Das Scheitern des Völkerbundes


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehung des Völkerbundes

3. Der Völkerbund
3.1 Mitgliedschaft
3.2 Universalität
3.3 Austritt

4. Die USA und der Völkerbund

5. Parallelorganisationen

6. Das System der kollektiven Sicherheit
6.1 Abrüstung
6.2 Das relative Kriegsverbot und das Sanktionssystem

7. Fazit

8. Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1 Quellenverzeichnis
8.2 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„The establishment of the League of Nations was an event of fundamental importance1 “. Seine Gründung ist als Revolution im Bereich der internationalen Beziehungen anzusehen. Seine Ziele und vor allem die Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten haben ein ganz neues Verhältnis in der internationalen Politik geschaffen.

Laut Präambel wurden die Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen, die Gewährung der internationalen Sicherheit zum Zwecke der Wahrung des Weltfriedens und die Pflicht zur gemeinschaftlichen Abwehr und Beseitigung bereits bedrohender Gefahren als Ziele definiert.

Der Startpunkt für die neuartige Idee des Völkerbundes war der Erste Weltkrieg. Der größte Verfechter dieser Idee war der US-Präsident Woodrow Wilson, der in seinen berühmt gewordenen 14 Punkten schon während des Krieges ein Grundgerüst für eine Nachkriegsordnung schuf.

Es erwuchs der Gedanke, eine Nachkriegsordnung zu schaffen, die Frieden und Sicherheit für ewig sichern und den Krieg als Mittel der Politik abschaffen sollte. Verfolgt wurde vor allem ein von Wilson propagiertes, liberales Friedensmodell mit den Kernelementen Demokratie, Selbstbestimmung, Freihandel und Abrüstung.

Wilson strebte nach einem „Tribunal der öffentlichen Meinung, dem sich alle unterwerfen2 “ sollten. Dieser neue Bund sollte eine universelle Tragweite haben und nicht individuelles Staatsinteresse verfolgen. Es sollte die Herrschaft des Rechts in der internationalen Politik durchgesetzt werden.

Diese Punkte sollen als kurze Einführung in die Völkerbundthematik dienen, die ich nun nutzen möchte, um in der nachfolgenden Hausarbeit kritisch zu analysieren, weshalb sich diese hohen Ziele nicht durchsetzen konnten, so dass 1939 ein neuer Weltkrieg ausbrechen konnte und damit der Völkerbund scheiterte. Ich gehe dabei auf drei wesentliche Bereiche ein. Zunächst analysiere ich die Entstehung des Völkerbundes, um so das Klima seiner Gründung und sein Grundgerüst deutlich werden zu lassen. Anschließend gehe ich auf den Völkerbund an sich ein, wobei ich die Schwerpunkte auf Mitgliedschaft, Universalität und Austritt setze, da diese das Scheitern dieser Organisation entscheidend förderten. Gesonderte Bereiche bilden die Funktion der USA und die Existenz von Parallelorganisationen. Schließlich gehe ich in einem letzten Block auf die beiden Hauptanliegen des Völkerbundes, Frieden und Sicherheit, ein. Dabei bilden das System der kollektiven Sicherheit, die Abrüstungsproblematik und das relative Kriegsverbot in Verbindung mit dem Sanktionssystem die Schwerpunkte. Leitende Frage soll sein, warum der Völkerbund gerade in seiner zentralen Aufgabe scheiterte.

Zur Quellenlage ist zu sagen, dass diese sich als sehr schwierig ergibt. Als eingehende Literatur ist häufig nur ein Kommentar zur Satzung zu finden oder Monographien, die allgemein auf die Geschichte der Zeit eingehen und dabei nur in groben Zügen oder am Rande auf den Völkerbund eingehen. Vielfach ist die Literatur veraltet.

2. Die Entstehung des Völkerbundes

Der Völkerbund ist im Zuge der 1919 in Paris stattfindenden Friedenskonferenzen entstanden.

Erst diese Katastrophe hat die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels in den internationalen Beziehungen deutlich gemacht. Als Problem ist dabei nicht zu verkennen, dass gerade Nachkriegsphasen die denkbar schlechtesten Zeiten sind, eine die Welt verändernde Organisation zu schaffen. Derartige Zeiten werden noch durch Krieg geschürte Stimmungen wie Hass, Misstrauen und Nationalismus dominiert.3 In diesem Klima sind die Verhandlungen über die Völkerbundsatzung zu sehen. Deshalb kann es auch als Dilemma gesehen werden, dass diese neue Organisation auf dem Boden des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der alten Weltordnung (der Ordnung vor 1918) gebaut wurde.

Mitglieder der Völkerbundkommission, die die Satzung des Völkerbundes erarbeiten sollten, waren lediglich die fünf alliierten Großmächte USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan sowie neun kleine bzw. mittlere Staaten4. Die Staaten der Mittelmächte waren gänzlich ausgeschlossen von der Kommission ebenso, wie die Staaten, die während des Ersten Weltkrieges sich neutral verhielten. Aus diesem Grund hatte der Völkerbund von Grund auf mit dem Prädikat „Syndikat der Sieger“ zu kämpfen5. Die Alliierten stützten sich hierbei auf das Argument, dass eine Einbindung der Verlierermächte eine zu große Gefahr für den Völkerbund darstelle. Es wird dabei jedoch sehr deutlich, dass die Gründung des Völkerbundes sehr stark mit der siegreichen Alliierten Koalition verknüpft ist. Der Völkerbund war äußerlich ein Produkt der Siegermächte.

