Das Interview als Forschungsmethode in der Ethnologie


Hausarbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Auswertung
I. Methodik
1. Probing (Verbal Methodik)
a. neutral
b. lenkend
2. Körpersprache (Nonverbale Methodik)
3. Leitfaden
a. Gedanken beim Erstellen
b. Anwendbarkeit des Leitfadens in der Interviewsituation
4. Anmerkungen zur Methodik
II. Inhalt
Inhaltliche Auswertung der Interviews

C. Schlussgedanken

D. Literaturliste

Einleitung

Im Rahmen eines Seminars des Instituts für Völkerkunde mit dem Titel „Die Kunst des Verstehens“ im Wintersemester 2000/2001 wurden von den Seminarteilnehmern mehrere Interviews zu verschiedenen Themen durchgeführt, aufgezeichnet und transkribiert. Die Entwicklung im Seminar ging von offenen Interviews, über das Erstellen eines eigenen Leitfadens bis hin zu einem Leitfadeninterview in einem Studio mit anschließender Analyse durch die Seminarteilnehmerinnen.

Die Seminarteilnehmerinnen sollten durch die Durchführung eigener Interviews lernen, welche Methoden bei einem Interview angewandt werden müssen, welche Schwierigkeiten eine Interviewsituation birgt und wie man die auftretenden Schwierigkeiten erfolgreich meistert.

Auf diese Schwierigkeiten und die Probleme auf welche die Seminarteilnehmerinnen bei der Durchführung ihrer Interviews gestoßen sind werde ich im Methodik Teil dieser Arbeit noch näher eingehen.

Das Thema meiner Interviews war „Freundschaft und Umzug – welche Entwicklungen finden in einer Freundschaft nach einem Umzug in eine anderer Stadt statt?“. Für die Leitfadeninterviews wurde dieses Thema beibehalten, allerdings formierte sich eine Gruppe aus sechs Personen, die gemeinsam den Leitfaden zu diesem Thema entwickelte. Daher ergibt es sich, dass Beispielmaterial aus mehreren, von verschiedenen Personen geführten Interviews vorliegt, auf das ich in dieser Arbeit zurückgreifen kann, im Methodik-Teil sogar auf die Transkripte aller Seminarteilnehmerinnen. Jedes Interview dauerte zwischen 30 Minuten und zwei Stunden, wobei immer mehreren Leitfadeninterviews zu einem Thema der gleiche Fragenkatalog als Vorlage diente. Wie verschieden die einzelnen Ergebnisse und angewandeten Methoden dann aber waren werde ich anhand dieser Arbeit noch zeigen.

Bei Personenbezeichnungen beschränke ich mich auf die weiblichen Formen um Begriffswirrwahr und unverständliche Wortkonstruktionen à la „Der/die Interviewer/ Interviewerin“ zu vermeiden.

Methodik

Probing

H.R. Bernard definiert Probing so: „that is to stimulate an informant to produce more information, without injecting yourself so much into the interaction that you only get a reflection of yourself in the data”[1]. Eigentlich sind fast alle Reaktionen, welche die Interviewerin auf die Aussagen ihrer Informantin zeigt, Formen des Probings. Daher meinten auch fast alle Seminarteilnehmerinnen nach den ersten Interviews, das Probing sei während des Interviews ganz von alleine gekommen. („ Die verschiedenen Probing-Ansätze habe ich im Gespräch mehr oder weniger automatisch angewendet [...]“[2] ). Innerhalb des Probings kann man allerdings zwischen neutralem und lenkendem Probing unterscheiden.

Für alle Probing-Arten gilt aber der Grundsatz, dass sie nicht universal anwendbar sind. Je nach Gesprächspartnerin und Gesprächssituation bzw. Thema ist ein anderes Vorgehen angebracht. Leider kann es hierfür keine Formelsammlung geben, sondern die Interviewerin muss aus ihren Erfahrungen lernen, bei jedem Interview flexibel bleiben und auf die Bedürfnisse der Interviewpartnerin eingehen.

Neutrales Probing

Eine Version des neutralen Probings ist das sogenannte „Silent-Probing“[3]. Angewandt bedeutet dies, nicht sofort etwas auf eine Aussage der Informantin zu erwidern, sondern erst einmal abzuwarten, eine Pause entstehen lassen, in der sich die Informantin das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen lassen und eventuell noch wichtige Ergänzungen zu den kurz vorher genannten Ereignissen machen kann. „The Silent-Probe“ gibt auch der Interviewerin die Chance, über das Gesagte nachzudenken, es mit dem bereits Gehörten zu verknüpfen und neue Fragen, die das Gespräch noch weiter vertiefen sollen, vorzuformulieren.

(„Besonders erfolgreich war ich meines Erachtens mit der Silent-Probe, die I. immer die Chance gab – trotz Stille – ruhig weiter nachzudenken und nach einigen Momenten noch etwas zum Thema zu sagen.“)[4]

Um die entstandene Pause nicht peinlich wirken zu lassen, hat die Interviewerin mehrere Möglichkeiten: Schreibt sie mit, so kann sie sich zum Beispiel Aufzeichnungen machen, sich beschäftigt geben um so der Sprachlosigkeit eine Legitimation zu verleihen. Allerdings muss dabei beachtet werden, den Blickkontakt zur Informantin nicht völlig zu verlieren, sonst könnte sie sich verunsichert fühlen oder nur versuchen das Geschriebene mitzulesen ohne sich noch mal Gedanken darüber zu machen. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Informantin einfach offen und aufmunternd anzublicken, ihr den Eindruck zu vermitteln, dass man sich für ihre Geschichte interessiert und bereit ist auch noch weiter zuzuhören. Dadurch kann sich die Informantin ermutigt fühlen, noch weiter zu erzählen um vielleicht auf Dinge zu stoßen, derer sie sich selbst nicht wirklich bewusst war.

