Auswirkungen der Europäischen Integration auf die Profession Soziale Arbeit in Deutschland


Diplomarbeit, 2005

80 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Motivation
1.2. Vorgehensweise und Zielsetzung

2. Begriffsbestimmungen
2.1. Europäische Integration
2.2. Profession Soziale Arbeit
2.3. Sozialpolitik
2.4. Sozialrecht
2.5. Sozialstaat
2.6. Sozialverwaltung

3. Aspekte
3.1. Die nationalstaatliche Ebene
3.1.1. Sozialpolitik in der BRD
3.1.2. Die Soziale Arbeit in der BRD
3.2. Die supranationale Ebene
3.2.1. Organe der EU und andere Akteure europäischer Sozialpolitik
3.2.1.1. Europäische Kommission
3.2.1.2. Europäischer Rat
3.2.1.3. Rat der Europäischen Union
3.2.1.4. Europäisches Parlament
3.2.1.5. Europäischer Gerichtshof
3.2.1.6. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
3.2.1.7. Ausschuss der Regionen
3.2.1.8. Sozialpartner
3.2.2. Sozialpolitik in der EU
3.2.3. Die Soziale Arbeit in der EU

4. Resümee

5. Prognose

Quellenverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1.Motivation

Da ich in meinem Hauptstudium neben dem Studienschwerpunkt Sonderpädagogik und Rehabilitation (SP REHA) den Studienbaustein interkulturelle und internationale Soziale Arbeit (BAU INT) gewählt habe und mich bereits das gesamte Studium intensiv mit sozialarbeiterischen/sozialpädagogischen[1] Themen auf der inter- bzw. supranationalen Ebene beschäftige, lag es nah auch im Diplom ein Thema zu wählen, dass über die nationalstaatlich eingegrenzte Sicht hinausreicht. Ferner habe ich mich im Studium vor allem mit den Lernbereichen Soziale Arbeit als Wissenschaft und Profession (L1) und rechtliche und administrative Grundlagen der Sozialen Arbeit (L2) beschäftigt und konnte so mein Thema weiter eingrenzen auf Fragestellungen bezüglich (der Konstituierung) der Profession unter besonderer Berücksichtigung rechtlicher Grundlagen. Auf Grund der von mir favorisierten Handlungsformen in Organisationen und im Gemeinwesen (H3), bei denen ich u.a. praxisnah in Berührung mit gesellschaftlichen und politischen Grundlagen gekommen bin, habe ich mich für ein möglichst politisch aktuelles Thema entschlossen, auch wenn dabei die Problematik entsteht, dass nicht abgeschlossene Entwicklungen in ihren konkreten Auswirkungen z.T. nur prognostiziert werden können.[2]

Aus meinem bisherigem Studium hat sich also das Thema der Diplomarbeit, Auswirkungen der Europäischen Integration auf die Profession Soziale Arbeit in Deutschland, ergeben. Diese konkrete Wahl wurde getroffen, da m.M.n. zu beobachten ist, dass viele Fragestellungen nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden können und daher ein Souveränitätszuwachs der supranationalen Ebene naheliegend ist. „Alle bisherigen theoretischen Bemühungen zum Verständnis der Sozial- und Wohlfahrtsstaatlichkeit setzen den Nationalstaat als entscheidend voraus. Die jüngste und vielleicht nachhaltigste Herausforderung des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements resultieren jedoch aus länderübergreifenden Entwicklungen : der Globalisierung der Finanzmärkte, der Verschärfung der Standortkonkurrenz unter den Staaten, der europäischen Einigung und – last but not least – dem Zusammenbruch des Ostblockes.“[3] Eine Auseinandersetzung mit dieser Ebene wird also in Zukunft noch wichtiger sein als sie bereits heutzutage ist.

Die Soziale Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ist mittlerweile in vielfältiger Hinsicht durch Rahmenbedingungen und sozialpolitische Impulse von der europäischen Ebene beeinflusst. Ebenso wirken sich auch sozialpolitische Veränderungen in Deutschland auf die Europäische Union (EU) aus.[4] Diese wechselseitigen Wirkungen sind nicht statisch, sondern verändern sich vor allem durch den Prozess des Zusammenwachsens der einzelnen Mitgliedstaaten (MS) der EU stetig. Am Beispiel Deutschlands sollen im Folgenden die einschlägigen Änderungen näher bestimmt und weitere Entwicklungen vorsichtig prognostiziert werden.

Obwohl dieser Entwicklungsgang nicht neu ist, liegen, wie Peter Schäfer, der mit den Studienschwerpunkten Sozialmanagement und Sozialadministration am Institut für Sozialpädagogik an der Universität Lüneburg lehrt, feststellt, „[…] kaum gesättigte Theoriebestände in den jeweiligen Disziplinen über den europäischen Integrationsprozeß [sic!] im Bereich von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit […]“[5] [Hervorhebungen vom Autor geändert] vor. Diese Feststellung bildet den Kern der Motivation dieser Arbeit, sich näher mit den Auswirkungen dieses Prozesses zubeschäftigen. Das Thema ist sehr aktuell, da gerade zu dieser Zeit sich die EU nicht nur durch die größte Erweiterung in ihrer Geschichte quantitativ verändert hat, sondern auch – u.a. durch die Etablierung einer gemeinsamen Europäischen Verfassung[6] – (die Möglichkeit) zu einer schwerwiegenden qualitativen Veränderung vorliegt. Diese wird voraussichtlich stark in die Souveränität der einzelnen Nationalstaaten eingreifen und so auch Rahmenbedingungen der Profession Soziale Arbeit in diesen verändern.