Man kann es wie Ines L. Claude sehen, für die die Nachkriegszusammenarbeit der Siegermächte vor allem ein Streben danach war, in Friedenszeiten die Dinge durchsetzen, die ursprünglich schon vor einem großen Krieg hätten durchgesetzt werden müssen, um diesen zu verhindern6. Man kann es als Versuch sehen, dass aus der Geschichte gelernt werden sollte, denn je länger der Erste Weltkrieg andauerte, desto mehr setzte sich in den kriegsführenden Staaten die Erkenntnis durch, dass ein moderner Krieg großen Stils für Europa zu einem selbstmörderischen Unternehmen werden musste, in dem der Preis des Sieges zu groß war im Vergleich zu den Opfern, die man selbst zu zahlen hatte7.

Man kann es aber auch wie Walter Moess sehen, für den ein dauerhafter Friede nur existieren konnte, wenn es sich um einen organisierten allgemeinen Frieden handelt8. Es durfte kein Friede sein, der sich auf die maßlosen Kriegszielkataloge stützte, die im Vorfeld bzw. während des Krieges in den kriegsführenden Staaten entstanden sind. Hier liegt das Problem, da mit dem Ausschluss der Verlierermächte von den Friedensverhandlungen und der Völkerbundsgründung die Nachkriegsordnung die deutliche Handschrift der Sieger bekam und so sofort das integrierende Element verlor. It seemed that the League was built up „not so much to keep peace but to keep a specific-peace to legitimize and stabilize a particular world settlement based upon victory”9.

Die Arbeit der Völkerbundkommission war sehr stark dadurch beeinträchtigt, dass zwar der Wille vorherrschte, einen Völkerbund zu gründen, dabei das einende, integrierende Konzept aber fehlte. Obwohl in diesem kleinen Gremium Verbündete sich gegenüber saßen, bestach die Kommission nicht durch Homogenität. Jede Großmacht hatte sein eigenes Konzept eines Völkerbundes. Frankreich sah im Völkerbund eine Möglichkeit, den Status Quo in Europa zu festigen und, getrieben von ihrem Sicherheitsstreben, den angestrebten Pakt mit den USA und Großbritannien zu zementieren. Großbritannien dagegen definierte den Völkerbund lediglich als eine Staatenkonferenz. Die USA und vorne an Woodrow Wilson verfolgten schließlich einen Völkerbund auf der Grundlage der 14 Punkte. Für sie sollte die neu zu schaffende Organisation der Eckpfeiler zur Friedensregelung werden10. Durch diese divergierenden Auffassungen konnte die Kommission keinen gemeinsam getragenen Entwurf durchsetzen. Man einigte sich auf einen Kompromiss, der im Ergebnis nichts mehr mit dem Wilson-Konzept gemeinsam hatte, sondern es wurde ein Völkerbund geschaffen, der durch Konzessionen und Zugeständnisse von Beginn an aufgeweicht war11. Deutlich wird hierbei, dass sich zwischen Kriegsende und Friedenskonferenz innerhalb kürzester Zeit ein grundlegender Wandel vollzog. Während des Krieges waren die USA als Führungsmacht unbestritten und Wilsons Friedensmodell stand außerhalb der Kritik. Dies war aber auch nur solange der Fall, wie der Krieg andauerte, denn mit Kriegsende änderte sich dieses. Sowohl öffentliche Meinung wie auch die Verbündeten selbst fingen an, Wilsons Modell kritisch zu sehen. Jeder Staat verfolgte wieder seine eigene Politik, denn mit denen im Krieg geäußerten Forderungen geriet unweigerlich jede Nation unter öffentlichen Zugzwang12.

Auf der einen Seite stand also nun die Errichtung eines dauerhaften Friedens, auf der anderen Seite die Befriedigung staatlicher Interessen.

Vor allem die zweite Seite machte eine Etablierung des Völkerbundes im internationalen Konzert sehr schwer, denn dieser ist in eine Zeit geboren worden, in denen Kriegsziele und partikulare Interessen genauso viel zählten wie seine Gründung selbst. Gerade aus diesem Grund stand oder fiel das System mit der Person Wilson. Im Gegensatz zu den europäischen Staaten wollte die USA nicht Siegerinteressen durchsetzen, sondern erfüllt von einem Sendungsbewusstsein eine Nachkriegsordnung nach liberalen Werten13. Aufgrund dessen mag es verständlich sein, warum Wilson zunächst, mit Verweis auf die gefährdete Völkerbundsidee, auf ein konkretes Konzept verzichtete14. Umso mehr ist es aber nicht zu verstehen, warum dann Wilson mit einer enormen Hast den Völkerbund durchsetzte und ein System mit Geburtsfehlern akzeptierte und die Welt völlig unvorbereitet auf ein derartig revolutionäres System losließ15.

Was ebenso als Problem definiert wurde, ist, dass es die Welt bis zum heutigen Zeitpunkt nicht geschafft hat, Nachkriegspsychologie mit Friedenszeitpsychologie zu verbinden. Was 1919 deutlich wurde, ist, dass es zwar vielfältige und detaillierte Entwürfe gab, wie eine neue Weltordnung aussehen sollte, aber es an der Verwirklichung scheiterte. Das Dilemma war, dass nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges die siegreichen Nationen nach den Früchten des Sieges gierten, um den neuen Status quo und die Verschiebung der Mächtebeziehungen zu sichern und festigen.16 Die Staaten waren unter Zugzwang, da sie nicht nur den Frieden sondern mit Kriegszielprogrammen das gesamte Nachkriegsbild vorformten. Die öffentliche Meinung rief nun nach Einlösung der Versprechen17. Als Beispiel ist hier die Reparationsproblematik oder die territoriale Neuformung Mittel- und Osteuropas zu nennen.

