Das Gesundheitskonzept von A. Antonovsky


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

Einleitung

1. Stand der Krankenpflegeausbildung
1.1 Ausbildung nach Krankenpflegegesetz von 1985 – Alt.
1.2 Ausbildung nach Krankenpflegegesetz von 2004 – Neu

2. Integrationsmöglichkeiten
2.1 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
2.2 Risiken
2.3 Ressourcen
2.4 Kohärenzgefühl

3. Stärken

4. Schwächen

5. Fazit

Glossar

Literaturverzeichnis

Einleitung

Angeregt durch diese Hausarbeit im Studienfach Gesundheitswissenschaft habe ich mich erstmals intensiv mit dem Begriff „Gesundheit“ auseinandergesetzt, obwohl ich als Lehrer für Pflegeberufe mit diesem Begriff „Gesundheit“ häufig umgegangen bin. Mir schien der Begriff, angesichts der Definition der WHO „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ (Lauber, 2001) und nach meinem damaligen Pflegelehrbuch „Pflege“ von Liliane Juchli, klar zu sein. Doch als ich jetzt die Information zum Schreiben dieser Hausarbeit von der HFH recherchiert habe, irritierte und faszinierte mich der Begriff „Salutogenese“ gleichzeitig. Auch der Aspekt der Gesundheitsförderung bzw. der Prävention ist mir im Lauf der Ausbildung schon vertraut gewesen. Doch diese ganz andere salutogenetische Ansicht weckte mein Interesse. Meines Wissens nach wurden die Pflegetheorien und –modelle, die in Deutschland veröffentlicht wurden, in den 50'er, 60'er Jahre im angloamerikanischen Raum entwickelt (Drerup, 1996).

Überrascht habe ich feststellen müssen, dass dieses Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky (1923-1994) noch relativ jung ist. Erst relativ spät nach der Publizierung seiner beiden Hauptwerke “Health, stress and coping: New perspectives on mental and physical well-being (1979) " und "Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well (1987, beide San Francisco, Jossey-Bass Publishers)" fand das Konzept der Salutogenese Eingang in die Wissenschaftsgemeinschaft, vorwiegend in der Psychosoziologie (Bengel, BZgA 2002, Bd.6, S.9).

Im deutschsprachigen Raum sind die Überlegungen von Antonovsky erst mit dem Erscheinen seiner übersetzten Bücher 1997 in die gesundheitswissenschaftliche Diskussion einbezogen worden.

Da mit Ausbildungsbeginn 01.01.2004 der Aspekt der Gesundheit sogar mit in die Berufsbezeichnung geflossen ist G esundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. (BGBl. 2003 I, S.1442)

werden ich zunächst einen kurzen Blick auf den Stand der Ausbildung werfen, um dann im weiteren differenziert zu analysieren, ob das Salutogenese-Konzept in die Ausbildung zu integrieren ist.

1. Stand der Krankenpflegeausbildung

Da die Krankenpflegeausbildung nach dem Krankenpflegegesetz (KrPflG) von 1985 § 5, Abs.1, S.1 drei Jahre dauert (Kurtenbach u.a., 1998, S. 9) und die Kurse aus den Jahren 2001, 2002 und 2003 ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, trifft auf sie der § 23, Abs.3 Weitergeltung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnungen des KrPflG von 2004 zu, der beinhaltet, dass die Auszubildenden ihre Ausbildung nach den alten Bestimmung von 1985 beenden dürfen.

Es werden also noch bis 2006 KrankenpflegeschülerInnen nach dem KrPflG und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung von 1985 ausgebildet.

In der neunteiligen Aufgliederung dieses Gesetzes werden die Voraussetzungen und Bedingungen (Kurtenbach u.a., 1998) der Krankenpflegeausbildung aufgeführt. Daran schließt sich die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (KrPflAPrV) an, in der die inhaltliche Ausfüllung des theoretischen und praktischen Unterrichtes während der Ausbildung näher beschrieben wird (Kurtenbach u.a., 1998).

Eine weitere Gliederung der inhaltlichen Aspekte bleibt in der Kompetenz der jeweiligen Bundesländer. In Schleswig-Holstein wurde1990 vom Minister für Soziales, Gesundheit und Energie ein „Rahmenlehrplan für den theoretischen und praktischen Unterricht in der Krankenpflege“ erlassen (Rahmenlehrplan, 1990), in welchem entsprechend der Gliederung der Anlage 1 zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege Unterrichtsgebiete ("Fächer") abgegrenzt worden sind, denen dann Fachziele zugeordnet worden sind (Rahmenlehrplan, 1990, S.7).