1.2. Vorgehensweise und Zielsetzung

Diese Ausarbeitung beginnt, nach der konkreteren Zielformulierung (1.2.) mit der Definition der Begriffe Europäische Integration, Profession Soziale Arbeit, Sozialpolitik, Sozialrecht, Sozialstaat und Sozialverwaltung (2.). Wobei jeweils insbesondere Bezug auf das Verständnis in Deutschland genommen und meist auch anhand des Beispiels der BRD gearbeitet wird. Diese Reihenfolge wurde gewählt, da zunächst der Titel der Diplomarbeit hinsichtlich seiner Intention durch die ersten beiden Definitionen deutlicher werden soll. Die Weiteren Definitionen wurden so angeordnet, da die Legislative der Sozialpolitik das Sozialrecht schafft, der rechtlich festgeschriebene Sozialstaat als Sonderform des Sozialrechtes betrachtet werden kann und die Sozialverwaltung auf der Grundlage des Sozialrechtes arbeitet. Also gewissermaßen bei jeder Definition auf Ergebnisse aus der vorherigen zurückgegriffen wird.

Anschließend folgt eine Vorstellung relevanter Aspekte der aktuellen Sozialpolitik und ihre Auswirkungen auf die Soziale Arbeit sowohl auf der nationalen (3.1.) als auch auf der supranationalen Ebene (3.2.). Wobei bei der supranationalen Ebene auch für die Sozialpolitik wichtige Organe der EU und andere bedeutende europäische Akteure vorgestellt werden (3.2.1.).

Der Einfachheit halber werden dabei im Folgenden vier verschiedene Ebenen des möglichen politischen Handelns unterschieden. Dies sind die lokale bzw. regionale Ebene, die nationale, die supranationale und die globale Ebene. Die Reduzierung auf diese vier Ebenen ist weitgehend willkürlich, da viele weitere bestimmt werden könnten, ist aber in der einschlägigen Literatur nicht unüblich und wird auch von anderen Autoren gleichermaßen vollzogen.[7] Zwischen allen Ebenen gibt es Interaktionsmöglichkeiten.

Diese Arbeit konzentriert sich auf die Auswirkungen der supranationalen auf die nationale Ebene. Von den anderen Ebenen wird weitgehend abstrahiert, obwohl diese natürlich auch Auswirkungen auf die behandelten Ebenen haben. Eine detailliertere Einbeziehung dieser würde aber den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.

Dabei wird bei der nationalen Ebene, wie bereits geschildert, anhand des Beispiels Deutschland gearbeitet; mit der supranationalen Ebene ist die EU gemeint. Die Reihenfolge, in der die beiden Ebenen behandelt werden, wurde gewählt, da einerseits anzunehmen ist, dass die nationalstaatliche Ebene bekannter ist als die supranationale, und andererseits bei ihr z.Zt. bereits eine konkretere Ausdifferenzierung vorliegt.

Die Ebenen politischen Handelns

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle : Eigenentwurf)

Anschließend werden die Beziehungen zwischen den Ebenen konkretisiert und ein Resümee bezüglich der Fragestellung, wie sich der Integrationsprozess auf die Soziale Arbeit der BRD auswirkt, gezogen (4.). Mit einer vorsichtigen Prognose für die zukünftige Entwicklung (5.) wird diese Arbeit abgeschlossen.

Der Schwerpunkt dieser Betrachtung liegt auf den diesbezüglichen rechtlichen Grundlagen und ihrer Ausgestaltung. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da die Soziale Arbeit an der Schnittstelle zu anderen Professionen, so etwa der Juristerei, zu verorten ist. Außerdem sind m.E.n. sowohl für sie selber, als auch für die Sozialverwaltung, mit der die Soziale Arbeit eng zusammen arbeitet, die rechtlichen Rahmenbedingungen fundamental. Horst Bossong, Professor für Sozialverwaltung an der Universität Duisburg-Essen, schreibt in dem Zusammenhang in seinem Buch über die Sozialverwaltung : „Indes zeigt sich, allemal in der alltäglichen Praxis, dass an [Sozial-]Verwaltung selbst diejenigen nicht vorbeikommen, die sich ideologisch motiviert jedweder Kooperation versagen wollen : Sozialstaat ist eben immer auch Verwaltungsstaat.“[8] Und ebendiese Verwaltung ist ferner wiederum auch bei jeglicher ihrer Handlungen an Recht und Gesetz gebunden.[9] Ob SozialarbeiterInnen also ohne jegliche Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Grundlagen effektiv arbeiten können, ist zu bezweifeln.

Bei dieser Diplomarbeit handelt es sich um eine Literaturarbeit, bei der versucht wird den gegenwärtigen Wissensstand in der einschlägigen Literatur darzulegen und zu verknüpfen, um mehr über die Funktionsweisen und das Zustandekommen europäischer Sozialpolitik zu erfahren. Dadurch können gegenwärtige Entwicklungsprozesse, wie etwa die Etablierung und Ausprägung der Europäischen Verfassung, besser insb. bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Arbeitsfeld von SozialarbeiterInnen eingeordnet werden.

Bei diesem Vorgehen wird lediglich auf deutsch- bzw. englischsprachige Literatur zurückgegriffen. Die deutsche Sprache wurde dabei gewählt, da die meisten relevanten Publikationen zu diesem Themenschwerpunkt naheliegenderweise in ihr verfasst sind. Ferner ist aber auch die englische Sprache relevant, da sie als „super central language“ zur deutschen fungiert und andererseits als „world language“ bezeichnet werden kann, in der die meisten (wissenschaftlichen) Ideen ausgetauscht werden.[10]

Bei dieser Arbeit kommt vor allem dem Buch „Europäische Integration und Soziale Arbeit“ von Peter Schäfer eine zentrale Bedeutung zu. Als Orientierung zum wissenschaftlichen Arbeiten dient insbesondere „Lern- und Arbeitstechniken für pädagogische Studiengänge“ von Friedrich Rost, Akademischer Rat am Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie an der Freien Universität Berlin.