Die Völkerbundsatzung trat am 10.01.1920 in Kraft. Sie wurde mit Verweis auf sein fragiles Gebilde in die Pariser Friedensverträge an erste Stelle eingefügt, da man sich auf diese Weise ein Zustandekommen des Völkerbundes versprach. Es sollte so die Zustimmung zur Völkerbundsatzung sichergestellt werden, da mit Ratifizierung der Friedensverträge gleichzeitig auch die Satzung angenommen wurde. Es wurde jedoch verkannt, welche schwere Bürde man dem Völkerbund auf diese Weise auflud, da vor allem in den Verliererstaaten (insbesondere Deutschland) der Friedensvertrag als Siegfriede angesehen wurde. Die gleichzeitige Verknüpfung wird daher in der Forschung als friedensverhindernd angesehen18.

3. Der Völkerbund

Der Völkerbund in seiner rechtlichen Natur stellte einen intergouvernementalen Staatenbund dar. Es handelte sich nicht um eine Weltregierung sondern um eine Organisation mit Staaten als Mitglieder. Vertreten wurden diese Staaten nicht durch direkt gewählte Personen sondern durch Diplomaten oder Regierungen. Der Völkerbund war ausgestattet mit drei Hauptorganen und zwar der Bundesversammlung, dem Rat und dem Sekretariat.

Jeder Staat übernahm mit dem Beitritt zum Völkerbund Pflichten, wie z.B. die Garantie der territorialen Integrität und die politische Unabhängigkeit eines jeden Mitgliedstaates oder die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung, behielt jedoch immer seine volle Unabhängigkeit.

3.1 Mitgliedschaft

Zu Beginn seiner Existenz bestand der Völkerbund nicht, wie sein Anspruch war, aus allen Staaten der Welt sondern nur aus den Signatarstaaten der Pariser Friedensverträge und 13 weiteren neutralen Staaten. Diese Staaten waren im Völkerbund als ursprüngliche Mitglieder bekannt. Sie unterschieden sich von den später beigetretenen Staaten, da sie weder eine 2/3-Mehrheit in der Bundesversammlung für ihren Beitritt benötigten, noch ihre Mitgliedschaft von der Unterwerfung unter vom Bund festgesetzten Rüstungsbestimmungen abhing. Diese Praxis zeigt, dass es von vornherein zwei Klassen von Mitgliedern im Völkerbund gab und keine volle Gleichberechtigung unter den Staaten existierte. Dieser Punkt ist zwar kein Grund für das Scheitern des Völkerbundes, für das Ansehen des Völkerbundes in der Öffentlichkeit aber durchaus mitentscheidend.

In der Anfangszeit des Völkerbundes sollte nach Wilson auch die Mitgliedschaft von der „Freiheit der Völker“ und der „Verantwortlichkeit der Regierungen“ abhängig sein19. Er vertrat die Ansicht, dass Demokratien friedvoller sind als Autokratien20. Dieses Prinzip wurde jedoch nie verwirklicht, da schon mit der Aufnahme des absoluten Königtums Siam ein nicht demokratischer Staat Völkerbundmitglied wurde. Die Völkerbundstaaten sahen im Streben nach Universalität ein höheres Ziel als das Festhalten an demokratischen Prinzipien.

Auf diese Weise wurde damit gleichzeitig die Doktrin preisgegeben, die das Gelingen des Völkerbundes von der „parallelen freiheitlichen Ausgestaltung des politischen Lebens“ in den Mitgliedsstaaten abhängig machte21.

Dies zeigt den Zwiespalt, in dem sich der Völkerbund zu Beginn befand. Als Ziel hatte sich der Völkerbund die Abschaffung des Bündnissystems der Vorkriegszeit gesetzt. Dieses war jedoch nur erreichbar, wenn von Beginn an weltweit alle Staaten im Völkerbund vertreten waren und so die neue Ordnung zum Durchbruch verhalf. Gleichzeitig würden aber neue Probleme erwachsen, wenn im Völkerbund Staaten vertreten sein würden, die grundverschiedene Politikauffassungen verfolgten. Dieses Problem wird deutlich, wenn man den Völkerbund in der Zeit ab 1930 betrachtet. Diktaturen wie in Deutschland und Italien wandten sich offen von den Idealen des Völkerbundes ab und verfolgten eigene Ziele wie Aufrüstung oder Expansionspolitik, die absolut konträr waren zum Völkerbund22. Am eindringlichsten wird dies durch folgendes Zitat deutlich: „Wo Marschstiefel mit den dazugehörigen Gesängen durch die Straßen hallen, bleibt für das vorsichtige Verhalten auf diplomatischem Parkett nichts mehr übrig“23

3.2 Universalität

Wie zuvor schon erwähnt, war die fehlende Universalität ein Grundproblem des Völkerbundes. Deutschland wurde wie den anderen vier Verlierermächten des Ersten Weltkrieges Österreich, Ungarn, Bulgarien und Türkei die Aufnahme in den Völkerbund verwehrt. Begründet wurde dieses Vorgehen seitens der Alliierten mit der fehlenden Gewähr für das aufrichtige Einstehen der Verlierermächte für die Verpflichtungen, die eine Mitgliedschaft im Völkerbund mit sich bringt. Man wollte die Gründung des Völkerbundes nicht mit der Aufnahme von aus alliierter Sicht kriegsverursachenden Staaten gefährden. Für Frankreich grenzte es an eine Immoralität, wenn der Völkerbund Staaten aufnehmen würde, die die Menschheit in den Krieg gestürzt hatten, und dem Völkerbund nun jeglichen Beweis für die Aufrichtigkeit und ihren Willen schuldig blieben, ihre Friedensbedingungen zu erfüllen.24

Stattdessen wurde den vier Verliererstaaten lediglich nach einer Zeit der Bewährung eine Aufnahme in den Völkerbund in Aussicht gestellt. Dieses Vorgehen und die Tatsache, dass der Völkerbund mit Aufgaben aus den Pariser Friedensverträgen betraut wurde, hat dazu geführt, dass dieser nie in den Verliererstaaten (insbesondere in Deutschland) den Charakter eines „Bund[es] zur Erzwingung des Friedens“25 erhalten hat, sondern vielfach der Völkerbund als „Friedensexekutionsorgan der Siegermächte“26 angesehen wurde.