Beispiel 1: „ Was meinst du woher das [viel machen mit Mitbewohnerin] kommt? Ja, da ist es wahrscheinlich die unmittelbare Nähe. Klar, wenn ich mich mit ihr nicht verstehen würde, würd ich das natürlich nicht machen, aber, es muss schon zusammen fallen, aber, ehhm... 7 Sekunden Pause gelassen... ja, das ist so wie, wie wenn man weggezogen ist und durch die Distanz [...][5]

Beispiel 2: „Ja, natürlich. Natürlich ähm sind sie Leute, mit denen man da engeren Kontakt hat auch Leute, die man halt so öfter trifft. [...] Obwohl ich mit anderen Leuten da sicher sehr viel öfter arbeite. –PAUSE- Also, es ist halt auch,... ich hab nie wirklich so ein Gefühl, [...].[6]

Durch die Pause hat die Informantin hier einen ganz neuen wichtigen, zum Thema gehörigen Punkt angesprochen an den die Interviewerin dann später anknüpfen konnte. Es war also sinnvoll hier eine Pause zu lassen, anstatt den Satz der Informantin zu beenden oder eine neue Frage zu stellen. Allerdings funktioniert das „Silent –Probing“ nicht immer: („ Also kann man in deiner Schublade von links auch wieder auch rechts wandern? Klar, natürlich! Hmm... [Pause... ich warte noch ab, aber es kommt nichts mehr nach] “)[7]

Eine weitere Variante des neutralen Probings ist „the Echo Probe“[8] Wie der Name eigentlich schon impliziert, wiederholt die Interviewerin wort-wörtlich die letzten Worte oder den letzten Satz der Interviewten.

Beispiel 1: „ Wie war das denn vorher, vor Köln? Wo hast du da Leute kennen gelernt? – Auf der Arbeit. - Auf der Arbeit? Ja, Arbeit oder einfach, wenn ich [...]“[9]

Beispiel 2: „ Würdest du es denn gerne machen? -...nee, nee also, das wär mir zu anstrengend. – Ach so, also dir selber wär’s auch zu anstrengend... ? - Ja, das wär mir auch selber zu anstrengend über 15 Stunden [...]im Auto zu verbringen[...][10].

Das Echo-Probing zeigt der Gesprächspartnerin, dass man ihr zuhört und wirklich jedes Wort mitbekommt, fordert sie aber auch gleichzeitig auf, das gesagte noch näher zu explorieren. Hierbei spielen natürlich auch die Tonlage und die Intonation, in der die Interviewerin das Echo spricht, eine große Rolle. Ein Echo kann fragend, auffordernd, provozierend, etc. intoniert werden, jeweils abhängig, wie bei allen Probings, von Interviewpartnerin, Gesprächssituation und Interviewthema.

Das wohl beliebteste und am häufigsten, meist unbewusst, verwendete Probing ist die sogenannte „Uh-Uh Probe“[11]. Diese bezeichnet einfach pausenfüllende Laute, wie sie auch in normaler Gesprächssituation vorkommen und die je nach Geschmack mit „Mhhmm“, „Hmm“ „Ehhm“, „Mhh“ transkribiert werden. Da dieses Probing eigentlich ohne weitere Überlegung und sozusagen reflexartig eingesetzt wird, kann es auch manchmal sehr störend wirken. So ist den Seminarteilnehmerinnen bei der Visionierung eines Interviews aufgefallen, dass „Hmm’s“ etc. teilweise unangenehm waren, da man den Eindruck hatte die Interviewerin fiele der Interviewten ins Wort. Auch verhinderten die „Uh-Uh“-Probings manchmal, dass es zu Pausen - die ja wie oben erläutert auch sehr fruchtbar sein können - im Gespräch kam. Andererseits gibt es auch Gesprächssituationen, in denen Stille unangenehm sein kann. Die „Uh-Uh-Probe“ hilft dieses Schweigen zu überbrücken und signalisiert zudem noch der Interviewten, dass ihr zugehört wird, wenn dies - aufgrund Mitschreibens zum Beispiel - nicht durch Blickkontakt deutlich gemacht werden kann und hilft dabei, dass Gespräch flüssig fortzusetzen („Mit kurzen Zwischenbemerkungen wie ‚mhh’ oder ‚ja’ konnte der Gesprächsfluss ohne weiteres am Laufen gehalten werden [...]“[12] ). In allen Interviews kommt das „Uh-Uh-Probing“ häufig vor, obwohl es sich einige vor ihrem ersten Interview vorgenommen hatten es eher sparsam einzusetzen. Es ist aber auch einfach so natürlich, dass es sich nicht vermeiden lässt, gerade wenn die Interviewpartnerin viel redet und man noch Aufmerksamkeit bezeugen will.

Hmm – Aber da gibt es wieder Leute, mit denen ich [...]also da geb ich mir dann auch Mühe –Hmm (komme gar nicht dazu mal was zu sagen, er redet die ganze Zeit) – Also so würde ich dann sagen[...] ziemlich schwer die dann da so spontan dazu zu überreden da mal vorbei zu kommen -Aber trotzdem sagst du zu beidem auch Freunde? Benutzt du auch das Wort ‚Bekannte’ oder würdest du schon sagen, dass das alles Freunde sind? - Hmm, nö, nö, das stimmt, das ist ein Unterschied [...] es gibt ja auch so Freunde da ist man eher so, so cool befreundet. – Hmm? –Also, da unterhält man sich dann so über [...][13]