Im Folgenden wird, der Lesbarkeit halber, vorwiegend die maskuline Form benutzt. Mit diesem Vorgehen soll niemand diskriminiert werden und es ist i.d.R. selbstverständlich auch der feminine Genus gemeint.

2. Begriffsbestimmungen

2.1. Europäische Integration

Da der Integrationsbegriff vor allem auch in der (Migrations-)Soziologie genutzt wird, muss sein Verständnis präzisiert werden, um so auch zum besseren Verständnis der Europäischen Integration beizutragen. Dies ist hilfreich, obwohl die Europäische Integration auf einer anderen Ebene stattfindet und Staaten zum direkten Gegenstand hat, im Gegensatz etwa zur Integration von Migranten, Menschen mit einer Behinderung etc..

In der Soziologie wird in diesem Zusammenhang insb. der zentrale Begriff der Assimilation in vielfältiger Weise und zum Teil widersprüchlich verwendet. An dieser Stelle muss es genügen beispielhaft nur drei bedeutende (historische) Vertreter anzuführen. So hat etwa Ronald Taft in seinem Stufenmodell der Assimilation von 1957 die reine Anpassung einer Einheit an die andere als monistische Assimilation bezeichnet, während er die wechselseitige Angleichung mit interaktionistische und das nebeneinander Existieren mit pluralistische Assimilation betitelt. Samuel N. Eisenstadt wiederum verwendet in seinem 1954 erschienenem Buch „The Absorption of Immigrants“ den Begriff Absorption und beschreibt ihn – vereinfacht dargestellt – analog der interaktionistischen Assimilation von Ronald Taft und des hier genutzten Integrationsbegriffes.[11] Auch Dominique Schnapper deutet den selben Prozess an, betitelt ihn aber in seinem Artikel für die European Sociology Association mit dem Begriff „assimilation“.[12]

Diese Integration, in der (mindestens) zwei Einheiten etwas gemeinsames Neues erschaffen, soll hier einerseits gegen eine enger verstandene Assimilation und andererseits einer pluralistischen Koexistenz abgrenzet werden. Während der Begriff der Assimilation weitgehend mit „[...] Angleichung [oder] Anpassung [...]“[13] synonym zu gebrauchen ist, „[...] scheint sich in der Diskussion um I[ntegration] [...] ein Konsens herausgebildet zu haben, der I[ntegration] nicht mehr als unterwerfende Anpassung (Assimilation) versteht, sondern als einen eher dialogischen Weg wechselseitiger Durchdringung [...]“[14]. Eine pluralistische Koexistenz hingegen bezeichnet – analog der pluralistischen Assimilation von Ronald Taft –, einen Zustand bei dem mindestens zwei Einheiten nebeneinander bestehen.

Der Begriff Europäische Integration wird i.d.R. nicht eigenständig definiert, sondern lediglich beschreibend für den (bisherigen) Prozess des engeren Zusammenwachsens der einzelnen MS der EU genutzt.[15] Hermann Schwengel, Direktor des Instituts für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität, bezeichnet diesen Prozess als eine Verähnlichung der einzelnen Nationalstaaten und präzisiert : „Verähnlichung beschreibt einen eigenständigen Korridor zwischen der unwahrscheinlichen Entstehung eines europäischen Bundesstaates, in dem die Prozesse des nation building gewissermaßen eine Etage höher nachgebildet würde, und einer besseren sozialökonomischen Freihandelszone, in der pluralistische Unionsstrukturen mit nationalstaatlicher Souveränität und differenzierter Weltmarktkonkurrenz koexistieren.“[16] Wahrscheinliches Resultat der Europäischen Integration kann demnach nicht ein europäischer Nationalstaat sein, welcher die bisherigen ablöst und auf der nächst höheren Ebene neu kreiert, sondern nur ein supranationales Gebilde, das allerdings weitreichende Souveränitäten von den MS übertragen bekommt.

Eine Orientierung der einzelnen MS an den Erfahrungen jeweiliger anderer und gemeinsame Bemühungen zur Überwindung gleicher oder ähnlicher Probleme werden demnach in der EU in Zukunft zunehmen.[17]

Bei dieser Definition wird deutlich, dass sich bei der Europäischen Integration nicht einzelne MS anderen anschließen, sondern die MS gemeinsam auf einer höheren Ebene etwas Neues schaffen, nämlich die supranationale EU. Diese neune Einheit ist allerdings bereits in Ansätzen vorhanden. Die Bildung „[...] einer [vollkommen] neuen Einheit heißt dagegen Konstitution.“[18] Durch die Europäische Integration werden also vereinfacht ausgedrückt die MS in die ökonomische Wirtschaftsunion

integriert und dabei diese durch die politische Sphäre ergänzt. Die EU ist, da diese Entwicklung bereits im Gange ist, mittlerweile mehr als eine reine Freihandelszone.[19] Dieser Prozess ist allerdings nicht determiniert, das Entstehen einer Sozialunion also nur eine unter anderen Zukunftsprognosen.

Dabei sollte kritisch hinterfragt werden, ob sich alle Entwicklungen innerhalb der EU unter der oben genannten Präzisierung des Begriffs der Integration subsummieren lassen. Der im Rahmen der letzten Erweiterung getroffene Entschluss, die neuen MS zur Übernahme des bereits beschlossenen Primär- und abgeleiteten Rechts, des acquis communautaire (gemeinschaftlicher Besitzstand)[20], zu verpflichten, kann nur schwer diesem Integrationsbegriff zugeordnet werden, sondern scheint eher Assimilationswünsche widerzuspiegeln.