Ebenso fehlte zu Beginn des Völkerbundes die Sowjetunion als weitere Großmacht im Völkerbund. Auf der einen Seite lag dies an den unsicheren Umständen zur Zeit der Völkerbundgründung (Revolution + Bürgerkrieg) und der Angst der Friedensmacher vor der russischen Gefahr27, auf der anderen Seite nach der Revolution an den vollkommen divergierenden Politikverständnissen, da die Sowjetunion im Völkerbund eine Organisation von Reaktionären und eine Koalition von Kapitalisten sah28. Erst 1934 trat die Sowjetunion aus Sicherheitsgründen dem Völkerbund bei, jedoch nicht, weil sich ihre Politik grundlegend gewandelt hatte, sondern weil sie Schutz suchte vor einem wiedererstarkenden Deutschland.

3.3 Austritt

Ein Satzungspassus, der absolut konträr zum Universalitätsstreben des Völkerbundes stand, war die Möglichkeit eines jeden Mitgliedstaates, nach einer zweijährigen Kündigungsfrist aus dem Völkerbund auszutreten29. Ursprünglich war diese Möglichkeit gedacht als Druckmittel der kleinen Staaten gegen die Großmächte. Jedoch eröffnete dieser Satzungsartikel jedem Mitglied das Recht, sich jederzeit der Kompetenz des Völkerbundes zu entziehen. Die Folge war eine ständige Mitgliederfluktuation im Völkerbund und ein Nicht-Erreichen des Zieles Universalität.

Besonders deutlich wurde dieses Dilemma im Konflikt des Völkerbundes mit Japan 1931 (Mandschureikrise). Japan entzog sich durch Austritt dem Einfluss des Völkerbundes und damit auch den Verpflichtungen und Prinzipien, die mit der Mitgliedschaft verbunden waren. Mit dem Austritt endete die Verbindung zwischen Völkerbund und Japan und so auch die Arbeit des Völkerbundes. Gemäß Satzung hätten zwar die Völkerbundstaaten weiterhin die Möglichkeit gehabt, als kollektiver Staatenbund zu intervenieren, jedoch verweigerten sie nun ein weiteres Engagement.

Allgemein bedeuteten die Austritte auch noch mehr für den Völkerbund. Sie zeigten die Auflösungserscheinungen dieser Organisation und die zunehmende Ausschaltung des Bundes in der internationalen Politik30. In den 1930er Jahren verließen der Reihe nach die Hauptmächte Japan (1931), Deutschland (1936) und Italien (1937) den Völkerbund und machten auf diese Weise ihre Einstellung zum Völkerbund deutlich. Schließlich vollzogen darüber hinaus in der Zeit von 1936 – 1939 insgesamt zehn Staaten den Austritt aus dem Staatenbund.

4. USA

Die USA traten 1917 auf Seiten der Entente-Mächte in den Ersten Weltkrieg ein. Es herrschte die Ansicht vor, dass nur mittels der USA dieser endlos scheinende Stellungskrieg zu einer Entscheidung geführt werden konnte. Entsprechend war das Ansehen der USA in Europa. Der Kriegseintritt weckte die große Hoffnung, schnell den Krieg zu beenden und Frieden zu schaffen31. Aufgrund dieser Vorschußlorbeeren war es fast schon eine natürliche Aufgabe, dass die USA Prinzipien für eine Nachkriegsordnung aufstellte. Sie war in ganz Europa als moralische Instanz anerkannt, denn im Gegensatz zu den europäischen Großmächten war die USA ohne Mitschuld am Krieg32.

Die USA und ihr Präsident Wilson sahen in der Kriegsbeteiligung jedoch noch mehr. Für sie bedeutete der Kriegseintritt gleichzeitig einen Kreuzzug für eine neue Weltordnung. Diese Ordnung sollte den Prinzipien des liberalen Friedensmodells folgen. Wilson wurde der dominierende Faktor in Bezug auf die ideologische Ausgestaltung dieses Modells. Auf der Friedenskonferenz in Paris gelang es Wilson auch, sein Konzept einer Friedensordnung mit der Gründung des Völkerbundes durchzusetzen, jedoch nur durch zahlreiche Zugeständnisse an die anderen beteiligten Nationen (vor allem an GB und Frankreich). Die Völkerbundsidee wurde nicht in Reinform durchgesetzt und produzierte so von Grund auf, wie zuvor schon erläutert, neue Probleme. Die Folge war, dass die USA nicht dem Völkerbund beitrat. Begründet wurde dies zum einen mit amerikanischen Vorbehalten gegenüber Europa. Es gab Zweifel, ob die europäischen Staaten aus dem fürchterlichen Krieg Lehren ziehen würden, da mit Ende des Krieges ein sofortiger Rückfall in nationale Egoismen zu beobachten war und so die Nachkriegszeit vergiftete. Zum andern ist die USA dem Völkerbund nicht beigetreten, da mit Verweis auf die Monroe-Doktrin es Befürchtungen gab, dass sich konträr zu dieser Doktrin außeramerikanische Staaten gestützt auf die Völkerbundsatzung in inneramerikanische Angelegenheiten einmischen könnten.

Das Ergebnis war verheerend. Mit Fernbleiben der USA verlor der Völkerbund seinen größten Verfechter. Der Völkerbund startete von Beginn an geschwächt. Dazu schreibt der ehemalige britische Premierminister Lloyd George33 in seinen ‚Memoirs of the Peace Conference’, dass mit dem Verlust der USA „50 % der Macht und des Einflusses des Völkerbundes verlorengegangen seien”34.

