gezeigt, dass Jungen im Fach Pädagogik benachteiligt sind und diesem Problem kaum Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Ich habe im Laufe meines Praktikums eine kleine, anonyme Umfrage im Lehrerzimmer gemacht. Ich wollte von den Lehrern wissen, welches Geschlecht sie für begabter in Pädagogik halten. 46 Lehrer und Lehrerinnen haben sich beteiligt, davon halten 9 Lehrer Mädchen für begabter, 37 halten die Begabung nicht für geschlechtsabhängig und niemand hält Jungen für das begabtere Geschlecht. Die am meisten genannte Begründung war, dass „Mädchen von Kindheit an darauf getrimmt werden Kinder zu gebären und sie zu erziehen und sie daher mehr Interesse an Pädagogik und eine bessere Lernvoraussetzung hätten“. Bei diesen Angaben spielt das Geschlecht und die Unterrichtsfächer der Lehrperson keine Rolle. Signifikant ist allerdings, dass diejenigen Lehrer, die Mädchen für das begabtere Geschlecht halten ein durchschnittlich höheres Alter haben (durchschnittlich 52,5), als diejenigen die Begabung für Geschlechtsunabhängig befinden (durchschnittlich 41,25). An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, seine eigenen Vorurteile und Geschlechterstereotype regelmäßig zu überprüfen.

5.) Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich als Lehrer?

Ziel ist es, als Lehrperson, Geschlechterhierarchien gezielt abzubauen, die Potenziale der Schüler und Schülerinnen unabhängig von Geschlecht zu fördern und bei dem Aufbau eines erweiterten Selbstbildes zu helfen. Geschlechterspezifische Interessensentwicklung geht einher mit unterschiedlichen Wissensvoraussetzungen. An diesem Punkt sollte die Schule eingreifen, auf diese Unterschiede eingehen und einen Rahmen für die freie Entfaltung der Interessen, unabhängig vom Geschlecht, schaffen. Bildungsinhalte, Aufgabenstellungen und vor allem Lehrplanvorgaben sollen nicht länger an männlichen Erfahrungen und Lebensvorstellungen orientiert sein. Zudem sollte sich jeder Lehrer mit Rollenerwartungen und Vorurteilen auseinandersetzen. Die Unterrichtsform sollte so angepasst sein, dass kein Geschlecht benachteiligt ist und die Verteilung der Aufmerksamkeit auf die Geschlechter sollte beachtet werden. Mädchen und Jungen müssen die gleichen Chancen in der Schule bekommen. Sowohl mathematisch-naturwissenschaftlich als auch sprachlich sollten die Schüler gefördert werden und nicht in ihren Entwicklungsmöglichkeiten von Anfang an eingeschränkt sein. Besonders die Kompetenzen in schwachen Fächern, müssen gefördert werden, indem man die Erfahrungshintergründe, die unterschiedlichen Voraussetzungen, das Interesse und das Selbstkonzept mit einbezieht. Eine gezielte Förderung ist nur möglich wenn man als Lehrperson eine differenzierte Betrachtungsweise bewahrt und nicht nur nach Fächern, sondern nach individuellen Stärken und Schwächen der Schüler fördert.

Lehrer sollten in das Selbstvertrauen der Schüler und Schülerinnen investieren und danach Motivation und Engagement im Unterricht und in Schulbelangen ernten. Auch die Eltern müssen von dem Lehrpersonal darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Auswirkungen Selbstvertrauen auf die Leistung hat. In der Schule sollte viel mehr Zeit für Gespräche zwischen Lehrer und Schüler geschaffen werden. Mehr Freiheiten für die Schulen müssen zugestanden werden, um diese Vorschläge umsetzen zu können. Meine Verbesserungsvorschläge zeigen, dass die Aufgabe eines Lehrers mehr ist als bloße Wissensvermittlung. Die sozialen Kompetenzen die das Lehrpersonal braucht, besitzen die wenigsten Lehrer und Lehrerinnen die ich bis jetzt kennen gelernt habe. Damit wird die Umsetzbarkeit der Vorschläge, für die meisten Lehrer und Lehrerinnen, zu einer fast unmöglichen Aufgabe. Lehrer und Lehrerinnen müssen regelmäßig pädagogisch und psychologisch geschult werden um diesen Anforderungen gerecht werden zu können.

Mein persönliches Fazit ist, dass ich später als Lehrer sehr behutsam im Umgang mit den Schülern und Schülerinnen sein muss. Als Lehrerin werde ich darauf achten mich selbst regelmäßig zu überprüfen, mir mein eigenes geschlechterstereotypes handeln bewusst zu machen und vor allem die Selbstwirksamkeit eines Schülers oder einer Schülerin zu fördern.

6.) Literaturverzeichnis

(1) Boenicke, Rose: Vorlesungsmanuskript: Einführung in die Schulpädagogik. Daraus: Bedeutung der Schule für Sozialisation und Selbstkonzept.
(2) Dickhäuser, Oliver; Schöne, Claudia; Spinath, Birgit; Stiensmeier-Pelster, Joachim: „Das Fähigkeitsselbstkonzept und seine Erfassung“. In: Diagnostik von Motivation und Selbstkonzept. Göttingen, 2003, S. 3-13
(3) Jopt, Uwe-Jörg: Selbstkonzept und Ursachenerklärung in der Schule. Bochum, 1978, S.30-48
(4) Nyssen, Elke: Vorlesungsmanuskript: Sozialisation in der Schule. S.74-99
(5) OECD 2004 Lernen für die Welt von morgen – erste Ergebnisse von PISA 2003. S.149-157
(6) Steins, Gisela: Identitäsentwicklung. Lengerich, 2003, S.12-53, 141-147
(7) Steins, Gisela: Seminarmanuskript: Grundlagen der Sozialpsychologie und ihre Anwendung auf den schulischen Alltag. Daraus: Kapitel: Sozialer Vergleich, Attributionstheorie; Sozial-kognitive Lerntheorien
(8) Stürzer, M., Roisch, H., Hunze, A. & Corneließen, W.: Geschlechterverhältnisse in der Schule. Leske+Budrich. Opladen, 2003

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Sebstkonzept - Eine geschlechtsspezifische Perspektive
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V109703
ISBN (eBook)
9783640078813
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sebstkonzept, Eine, Perspektive
Arbeit zitieren
Nina Hollensteiner (Autor:in), 2005, Sebstkonzept - Eine geschlechtsspezifische Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109703

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