Zum anderen wird vor allem von Personen mit konservativen Überzeugungen gefragt, ob der Prozess der Europäischen Integration, der rückblickend als Verähnlichung beschrieben wurde, auch mit der Ratifizierung der Europäischen Verfassung noch als solche zu bezeichnen ist oder doch tendenziell Ansätze des nation building beinhaltet.

2.2. Profession Soziale Arbeit

Angelehnt an Einträgen in einschlägigen Fachlexika[21] kann Soziale Arbeit folgender Maßen beschrieben werden : Sie ist die Disziplin, Wissenschaft und Profession, die mit konkreten sozialen Problemen und der Organisation ihrer Lösungen beschäftigt ist.[22] Dabei sind unter sozialen Problemen, solche zu verstehen, die zwischen einer (marginalisierten) Gruppe oder einem (marginalisierten) Individuum und dem sie umgebenden gesellschaftlichem Umfeld herrschen und dessen Auswirkungen die Teilhabe der Gruppe bzw. des Individuums am gesellschaftlichen Leben einschränken oder zu gefährden drohen.

Die Soziale Arbeit kann sich bei der Lösung sozialer Probleme einer Vielzahl von Theorien und – daraus folgend – einer Vielzahl von Methoden bedienen.[23] Diese lassen sich grob in klientenzentrierte-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit gliedern.[24] Dabei kann sowohl am Verhalten der (marginalisierten) Gruppe bzw. des (marginalisierten) Individuums als auch an den vorherrschenden Verhältnissen des umgebenden gesellschaftlichen Umfelds angesetzt werden.[25] Diese beiden Ansätze konkretisieren sich in der praktischen Arbeit etwa im doppelten Mandat. [26]

Der Beobachtungsschwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Profession Soziale Arbeit. Also dem der Wissenschaft und Disziplin zugeordnetem Berufsfeld, in dem theoretische fundierte Erkenntnisse in praktische Arbeitsabläufe einfließen. Dabei wird an dieser Stelle weitgehend davon abstrahiert, dass der Prozess der Professionalisierung in der Sozialen Arbeit, vor allem konkretisiert in der Organisation in einem Berufsverband und der allgemeinen Akzeptanz einheitlicher ethischer Werte, in der BRD noch nicht abgeschlossen ist und einige Autoren sie daher lediglich als neue bzw. Semi-Profession bezeichnen.[27]

Auch die recht weite Definition der International Federation of Social Work (IFSW) lässt verschiedne Professionsverständnisse zu.[28]

2.3. Sozialpolitik

Der im deutschen Sprachraum verwendete Begriff der Sozialpolitik hat in andere europäische Sprachen übersetzt – z.B. social policy (engl.) oder politique sociale (franz.) – eine weitere oder engere Bedeutung.[29]

Auch in Deutschland wird ja nach politischer Weltanschauung der Begriff entweder im ursprünglichen aus der Industriellen Revolution entstammenden Sinn einer Kompensation von Problemen, die aus der Lohnarbeit resultieren, verstanden oder auch auf andere soziale Gruppen ausgeweitet und dabei von der zeitlichen Komponente abstrahiert. Generell gesagt neigen Vertreter konservativer oder liberaler Positionen eher zur erstgenannten Begriffsbestimmung und verstehen Sozialpolitik lediglich als Hilfe in akuten Notlagen, während vor allem aus sozialdemokratischer Sicht Sozialpolitik immer auch gesellschaftliche Umverteilung beinhaltet.

Auch auf der europäischen Ebene des politischen Handelns lässt sich keine einheitliche Definition erkennen, aus der hervorgeht, welche konkreten Handlungsfelder die Sozialpolitik hat.[30]

Bei dieser Arbeit soll der Begriff analog des weiteren Verständnisses angewendet werden und neben den staatlichen Interventionen, insb. durch die sozialen Sicherungssysteme, auch unternehmerische Bemühungen einschließen. Seine praktische Konkretisierung wirkt sich daher nicht nur auf den Bereich der Erwerbsarbeit, sondern auch auf die Bereiche Wohnen, Erziehung, Bildung und Gesundheit etc. aus.

Je nach gesellschaftlichem Kräfteverhältnis haben sich in den verschiedenen europäischen Nationalstaaten unterschiedliche Sozialpolitiken und daraus resultierende unterschiedliche Systeme der sozialen Sicherung entwickelt. Analog zu den Arbeitsrechten[31] lassen sich diese, angelehnt an Gösta Esping-Andersen Professor an der Pompeu Fabra Universität in Barcelona, in drei Kategorien zusammenfassen.[32]

Zum einen das liberale System, bei dem der Staat sich weitest gehend zurückhält und dem Markt die Regulation überlässt. Bei diesem, in Europa vor allem in Großbritannien ausgeprägte Modell, hat sich eine überwiegend verbandlich-privates Wohlfahrtswesen entwickelt.

Das u.a. in der BRD, Italien, Frankreich und den Niederlanden ausgeprägte konservative System zeichnet sich durch eine stärkere Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen dem ebenfalls verbandlich-privatem Wohlfahrtswesen und dem Staat aus, der ein ausgebautes Netz öffentlicher Sozialleitungen bereithält. Dieses Modell wird auch als (neo-)korporatistisch charakterisiert, obgleich es auch Positionen gibt, die diese Bezeichnung aus historischen Überlegungen als unzutreffend ansehen.[33]

Das dritte System ist in den nordischen Ländern, also u.a. Schweden, Norwegen und Dänemark ausgeprägt und kann als sozialdemokratisch bezeichnet werden. Dort sind die staatlichen Sozialleistungen am weitesten ausgebaut. Sie sind überwiegend steuerfinanziert und werden als beitrags- und einkommensunabhängige Grundsicherung ausgezahlt.