Der Völkerbund stand mit dem Fernbleiben der USA ohne entschlossene Führungsmacht dar. Dieses sollte zum Grundproblem für die neue Organisation werden, da dieses Führungsvakuum nie durch eine andere Großmacht wie Großbritannien oder Frankreich geschlossen werden konnte.

Frankreich bemühte sich anhand der Völkerbundsatzung den Status quo in Europa und seine Hegemonie über Kontinentaleuropa aufrechtzuerhalten und so sein Streben nach Sicherheit zu festigen. Großbritannien dagegen bemühte sich, eine französische Hegemonie über Kontinentaleuropa zu verhindern und verfolgte stattdessen eine Annäherung an die Verliererstaaten (insbesondere ökonomisch). Als Deutschland 1926 dem Völkerbund beitrat, war dies vor allem mit dem deutschen Streben nach Revision verknüpft. Deutschland bemühte sich um Annäherung an die Völkerbundsmächte, um sich so Möglichkeiten zur Revision der Versailler Friedensverträge zu verschaffen.

Was allgemein deutlich wird, ist hierbei, dass keine Nation einen Völkerbund aus Sicht Wilsons verfolgte, sondern hauptsächlich eigene Interessen.

5. Parallelorganisationen

Ein Problem, welches ebenfalls als bedeutend für die Schwächung des Völkerbundes angesehen wurde, war, dass der Völkerbund keine Universalität im Bereich der internationalen Organisationen beanspruchen konnte. Der Völkerbund hatte während seiner gesamten Existenz durchweg mit Parallelorganisationen oder Abkommen zu kämpfen. Dabei wäre es für den Völkerbund von allergrößter Bedeutung gewesen, gegenüber anderen Organisationen seinen Geltungsvorrang deutlich zu machen35.

Schon zu Beginn seine Existenz gab es mit den alliierten Nachkriegsorganen „Botschafterkonferenz“ und „Obersten Rat“ zwei Organisationen, die im Prinzip die Themen behandelten, die in den Bereich des Völkerbundes gehörten. Diese alliierten Organisationen behielten jedoch völlige Unabhängigkeit. Dadurch wurden Probleme und auch friedensgefährdende Konflikte wie der Ruhrkampf oder die Reparationsproblematik außerhalb des Völkerbundes behandelt und somit nach Vorkriegsvorbild durch Diplomatie gelöst. Durch dieses Bild wird deutlich, dass es dem Völkerbund von Grund auf nie gelang, seine neue Form der Zusammenarbeit durchzusetzen bzw. sich nicht gegen andere Formen der Zusammenarbeit durchsetzen konnte. Der Völkerbund wurde degradiert36 und es wurde nicht mit der Vergangenheit gebrochen. Ein ähnliches Beispiel für Diplomatie außerhalb des Völkerbundes war der Vertrag von Locarno 1925 oder der Briand-Kellogg-Pakt zur Kriegsächtung von 1928, der sogar einen zweiten Lösungsansatz zur Vollendung des Weltfriedens schuf37.

6. Das System der kollektiven Sicherheit

Die Hauptaufgabe des Völkerbundes lag darin, Frieden in der Welt zu schaffen und diesen für die Welt zu sichern. Es wurde versucht, mittels neuer Wege mit der Vorkriegszeit zu brechen, indem ein System der kollektiven Sicherheit geschaffen wurde, in dem die Mitgliedsstaaten sich Pflichten unterwarfen (Garantie der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit, Gebot zur friedlichen Konfliktlösung) und dafür im Gegenzug kollektive Sicherheit erhielten. Hierbei sind drei Punkte bei der Analyse des Sicherheitssystems als wesentlich anzusehen: Abrüstung, das relative Kriegsverbot und das Sanktionssystem des Völkerbundes.

6.1 Abrüstung

Das Problem der Abrüstung war eines der zentralen Friedensaufgaben des Völkerbundes38. Die Gründerväter sahen im Wettrüsten der Vorkriegszeit eine entscheidende Ursache für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges39. Aus diesem Grund sah man in der Herabsetzung der nationalen Rüstung ein Erfordernis zur Aufrechterhaltung des Friedens40. Jedoch war die Umsetzung dieser Erkenntnis mangelhaft, da die Völkerbundsatzung weder das Maß noch das Tempo der Abrüstung konkret festsetzte und lediglich die Mitgliedsstaaten allgemein zum Rüstungsabbau aufforderte41. Es wurden weder ein konkreter Lösungsansatz noch genaue Angaben zur Abrüstung gemacht. Der Völkerbund sollte zwar für jeden Staat Pläne zur Abrüstung erarbeiten, jedoch blieb die Entscheidung und Umsetzung im Kompetenzbereich jedes einzelnen Staates. Bei einer 1921 abgehalten Umfrage des Völkerbundes stahlen sich die meisten Völkerbundstaaten auch aus ihrer Verantwortung, indem sie Abrüstung mit Hinweis auf ihre nationale Sicherheit ablehnten42. Stattdessen wurde eine Politik verfolgt, die Abrüstung als Konsequenz einer funktionierenden Sicherheitsordnung sah und nicht als ersten Schritt zur Entwicklung des Systems der kollektiven Sicherheit43. Vor allem Frankreich verfolgte eine Politik der Nicht-Abrüstung, da es mit Blick auf das Trauma „Erster Weltkrieg“ und ihrem in der Nachkriegsordnung ungenügend befriedigten Sicherheitsgefühl nicht auf ihr militärisches Übergewicht gegenüber Deutschland verzichten wollte, solange keine zusätzlichen Sicherheitsgarantien durchgesetzt wurden44.