Eine weitere didaktische Vorgabe findet nicht statt. Daher kann jede Krankenpflegeschule entsprechend der Tendenz des Trägers der Ausbildung (KrPflG 1985 §12 und §14) oder der pädagogischen pflegerischen Ausrichtung oder aber der individuellen Einstellung des Ausbildungsbeauftragten (Leiter der Krankenpflegeschule) die geforderten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeit nach § 4 KrPflG 1985 vermitteln.

In der Methodik der Ausbildung spiegelt sich die ganze Facette der Pflegewissenschaft wieder. So werden Pflegemodelle, Pflegetheorien, theoriebasierende oder individuelle Curricular, Rahmenlehrpläne oder auf diesem basierende Unterrichtskonzepte benutzt, um die „Pflege“ zu lehren. Die Pädagogik spielt dabei eine viel zu unbeachtete Rolle und wird leider mit Autorität verwechselt.

Die Rahmenbedingungen werden von den gesetzlichen Normen gebildet und stellen die obere Ebene der Ausbildung dar. Die mittlere Ebene wird von der didaktisch-methodischen Vermittlung der Unterrichtsinhalte zusammengestellt und die untere Ebene bezieht sich auf die pädagogisch-tendenzielle Vorgehensweise in der Ausbildung.

Infolgedessen ist es möglich sich die Ausbildung in drei Ebenen zu betrachten: - Die Makro-Ebene: Die Rahmenbedingungen,

- Die Meso-Ebene: Die didaktisch-methodische Vermittlung der Unterrichtsinhalte

und

- Die Mikro-Ebene: Die pädagogische-tendenzielle Vorgehensweise.

1.1 Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz von 1985 - Alt

Auf die Gesundheit wird im KrPflG nur im II. Abschnitt: Ausbildung § 4, Abs.1, Nr.3 des KrPflG von 1985 eingegangen (Kurtenbach u.a., 1998, S.8). Dort heißt es: „(...) Die Ausbildung soll insbesondere gerichtet sein auf (...) 3. die Anregung und Anleitung zu gesundheitsförderndem Verhalten,(...)“.

Eine weitere Erwähnung des präventiven Standpunktes bleibt im Gesetzestext aus.

In der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung von 1985 (KrPflAPrV) wird auf der didaktischen Meso-Ebene in der Anlage 1, Teil A Theoretischer und praktischer

Unterricht in der Krankenpflege unter Punkt

1.2 Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland (...), sowie unter Punkt

2.1 Die Gesundheit und ihre Wechselbeziehungen,

2.1.1 Die Gesundheit - Begriff und Bedeutung,

2.1.2 Gesundheit und Lebensalter,

2.1.3 Gesundheit in der Arbeits- und Umwelt, 2.2 Gesundheitserziehung, Gesundheitsvorsorge, Früherkennung von Krankheiten, 2.2.1 Gesunde Lebensweise

näher auf den Gesundheitsaspekt eingegangen (Kurtenbach u.a., 1998, S.31 u. 32).

Eine differenzierte Begriffsbestimmung der einzelnen Themen findet der Auszubildende in Schleswig–Holstein im Rahmenlehrplan.

Die Mikro-Ebene, welche die pädagogische Position ausfüllen sollte (BGBl. 2003 I., S.1444), findet keine Berücksichtigung. Somit bleibt ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Krankenpflegeausbildung unbeachtet und zugleich ungenutzt.

1.2 Ausbildung nach Krankenpflegegesetz von 2004 - Neu

Mittels deutlicher Bezugnahme auf den gesundheitlichen Aspekt durch die Aufnahme des Begriffs in „ Die Erlaubnis zum Führen von Berufsbezeichnungen“ (BGBl. 2003 I., S.1442), ist der Rahmen auf der Makro-Ebene um die Gesundheitsförderung und die Gesundheitserziehung erheblich erweitert worden. Im weiteren Verlauf ist im § 3, Abs.1 die Gesundheit explizit erwähnt worden (...) die Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung, und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden Menschen (...).“