(Das targeted model, bei dem nahezu ausschließlich eine zielgerichtete Umverteilung von reichen zu ärmeren Bevölkerungsgruppen stattfindet, ist an dieser Stelle nur am Rande zu erwähnen, da es in Europa in dieser Form nicht praktiziert wird.)[34]

Vor allem seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes und des Mitte der 90er Jahre erneut einsetzenden Schubs der ökonomischen Globalisierung sind alle diese sozialen Sicherungssysteme in die Kritik geraten. In den meisten MS der EU wird zum einen versucht staatliche Leistungen einzuschränken und zum anderen (auch) die Unternehmer zu entlasten. Im Gegenzug wird verstärkt ehrenamtliches Engagement, Selbsthilfe und private Absicherung eingefordert. Die Soziale Arbeit ist daher verstärkt in die Aufmerksamkeit und unter (ökonomischen) Druck geraten, sowie insb. gefordert Klienten zu vertreten, die diesen neuen Herausforderungen nicht gewachsen sind.

Ausführlicher wird auf diesen Sachverhalt in den Unterpunkten 3.1.1. und 3.1.2. sowie 3.2.2. und 3.2.3. eingegangen.

Das System in der BRD zeichnet sich spezifisch auch dadurch aus, dass Verwaltungseinheiten der lokalen/regionalen Ebene (Kommunen) für die Ausführung der Sozialpolitik zuständig sind, aber vor allem beim Bund, also der nationale Ebene, die Gesetzgebungskompetenz liegt. Gemäß des Grundgesetzes muss den Gemeinden dabei „[...] das Recht gewährt sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“[35]. Demnach ist die lokale/regionale Ebene bei der Realisierung von Sozialpolitik insbesondere bezüglich der Organisation und Planung mit einer Reihe fundamentaler Hoheitsrechte ausgestattet. Auf Grund von Finanzknappheit erfüllen die Verwaltungseinheiten dieser Ebene allerdings meist nur die vom der nationalen Ebene erteilten Pflichtaufgaben und büßen einen großen Teil ihres Gestaltungsspielraumes ein. Vor allem Angebote, die von den Klienten nicht individuell einklagbar sind, wie in vielen Fällen zum Beispiel Beratungsstellen oder Jugendhilfeangebote, werden daher i.d.R. nicht mehr in dem Maße finanziert, wie früher.[36]

2.4. Sozialrecht

Das Sozialrecht ist nicht mit den Sozialen Rechten zu verwechseln, die im SGB I Paragraphen drei bis zehn aufgezählt sind.[37] Diese sind dort als Übersicht für die Bürger angeführt und es lässt sich aus ihnen kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Teilhabe an der staatlichen sozialen Förderung oder sozialen Sicherung ableiten. Sie sind lediglich Hilfsnormen, welche die Anspruchs- und Grundsatznormen der besonderen Bücher des SGB ergänzen. In § 1 Abs. 1 SGB I ist präzisiert, dass sie „[...] dazu beitragen [sollen], ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe abzuwenden oder auszugleichen.“

Im GG der BRD hingegen finden sich, abgesehen vom Sozialstaatsgebot, aufgrund seines liberalen Grundrechtsverständnisses keine weiteren Leistungs- oder Teilhaberechte für diesen Bereich. Das GG beinhaltet teleologisch betrachtet nämlich in erster Linie Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat.[38]

Auf der supranationalen Ebene lassen sich weitgehend analoge Reglungen in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union finden.[39]

Der hier verwendete Begriff des Sozialrecht ist in der deutschen Rechtsordnung nicht feststehend allgemein definiert. Es lassen sich vielmehr drei verschiedene Begriffsverständnisse erkennen.

Das engste ist ein rein formelles Verständni s, demzufolge umfasst Sozialrecht ausschließlich das im SGB zusammengefasste Recht inklusive seiner in § 68 SGB I aufgezählter besonderer Teile.

Das entwicklungsgeschichtliche Verständnis umschließt alle Reglungen, die zu dem System der sozialen Sicherung gehören, wie es sich aus den Reaktionen auf die Industrielle Revolution in Deutschland entwickelt hat.[40] In der Literatur wird dieses System der sozialen Sicherung standardmäßig in Sozialversicherung, soziale Entschädigung, soziale Förderung und soziale Hilfe unterschieden.[41] Zum Teil wird die soziale Förderung dabei unter den sozialen Hilfe subsummiert.[42]

Das weiteste Verständnis von Sozialrecht ist ein sozialpolitisches, bei dem Sozialrecht als das Rechtsgebiet verstanden wird, „[...] in dem sich der sozialpolitisch gewollte Ausgleich von Einkommen und Chancen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und auch innerhalb derselben in besonderer Weise und mit dem Ziel vollzieht, soziale Gerechtigkeit herzustellen und soziale Sicherungen zu garantieren.“[43] Diese Definition umschließt also neben dem SGB und seinen besonderen Teilen u.a. auch zivil- bzw. arbeitsrechtliche Reglungen.

Trotz eines mehrheitlich engeren Verständnisses wird im Folgenden letztgenannte Definition verwendet, insb. da sie am ehesten mit dem gewählten Verständnis von Sozialpolitik korreliert.

Dieser Wahl spricht nicht entgegen, dass die Leistungshöhe erbrachter Sozialleistungen, durch Gestaltungsspielräume der gewährenden Kommunen, z.T. differiert.[44] Unterschiedliche Leistungshöhen stehen weder einem gewolltem Einkommens- bzw. Chancenausgleich, noch sozialer Gerechtigkeit entgegen, da auch davon auszugehen ist, dass etwa Lebenshaltungskosten örtlich divergieren. Diese Differenzen sind auch mit dem Grundgesetz vereinbar, da der Bund, abgeleitet aus den Artikeln 72 und 106, lediglich gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen soll und keine gleichen.[45]

2.5. Sozialstaat

Als Sozialstaat ist ein Nationalstaat zu verstehen, der sich zum Ziel gesetzt hat die Verwirklichung der Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Sicherheit anzustreben.[46] Während im internationalem Sprachgebrauch die jeweiligen Begriffe für Sozialstaat bzw. Wohlfahrtsstaat meist synonym verwendet werden, wird in der deutschen Sprache der Wohlfahrtsstaat oft als umfangreicher definiert.[47] Auf diese Differenzierung wird in dieser Arbeit nicht tiefer eingegangen.

Die BRD hat in ihrem Grundgesetz das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) festgeschrieben und es durch Art. 79 Abs. 3 GG zum unveränderlichen Staatsziel erklärt. Es ist zwar nicht inhaltlich konkretisiert, bindet den Gesetzgeber aber dennoch die Erreichung sozialer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit und sozialen Ausgleiches anzustreben. Insbesondere aufgrund der kaum vorgegebene Art und Umfangs der Sozialstaatlichkeit leiteten sich aus diesem keine direkten Leistungsansprüche der Bürger gegen den Staat ab. Vielmehr muss jeweils von der Sozialpolitik definiert werden, was unter sozialer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit bzw. sozialem Ausgleich genau zu verstehen ist. Lediglich in Verbindung mit der in Art. 1 GG vorgeschriebenen Menschenwürde bzw. dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG lässt sich ableiten, dass der Staat zumindest diese beiden Mindeststandards gewährleisten muss. Dieses Handlungsgebot wird nicht nur durch das Subsidiaritätsprinzip, welches dem Bund trotz seiner Letztverantwortlichkeit vorschreibt nur aktiv zu werden, wenn er dadurch nicht kompetenten untergeordneten Einheiten ihre Arbeit entzieht, sondern wiederum durch ungenaue Definitionen erschwert. So ist auch in diesem Zusammenhang jegliches staatliche Handeln wieder abhängig von den politischen Festlegungen, was etwa ein menschenwürdiges (sozioökonomisches) Existenzminimum ist.[48]

Die z.T. spannungsvolle Beziehung zwischen den garantierten Freiheitsrechten (insb. Art. 2 GG) und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) – der vereinfacht zusammengefasst darin besteht die Freiheiten eines Einzelnen einzuschränken, um Vorteilsnahmen zu Schaden anderer zu vermeiden, ohne zu viel Zwang auszuüben – soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im sozialen Rechtsstaat (Art. 28 Abs. 1 GG) entschärft werden und reguliert staatliche Handlungen.[49]

2.6. Sozialverwaltung

„Sozialverwaltung ist die von öffentlichen Verwaltungsträgern prioritär und programmatisch auf die Ausgestaltung der Sozialpolitik bezogene Verwaltungstätigkeit. Sie umfasst alle diejenigen staatlichen und nicht-staatlichen Verwaltungsträger, die von ihrer gesetzlich definierten Aufgabenstellung her mit der Gestaltung des Sozialrechts befasst sind, soweit es sich hierbei nicht um Aufgaben der Gesetzgebung und Rechtsprechung handelt.“[50] Ihr Handlungsfokus liegt demnach auf allen Leistungen und Pflichten, die sich letzten Endes aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben[51] und es können nicht nur staatliche Träger Teil dieser Verwaltung sein, sondern auch freie oder gemeinnützige, die gesetzlich dazu (subsidiär) beauftragt wurden. Sie ist, wie bereits erwähnt, als Teil der Exekutive – der ausführenden Gewalt im Staat – gemäß der Staatsstrukturprinzipien in Art. 20 Abs. 3 GG bei jeglicher ihrer Handlungen an gesetzliche Grundlagen gebunden.

Analog zu dieser Definition der Sozialverwaltung auf der nationalen Ebene Deutschlands ist Sozialverwaltung auch auf der supranationalen Ebene zu verstehen.

3. Aspekte

3.1. Die nationalstaatliche Ebene

Im Folgenden werden zunächst relevante Aspekte der aktuellen Sozialpolitik in der BRD, im Bezug auf das hier vorherrschende (neo-)korporatistische Modell der sozialen Sicherung, vorgestellt. Anschließend werden gegenwärtige Entwicklungsprozesse nachvollzogen (3.1.1.). Dabei können die Aspekte aus Platzgründen nicht abschließend thematisiert werden.

Anschließend werden die daraus resultierenden Veränderungen für die Profession Soziale Arbeit in Deutschland beschrieben (3.1.2.). An dieser Stelle noch schwerpunktmäßig bezogen auf die nationalstaatliche Ebene des politischen Handelns, um später diese von Auswirkungen der supranationalen Ebene unterscheiden zu können.

3.1.1. Sozialpolitik in der BRD

In Deutschland hat sich historisch ein System der sozialen Sicherung entwickelt, bei dem Modelle der Sozialversicherung im Vordergrund stehen. Sie sind vor allem vom finanziellen Umfang her quantitativ wesentlich bedeutender als die vorwiegend steuerfinanzierten sozialen Hilfen, Entschädigungen oder Förderungen. Daher wird

z.T. auch von Deutschland als Sozialversicherungsstaat gesprochen.[52] Diese Ausprägung wird von vielen Autoren im europäischen Vergleich – innerhalb der in Punkt 2.3. vorgestellten Klassifizierungen – als Besonderheit beschriebenes.[53]

Die Sozialpolitik erzeugt Sicherheitsgarantien und Freiheitsversprechungen, da sie durch materielle Existenzsicherung auch Handlungsspielräume eröffnet. Dazu muss sie in einem stetigem Aushandlungsprozess einen Kompromiss zwischen einem als ausreichend empfundenen Niveau der Sozialleistungen und einer erträglichen Höhe der in erster Linie von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlten Beiträgen finden. Diese Aushandlungen schließen sowohl Diskussionen der verschiedenen staatlichen Akteure auf den Ebenen des politischen Handelns innerhalb Deutschlands, als auch Verhandlungen zwischen dem Staat und insb. den Trägern der freien Wohlfahrtspflege ein.[54]

Der Staat ist dabei „[...] – mit gewissen paternalistischen Attitüden – politischer Entscheider, Gesetzgeber, Gewährleistungsträger und teilweise auch noch Leistungserbringer.“[55] Die Bürger haben nur geringe direkte Mitentscheidungskompetenzen, aber durch das Rechtsstaatsgebot (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Rechtswegegarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) meist die Möglichkeit zu klagen.[56]

Das Sozialsystem hat sich so ausdifferenziert, dass es verschiedene Risikodefinitionen und Gerechtigkeitsvorstellungen ermöglicht. Dabei trägt es vor allem, abgesehen von den vertikalen Umverteilungsmechanismen zwischen verschiednen Einkommensschichten innerhalb der Krankenversicherung und den steuerfinanzierten Leistungen wie Sozialhilfe, Arbeits- und Ausbildungsförderung, zur Statussicherung mittlerer Einkommensschichten bei. Zentrale Grundvoraussetzungen für dieses System sind eine solidarische Unterstützung innerhalb der Ehe bzw. der Familie (horizontale Umverteilung) und ein standardmäßig vorherrschendes Normalarbeitsverhältnis.[57] Also ein Arbeitsverhältnis, welches es dem Arbeitnehmer insb. in Bezug auf Umfang bzw. Arbeitsteilung innerhalb der Familie und Entlohnung ermöglicht nicht nur sich, sondern auch ggf. vorhandene Angehörige zu versorgen und soziale abzusichern.[58] Diese Arbeitsteilung innerhalb der Familie ging traditionell i.d.R. zu Lasten der Erwerbschancen für Frauen. Der Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses auch für Männer wird daher z.T. als Feminisierung ihrer Arbeitsverhältnisse bezeichnet.[59]

Erfolge des deutschen Modells sind neben der kollektiven materiellen Absicherung (insb. von Mittelschichten), die individuell für eine annähernd große Gruppe in dieser Gesellschaft nicht zu erreichen gewesen wäre, die Legitimation von Umverteilungsmechanismen, eine finanzielle Unterstützung bei der Qualifizierung der Erwerbsbevölkerung, sowie eine höhere Akzeptanz des Staates. Dieser kann durch sein System der sozialen Sicherung nicht nur die Regenerierung der Arbeitskräfte der Arbeitnehmer und dadurch des Humanvermögens der Gesellschaft sowie eine Steigerung der Arbeitsproduktivität unterstützen, sondern auch, durch den Interessensausgleich zwischen gesellschaftlichen Schichten – Peter Schäfer spricht von einer Pazifikation der Klassengegensätzen[60] – sein eigenes Engagement rechtfertigen. Mit diesen Erfolgen ist auch die historische Stabilität dieses Systems der sozialen Sicherung zu erklären. Es ist zwar erst in der BRD in dem Maße gesetzlich verankert worden, hat aber seit seiner Etablierung im deutschen Kaiserreich sowohl die Weimarer Republik als auch das nationalsozialistische Dritte Reich in Grundzügen überdauert.[61]

Dennoch ist der deutsche Sozialstaat, ebenso wie andere europäische Modelle der sozialen Sicherung, in die Kritik geraten. Ihm wird vor allem vorgeworfen, zu unwirtschaftlich zu sein und zu starr am Normalarbeitsverhältnis festzuhalten.[62]

[...]


[1] Die Bezeichnungen sozialarbeiterisch und sozialpädagogisch werden ebenso wie die Titel SozialarbeiterIn bzw. SozialpädagogIn im Folgenden, trotz ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte, weitgehend synonym verwendet.

[2] Diese Orientierung während meines Studiums hat sich auch in der Wahl meiner Seminare, Projekte und Praktika, sowie in der Auswahl der Prüfungs- (PL) und Studienleistungen (SL) niedergeschlagen.

[3] Kaufmann, Franz-Xaver : Herausforderungen des Sozialstaates, S. 11

[4] Vgl. Schäfer, Peter : Europäische Integration und Soziale Arbeit, S. 8 f

[5] Ebenda, S. 24

[6] Vgl. Arens, Roman : EU-Verfassung unterzeichnet, o. S.

[7] Vgl. Petmesidou, Maria : Employment and labor market policies in South Europe. In : Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.) : Will Europe work ?, S. 73

[8] Bossong, Horst : Sozialverwaltung, S. 10

[9] Vgl. ebenda, S. 83 sowie Art. 20 Abs. 3 GG

[10] Vgl. Swaan, Abram de : The language constellation of the European Union. In : Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.) : Will Europe work ?, S. 170 ff und 177 f

[11] Vgl. Treibel, Annette : Migration in modernen Gesellschaften, S. 84 ff

[12] Vgl. Schnapper, Dominique : European sociology or a sociology of Europeans ?. In : Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.) : Will Europe work ?, S. 185

[13] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.) : Duden, S. 88

[14] Iben, Gerd : Integration, In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 488

[15] Vgl. exemplarisch Kobert, Heide und Rudloff, Felix (Hrsg.) : Der Fischer Weltalmanach 2005, S. 513 ff

[16] Schwengel, Hermann : Globalisierung mit europäischem Gesicht, S. 192 f

[17] Vgl. ebenda, a.a.O.

[18] Ebenda, S. 83

[19] Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.) : Globalisierung der Weltwirtschaft, S. 122

[20] Vgl. Kobert, Heide und Rudloff, Felix (Hrsg.) : Der Fischer Weltalmanach 2005, S. 519

[21] Vgl. Rauschenbach, Thomas und Züchner, Ivo : Sozialarbeit/Sozialpädagogik. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 842 ff, Staub-Bernasconi, Silvia : Soziale Arbeit. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 619 ff und Staub-Bernasconi, Silvia : Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 626 ff

[22] Vgl. Paulini, Christa : Berufliche Identität in der Sozialen Arbeit. In : Deutscher Bundesverband für Soziale Arbeit e.V. (Hrsg.) : Forum Sozial 2/2003, S. 31

[23] Vgl. Engelke, Ernst : Soziale Arbeit als Wissenschaft, S. 120

[24] Vgl. Staub-Bernasconi, Silvia : Soziale Arbeit. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 622

[25] Vgl. Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.) : Blätter zur Berufskunde, S. 9

[26] Vgl. Boogaart, Hilde van den und Rosenhagen, Günter : Doppeltes Mandat. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 151 und Merten, Roland (Hrsg.) : Hat die Soziale Arbeit ein politisches Mandat ?, S. 160 ff

[27] Vgl. Schilling, Johannes : Soziale Arbeit S. 332 ff

[28] Vgl. Engelke, Ernst : Die Wissenschaft Soziale Arbeit, S. 297 ff und 454 f

[29] Vgl. auch in Bezug auf den gesamten Unterpunkt Bellermann, Martin : Sozialpolitik. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 690 ff, Schäfer, Dieter : Sozialpolitik. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 903 f und Schulte, Bernd : Sozialpolitik, europäische. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 905 f

[30] Vgl. Bergé, Beate : Europäische Sozialpolitik. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 49

[31] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg.) : Sozial-Kompass EUROPA, S. 150 ff

[32] Andere Autoren verwenden z.T. andere Kategorisierungen. Vgl. exemplarisch Korpi, Walter : class, gender and inequality. In : Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.) : Will Europe work ?, S. 57 und 62 ff

[33] Vgl. Schwengel, Hermann : Globalisierung mit europäischem Gesicht, S. 100

[34] Vgl. auch Palme, Joakim : Will Social Europe work ?. In : Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.): Will Europe work ?, S. 44

[35] Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG

[36] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 39 f

[37] Vgl. in Bezug auf den gesamten Unterpunkt, soweit nicht anders angegeben Lauer, Hubertus : Sozialrecht. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 696 ff und Sauer, Jürgen : Sozialrecht. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 909 f

[38] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) : Grundrechte, S. 14

[39] Vgl. Busse, Angela : Soziale Recht. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 865

[40] Diese Entwicklung soll hiermit nicht monokausal erklärt werden, sondern es soll lediglich eine zeitlich Festlegung ihres Beginns erfolgen.

[41] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli

und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 32 sowie Beck-Texte (Hrsg.) : Sozialgesetzbuch, S. XVII ff

[42] Vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.) : The Social System and Social Work, S. 11 f

[43] Sauer, Jürgen : Sozialrecht. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 909 f

[44] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 26

[45] Vgl. ebenda, S. 38

[46] Vgl. auch in Bezug auf den gesamten Unterpunkt Ebsen, Ingwer : Sozialstaatsprinzip. In : Deutscher Verein für öffentliche und Private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 911 f sowie Boogaart, Hilde van den und Rosenhagen, Günter : Sozialstaat. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 703 und Boogaart, Hilde van den und Rosenhagen, Günter: Sozialstaatsprinzip. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 703 f

[47] Vgl. Schäfer, Peter : Europäische Integration und Soziale Arbeit, S. 199

[48] Vgl. Bossong, Horst : Sozialverwaltung, S. 13 ff

[49] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) : Grundrechte, S. 22

[50] Ebenda, S. 34

[51] Vgl. Boogaart, Hilde van den und Rosenhagen, Günter : Sozialadministration. In : Stimmer, Franz (Hrsg.) : Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, S. 611

[52] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 32 f und 40

[53] Vgl. ebenda, S. 25, sowie Schäfer, Peter : Europäische Integration und Soziale Arbeit, S. 126

[54] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 26 ff

[55] Ebenda, S. 40

[56] Vgl. ebenda, S. 40 f

[57] Vgl. ebenda, S. 37 ff

[58] Vgl. Altvater, Elmar und Mahnkopf, Birgit : Grenzen der Globalisierung, S. 250, 335 und 537 sowie Deutscher Bundestag (Hrsg.) : Globalisierung der Weltwirtschaft, S. 216

[59] Vgl. Altvater, Elmar und Mahnkopf, Birgit : Grenzen der Globalisierung, S. 328 f sowie Saraceno, Chiara : Contradictory trends in constructing European citizenship. In : Kohli, Martin und Novak,Mojca (Hrsg.) : Will Europe work ?, S. 132

[60] Vgl. Schäfer, Peter : Europäische Integration und Soziale Arbeit, S. 125

[61] Vgl. Backhaus-Maul, Holger : Sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland. In : Arnold, Ulli und Maelicke, Bernd (Hrsg.) : Lehrbuch der Sozialwirtschaft, S. 41

[62] Vgl. ebenda, S. 30

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen der Europäischen Integration auf die Profession Soziale Arbeit in Deutschland
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
80
Katalognummer
V109335
ISBN (eBook)
9783640075164
Dateigröße
1059 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
M.M.n. ist diese Arbeit gut zum Einstieg in das Thema geeignet. Wegen der Weite der behandelten Thematik halte ich Spezifizierungen für sinnvoll. Die vorliegende Fassung ist identisch mit der bewerteten. Inhaltliche und formelle Korrekturen sind im Vorwort vermerkt. Auf grammatikalische und orthographische Veränderungen habe ich verzichtet, um die Arbeit nicht zu verfälschen.
Schlagworte
Auswirkungen, Europäischen, Integration, Profession, Soziale, Arbeit, Deutschland
Arbeit zitieren
Gernot Eisermann (Autor:in), 2005, Auswirkungen der Europäischen Integration auf die Profession Soziale Arbeit in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109335

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