Ergebnis war, dass es zu einem ständigen Konflikt zwischen Deutschland und den nicht abrüstungswilligen Staaten kam. Deutschland und die übrigen Mittelmächte sahen sich zunehmend diskriminiert, je länger die Völkerbundstaaten eine allgemeine Abrüstung verhinderten, da sie durch die Pariser Friedensverträge zur Abrüstung gezwungen wurden. Dieses Ungleichgewicht führte zur dauernden Forderung nach Revision.

Die 1932 stattfindende Abrüstungskonferenz zeigte schließlich das ganze Dilemma der Abrüstungsproblematik. Sie fand nicht statt, da sich die teilnehmenden Staaten plötzlich zu einer allgemeinen Abrüstung entschlossen hatten, sondern aufgrund von weltweiten öffentlichen Drucks. Die öffentliche Meinung bestand auf die Einlösung des in Artikel 8 der Völkerbundsatzung niedergelegten Abrüstungspostulats und propagierte dieses offensiv nach Außen45.

Die Abrüstungskonferenz wurde zuvor schon sieben Jahre lang mehr oder minder mangelhaft durch eine „Vorbereitende Kommission“ des Völkerbundes vorbereitet. Das Ergebnis dieser Kommission war lediglich ein Abschlußbericht, der als Arbeitsgrundlage für die Abrüstungskonferenz dienen sollte, der mehr Lücken und Widersprüche enthielt als Punkte, über die Einigkeit herrschte46.

Als nun die Abrüstungskonferenz schließlich 1932 stattfand, scheiterte sie von Grund auf am mangelnden Willen jedes Teilnehmers, diese Konferenz zum Erfolg zu führen47. Auf der einen Seite konnten sich die Siegermächte nicht auf eine gemeinsame Abrüstungspolitik einigen, auf der anderen Seite verfolgte Deutschland strikt eine Politik der Revision. Wenn man nun diese beiden Blöcke im Klima des Jahres 1932 sieht, wird schnell klar, weshalb keine Seite von der seiner Position abwich. Frankreich schottete sich ab, da es eine nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland befürchtete. Deutschland hingegen sah in dieser Politik immer mehr einen Grund, Gleichberechtigung zu fordern, was zur Folge hatte, dass die Konferenz während der gesamten Zeit keine merklichen Fortschritte erzielte. Im Ergebnis endete die Konferenz damit, dass mit der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 Deutschland diese und darüber hinaus den Völkerbund verließ. Auslöser war erneut eine scheinbare Diskriminierung, da Deutschland, trotz des Angebotes zur Aufrüstung seines Heeres, immer noch bestimmte Waffen verweigert wurden. Mit dem Austritt waren die Abrüstungsbemühungen am Ende und aus dem Abrüstungsziel wurde mit dem Aufrüstungsangebot an Deutschland ganz offen ein Aufrüstungsziel48. Die Ideale des Völkerbundes wurden öffentlich preisgegeben.

6.2 Das relative Kriegsverbot und das Sanktionssystem

Die Völkerbundsatzung garantierte jedem Mitgliedsstaat die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit gegen jeden äußeren Angriff (Artikel 10). Jeder Krieg und jede Kriegsbedrohung wurde zu einem Fall des ganzen Völkerbundes (Artikel 11). Die Mitglieder verpflichteten sich bei Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren, einem gerichtlichen Verfahren oder einer Prüfung durch den Völkerbundrat zu unterwerfen und nicht vor Ablauf des Verfahrens und anschließender 3-Monatsfrist zum Kriege zu schreiten (Artikel 12).

Diese Satzungsvereinbarungen klangen sehr weit reichend, doch enthielten sie zahlreiche Mängel. Zwar sollte jeder Konflikt theoretisch vor dem Völkerbund behandelt werden, doch schon 1920 mit dem türkisch – armenischen Konflikt verweigerte der Völkerbund seine Zuständigkeit. Die Satzung bot nur Garantie gegen äußere Aggressionen und selbst dann wurde „Krieg“ nicht völlig ausgeschlossen. Innere Auseinandersetzungen oder Revolutionen fielen nicht in den Tätigkeitsbereich des Bundes. Die Satzung enthielt kein absolutes Kriegsverbot, sondern Unterschied lediglich zwischen erlaubten und unerlaubten Kriegen49. Wenn im Völkerbundrat im Zuge der Streitschlichtung kein einstimmiges Votum zum Schlichtungsvorschlag erreicht wurde, so konnte jede Streitpartei legal nach einer 3-Monatsfrist in den Krieg schreiten. Der Völkerbund hatte demnach im zentralen Satzungsbereich sichtbare und entscheidende Mängel und bot nur unzureichend Schutz gegen Aggressionen. Allgemein gesagt fehlte dem Völkerbund das obligatorische Element, das Krieg vollkommen ausgeschlossen hätte50.

Als Rückgrat für das relative Kriegsverbot wurde deshalb mit Artikel 16 die Satzung erweitert, da die Möglichkeit bestand, mittels Sanktionen dem kollektiven Sicherheitssystem Nachdruck zu verleihen51. Nach Hermann Weber hingen von diesem System Glaubwürdigkeit und Effizienz des Systems der kollektiven Sicherheit ab, denn mit dem Sanktionsrecht wurde eine neue Qualität in der Staatenordnung geschaffen. Das Recht auf freie Kriegsführung wurde in Frage gestellt52. Voraussetzung für die Sanktionsanwendung war, dass unter Verletzung der Völkerbundsatzung53 ein Mitgliedsstaat einen Krieg begann. Daraus folgte in der Theorie die sofortige Sanktionspflicht, nämlich zunächst in Form eines Wirtschaftsembargos. Schließlich konnten die Sanktionen noch ausgeweitet werden bis hin zu militärischen Maßnahmen oder am Ende der Ausschluss des Aggressors aus dem Völkerbund. Jedes Bundesmitglied war dabei zur Sanktionsausübung verpflichtet, denn es galt das Prinzip: „Einer für alle, alle für einen54 “.