Eine weiter Möglichkeit des neutralen Probings wäre auch noch das Spiegeln[14] oder Zusammenfassen der Aussagen der Interviewten. Man kann diese Variante des Probings zwar auf die neutrale Ebene stellen, jedoch birgt dieses Probing die Gefahr zu viel zu interpretieren und durch Paraphrasierungen besserwisserisch zu wirken. Oft glaubt die Interviewerin zu schnell, zu wissen was die Interviewt sagen möchte, vor allem wenn beide die gleiche Einstellung haben und zu dem bestimmten Thema „auf einer Wellenlänge“ liegen. Dies kann dazu führen, dass der Interviewten Worte in den Mund gelegt werden und sie sich nicht traut zu widersprechen um die Angelegenheit richtig zu stellen. Dies ist aber - wie schon so oft erwähnt- immer von der Gesprächssituation und der Interviewpartnerin abhängig und die Interviewerin muss im Einzelfall entscheiden, ob Spiegelungen angebracht sind oder nicht. Es ist aber manchmal auch sehr hilfreich, gerade lange Aussagen der Interviewpartnerin sinngemäß zusammen zu fassen um zu überprüfen ob man sich richtig verstanden hat und um der Interviewten das eben Gesagte noch mal vor Augen zu führen und sie zum Nachdenken anzuregen. Insgesamt sollte die Interviewerin immer kritisch sein, sich nicht sofort mit allem zufrieden geben im Glauben alles verstanden zu haben oder der gleichen Meinung zu sein. Eine ‚anerzogene’ Naivität ist der Interviewerin dabei sehr hilfreich. Auch ist es wichtig, immer misstrauisch zu bleiben, nichts einfach so hinzunehmen sondern sich alles haarklein erklären zu lassen um alle Details zu erfahren und dadurch auf neue, interessante Ansatzpunkte für die Weiterführung des Interviews zu stoßen.

Beispiel 1:“[...] Ich meine der Kontakt wird schnell oberflächlich auch, ich meine wenn ich zurückkomme nach Holland wollen sie mich alle sehen, aber wenn man dann nicht da ist, gibt es auch kaum Kontakt, manchmal eine e-mail, und in einem Jahr hat ein Freund mich zweimal angerufen, also das – das verschwindet relativ schnell“[15]

Beispiel 2: „ Hmm. Und ähm, wie oft triffst du dich dann so mit deinen Freunden hier in Köln? – Hmm, gute Frage [...] so all zwei Monate muss schon mal sein dass wir uns treffen. – Da muss also ein Rhythmus drin sein... – Ja {sehr zustimmend} das ist so [...][16]

Wichtig ist es aber immer auch diese Resumées offen zu formulieren und auf die Tonlage zu achten, um der Interviewten allen Freiraum zu geben sich zu dem Gesagten noch mal zu äußern, eventuell zu revidieren oder zu verbessern.

Lenkendes Probing

In manchen Situationen kann es aber auch erforderlich sein, die Interviewpartnerin mehr aus der Reserve zu locken oder sie weit ausholen zu lassen, um interessante Begebenheiten erzählt zu bekommen, die sich dann vertiefen lassen oder dem Interview eine neue Richtung geben. Auch zu diesem Zweck gibt es bestimmte Probings, die aber in jedem falle mit Vorsicht zu genießen sind . Mit solchen lenkenden Probings begibt man sich auf eine Gratwanderung, denn zwischen objektivem Spiegeln und suggestiven Fragen, zwischen direkten, auf den Punkt hinzielenden Fragen und engen Fragen, die zu kurzen beziehungsweise verkürzten, rationalisierten Antworten führen können oder die Antwort schon gleich vorgeben liegt nur ein kleiner Schritt.

Ein typisches Beispiel hierfür ist das „Probing by leading“[17] (àDenkst du nicht auch, dass...). Hierbei werden schon recht geschlossene Fragen gestellt, auf die die Informantin in schlimmsten Falle einfach nur mit „Ja“ oder „Nein“ antwortet und man sich nicht sicher sein kann, ob dies wirklich die Meinung der Informantin ist.

Beispiel 1: „ Das ist wahrscheinlich dann auch etwas sehr situationsabhängiges, oder? Also gerade das Beispiel Arbeit ist ja so ’ne Sache...“ – Ja. [dann wurde gleich die nächste Frage gestellt][18]

Beispiel 2: „[...]Merkwürdig, oder...? –Ja,... merkwürdig sind doch eigentlich nur die Dinge, die sich merkwürdig anfühlen, oder? - Merkwürdig sind Sachen die neu sind, oder? –Merkwürdig sind Sachen, die Dir fremd sind,...unerwartet.“[19]

„Probing by leading“ kann aber auch sehr fruchtbar sein, vorausgesetzt man hat eine Interviewpartnerin, die auf ihrer Meinung besteht und die Sache richtig stellt.

Beispiel 1: „ Hält man sich die alten Freunde also schon noch irgendwie offen, ja?“ – Nein, ich halte mir das nicht offen, aber wenn ich in Soltau bin und die Leute treffe nehme ich mir auch Zeit [...][20]

Beispiel 2: „ Warum steht er dir dann noch nah, meinst du - nur in Anführungsstrichen- wegen der Zeit, die ihr schon miteinander verbracht habt? – Wie? Das hört sich ..ja, es hört sich sehr passiv an. Weil es noch ganz viele Bereiche gibt, die funktionieren, weil [...]“[21]

Wie bereits erwähnt gilt auch hier das Prinzip der Situationsbezogenheit – wenn es angebracht scheint, kann man auch schon mal leitend oder gar provozierend fragen.

Hier wird eine weitere Form des Probings genannt: provokative Fragen[22], die bei der Interviewpartnerin auslösen sollen, dass sie ihre Meinung noch stärker und detaillierter zum Ausdruck bringt. Eigentlich könne viele Fragen einfach provokativ gestellt werden, indem man die Frage entsprechend betont. „Probing by leading“ Fragen sind in der Regel auch provokativ. In unseren Interviews waren wir sehr darauf bedacht, objektiv zu sein, möglichst offene Fragen zu stellen und die Interviewpartnerin nicht durch provokative Fragen zu verschrecken. Daher ist es eher schwierig geeignete Beispiele aus den Texten zu finden.

Das Gleiche gilt eigentlich auch für „Suggestive Fragen“, die wenn möglich zu vermeiden sind um die Aussagen der Interviewpartnerin nicht zu verfälschen. In einer normalen Gesprächssituation kommen sie aber doch häufig vor und schleichen sich daher auch in unsere Interviews.

Beispiel 1: „ Das ist wahrscheinlich auch sehr situationsabhängig, oder?[...]“[23] ; Beispiel 2: „Also das sind jetzt dann Freunde, oder?“[24]

Im Verlauf des Interviews kann es auch sinnvoll sein, Hypothesen bzw. Interpretationen abzutesten. So kann man mache Themen auf einen Punkt bringen und nicht immer um den heißen Brei herumreden mit der Gefahr gar nicht das gleiche zu meinen.

Beispiel: „[...]Würdest du sagen, dadurch dass das so verschult ist, sind die auch so’n bisschen zurückhaltender? –Eh, sicherlich, also von wegen, also ich musste in meinem Leben noch kein einziges Referat halten da in der Uni; [...]“[25]

Als sehr hilfreich, gerade wenn eine Informantin eher kurze Antworten gibt, stellte sich das „ lange Frage Probing („Sag mir alles über...“)“[26] heraus. Gerade als Einstiegsfrage schien es oft sinnvoll, solche Assoziations- und Beschreibungsfragen zu stellen, um der Informantin einen leichten Einstieg in das Interview zu geben und aber auch um der Interviewerin gleich möglichst viele Informationen zu geben, an die sie dann im Laufe des Gesprächs anknüpfen konnte.

Beispiel 1:„ Mit dem Einstieg, zum Begriff Nähe frei loszuassoziieren, hat mein Informant gut ins Thema gefunden, von einer Verkrampftheit kann an keiner Stelle des Gesprächs die Rede sein,[...]“[27]

Frage: „ Wie gesagt, es geht um Beziehungen und zwar um alle möglichen Beziehungen. Und da wollt ich...ähm... dich bitten mir zu erzählen was denn...was für Personen dir nah sind, also alle Arten von Personen.“ [28].

Beim Durchsehen der Transkripte konnten im Endeffekt allerdings doch nur wenige Beispiel für dieses Probing gefunden werden, obwohl der Gedanke, eine solche lange Frage zu stellen doch in manchen Leitfäden vorkam.

Insgesamt ging den Interviewteilnehmern jegliches Probing leicht von der Hand. Mehr Augenmerk sollte allerdings in Zukunft auf die Formulierungen der Fragen gelegt werden, da häufig bereits Antwortvorschläge in der Frage vorgegeben wurden.

Ganz anders kennen gelernt...ehm, jetzt so für dich persönlich oder auch jetzt durch die Leute die du da irgendwie, die du da jetzt kennst?“[29].

Besser wäre es völlig offen zu fragen und somit die Interviewte in keinster Weise zu beeinflussen.

Körpersprache

„Wie bei jeder Kommunikation ist soziale Intuition ein wichtiger Faktor - nonverbale Signale werden oft unbewusst gesendet und interpretiert. Im Interview-Kontext, v.a. in einer fremden Kultur, sollte man versuchen, diese Signale bewusst wahrzunehmen und die Interpretation immer wieder zu überprüfen.“[30]

Zum Abschluss des Seminars führten einige Seminarteilnehmerinnen auch Interviews in einem Studio , wobei sie durch eine Spiegelglasscheibe von den anderen beobachtet wurden. Gerade diesen Studiotermin nahmen wir zum Anlass, uns auch Gedanken über die nonverbalen Signale von Interviewerin und Interviewter zu machen. Auch vorher schon hatten wir uns vorgenommen auf Besonderheiten in der Körperhaltung zu achten, aber in der Gesprächssituation war es meist schwierig sich auf verbales und nonverbales zu konzentrieren. Im Studio konnten die Zuschauer ihre Beobachtungen hinsichtlich der Körpersprache vorbringen und wir hatten die Möglichkeit etwas über die Wirkung derselben zu diskutieren.

Ob die Interviewerin mitschrieb und besonders auf welche Weise dieses Mitschrieben von statten ging, zum Beispiel, konnte die Gesprächsatmosphäre stark beeinflussen. Wenn nur gelegentlich ein paar Notizen gemacht wurden, so hatte man das Gefühl, dass die Interviewte sich ernst genommen fühlte und Gesprächspausen wurden auch durch das Schreiben der Interviewerin gerechtfertigt. Wenn der Schreibblock aber wie ein Klemmbrett verwendet wurde und so ständig zwischen Interviewerin und Interviewter gehalten wurde, war es schwieriger eine warme Atmosphäre herzustellen und das Interview verlief vielleicht etwas steifer und unpersönlicher.

Gleichfalls fiel uns auf, dass offene, erwartungsvolle Blicke die Interviewte oft dazu animierten noch mehr über einen bestimmten Gesichtspunkt zu erzählen , vielleicht weil sie sich verstanden fühlte und die Interviewerin als Vertrauensperson ansah. Allerdings fuhren viele auch fort zu erzählen wenn der Blick der Interviewerin gerade auf ihren Notizen ruhte.

Allgemein sind diese Beobachtungen nur Spekulationen aber es schien uns doch vernünftig, der Interviewten direkt gegenüber zu sitzen, die Hände nicht zu verschränken und auch nicht ständig mit etwas herumzuspielen, sondern eine ruhige, vertrauenserweckende Atmosphäre aufzubauen in der die Interviewte sich wohlfühlt und gerne bereit ist über ihre Erlebnisse zu berichten. Weiterhin gilt, dass es im Interview für die Interviewerin „das Ziel [ist] (in der Regel!), möglichst keine Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken: Sprache, Kleidung, Gestik und Mimik sollten angemessen und unauffällig sein.“[31]

Leitfaden

Gedanken beim Erstellen des Leitfadens

Um nach den offenen Interviews, in denen die Seminarteilnehmerinnen erste Interviewerfahrungen gesammelt hatten, noch konkreter auf die Themen der Interviews eingehen zu können, wurden in mehreren Gruppen Leitfäden entwickelt. Die folgenden Interviews sollten also anhand dieser Leitfäden geführt und auch wieder transkribiert werden.

Für die Erstellung der Leitfäden teilten sich die Seminarteilnehmerinnen in mehrere Gruppen ein und machten sich Gedanken über die sinnvolle Zusammensetzung und die Formulierungen der Fragen, die in dem Leitfaden auftauchen sollten. Hier kann nur speziell auf den Leitfaden der Gruppe eingegangen werden, zu der ich gehörte, da ich nur dort am Entwicklungsprozess des Leitfadens beteiligt war. Das Thema, zu dem unsere Gruppe sich Gedanken machen sollte war „Freundschaft und Umzug“, ganz grob formuliert. Wir beschlossen unserem Leitfaden eine Hypothese zugrunde zu legen, die wir durch die Antworten auf unsere Fragen bestätigt oder widerlegt sehen wollten. Die Hypothese lautete:

Freundschaften gestalten sich unabhängig vom Ort, abhängig von den Strategien des Betreffenden, immer gleich. Es war uns besonders wichtig durch unsere Fragen herauszubekommen, ob es Veränderungen im Freundeskreis gibt wenn eine Person den Wohnort wechselt und ob die Qualität von Freundschaften ortsunabhängig die gleiche bleibt. Hierbei kam aber gleich das erste Problem auf, denn es war uns nicht wirklich möglich uns auf die Definitionsmerkmale von „Qualität der Freundschaft“ zu einigen. Wir beschlossen, dass jede die Hypothese im Hinterkopf behalten und das Interview dann im Nachhinein, nach eigenen Gesichtspunkten, auf die Hypothese hin auswerten sollte.

Bei der Formulierung der Fragen wollten wir sehr offen bleiben, uns viel beschreiben und uns von den Informantinnen Beispiele geben lassen. Obwohl die Fragen im Leitfaden nur die Grundidee skizzierte, also sozusagen das, was wir herausbekommen wollten; und die endgültige Formulierung der Fragen dann noch bei der Interviewerin selbst lag, so hatten wir uns doch einiges an Gedanken zur Reihenfolge der Fragen gemacht[32]: Beginnen wollten wir mit den Fragen nach den Ethnographischen Daten, als ‚warming-up’ sozusagen, um die Interviewte langsam auf das Interview vorzubereiten. Danach, so hatten wir uns überlegt, sollte nach der aktuellen Situation vor Ort gefragt werden, da diese für die Interviewten gedanklich am präsentesten ist und sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch am Meisten mit der aktuellen Situation auseinandersetzt. Fortfahren wollten wir mit einem Fragenblock über die emotionalen Merkmale und die Bedeutung von Freundschaft, in dem unter anderem Begriffe abgeklärt werden sollten und die Informantin allgemein etwas über Freundschaften erzählen sollte. Wir hofften, dass die Informantin beim Erzählen über ihre Freundschaften auch auf „alte“ Freunde aus der früheren Heimat zu sprechen kommen würde und wir so zu unserem vierten Fragenblock, in dem Freundschaften in der Retrospektive beleuchtet werden sollten, überleiten könnten. Die Fragen in diesem Block ähnelten denen nach der aktuellen Situation sehr und wir hofften durch die Parallelität der Fragen Material für die Auswertung im Hinblick auf die Hypothese zu bekommen. Weiterhin, auch für unsere Hypothese, war es uns wichtig, der Informantin Fragen nach der Veränderung die durch den Ortswechsel entstanden sind, zu stellen Also entwickelten wir einen fünften Fragenblock, in dem die Motive für den Ortswechsel und die Veränderung in den Beziehungen nach dem Ortswechsel erfragt werden sollten. Ebenfalls schien es uns relevant mehr über Einfluss einer Beziehung (falls vorhanden), zum Zeitpunkt des Ortswechsels, auf die Freundschaften der Informantin zu erfahren. Auch hierfür erstellten wir einen Fragenblock, der aber weggelassen werden konnte, wenn keine Relevanz bestand. Um das Interview abzuschließen wollten wir die Informantin noch nach ihren Zukunftsplänen fragen und auch danach, ob sie eventuell bei einem erneuten Wohnortwechsel etwas an ihrem Verhalten bei der Suche nach neuen Freunden oder ihrem Verhalten „alten“ Freunden gegenüber ändern würde.

Anwendbarkeit des Leitfadens

Nach den Interviews, die die Teilnehmerinnenn unserer Gruppe geführt hatten, tauschten wir uns über unserer Erfahrungen mit dem Leitfaden in der Interviewsituation aus. Es zeigte sich, dass man weniger offen für unerwartete Antworten und Ausschweifungen der Interviewpartnerin ist, wenn sehr nah am Leitfaden entlang gefragt wird . Allerdings bot der Leitfaden eine willkommene Stütze, wenn das Gespräch stockte oder man sich zu weit vom eigentliche Thema entfernte. Wir stellten uns die Frage, ob es sinnvoll sei, bereits ausformulierte Fragen in den Leitfaden aufzunehmen. Einerseits verleitet dies zwar dazu, die Fragen genauso zu stellen und sehr eng am Leitfaden zu bleiben, so dass das Interview zu sehr vorstrukturiert ist und kein Platz für neue Gedanken seitens der Interviewpartnerin bleibt. Andererseits kann die bereits formulierte Frage vorher gut durchdacht werden wohingegen spontan formulierte Fragen manchmal dazu neigen, unklar oder zu lenkend zu sein.

Wir kamen zu dem Schluss, dass alles davon abhängt wie man den Leitfaden benutzen möchte. Wenn es sinnvoll ist sich genau daran zu halten, so sollten die Fragen bereits vorher formuliert sein. Wenn man ihn aber nur als Stütze in einem recht freien Interview verwenden möchte, so genügt es wenn die Grundgedanken, nach denen gefragt werden soll, im Leitfaden enthalten sind. Kaufmann sagt dazu: „Der Interviewleitfaden stellt lediglich eine Hilfe dar, um die Informanten zu einem bestimmten Thema zum Reden zu bringen, und im Idealfall entsteht eine Gesprächsdynamik, die, sofern sie beim Thema bleibt, bedeutend wertvoller ist als das simple Antworten auf Fragen. Mit anderen Worten: Im Idealfall vergisst man den Leitfaden.“[33]

Allerdings sollte der Unterschied zum offenen Interview, dem keine konkreten Fragen sondern nur allgemeine Gedanken zum Thema zu Grunde liegen, bemerkbar sein.

Unseren Leitfaden konnten wir im Großen und Ganzen in der Interviewsituation gut verwenden. Im Nachhinein fielen uns noch einige Fragen ein, die wir zusätzlich in den Leitfaden hätten aufnehmen sollen, aber manche Fragen hätte man besser weglassen oder an anderer Stelle im Leitfaden fragen sollen ( Eine zusätzliche Frage hätte sein können: „Hängen die Anzahl der Freunde und das Prestige zusammen?“). Gerade beim ersten Interview zu einem Thema ist der Leitfaden besonders nützlich, da die Interviewerin noch nicht so sehr mit dem Thema und all seinen Aspekten vertraut ist und im Gespräch wichtige Gesichtspunkte eventuell nicht angesprochen werden könnten, im Leitfaden aber danach gefragt wird.

Anmerkungen zur Methodik

Das Probing und die Fragen im Leitfaden sind wichtige Teile der Methodik eines Interviews.

Aber auch mechanische oder „banale“ Dinge, wie zum Beispiel die Wahl des Aufnahmegerätes oder die Entscheidung, ob man mitschreiben soll oder nicht, können das Interviews stark beeinflussen. Ich hatte mir zum Beispiel vor meinem ersten Interview vorgenommen, der Informantin zuzuhören und gleichzeitig mitzuschreiben, was sich aber als schwierig für mich herausstellte, da ich während des Schreibens kaum noch auf das hören konnte, was meine Gesprächspartnerin erzählte und so gingen mir manchmal wichtige Aspekte, an die ich hätte anknüpfen können, akustisch verloren. Um mit dem Interview fort zu fahren stellte ich eine neue Frage, obwohl ich die Antwort der Informantin noch weiter hätte vertiefen können.

Beim Leitfadeninterview wollte ich dann denn Versuch starten und weniger mitschreiben.

„Ich hatte mich entschlossen, diesmal weniger mitzuschreiben, da mir dieses beim letzten Interview als hinderlich erschienen war. Ich hatte den Eindruck, dass mir das insgesamt hilfreich war und ich mich besser auf das, was der Informant erzählte konzentrieren konnte. Ich war weniger von meinen Fragen abhängig und konnte leichter den Gedankengängen des Informanten folgen und in unsrem Fragenkatalog „herumspringen“ ohne jedoch wichtige Aspekte außer Acht zu lassen.“[34]

Insgesamt hielt ich es für sinnvoll, es einmal ohne Block auszuprobieren, aber ich sollte es mir angewöhnen auch beim Mitschreiben konzentriert zu bleiben, da eine Mitschrift auch bei einer späteren Zusammenfassung hilfreich sein kann und man sich auch während des Interviews noch auf die Notizen stützen kann. Vor dem offenen Interview hatte ich mir ebenfalls vorgenommen, nicht selbst in das Gespräch einzugreifen, um dann von meinen Erfahrungen zu erzählen, sondern mich komplett zurück zu nehmen. Es ist mir insgesamt schon schwer gefallen, beim ersten Interview längere Pausen zu lassen und der Informantin nicht ins Wort zu fallen und ihren Satz zu beenden.

„Ein bisschen ja. ...Also ich hab mich natürlich jetzt im Laufe der Jahre ein wenig verändert, aber insgesamt nehm ich da die gleiche Rolle ein. – Und wie ist...(sie redet weite - ich bin ihr ins Wort gefallen)“[35].

Bei den Leitfadeninterviews habe ich mich dann mehr auf die Silent-Probe (wie oben erläutert) konzentriert und mich auch mehr zurückgenommen, was sich als sehr positiv auf das Gespräch ausgewirkt hat.

Inhaltliche Auswertung

Wie bereits erwähnt lag den Leitfadeninterviews folgende Hypothese zu Grunde: „ Freundschaften gestalten sich unabhängig vom Ort, abhängig von den Strategien des Betreffenden, immer gleich.“ . Es sollte es sollte also versucht werden, durch die Interviews herauszufinden, ob sich Freundschaften an verschiedenen Orten eventuell auf ähnliche Art und Weise erschließen und ob sie sich in Form und Qualität gleichen oder wenigstens Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese Überlegung lagen zumindest der Erstellung des Leitfadens zugrunde. Allerdings mussten die Interviewerinnen nach den Interviews feststellen, dass sie im Verlauf des Leitfadeninterviews diese Aspekte kaum berücksichtigen konnten, sondern ganz auf den reibungslosen Ablauf des Gesprächs konzentriert waren. Auch führte jede Teilnehmerin nur ein Leitfadeninterview, in dem jeweils ganz anderer Schwerpunkte gesetzt wurden. Die Auswahl an Material war also nicht ausreichend groß, um die Hypothese eindeutig zu bestätigen oder zu widerlegen. Stellenweise gab es parallelen in den Interviewaussagen, teilweise widersprachen sich die Meinungen aber auch völlig.

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass bei allen Interviewten die Tendenz bestand, am „neuen“ Ort Freundschaften zu sehr unterschiedlichen, nicht einer Clique angehörigen Leuten auszubilden, wohingegen am „alten“ Ort bei manchen eher das Gegenteil der Fall war.

Beispiel 1: „ ok, das sind jetzt immer Freunde in irgendwelchen verschiedenen Bereichen, Leute mit denen du Comics zeichnest, Leute and er Uni oder sokanntest du das mal, ne Clique zu haben also wo sich alle Leute kennen und man immer was zusammen macht? – Hmm, ja so in Ansätzen, aber eher nicht,.. also in der Oberstufe hatten wir so drei, vier Leute die sich dann, die so zusammen gehangen waren“[36]

Beispiel 2: „ Du hattest jetzt vorhin gemeint ,du hättest so eine Clique in Soltau gehabt [...]Und, ist das jetzt in Hamburg wieder so? – ’ne kleinere! In Soltau kennt man halt ... jeder kennt jeden [...] und schon war es eine ziemlich große Gruppe die oft was miteinander gemacht hat... und in Hamburg ist das auf jeden Fall viel weniger... [...]“[37].

Die Freundschaften am neuen Wohnort basieren also eher auf gemeinsamen Interessen, man lernt sich kennen, weil man sich im gleichen Milieu bewegt und nicht weil man der gleichen Clique angehört. Daraus könnte man schließen, dass die Freunde bewusster ausgewählt werden und mehr die gleiche Gesinnung und die gleichen Interessen im Vordergrund stehen, als dies bei Schulfreunden der Fall war.

Gleichwohl scheint für die meisten die Verwendung des Begriffes „bester Freund / beste Freundin“ für Freunde am neuen Wohnort eher ungeeignet. Verschiedene Menschen erfüllen die verschiedenen Bedürfnisse der Informantinnen und am neuen Wohnort ist es ihnen kaum möglich sich auf eine Person festzulegen

Beispiel 1: „Würdest du sagen, dass das deine beste Freundin ist [...]? – [...] hmmm, also meine beste Freundin ... also das hab ich mindestens drei. [...] aber eigentlich sind es die ganz alten Freunde! Also, die ganz alten“[38]

Beispiel 2: „Würdest du sagen, du hast einen besten Freund oder eine beste Freundin? – Ähm –nein, das hat sich relativiert muss ich sagen, das war noch mehr so zur Schulzeit so mit bester Freundin, bester Freund oder so. Aber seit ich jetzt hier in Köln bin, ich habe halt zu Hause noch einen besten Freund und eine beste Freundin, [...]“[39].

Freundschaften sind vielleicht insgesamt weniger stabil, aus Menschen, die man zufällig trifft werden Bekannte, daraus können dann Freundschaften entstehen, die sich dann je nach Entwicklung der Informantin entweder intensivieren oder auch wieder verlieren können.

„ [...] es war halt nicht so, dass ich also soooo schnell von einem Monat auf den anderen ganz viele Freunde gefunden hätte von der hohen Qualität eben, die Freunde, die ich, für die ich dann auch was tun würde, es hat sich aus dieser Gruppe der Leute die ich dann irgendwann mal kennen gelernt habe dann eher so herausentwickelt, nach nem, Jahr vielleicht...“[40]

Die Informantinnen sind nicht auf einen kleinen Kreis Menschen beschränkt, sondern lernen ihre Freunde an den unterschiedlichsten Orten neu kennen

„ [...] wenn ich neu in ne Stadt reinkomme [...] dann geh ich halt so Kino, wo sich halt so kreative Leute treffen oder so, halt so Filmzentrum oder äh, äh, politisch engagier ich mich dann oder irgend ein Filmklub, [...]“[41]

Ein weiteres Phänomen, das in ähnlicher Form bei fast allen Informantinnen genannt wurde ist, dass die alten Kontakt aufgrund der Distanz und des Zeitmangels (für Telefonate, besuche etc.) meist vernachlässigt werden. Die Kontakte allerdings, die trotz der räumlichen Trennung bestehen bleiben sind dementsprechend intensiver und von höherer Qualität.

Beispiel 1: „Und hast du jetzt noch zu vielen Leuten Kontakt von damals, aus der Zeit? –Nee, das ist jetzt eher so, dass man nicht mehr den Druck hat mit allen Leuten Kontakt haben zu müssen, sondern man sieht jetzt eben über die Zeit, mit wem man am besten klar kam, [...] also ich hab schon noch mit einigen Kontakt mehr als Einzelpersonen dann und nicht mehr als Clique.“[42]

Beispiel 2: „ [...]also versuchst du so den Kontakt zu den alten Leuten, zu deinen alten Freunden zu behalten? – Jein,...also die festen Freunde die ich noch aus Soltau habe, mit denen habe ich immer Kontakt und alle anderen, da habe ich bemerkt, dass das doch immer mehr auseinander geht.. und zu denen pflege ich so einen losen Kontakt [...]“[43]

Einige Informantinnen waren sogar der Meinung, dass die Beziehungen allgemein intensiviert werden, da man sich nicht mehr zufällig oder im Kreis der Clique trifft, sondern sich engagieren muss und die Qualität der Beziehung durch das erhöhte Interesse an der Person ausgedrückt wird.

„ [...] man [rennt] sich nicht zufällig über den Weg sondern man muss selber Initiative ergreifen, man muss anrufen sich drum kümmern und sich treffen, weil man sich nicht zufällig begegnet und weil man sich ganz leicht aus den Augen verliert und dann sind die Beziehung die man zu anderen Leuten dann pflegt auch intensiver finde ich“[44] ; „[...] jaa, das können, glaub ich, die Leute die gerne in diesen Milieus leben, ihre Stammkneipe haben , das können die gar nicht verstehen, die sehen ihre Freunde eigentlich automatisch aber für mich ist das immer noch so ein Akt, Organisation, sich Zeit nehmen oder so, da muss man dann ja gucken, dass das auch klappt“[45]

Um genauere, repräsentative Ergebnisse zu erhalten hätten mehr Interviews geführt werden müssen. Aber es war nicht unser Ziel, solches herauszufinden, sondern es ging hauptsächlich darum, die verwendeten Techniken zu untersuchen und zu trainieren. Inhaltlich konnten nur Tendenzen herausgearbeitet werden.

Gedanken zum Schluss

Insgesamt war es sehr interessant, die verschiedenen Interviewtechniken zu benennen und dann mehr oder weniger bewusst in der Interviewsituation anzuwenden. Durch die Entwicklung vom offenen hin zum Leitfadeninterview konnte man als Seminarteilnehmerin gut die Unterschiede der beiden Interviewformen erkennen und war auch der nicht leichten Aufgabe ausgesetzt, selbst einen anwendbaren Leitfaden zu erstellen. Dabei erschien es mir besonders schwierig, im Hinblick auf die, von uns vorher aufgestellte, Hypothese die Interviews zu führen und im Nachhinein den Inhalt auch dahingehend auszuwerten. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist daher auch eher unbefriedigend.

Weiterhin scheint es wichtig zu bemerken, dass die im Seminar erlernten Techniken eine allgemeine Stütze sind, jedoch nicht universell in jeder Situation anwendbar . Gerade für Ethnologen, die den Grossteil ihrer Interviews im Feld durchführen (sollten) , ist es unabdinglich immer auch den kulturellen Kontext, in dem sie ihre Interviews führen, zu bedenken. Bei unseren Interviews sind wir auf Menschen aus dem gleichen Kulturkreis getroffen, wir sprachen die gleiche Sprache und allen war bewusst, zu welchem Zwecke die Interviews durchgeführt wurden. Auch konnten wir den Ort des Interviews frei wählen und hatten eine gewisse Absicherung, da unsere Informantinnen aus dem Freundeskreis unserer Mitstudentinnen stammten. Es war also sicher gestellt, dass die Informantinnen bereit waren, sich interviewen zu lassen und auch, dass sie als Informantinnen für unsere Themen in Frage kamen. In der Feldsituation können alle diese Faktoren nicht garantiert werden und es gilt wie immer die Regel, dass die Interviewerin flexibel bleiben und auf ihre Informantin eingehen muss.

Literaturliste

Bernard, H.R.: Research Methods in Anthropology. Sage, Thousand Oaks, 1995.

Kaufmann, J.-C.: Das verstehende Interview. UVK, Kassel, 1999

[...]


[1] Bernard, H.R.: Research Methods in Anthropology. Sage, Thousand Oaks, 1995

[2] Zusammenfassung des offenen Interviews von Wulf, S.1

[3] Bernard, H.R.: a.a.O.

[4] Zusammenfassung des offenen Interviews von Wulf, S.1

[5] Mitschnitt des Leitfadeninterviews im Studio von Laura

[6] Transkript des offenen Interviews von Martina, S.5

[7] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.10

[8] Bernard, H.R.: a.a.O

[9] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.12

[10] Transkript des Leitfadeninterviews von Finja, S.12

[11] Bernard, H.R.: a.a.O.

[12] Zusammenfassung des Leitfadeninterviews von Julia, S.1

[13] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.3

[14] Bernard, H.R.: a.a.O.

[15] Transkript des offenen Interviews von Martin, S.7

[16] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S. 5

[17] Bernard, H.R.: a.a.O.

[18] Transkript des offenen Interviews von Martina, S.4

[19] Transkript des offenen Interviews von Moritz, S.11

[20] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.12

[21] Transkript des offenen Interviews von Martina, S.1

[22] Bernard, H.R.: a.a.O.

[23] Transkript des offenen Interviews von Martina, S.4

[24] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.5

[25] Transkript des offenen Interviews von Martin, S.9

[26] Bernard, H.R.: a.a.O. (im Original: „The long question probe“)

[27] Zusammenfassung des Leitfadeninterviews von Wulf, S.1

[28] Transkript des offenen Interviews von Moritz, S.1

[29] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.2

[30] Jean-Claude Kaufmann: Das verstehende Interview. UVK, Kassel,1999

[31] Jean-Claude Kaufmann, a.a.O.

[32] Leitfaden liegt im Anhang bei! Wir haben versucht uns nach Kaufmann zu richten, der sagt:“ Die Reihenfolge der Fragen muss logisch sein (es ist sinnvoll, sie nach Themen zu ordnen) und sie müssen ein kohärente Ganzes bilden. (Jean-Claude Kaufmann, a.a.O.)

[33] Jean-Claude Kaufmann, a.a.O.

[34] Zusammenfassung des Leitfadeninterviews von Laura, S.1

[35] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.7

[36] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.13

[37] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.9

[38] Transkript des offenen Interviews von Finja, S.6

[39] Transkript des Leitfadeninterviews von Julia, S.3

[40] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.5

[41] Transkript des leitfadeninterviews von Laura, S.12

[42] Transkript des Leitfadeninterviews von Julia, S.6

[43] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.5

[44] Transkript des offenen Interviews von Laura, S.9

[45] Transkript des Leitfadeninterviews von Laura, S.6

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Interview als Forschungsmethode in der Ethnologie
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,2
Autor
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V109641
ISBN (eBook)
9783640078202
Dateigröße
395 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
gerade für Ethnologen ist es wichtig sich über die Vielfalt von Interviewtechniken bewusst zu sein um diese dann im Feld sinnvoll einsetzten zu können. Diese Arbeit setzt sich mit den Erfahrungen der Seminarteilnehmer mit verschiedenen Interviewtechniken auseinander und betrachtet die Entwicklung von offenen Interviews, über das Erstellen eines eigenen Leitfadens bis hin zu einem Leitfadeninterview in einem Studio mit anschließender Analyse durch die Seminarteilnehmerinnen. Die Interviewtranskripte liegen NICHT bei.
Schlagworte
Interview, Forschungsmethode, Ethnologie, Proseminar
Arbeit zitieren
Laura Engel (Autor:in), 2000, Das Interview als Forschungsmethode in der Ethnologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109641

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