Die KrPflAPrV, auf der Meso-Ebene liegend, hat eine durchgreifende Änderung (BGBl. 2003 I., S.2263) erfahren. Mit der thematischen Einflechtung in Abschnitt 2: Prüfungsbestimmungen für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege, §13 Schriftlicher Teil der Prüfung und §14 Mündlicher Teil der Prüfung (BGBl. 2003 I., S.2265) wird nun ein prüfungsrelevanter Bezug zum Gesundheitsaspekt hergestellt. In der Anlage 1 Teil A Theoretischer und Praktischer Unterricht sind in fast jedem der zwölf Abschnitte gesundheitsvorsorgliche und gesundheitspflegerische Aspekte berücksichtigt worden.

Die verfügte Aufnahme der Prävention in die Anlage 1 Teil B Praktische Ausbildung I. Allgemeiner Bereich Abs.2 (BGBl. 2003 I., S.2270) belegen, dass auch der präventive Charakter der Krankenpflegetätigkeit in den Fokus der Auszubildenden gerückt werden sollte.

Wie im alten Krankenpflegegesetz bleibt auch im neuen auf der Mikro-Ebene der pädagogische Akzent unbeachtet und die Möglichkeit zur Stärkung der affektiven Unterrichtsinhalte (Rahmenlehrplan, 1990, S.7) wird wissentlich und zu Lasten der Empathie (Juchli, 1997, S.1006) des Pflegepersonals, dadurch nicht zuletzt zu Lasten der Patienten, aufgegeben.

2. Integrationsmöglichkeit

Wie Prof. Dr. Dr. H. Waller schreibt „Das Modell der Salutogenese kann als die erste und am weitesten entwickelte Theorie zur Erklärung von Gesundheit bezeichnet werden. Es berücksichtigt Einflußgrößen auf sozialer, physiologischer, biochemischer, emotionaler und kognitiven Ebene. Durch dieses Einbeziehen vieler Variablen und Ebenen hat es einen hohen Integrationswert.(...)“ (Waller, Studienbrief 1, S.24) scheint dieses Modell integrationsfähig, trotz des unzureichenden Resultates der empirischen Studien, die zu einigen Teilaspekten der Salutogenese gemacht worden sind (Bengel BZgA 2002, S.41 ff) sowie in Anbetracht der Komplexität des Salutogenese-Konzeptes (Waller, Studienbrief 1, S.24).

Die Unterteilung des Krankenpflegegesetzes in drei Ebenen scheit mir zweckmäßig, da die einzelnen Komponenten des Salutogenese-Konzeptes von Antonovsky dann besser zu beleuchten sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betrachtung der unteren Ebene, auf Grund des Fehlens eines einheitlichen pädagogischen Konzeptes, hypothetisch ausfallen wird.

2.1 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum

Die Vorstellung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuum mit zwei Polen, zwischen dem sich das Individuum bewegt, ist nicht neu (Arets et al., 1996, S.175), denn Pflegetheoretikerinnen wie Roper, Juchli u.a. (Drerup, 1996, S.34) haben diesen Kontinuumansatz auch in ihren Pflegemodellen aufgenommen.

Auf der Makro-Ebene ist in § 3, Abs.1 Ausbildungsziel im letzten Satz das Kontinuum beschrieben „Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen (Ausbildungsziel)“ (BGBl. 2003 I., S.1444).

Die Meso-Ebene wird besonders angesprochen, da sich hier viele Bezugspunkte zum Salutogenesemodell ziehen lassen „Es berücksichtigt Einflußgrößen auf sozialer, physiologischer, biochemischer, emotionaler und kognitiver Ebene.“ (Waller, Studienbrief 1, S.24).

Der Lebensspannenaspekt wird in der Anlage 1 Teil A Theoretischer und Praktischer Unterricht der KrPflAPrV unter Nr.1 deutlich, so dass die Pflegesituationen bei Menschen aller Altersgruppen erkannt, erfasst und bewertet werden müssen. Ebenso findet dieser Gesichtspunkt auch im weiteren Verlauf dieser Nummer mit der Bemerkung von „Lebens- und Entwicklungsphasen“ (BGBl. 2003 I., S.2268) seinen Widerhall. Die Berücksichtigung des Kontinuums auf der Mikro-Ebene könnte durch ein pädagogisches Konzept beeinflusst werden, welches den Schüler während seiner Ausbildungszeit in allen Lebens- und Entwicklungsphasen annimmt, führt und leitet, um entsprechend der Intention Antonovskys gesunderhaltende Effekte zu erreichen.

2.2 Risiken

Bei Antonovsky werden die hier benannten Risiken als „ Gesundheitsfaktoren und Risikofaktoren“ geführt (Antonovsky, 1997, S.24 ff). Im weiteren Verlauf erläutert er, dass es sich bei diesen Faktoren um „ allumfassende Stressoren“ handelt. Diese alltäglichen „stresserzeugenden Reize“ (Bengel, BZgA 2002, S.144) wirken auf den Menschen ein und erzeugen bei ihm zwei Spannungszustände. Der eine Zustand bewirkt das Gefühl der „ Herausforderung“ bzw. Neugierde und der andere ein Empfinden der „Bedrohung“ (Antonovsky, 1997, S.125). In diesem Sinne beinhaltet die Makro-Ebene des Gesetzestextes viele Stressoren bzw. Stimuli, die sich allgemein auf das Ausbildungsverhältnis (z.B. §3 Ausbildungsziel, §4 Dauer und Struktur der Ausbildung, §5 Voraussetzung für den Zugang zur Ausbildung etc.) beziehen (BGBl. 2003 I., S.1444) und damit die Voraussetzungen und Bedingungen fixieren, an den sich die Anwärter ausrichten können.

Auf der Meso-Ebene werden die Reize bzw. Stressoren allein schon durch die Vielzahl der verschiedenen Bezugswissenschaften und deren Unterrichtsinhalte (siehe BGBl. 2003 I., S.2268 f) erzeugt. Ebenso werden durch die methodischen Vorgaben der Wissensaufnahme in der Anlage 1 der KrPflAPrV (BGBl. 2003 I., S.2268) und den Anweisungen zur Durchführung von Handlungsabläufen Stressoren präsentiert, die durch geschicktes methodisch-didaktisches Zusammenstellen ein Gefühl der Überforderung bzw. Bedrohung während der Ausbildungszeit vermeiden helfen und ihrerseits dann als Herausforderung angesehen werden und somit gesundheitsfördernd wirken könnten. (siehe Bengel, BZgA 2002, S.33)

Die Betrachtung der Mikro-Ebene braucht hier nicht hypothetisch ausfallen, denn, bedingt durch die vielen verschiedenen Reize aus der Meso-Ebene, entsteht eine gewünschte pädagogische Methodenvielfalt (Meyer, 1987, S.60), die alle Sinne der Auszubildenden anspricht. Unter Ausnutzung der stimulierten Sinne kann dann durch pädagogisches Ausgestalten, über den Zeitraum der Ausbildung hinweg, ein Herausforderungsgefühl beim Auszubildenden erzeugt werden.

2.3 Ressourcen

Der Begriff der Ressourcen ist im Krankenpflegeterminus spätestens seit Einführung des Pflegeprozesses durch das KrPflG von 1985 (Kurtenbach u.a., 1998, S.8) geläufig. Die Pflegetheoretikerinnen, die ihre Theorien und Modelle im deutschsprachigen Raum veröffentlich haben (Drerup, 1996, S.25 ff) und nicht zuletzt der Deutsche

Berufsverband für Krankenpflege (DBfK) mit seinen Informationsschriften (z.B. DBfK, Gesundheitswesen 2000, Jan. 1995) haben zur Publicity des Begriffs in der Krankenpflegegemeinschaft beigetragen.

Nach Antonovsky beziehen sich diese generalisierten Widerstandsressourcen sowohl auf „ individuelle (z.B. körperliche Faktoren, Intelligenz, Bewältigungsstrategien) als auch auf soziale und kulturelle Faktoren (z.B. soziale Unterstützung, finanzielle Möglichkeiten, kulturelle Stabilität.“ (Bengel, BZgA 2002, S.34).

Auf der Makro-Ebene werden die „generalisierten“ Widerstands ressourcen auch dargestellt. Dieses wird aus dem § 3 Ausbildungsziele „(...), anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse (...)“ und § 10 Pflichten des Trägers der Ausbildung oder § 11 Pflichten der Schülerin und des Schülers oder § 12 Ausbildungsvergütung deutlich (BGBl. 2003 I.; S.1446).

Die mittlere Ebene der Unterrichtsinhalte bezieht ihre Widerstandsressourcen aus der breiten Palette der Bezugswissenschaften der Anlage 1 Teil A Theoretischer und praktischer Unterricht (BGBl. 2003 I., S.2268) und ebenfalls durch die explizite Erwähnung der sozialen, kulturellen und religiösen Lebenssituation unter Nr.5 der Anlage 1 KrPflAPrV (BGBl. 2003 I., S.2269). Ein weiterer Ressourcenpool sind die Unterrichtsinhalte aus dem Themenbereich berufliche wissenschaftliche Kenntnisstände und gesellschaftliche Einflüsse, die unter Nr. 6, 7, 10, 11 und 12 der Anlage 1 zu finden sind (BGBl. 2003 I., S.2269).

Die Mikro-Ebene kann ihre Ressourcen aus den beruflichen und privaten Lebenssituationen der Schüler beziehen und durch gezieltes pädagogisches Einbeziehen der Lebenssituationen in den Ausbildungsverlauf fördernd wirken. Als

weitere Ressourcen können auch der Einsatz zahlreicher Fachdozenten, sowie die Nutzung und Bereitstellung aktueller Druckschriften und/oder Unterrichtsmedien gelten.

2.4 Kohärenzgefühl

Das Kohärenzgefühl („sence of coherence“) ist ein zentraler Aspekt in Antonovskys Konzept. Es versteht sich als „ eine grundlegende Lebenseinstellung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß jemand ein alles durchdringendes, überdauerndes und zugleich dynamisches Gefühl der Zuversicht hat, dass seine innere und äußere Erfahrenswelt vorhersagbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man vernünftigerweise erwarten kann“ (Bengel, BZgA 2002, S.29). Dieses Kohärenzgefühl setzt sich aus den drei Komponenten zusammen:

1. Gefühl der Verstehbarkeit ( sence of comprehensibility)

2. Gefühl von Handhabbarkeit (sence of manageability) und

3. Gefühl von Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit (sence of meaningfulness).

„Ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl führt dazu, dass ein Mensch flexibel auf Anforderungen reagieren kann. Er aktiviert die für diese spezifischen Situationen

angemessenen Ressourcen. Ein Mensch mit einem geringen ausgeprägten Kohärenzgefühl wird hingegen Anforderungen eher starr und regide beantworten, da er weniger Ressourcen zur Bewältigung hat bzw. wahrnimmt“ (Bengel, BZgA 2002, S.30).

Ob ein Mensch ein starkes Kohärenzgefühl (SOC) entwickelt oder nicht, soll nach Antonovskys Auffassung, im Zusammenspiel aller salutogenetischen Aspekte seines Konzeptes liegen.

Bei der Betrachtung eines Gesetzestextes (Makro-Ebene) ist das zweifelsfreie Verständnis der Willenserklärung des Gesetzgebers Bedingung und damit sind auch

die drei Komponenten Handhabbarkeit, Verstehbarkeit und Bedeutsamkeit impliziert. Durch die Normierung dieser Ausbildung erhält die Angelegenheit ein Gewicht bzw. Bedeutung und der Kandidat kann sich auf die festgeschriebenen Normen verlassen. Er kann aber auch ferner davon ausgehen, dass der Gesetzestext auch durchführbar ist. Für den Bewerber wohnt diesem Gesetz eine Verlässlichkeit inne.

Die Meso-Ebene zeichnet sich auch hier wieder durch ihrer relative Fassbarkeit aus. Mittels eines Mixes von verschiedensten Kategorien von Handlungsanweisung z.B. ermitteln, begründen, reagieren, erfassen, bewerten, handeln etc. (siehe BGBl. 2003 I., S.2268 f) und dem Erkenntnisgewinn aus der Pflegewissenschaft, des Gesundheitssystems und der Arbeit mit den Berufskollegen erzeugen Gefühle des Verstehens, der Handhabbarkeit und der Bedeutsamkeit und das wiederum bewirkt eine Stärkung des SOC.

Die pädagogische Qualifikation bzw. das pädagogische Können kann auf der Mikro-Ebene zur vollen Entfaltung kommen und durch Ausnutzung der 500 Stunden aus der Differenzierungsphase (BGBl. 2003 I., S.2270) könnten die affektiven Unterrichtsanteile (Rahmenlehrplan, 1990, S.7) so strukturiert Unterbreitet werden, dass das Kohärenzgefühl entsteht bzw. gestärkt werden kann.

3. Stärken

Der Wandel im Verständnis der Pflegenden, der dazu führte, das neben den Körperlichen auch die psychische und vor allem die soziale Dimension des Menschen stärker berücksichtigt wird, ist ein Zeugnis der Stärke des Konzeptes (Lauber, 2001, S.20).

Die Salutogenese hat neben der Psychosomatik und Psychotherapie sowie der Rehabilitation ihre größte Bedeutung in der Gesundheitsförderung und Prävention (Bengel, BZgA 2002, S.93).

Die vielen präventiven Aktivitäten bekommen hierdurch eine Rahmentheorie geliefert an dem sich die konzeptionellen Überlegungen und der Maßnahmenkatalog ausrichten können (Bengel, BZgA 2002, S.93).

Trotz der vielfachen empirischen Überprüfungen einiger Aspekte des Salutogenese-Konzeptes mit oftmals widersprüchlichen Ergebnissen (Bengel, BZgA 2002, S.92) hat es die gesundheitswissenschaftliche Forschung angeregt und den Blick erweitert auf bisher zu wenig beachtete Zusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen gesundheitlichen Risiken und gesundheitlichen Schutzfaktoren bzw. schützenden Bedingungen (Bengel, BZgA 2002 S.93).

4. Schwächen

Die Komplexität des Modells macht es nicht fassbar (siehe Bengel, BZgA 2002, S.91). Ferner tragen empirische Studien, die ähnlich lautende Fragestellung haben aber mit widersprüchlichen Ergebnissen aufwarten, nicht zum Verständnis bei.

In der Literatur werden als weitere Schwächen bezeichnet: - die Konzentration auf kognitive und subjektive Dimensionen (Kohärenzgefühl) als entscheidende Größe,

- der geringe Stellenwert psychischer Gesundheit,

- geringe Analyse der Wechselwirkung zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit,

- die ungeklärte Wechselwirkung von Kohärenzgefühl und Gesundheit bzw. Krankheit, d.h. der Widerspruch zwischen Modell und Empirie bezüglich SOC und psychischer Gesundheit,

- die methodischen Probleme bei der empirischen Überprüfung des Modells (Bengel, BZgA 2002, S.92f).

Eine weitere Schwäche ist die Entwicklung des Kohärenzgefühl im Verlauf des Lebens (Antonovsky, 1997, S.91), sodass eine dreijährige Ausbildungszeit nicht lang genug ist, um die Entwicklung diese Gefühles wirksam zu implementieren.

Einige Autoren, darunter sogar Antonovsky, vertraten die Meinung, dass das Konzept unvollendet ist und noch viele ungeklärte Fragen bestehen (Antonovsky, 1997, S.91).

5. Fazit

Die überall verlautbarte Kritik an der unzureichenden empirischem Überprüfung des Konzeptes mag für die Fachwelt ein Kriterium für Wissenschaftlichkeit sein, jedoch auch andere anerkannte Theoretikerinnen (Roper, Meleis, Orem, Juchli, Krohwinkel u.a.) können mit ihren Modellen eine empirische Überprüfung nicht standhalten und werden trotzdem in der Fachwelt anerkannt. Sie werden teilweise oder ganz in einem Curriculum eingebaut und genutzt, um die Unterrichtsinhalte zu vermitteln. In einer ähnlichen Art und Weise könnte das Salutogenese-Konzept von A. Antonovsky verwendet werden.

Meiner Meinung nach lässt sich das Salutogenese-Konzept nicht in seiner ganzen Ausprägung in das Krankenpflegegesetz integrieren, aber der Blickwinkel und einige Teilaspekte könnten schon jetzt in das Gesetz und in die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung integriert werden. Wobei die pädagogische Intention auf die Mikro-Ebene die salutogenetische Betrachtungsweise aufnehmen und zur Anwendung bringen könnte und somit ein salutogenetisches Ausbildungskonzept generieren könnte.

Die ersten Schritte sind schon durch die Umbenennung der Berufsbezeichnung im § 1, Abs.1 des Krankenpflegegesetzes von 2004 in G esundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege gemacht worden.

Dieser Sinneswandel des Gesetzgebers ist sicherlich nicht nur durch die Diskussion des Salutogenesekonzeptes in der medizinischen Wissenschaftsgemeinschaft entstanden, sondern auch durch die Forderung eines Paradigmenwechsel einiger renommierter Autoren bezüglich der Sichtweise: weg vom Risikofaktorenmodell hin zum Salutogenetischen Modell (Bengel, BZGA 2002, S.97).

Glossar

Affektivität Ansprechbarkeit des Gefühls

Curriculum Lehrplan einschließlich der Inhalte u. Ziele, Methoden u. Ergebnisse

Didaktik Unterrichtskunde, Lehrhaft

Empathie Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen

Empirisch Lehre, die allein die Erfahrung als Erkenntnisquelle gelten lässt

generalisieren verallgemeinern (Antonovsky meint : in Situationen aller Art wirksam)

implementieren einführen, einsetzen einbauen

Methodik Unterrichtlehre

Paradigma Beispiel, Muster

Pädagogik Erziehungslehre

Salutogenese Wortneuschöpfung von A. Antonovsky am besten mit „Gesundheitsentstehung“ zu übersetzen

SOC (sense of coherence) Kohärenzgefühl

Widerstandsressourcen Widerstand meint hier, dass die Ressourcen die Widerstandsfähigkeit der Person erhöhen

Literaturverzeichnis

ANTONOVSKY, A. (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Dt. erweiterte Herausgabe von A. Franke. Tübingen: dgvt.

ARETS,J./OBEX, F./VAESSEN, J./WAGNER, F. (1996): Professionelle Pflege. Theoretische und Praktische Grundlagen.Bd. 1. Bochholt: Eicanos Verlag.

BUNDESGESETZBLATT Jahrgang 2003 Teil I Nr. 36 ; Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze.

BUNDESGESETZBLATT Jahrgang 2003 Teil I Nr.55 ; Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV).

BENGEL, J./STRITTMATTER,R./WILLMANN, H. (2002): Was hält Menschen gesund? : Antonovskys Modell der Salutogenese - Diskussionsstand und Stellenwert; eine Expertise. Im Auftr. der BZgA, 7.,erw. Neuaufl. Köln: BZgA.

DRERUP, E. (1996): Modelle der Krankenpflege. Materialien zur Krankenpflegeausbildung. Bd. 1. Lambertus.

Hrsg. DROSDOWSKI, G. (1996): Duden. Bd. 1.Rechtschreibung der deutschen Sprache. 21., völlig neu bearb. und erw. Aufl..Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag.

JUCHLI, L. (1997): Pflege: Praxis und Theorie der Gesundheits- und Krankenpflege. 8., überarb. Aufl..Stuttgart; New York: Thieme.

KURTENBACH, H./GOLOMBEK,G./SIEBERS,H. (1998): Krankenpflegegesetz : mit Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege. 5., überarb. und erw. Aufl.. Stuttgart; Berlin; Köln: Kohlhammer.

LAUBER, A. (2001): Grundlagen der beruflichen Pflege. Verstehen & Pflegen; Bd.1. Stuttgart: Thieme

MEYER, H. (1987): Unterrichtsmethoden. 2.Praxisband, 5. Auflage; Frankfurt am Main: Cornelsen Verlag Scriptor.

RAHMENLEHRPLAN für den theoretischen und praktischen Unterricht in der Krankenpflege. Herausgeber: Der Minister für Soziales, Gesundheit und Energie des Landes Schleswig-Holstein (1990).

Hrsg. SCHÄFFLER, A. (1998): Pflege heute: Lehrbuch und Atlas für die Pflegeberufe. 1. Nachdruck der 1. Auflage. Ulm; Stuttgart; Jena; Lübeck: G. Fischer Verlag.

WALLER,H. Prof. Dr. Dr.: 1.Studienbrief. Gesundheitswissenschaft. Einführung und Gesundheitskonzepte im Überblick. FFH; Fern-Fachhochschule Hamburg; Staatlich anerkannte Fachhochschule. Hamburg.

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Details

Titel
Das Gesundheitskonzept von A. Antonovsky
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Veranstaltung
Studium Pflegemanagement
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V109489
ISBN (eBook)
9783640076703
Dateigröße
364 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesundheitskonzept, Antonovsky, Studium, Pflegemanagement
Arbeit zitieren
Helmut Oeverdieck (Autor:in), 2004, Das Gesundheitskonzept von A. Antonovsky, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109489

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