In Realität jedoch hat der Völkerbund nur einmal den Sanktionsartikel angewandt und zwar während des italienisch-abessinischen Konflikts 1935/36. Als Italien unter Missachtung der Völkerbundsatzung in Abessinien einmarschierte, wurden umgehend, vor allem aufgrund eines vorherigen öffentlichen Drucks, seitens des Völkerbundes Sanktionen angeordnet. Zum ersten Mal einigten sich Großbritannien und Frankreich, von diesem Passus Gebrauch zu machen. Bei vorherigen Konflikten wurde immer Abstand von Sanktionen genommen, da die Angst vor einer Ausweitung und Eskalation des Konfliktes überwog. Auch bei diesem Konflikt wurde dieses Hemmnis deutlich. Zwar einigten sich die beiden Großmächte auf Durchführung von Wirtschaftssanktionen, gleichzeitig einigte man sich aber in Vorkriegsmanier in Geheimdiplomatie, auf militärische Sanktionen zu verzichten. Im Ergebnis blieben die Sanktionen wirkungslos, da sie nur halbherzig durchgeführt wurden und ihre Wirkung verloren, als ein britisch-französischer Geheimplan zur Lösung des Konfliktes öffentlich wurde. Dieser Plan sah eine Aufteilung Abessiniens zugunsten Italiens vor und war mit den Prinzipien des Völkerbundes überhaupt nicht in Einklang zu bringen. Auch wenn dieser Plan scheiterte, so wurde trotzdem nicht weiter gegen den Aggressor Italien vorgegangen, so dass die Sanktionen wirkungslos verpufften und nach der Annexion Abessiniens durch Italien sogar zurückgenommen wurden.

Die Folgen dieses Präzedenzfalles waren für den Völkerbund katastrophal und fatal zugleich. Die Hauptmächte des Völkerbundes, Frankreich und Großbritannien, offenbarten mit ihrem Handeln eine dem Völkerbund vollkommen entgegengesetzte Politik und zerstörten damit irreparabel ihr Ansehen55. Zwar ist im Hinblick auf die Zeit, das Verhalten dieser Staaten zu verstehen, da man Italien nicht in die Hände Hitlers laufen lassen wollte und es als Garantiemacht der Locarno-Verträge unverzichtbar war56, jedoch opferte man damit Stück für Stück die Ideale des Völkerbundes. Es wurde offen gezeigt, wie die Völkerbundsmächte mit expansionistischer Politik umgingen und wie stark sie von den Möglichkeiten der Völkerbundsatzung und der Möglichkeit, kollektiv zu handeln, Gebrauch machten. Der Völkerbund verlor auf diese Art seine Funktion und wurde Stück für Stück funktionsentleert57. Die Errungenschaften der neuen Ordnung wurden den Prinzipien der Zeit vor 1918 (Geheimdiplomatie, Grenzziehung auf Kosten des Selbstbestimmungsrechts) preisgegeben58.

7. Fazit

Der Völkerbund versagte bei seiner Aufgabe, Frieden zu wahren und Konflikte zu lösen59. Einerseits ist der Grundstein für das Scheitern schon in seiner Entstehungsgeschichte zu sehen, da das integrierende Konzept fehlte, die Welt nicht vorbereitet war auf eine derartig revolutionäre Organisation und führende Staaten immer noch in ihrer alten Politik gefangen waren. Auf der anderen Seite scheiterte der Völkerbund aufgrund der mangelhaften praktischen Umsetzung seiner Satzung. Das System der kollektiven Sicherheit wurde nicht, wie es die Satzung vorsah, in die Praxis umgesetzt. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten versperrte sich einer allgemeinen Abrüstung, obwohl allen Seiten die Signalwirkung eines solchen Vorgehens bekannt war. Die Möglichkeit, Friedensbrechern mit Sanktionen zu begegnen, wurde nur halbherzig verfolgt. Die Außenwirkung, wie die Weltgemeinschaft auf Krieg reagieren würde, wäre ein deutliches Signal für jeden Friedensbrecher gewesen, hätten die Mitgliedsstaaten konsequent und von Anfang an diese Strafmöglichkeit genutzt. Hierzu fehlte vielleicht die Erfahrung der Staatenwelt, da der Völkerbund ohne Vorbild gegründet wurde, jedoch waren die Konsequenzen fatal, ebenso wie das Fernbleiben der USA als Führungsmacht und ideeller Vordenker oder die durchweg fehlende Universalität.

Allgemein ist zu sagen, dass die festgefügte, unabänderliche, einförmige und traditionelle Unabhängigkeit der internationalen Politik unterschätzt wurde. Statt etwas Neues zu entwickeln, bestach der Völkerbund durch Kontinuität alter Strukturen60. Er war aber nicht von Grund auf zum Scheitern verurteilt. Aufstieg und Fall einer jeden Organisation ebenso wie seine Bedeutung sind ultimativ mit der Teilnahme der Diplomaten und Staaten an dieser verbunden61. Der Völkerbund scheiterte vor allem daran, dass sich seine Mitglieder einer Mitarbeit entzogen und sie nicht bereit waren, ihre Verpflichtungen zu erfüllen und ihren Erfolg zu gewährleisten62. Ich denke, der Völkerbund hätte eine Chance gehabt, wenn alle Staaten für ihn eingetreten wären und, anstatt nationaler Interessenspolitik zu folgen, Völkerbundpolitik betrieben hätten.

Für diesen Schritt war die Welt noch nicht bereit.

8. Quellen- und Literaturverzeichnis

8.1 Quellenverzeichnis

Deutsche Liga für den Völkerbund: Memorandum zur Vertrauenskrise des Völkerbundes, Berlin 1932.

8.2 Literaturverzeichnis

Baumgart, Winfried: Vom Europäischen Konzert zum Völkerbund. Friedensschlüsse und Friedenssicherung von Wien bis Versailles, Darmstadt 1987.

Claude, Ines L.: Swords into Ploughshares. The problems and progress of international organization, New York4 1971.

Guggenheim, Paul: Der Völkerbund. Systematische Darstellung seiner Gestaltung in der politischen und rechtlichen Wirklichkeit, Leipzig 1932.

Lange, Birgit: Medienpolitik des Völkerbundes, Konstanz 1991.

Moess, Walter: Organisierter Friede. Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen, Ein didaktischer Entwurf, Osnabrück 1971.

Niedhart, Gottfried: Internationale Beziehungen 1917 – 1947, Paderborn 1989.

Pfeil, Alfred: Der Völkerbund. Literaturbericht und kritische Darstellung seiner Geschichte, Darmstadt 1976.

Schücking, Walther und Wehberg, Hans: Die Satzung des Völkerbundes, Berlin 1924.

Weber, Hermann: Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen, Bonn 1987.

[...]


1 Ines L. Claude, Swords into Ploughshares. The Problems and progress of international organizations, New York4 1971, S. 41.

2 Paul Guggenheim, Der Völkerbund. Systematische Darstellung seiner Gestaltung in der politischen und rechtlichen Wirklichkeit, Leipzig 1932, S. 6.

3 Vgl. Claude, Ploughshares , S. 49.

4 Diese neun Staaten waren: Belgien, Brasilien, China, CSR, Griechenland, Polen, Portugal, Rumänien und Serbien

5 Vgl. Walther Schücking und Hans Wehberg, Die Satzung des Völkerbundes, Berlin 1924, S.138.

6 Vgl. Claude, Ploughshares , S. 48.

7 Vgl. Alfred Pfeil, Der Völkerbund. Literaturbericht und kritische Darstellung seiner Geschichte, Darmstadt 1976, S. 36.

8 Vgl. Walter Moess, Organisierter Friede. Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen, Ein didaktischer Entwurf, Osnabrück 1971, S. 39.

9 Claude, Ploughshares , S. 49.

10 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 42.

11 Vgl. Winfried Baumgart, Vom Europäischen Konzert zum Völkerbund. Friedensschlüsse und Friedenssicherung von Wien bis Versailles, Darmstadt 1987, S. 139.

12 Vgl. Ebd., S. 74.

13 Vgl. Gottfried Niedhart, Internationale Beziehungen von 1917 – 1947. Paderborn 1987, S. 12f.

14 Vgl. Guggenheim, Völkerbund, S. 7.

15 Vgl. Moess, Friede, S. 47.

16 Vgl. Claude, Ploughshares , S. 49.

17 Vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 74.

18 Vgl. Ebd., S. 140

19 Vgl. Schücking, Völkerbund, S. 181.

20 Vgl. Claude, Ploughshares , S. 51.

21 Vgl. Guggenheim, Völkerbund, S. 28.

22 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 146.

23 Moess, Friede, S. 47.

24 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 84.

25 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 138.

26 Ebd., S. 142f.

27 Vgl. Ebd., S. 96.

28 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 92.

29 Vgl. Hermann Weber, Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen, Bonn 1987, S. 29.

30 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 143.

31 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 16

32 Vgl. Ebd., S. 16f.

33 während des Ersten Weltkrieges und zur Zeit der Pariser Friedenskonferenzen britischer Premierminister

34 Zitiert nach Pfeil, Völkerbund, S. 63.

35 Vgl. Schücking, Völkerbund, S. 324.

36 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 66.

37 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 53.

38 Vgl. Deutsche Liga für den Völkerbund, Memorandum zur Vertrauenskrise des Völkerbundes, Berlin 1932, S. 11.

39 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 43.

40 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 54.

41 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 44.

42 Vgl. Schücking, Völkerbund, S. 398.

43 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 85.

44 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 45.

45 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 102.

46 Vgl. Ebd., S. 102.

47 Vgl. Ebd., S. 114.

48 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 51.

49 Vgl. Schücking, Völkerbund, S. 94.

50 Vgl. Schücking, Völkerbund, S. 93.

51 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 57.

52 Vgl. Weber, Völkerbund, S. 54.

53 Beispiel: Mitgliedsstaat schreitet gegen ein anderes Bundesmitglied in den Krieg, ohne sich zuvor einem Streitschlichtungsverfahren durch den Völkerbundrat zu unterwerfen

54 Schücking, Völkerbund, S. 617.

55 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 134f.

56 Vgl. Ebd., S. 129 i.V.m. S. 132.

57 Vgl. Ebd., S. 141.

58 Beispiel: Münchener Abkommen, 1938

59 Vgl. Pfeil, Völkerbund, S. 147

60 Vgl. Guggenheim, Völkerbund, S. 272.

61 Vgl. Claude, Ploughshares , S. 47.

62 Vgl. Moess, Friede, S. 49

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Scheitern des Völkerbundes
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V109462
ISBN (eBook)
9783640076437
Dateigröße
380 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thema des Proseminars: "Eine Welt von Feinden" - Geschichte, Wahrnehmung und Wirkung des Ersten Weltkrieges
Schlagworte
Scheitern, Völkerbundes, Proseminar
Arbeit zitieren
Bernd Sandbrink (Autor:in), 2005, Das Scheitern des Völkerbundes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109462

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Scheitern des Völkerbundes



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden