Der Sprachgebrauch der Presse anhand von Beispielen aus der Lokalredaktion


Hausarbeit, 1999

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

1. Die lokale Presse

2. Die fünf Ws

3. Aufbau eines Zeitungstextes
3.1 Überschrift
3.2 Vorspann
3.3 Grundtext, Zwischenzeilen

4. Die journalistischen Darstellungsformen
4.1 informationsbetonte Texte
4.2 meinungsbetont-persuative Texte
4.3 instruierend-anweisende Texte
4.4 bizentrierte Texte

Ausblick

Bibliographie

Anhang

Vorbemerkung:

Weil Themen aus dem lokalen Bereich für viele eher greifbar und erfahrbar sind, möchte ich in meiner Hausarbeit sämtliche Eigenheiten im Sprachgebrauch der Presse anhand von Beispielen aus der Lokalredaktion darstellen. Ziel ist es, anhand von Themen aus dem Alltag eines jeden Normalbürgers die Grundsätze journalistischer Arbeiten und die daraus resultierenden Besonderheiten in der Sprache aufzuzeigen. Grundlage für diese Arbeit ist ein dreigeteiltes Referat, dessen dritten Teil ich bearbeitet habe. Deshalb werden hier nur Aufbau und Darstellungsform von Nachrichten sowie daraus resultierende Besonderheiten der Sprache beleuchtet, andere Aspekte des Sprachgebrauchs in der Presse außer acht gelassen.

Die Beispiele wurden den beiden Lokalausgaben für den Landkreis Freudenstadt der Zeitungen „Schwarzwälder Bote“ (Freudenstädter Kreiszeitung), Freudenstadt, und „Südwestpresse“ (Neckar-Chronik), Horb, entnommen.

1. Die lokale Presse

Die lokale Presse hat für den Journalisten zwei bedeutende Vorteile: Zum einen eine in anderen Bereichen der Printmedien nicht erreichbare Leser-Blatt-Bindung, die ein bei einer Lokalzeitung arbeitender Journalist beinahe täglich in Form von „Feedbacks“ zu spüren bekommt, zum anderen eine Themenauswahl vom Kleintierzüchterverein bis zum Skandal im Kreistag, also Themen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, ebenso wie bei überregionalen Zeitungen. Der Unterschied besteht nur darin, daß zwar die gleichen Themen, diese meist aber Lokal bezogen und aus dem Alltag des Lesers entnommen, aufgegriffen werden.

In der Lokalredaktion lernt der Journalist sein Handwerk, ohne die hier erworbene Erfahrung wird er im überregionalen Bereich kaum bestehen können. Eben weil alle Themen aus Politik, Wirtschaft, Kirche, Gesellschaft, Vereine und viele mehr aufgegriffen werden, müssen auch alle gebräuchlichen und in überregionalen Tageszeitungen aufzufindenden Darstellungsformen – der Linguist nennt sie Textsorten – angewandt werden. Ein Artikel ist selbstverständlich nicht anders aufgebaut als in der überregionalen Presse, für andere Grundsätze gilt dasselbe. Ebenso können natürlich auch die Besonderheiten im Sprachgebrauch übertragen werden, wobei sich aber gerade bei Lokaljournalisten ganz spezielle Gewohnheiten einschleichen.

Im lokalen Bereich der Printmedien gibt es aber eine Besonderheit, die nicht mit dem zu bearbeitenden Themenfeld zusammenhängt, sondern mit jenen, die es bearbeiten. Lokalredaktionen vor allem von nicht täglich erscheinenden Blättern sind meist nicht so besetzt, wie es der Leser eigentlich erwarten sollte oder könnte. Gemeint ist nicht die Berichterstattung von Schülerzeitungen, Vereinszeitungen (die meist eher Magazin-Charakter besitzen) oder sogar rein amtlichen Mitteilungsblättern der Städte und Gemeinden[1] anstelle des früher üblichen Dorfbüttels[2]. Gemeint sind eher sogenannte Wochenzeitungen[3] mit einem mehr oder weniger großen redaktionellen Teil, der im schlimmsten Fall aufs nötigste reduziert ist und letztlich nur Verpackung für die seitenweise abgedruckten Anzeigen ist und nicht selten in der Qualität jedem journalistischen Anspruch zurückbleibt. In Hessen gibt es sogar Blätter, die sich als Lokalzeitung für einen Ort verstehen, einen amtlichen Teil besitzen und von der örtlichen Offsetdruckerei bearbeitet, verlegt und herausgebracht werden[4]

In Redaktionen dieser Medien arbeiten in der Regel nur angelernte Kräfte, also keine ausgebildeten und nach Tarifvertrag bezahlten Journalisten, weil sich der Verlag diese gar nicht leisten kann. Das hat manchmal zur Folge, daß auch der Sprachgebrauch dieser Medien dem journalistischen Anspruch (oder auch dem des Lesers) nicht genügt, beziehungsweise genügen kann und mit dem Sprachgebrauch einer lokalen Tageszeitung nicht zu vergleichen ist. Dasselbe gilt meist für Qualität der Texte und der Recherche sowie auch das Layout. Einen eigenen Sprachgebrauch kann man manchmal gar nicht feststellen. Nämlich dann, wenn in Amtsdeutsch verfaßte Pressemitteilungen oder andere Fremdtexte gar nicht redigiert[5] werden. Walther von La Roche stellt nicht zu unrecht fest: „Wer ist Journalist? [...] Journalist kann sich nennen, wer Lust dazu hat.“[6]

Wenn Heinz-Helmut Lüger feststellt, daß es eine einheitliche Pressesprache nicht gibt, dann gilt das aber auch für den Sprachgebrauch der lokalen Tageszeitungen. Auch hier gibt es eine Reihe von übergreifenden Merkmalen in der Sprache, aber vor allem auf der Ebene von journalistischen Darstellungsformen – der Linguist nennt sie Textsorten - relativ konsistente Stilformen.[7] Sicher ist, daß anhand der Pressesprache auch sprachliche Moden der Gesellschaft erkannt werden können, die sich im lokalen Bereich (auch wegen der engen Leser-Blatt-Bindung) weitaus häufiger niederschlägt, als im von der Agentursprache geprägten Mantelteil.[8] H. Eggers stellt fest: „Auf jeden Fall spiegelt die Sprache der Zeitungen unmittelbarer den Sprachzustand ihrer Zeit, als es jedes andere gedruckte Medium vermag.“[9]

2. Die fünf W’s

Wesentlich für die Verständlichkeit der Zusammenhänge sowie das schnelle Erfassen der Information durch den Leser ist der Aufbau einer Nachricht. Für diesen Aufbau gibt es gewisse Regeln, von denen die wichtigste jene ist, die im Fachjargon „die fünf W’s“ genannt wird. Diese fünf W’s ähneln jenen, die man beachten muß, wenn man einen Notruf absetzen will. Der Grund, die normierte Nachrichtenübermittlung nach unterschiedlicher Priorität ihrer Bestandteile, ist nämlich derselbe. Voraussetzung ist natürlich der Wert einer Nachricht, der sogenannte „Nachrichtenwert“. Oft zitiertes Beispiel in Seminaren für Volontäre ist folgendes: Wenn ein Mann von einem Hund gebissen wird, handelt es sich nicht um eine Nachricht, die erwähnenswert ist. „Hund beißt Mann“ ist also keine Nachricht (zumindest nicht für die Zeitung), „Mann beißt Hund“ dagegen schon. Letzteres ist derart kurios, daß es schon wieder eine Nachricht wert ist. Diese

Mann-beißt-Hund-Formel soll John B. Bogart, Lokalredakteur der amerikanischen Zeitung „Sun“, geprägt haben. Das zu Berichtende muß sich also vom Alltäglichen unterscheiden, „News is what’s different“ sagen amerikanische Journalisten dazu.[10]

Zurück zu den fünf W’s: Wer? Was? Wo? Wie? Warum? Das sind die wichtigsten Fragen, die am Anfang einer Nachricht beantwortet werden müssen, unter Umständen schon durch die Überschrift. Wer macht also was, an welchem Ort (wo?), wie und warum? In der Praxis zeigt sich, daß die Frage „Was ist passiert?“ zuerst beantwortet werden und ihr deshalb Priorität eingeräumt werden muß. La Roche führt sogar sieben W’s an, tatsächlich kann man die Anzahl der W’s beliebig vermehren, mit abnehmender Wichtigkeit zum Schluß hin. Die fünf W’s prägen den Aufbau einer Nachricht und natürlich auch den Satzbau. Ein fiktives Beispiel aus dem lokalen Bereich soll dies erläutern. Aus dem Loßburger Rathaus fliegt dem Redakteur folgende Mitteilung auf den Tisch (eine extra angefertigte Pressemitteilung wäre dem Sachbearbeiter zuviel des Guten gewesen):

„Liebe Mitbürger! Um die dringende Auswechslung der Schieber vornehmen zu können, muß in den Ortsteilen Unter-, und Oberbrändi, Geroldsweiler, Romsgrund am Montag, dem 22. März, zwischen 13 Uhr und 16 Uhr leider das Wasser abgestellt werden. Wir bitten die Anwohner um Verständnis. Die Gemeindeverwaltung.“

Wie wird nun daraus eine Nachricht? Nach den fünf W’s muß der Inhalt so sortiert werden:

Wer? die Gemeinde Loßburg

Was? stellt das Wasser ab

Wo? in den Ortsteilen Unter-, Oberbrändi, Geroldsweiler, Romsgrund

Wann? am Montag, 22. März, zwischen 13 und 16 Uhr

Wie? unbekannt (und in diesem Fall weniger interessant)

Zusätzlich:

Warum? Schieber werden ausgewechselt

Welche Quelle? Loßburger Gemeindeverwaltung

Die fertige Nachricht könnte, wenn man erst die Frage „Was ist passiert?“ beantworten will, so beginnen: „Loßburg (kdy). Abgestellt wird das Wasser am Montag, 22. März, in den Ortsteilen Unter- und Oberbrändi sowie Geroldsweiler und Romsgrund zwischen...“ Am Frühstückstisch hätte der Leser seiner Frau gesagt: „In Loßburg wird das Wasser abgestellt.“ Ein korrekter und treffender Satz mit Subjekt, Objekt und Prädikat, der auch als Überschrift hätte dienen können. Um das „Was?“ zu beantworten, wird er umgestellt, das Prädikat wird nach vorne gesetzt. Nach dem Schema „Wer tut was wann, wie und wo“ müßte die Nachricht mit dem Subjekt beginnen: „Die Gemeinde Loßburg stellt das Wasser ab...“ Eine Möglichkeit, wie die fertige Meldung aussehen könnte:

Die fünf W’s kamen um die Jahrhundertwende in Amerika auf und entwickelten sich zu einem journalistischen Gesetz. Sie müssen nicht alle unbedingt im ersten Satz der Nachricht auftauchen, dieser wird sonst überladen und der Leser kann dann die Menge an Information gar nicht mehr aufnehmen. Sie müssen auch nicht alle im Vorspann enthalten sein, darin genügt auch die Antwort auf die wichtigsten W’s. Die fünf W’s sind also eine Stütze und kein Korsett. Wie oben festgestellt, gibt es noch weitere Dinge, nach denen man fragen kann, erst durch die Antwort auf viele weitere W’s wird dem Leser Hintergrundinformation geliefert.[11]

3. Aufbau eines Zeitungstextes

Wichtigste Textsorte beziehungsweise journalistische Darstellungsform einer Zeitung ist die Nachricht. Weil bis etwa 1850 staatliche Zensur das Verbreiten einer Meinung in der Zeitung unterband, diente ein Zeitungstext lediglich zur nüchternen Wiedergabe von Geschehnissen, der Journalist hatte nach Schönbach die Rolle eines „bloßen Registrators von Neuigkeiten“[12]. Die Nachricht ist daher die Urzelle der Zeitung, bestimmt sie doch noch heute das Erscheinungsbild vieler Blätter, die auf den jorunalistischen Anspruch der größtmöglichen Objektivität Wert legen. Zu Beginn des 20 Jahrhunderts wurde die Nachricht mit Meinung versetzt, um sie lebendiger zu gestalten, wohl aber auch, weil die dargestellte Meinung die aller war, oder werden sollte. Ein Beispiel, nachzulesen in der Freudenstädter Zeitung „Der Grenzer“ aus dem Jahr 1916:

Zeppelinangriff auf englische Industriebezirke

W.T.B. Berlin, 1. Febr. (Tel.) Amtlich. [...] Ein Ruhmestag unserer Zeppelinluftschiffe. Luftschiffe überall! Samstag-Abend und Sonntag-Abend wurde Paris heimgesucht. Der Angriff am Samstag hat gewaltigen Schaden verursacht; das hat die Angence Havas selbst sofort gemeldet; der Angriff vom Sonntag hat die Gemeinden der weiteren Bannmeile betroffen, deshalb konnte Havas zunächst einmal triumphierend verkünden, daß die Unternehmung lächerlich gewesen sei und keinen Schaden angerichtet habe; schon hat sie sich bekehren müssen und einigen Materialschaden zugegeben. [...][13]

Ein Text dieser Art wäre heute in der Zeitung als Nachricht nicht mehr denkbar. Der Zeitungstext wird heute nach einem bestimmten Schema aufgebaut und präsentiert, da sich aber zwischen den Textsorten kleine Unterschiede ergeben, soll der Aufbau anhand der Nachricht aufgezeigt werden.

3.1 Die Überschrift

Das wichtigste muß an den Anfang, und der Anfang eines Zeitungstextes ist immer die Überschrift, seltener ein Rubrikenkopf. Die Überschrift wird begleitet von einer Unterzeile, von einer Oberzeile oder beidem. Die Unterzeile kann länger sein, sogar zwei oder drei Zeilen und mehrere Sätze umfassen. Einzelne Fakten werden in der Unterzeile meist nicht durch Punkte, sondern durch Schrägstriche oder andere Zeichen voneinander getrennt. Beispiel:

Überschrift: Gradistanac setzt sich für Interregio ein

Unterzeile: Bahn macht in punkto Fahrgastzahlen ein Zugeständnis

Die Überschrift zu kreieren ist für manchen Redakteur eine weitaus schwierigere Aufgabe, als den Text zu schreiben oder zu redigieren, denn die Überschrift muß treffend sein, bei einer Nachricht auch noch die wichtigste Neuigkeit liefern und zudem das Interesse des Lesers wecken. Einfallslosigkeit bei der Gestaltung der Überschrift macht sich meist dann bei Redakteuren breit, wenn sich ein Ereignis stets wiederholt – während der „fünften“ Jahreszeit sind das Berichte über die Fasnet, während der darauf folgenden „sechsten“ Jahreszeit (der Hauptversammlungszeit) sind das die ewig langweiligen Hauptversammlungsberichte, die oft nichts Neues und Berichtenswertes aus dem Vereinsleben enthalten. Dann passiert es auch, daß bei Überschriften immer wiederkehrende Floskeln gebraucht werden: „Wehr stellt ihre Schlagkraft unter Beweis“, „Die Spitze des Eisberges ist erreicht“, „Bürgermeister gibt grünes Licht“, „Bischoff macht das Rennen um Bürgermeisteramt“ (siehe Anlagen 1 und 2)[14]. Es gibt auch Überschriften, die kaum oder keine vollständige Information liefern, aber einen ganzen Zeitungsstil prägen: „Arbeit und Umwelt“ oder „17 Gruppen kamen“ – ja wohin? Zudem gibt es Überschriften, die Information liefern sollten, es aber nicht tun, weil sie Abkürzungen verwenden, die der Leser nicht kennt und – wenn überhaupt – erst im Text erklärt werden („80 Prozent aller RÜBs sind gebaut“), oder solche, die sich in der Wahl des Ausdrucks vergreifen: „Mai versinkt im Dauerpiß“, „Die Polizei sucht einen sexuellen Offensiv-Typen“[15].

Seltener, aber umso auffälliger sind Flüchtigkeitsfehler in Überschriften, die nur deshalb vorkommen, weil der Redakteur sie beim Korrekturlesen übersehen hat und das Korrektorat des Verlags nicht mehr existiert: „Anmache dem Auto“ (richtig: Anmache aus dem Auto), „Baiersbronner wird Weltmeistertitel“ (richtig: Baiersbronner holt Weltmeistertitel, in der zweiten Version hätte es so heißen sollen: Baiersbronner wird Weltmeister). Beim Korrekturlesen noch schlechter zu erkennen sind doppelte Bedeutungen: „Jugendkriminalität nimmt mit zunehmendem Alter ab“, „DGB: Halbierung der Arbeitslosen möglich“[16].

Die Überschrift sollte kurz und knapp sein und darf deshalb auch auf Artikel und Pronomen verzichten. Eine Überschrift wird meist lebendiger, wenn man sie mit einem Verb gestaltet, das allerdings im Präsens und nicht in einer Vergangenheitsform stehen sollte. Meist soll der Text darüber berichten, das jemand etwas macht, und so soll es auch wiedergegeben werden. Es gibt aber Zeitungen, insbesondere konservative wie die „Neue Zürcher Zeitung“, die bewußt Überschriften ohne Verben verwenden. Abkürzungen werden in Überschriften gemieden, es sei denn es handelt sich um gängige, zum Beispiel Parteinamen: SPD, CDU, ö.ä.. Getrennte Worte darf es bei mehrzeiligen Überschriften, die in die nächste Zeile umlaufen, nicht geben.

3.2 Der Vorspann

Der Grundsatz „das Wichtigste nach vorn“ gilt vor allem für den Vorspann, denn er ist der Einstieg in den Text. Der Vorspann einer Nachricht ist dann korrekt geschrieben, wenn er eine Antwort auf die fünf W’s gibt[17]. Den Kern für den Vorspann, der aus dem amerikanischen Journalismus kommt und deshalb auch „Lead“ genannt wird, bildet die Antwort auf die Frage, die der Leser vermutlich zuerst stellen würde[18]. Kombiniert mit den fünf W’s gibt es weitere Möglichkeiten des Einstiegs bei einem Vorspann:

Wer und was?

Freudenstadt. Rund 50 Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins trafen sich am Wochenende zu einer Stadtbegehung auf dem Markplatz. Im Mittelpunkt stand die von der Stadt geplante Fußgängerzone.

Wie und warum?

Freudenstadt. Mit großem Engagement diskutierten rund 50 Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins bei einer Stadtbegehung das Thema Fußgängerzone. Mit dieser Fußgängerzone will die Stadt vor allem die alte Bausubstanz schützen.

Zieleinstieg

Freudenstadt. Die Fußgängerzone soll die alte Bausubstanz schützen. Dieses Vorhaben der Stadt beschäftigte rund 50 Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins bei einer Stadtbegehung.

Frageeinstieg

Freudenstadt. Ist die alte Bausubstanz durch eine Fußgängerzone zu schützen? Dieses Frage stellten rund 50 Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins bei ihrer Stadtbegehung.

Aufmerksamkeitswecker

Freudenstadt. Die alte Bausubstanz muß geschützt werden! Ob dies durch die von der Stadt geplante Fußgängerzone erreicht werden kann, war Thema bei der Stadtbegehung des Geschichts- und Altertumsvereins. Rund 50 Mitglieder nahmen daran teil.[19]

Der Vorspann soll so kurz wie möglich informieren, er enthält die wichtigste Information des folgenden Textes und füllt die Lücken der Überschrift aus. Durch die fünf W’s besteht aber die Gefahr, daß der Vorspann überladen wird, weil der Autor auf alle W’s antworten will. Deshalb soll der Vorspann ein bis zwei Sätze lang sein, beziehungsweise rund zehn Druckzeilen (à 38 Anschläge). Der Vorspann hat zudem oft die Aufgabe, den Leser neugierig zu machen und zum Weiterlesen zu animieren. Eingeleitet wird er mit der sogenannten Spitzmarke (der Ortsangabe), gefolgt von der Quellenangabe oder dem Autorenkürzel, sofern dieser nicht durch eine Autorenzeile (mit vollem Namen) genannt wurde.

3.3 Der Grundtext und die Zwischenzeilen

Der Grundtext folgt auf Überschrift und Vorspann und ist der eigentliche Nachrichtentext, der nun ausführlicher darlegt, was passiert ist und Antwort auf eine ganze Reihe weiterer Fragen gibt. Bei einer Nachricht ist er derart aufgebaut, daß mit jedem Satz die Wichtigkeit der Information abnimmt. Diese Form hat den Vorteil, von hinten kürzen zu können, wenn dies beispielsweise beim Seitenumbruch notwendig wird. Die Entwicklung des Textes vom Allgemeinen zum Speziellen ergibt folgende Spezifikationshierarchie[20]:

Der Grundtext kann nicht nur durch eingeblockte Bilder unterbrochen werden, sondern auch durch sogenannte Zwischenzeilen, die eine kleine Überschrift für den nächsten oder die nächsten Absätze darstellen und dem Leser eine Lesepause gewähren sollen, nach der er ohne Mühe den Beginn des nächsten Abschnitts wieder finden kann. Für die Zwischenzeile gelten dieselben Regeln wie für Überschriften. Oft werden sie aber dazu mißbraucht, Texte aufzublasen, wenn sie für den ihnen zugedachten Platz auf der Seite zu kurz sind (siehe Anlage 3).

4. Die journalistischen Darstellungsformen

Wie bereits erwähnt, werden die Darstellungsformen vom Linguisten als Textsorten bezeichnet, das ändert aber nichts daran, daß sich die meisten Pressetexte in zwei Hauptgruppen einordnen lassen: Die meinungsbetont-persuativen Texte und die informationsbetonten Texte.

4.1 Informationsbetonte Texte

Die Nachricht zeichnet sich durch das oben beschriebene spezifische, relativ festgelegte Aufbauprinzip aus, sie soll den Leser aktuell, sachlich, das heißt ohne Beigabe von Kommentierungen, und möglichst umfassend informieren. Nachrichten werden in hard news und soft news unterteilt. Für die hard news, die aus Themen des öffentlichen Interesses aus Politik oder Wirtschaft bestehen, gilt das strenge Aufbauprinzip, nachdem das Wichtigste vorangestellt sein muß. Viele Tageszeitungen sind voll von hard news und sparen sich für die soft news, die eher der Unterhaltung des Lesers als der reinen Information dienen, die letzte Seite des Mantels auf, welche die Pagina[21] „Aus aller Welt“ oder „Vermischtes“ erhält. Andere Printmedien leben davon: Boulevard-Zeitungen titeln damit, Magazine schöpfen daraus ihren Inhalt. Soft news bedienen das menschliche Interesse: Skandale, Verbrechen, Naturkatastrophen, Unglücksfälle, Einzelheiten aus dem Leben bekannter Perönlichkeiten. La Roche führt dafür folgendes Beispiel an und zeigt damit auf, daß für sie der strenge Nachrichten-Aufbau nicht gilt, weil sonst die Unterhaltsamkeit darunter leiden würde:

Zürich (dpa). Ein gewaltiger Schrecken fuhr einem Sporttaucher im Zürichsee in die Glieder: In vier Meter Tiefe sichtete er in Höhe des sogenannten Zürich-Horns ein Krokodil. Der Taucher verständigte die Seepolizei, die sich zunächst bei der Zoo-Direktion erkundigte, ob ein durch Zufall in den See gelangtes Krokodil dort auch tatsächlich weiterleben könne. Das wurde bestätigt. Mit sehr gemischten Gefühlen machten sich daraufhin zwei Froschmänner der Seepolizei ans Werk, das Krokodil einzufangen. Nach 30 Minuten Suche gelang es, das Tier ausfindig zu machen, das von beachtlicher Größe war und im Schlamm lag. Mit Stock und Messer bewaffnet, schwammen sie das Tier vorsichtig an, um dann festzustellen, daß es sich um ein Spielzeugkrokodil aus Plastik handelte. Wahrscheinlich ist es während der Badesaison einem Kind entwischt und wegen eines Lochs in der Plastikhaut im See versunken.[22]

Der Autor dieses Textes hat also das Wichtigste hintangestellt, um die Pointe aufzuheben und damit den Leser zu unterhalten. Für soft news muß also eine variationsreiche Textgestaltung und Lesewerbende Informationspräsentation angewandt werden, Texteröffnung und Textschluß werden wichtig. Wie in dem Beispieltext werden soft news oft chronologisch gegliedert[23]. Im lokalen Bereich tauchen soft news seltener auf. Wenn, dann werden sie meist in Glossen verpackt.[24]

Die Meldung ist eine kurze Nachricht, die nur aus noch knapper Überschrift (teilweise fehlt diese sogar ganz), Spitzmarke und Grundtext besteht und meist nicht mehr als 30 oder 35 Zeilen Länge hat. Sie wird nach den fünf W’s aufgebaut und führt dadurch die Kerninformation vorne an. Daraus ergibt sich eine Ähnlichkeit mit dem Vorspann. Es ist daher im lokalen Bereich ohne weiteres möglich, von längeren Texten der benachbarten Lokalausgabe nur den Vorspann zu übernehmen und als Meldung abzudrucken (siehe Anlage 4).[25]

Der Bericht ist eine vorwiegend sachbezogene Mitteilungsform, mit der ein Berichterstatter möglichst objektiv Ereignisse mitteilt. Wie bei der Nachricht muß der Bericht ohne jegliche persönlichen Emotionen Refelexionen und Appellationen verfaßt sein, dafür sollen die Fakten bündig, klar und lückenlos wiedergegeben werden.[26] Der Bericht ist in der Regel umfangreicher als die Nachricht und ist anders aufgebaut. Das bei der Nachricht verwendete strenge Aufbauprinzip nach abnehmender Wichtigkeit gilt beim Bericht nicht für einzelne Sätze, sonder für ganze Absätze. Ihn kennzeichnet eine eher chronologische Gliederung, unterbrochen von Zitaten, kommentierenden Stellungnahmen einzelner Personen oder eingefügten Hintergrundinformationen und Zwischenzeilen. Typisch ist die Kombination primär sachinformierender und appellativer Titelzeile und Vorspänne in Form von „Aufhängern“[27] sowie viele Mischformen. Der Textschluß enthält meist eine pointiert formulierte Wiederaufnahme des Leitgedankens, einen Hinweis auf die Bedeutung des Berichteten mit resümierender Stellungnahme oder einer Prognose für die künftige Entwicklung. Oft driften Berichte durch wertende Wortwahl in Richtung meinungsbetonte Textsorten ab.[28] Der Bericht kann in eine Reportage überfließen, wenn der Berichterstatter detaillierter von den Ereignissen an einem bestimmten Ort berichtet. Der Bericht ist die häufigste Darstellungsform der lokalen Presse, da zum größten Teil über Ereignisse und Veranstaltungen bei Vereinen berichtet werden muß (siehe Anlage 1).

Die Reportage läßt sich oft nur sehr schwierig vom Bericht unterscheiden, besitzt aber einige sprachliche Kennzeichen. Sie ist kein Ersatz für den Bericht, sondern kann Ergänzung dessen sein, die am besten gleich neben dem Bericht plaziert wird. Ein Reporter schildert darin, was er vor Ort sieht und erfährt. Er ist das Auge des Lesers, läßt Menschen zu Wort kommen und schildert Einzelheiten, die im Präsens geschrieben dem Leser den Eindruck geben, direkt dabei zu sein. Die Reportage vermittelt also unmittelbare zeitliche und räumliche Nähe und ist daher eine konkrete, stark persönlich gefärbte Geschehens- oder Situationsdarstellung.[29] Sie ist deshalb nicht wie die Nachricht hierarchisch, sondern dramaturgisch aufgebaut. Belke trifft folgende Definition:

„Die Gestaltung der Reportage wird nicht ausschließlich vom Gegenstand, sondern auch durch die Perspektive und das Temperament des Reporters mitbestimmt. Er schildert als vermittelnder Augenzeuge mit persönlichem Engagement, aber immer in strenger Bindung an die Fakten aktuelle Vorgänge und Ereignisse so, wie er sie aus unmittelbarer Nähe sieht. Der Reporter formuliert aus dem Augenblick des Erlebens und will einen breiten Leserkreis ansprechen, aufrütteln und fesseln. Deshalb ist die Reportage umgangssprachlich geprägt, syntaktisch einfach und überschaubar.“[30]

Darüber hinaus können Kommentare und Reflexionen des Autors, temporale Passagen und nachgeholte Hintergrundinformation enthalten sein.[31]

In der lokalen Berichterstattung ist die Reportage seltener, oft auf die Wochenendausgabe beschränkt oder auf einer Sonderseite dem Lokalteil angefügt. Grund dafür ist die zunehmende Arbeitsbelastung der fest angestellten Journalisten durch die restriktive Personalpolitik der Verlage. Wenn ein Redakteur pro Tag Texte für zwei Seiten redigieren und diese auch noch layouten muß, bleibt ihm keine Zeit mehr für besondere Geschichten am Rande. Den freien Mitarbeitern fehlt in der Regel die Ausbildung, um neben dem Bericht andere, aufwendigere Darstellungsformen anzuwenden (Beispiele für eine Reportage: siehe Anlage 5 und 6).

Das Feature ist eine besonders umfassend angelegte Reportage mit sehr viel Hintergrundinformation, die in unterhaltende Detailinformationen, wie sie die Reportage bestimmen, gepackt wird. Die Grenze zwischen Reportage und Feature ist in der Regel fließend. Beim Feature wird an sich undramatischer Stoff herausgestellt, plastisch dargestellt und gestaltet. Ein gutes Feature ist schwierig und deshalb in der lokalen Berichterstattung selten zu finden.[32]

Zu den informationsbetonten Texten zählen auch die Problemdarstellung und der Wetterbericht, diese werden hier aber nicht behandelt.

4.2 Meinungsbetont-persuative Texte

Der Kommentar gibt nach Koszyk/Pruys eine „unabhängige Interpretation, Erklärung und Erläuterung von Tagesereignissen, Zeitströmungen und politischen Entwicklungen“[33]. Der Kommentar setzt voraus, daß der Leser bereits über die Sachlage informiert worden ist, beispielsweise über einen nebenstehenden Artikel. Im Lokalteil ist oft der Aufmacher[34] von derartiger Wichtigkeit, daß seine Information zusätzlich kommentiert wird. Ausgangspunkt von Kommentaren ist die Problematisierung von Sachverhalten, Positionen oder Handlungsprinzipien. Sie enthalten argumentative Textstrukturen und geben in der Regel die Meinung des Verfassers wieder und müssen deshalb schon aus presserechtlichen Gründen mit dessen Namen oder Kürzel versehen sein. Walther von La Roche unterscheidet in drei verschiedene Arten von Kommentaren: 1. Der Argumentations-Kommentar, bei dem der Kommentator den Leser durch Argumente von seiner vertretenen Meinung zu überzeugen versucht. 2. Der Geradeaus-Kommentar, bei dem der Kommentator aus bestimmtem Anlaß aufs Argumentieren verzichtet und geradeaus lobt oder schimpft.[35] 3. Der Einerseits-andererseits-Kommentar, in dem der Kommentator Pro und Kontra einer Streitfrage abwägt und gegenüberstellt. Der Aufbau eines Kommentars gliedert sich wie folgt (siehe auch Anlage 7)[36]:

1. Eventuell kurze Darstellung des Sachverhalts (wenn der Leser nicht durch eine Nachricht oder einen Bericht daneben informiert wird): Es war eine schwere Geburt: Der Gemeinderat hat einen Standort für das neue Sportgelände gefunden.
2. Problematisierung: Ein Bebauungsplan ist für Bürgermeister Peter Dombrowsky „die logische Konsequenz“, und deshalb verstand er bei der Diskussion im Gremium teilweise die Welt nicht mehr.
3. Meinungskundgabe: Sicherlich, der Weg war steinig, überflüssig war es aber, daß Stadtrat Hermann Fischer mit seinem Antrag noch ein paar Steine dazulegte.
4. Folgerung: Den Tagesordnungspunkt zu vertagen, hätte die Lösung des Problems weiter verzögert Auch der Antrag von Stadträtin Ursula Koch, erst mit Probebohrungen das Gelände zu prüfen, hätte dieselbe Wirkung gehabt. Dombrowsky fühlte sich zurecht vor den Kopf gestoßen: „Wollen wir, daß eine jahrzehntelange Diskussion beendet wird, oder wollen wir weiterwursteln?“
5. Aufforderung: Kompromißbereitschaft ist jetzt vonnöten, denn mit dem Rötenbächle wurde ein Standort gefunden, der für Naturschützer, Sportler und Behörden tragbar wäre. Das heißt noch nicht, daß der Sportplatz schon gebaut wird. Die Sportvereine sind jetzt gefordert, sie sollten sich nun Gedanken machen, wie ein solches Projekt überhaupt finanziert werden kann.[37]

Der Leitartikel kommentiert das wichtigste Thema des Tages und steht allen anderen Kommentaren voran. Im Lokalteil gibt es den Leitartikel nur ganz selten.

Die Glosse unterscheidet sich vom Kommentar durch einen zugespitzten, polemischen Stil. Sie ist laut von La Roche die schwierigste Darstelllungsform, „gerade weil sie so leicht daherkommt“[38]. Die Haltung des Autors zum Textgegenstand ist eher distanziert-spöttisch, die Argumentation wirkt eher unterhaltend als überzeugen wollend. Auffallendes Stilmittel ist die Ironie, sie gehört zu den konstitutiven Eigenschaften.[39]

In der Freudenstädter Kreiszeitung des Schwarzwälder Boten gibt es jeweils Samstags die Rubrik „Am Rande notiert“ in der ein gewisser „Theobald“ über lustige Begebenheiten aus dem Landkreis berichtet. In der Neckarchronik geschieht dies sogar täglich unter der Rubrik „Außerdem“ mit eingekauften nicht-lokalen Texten, ab und an mit Eigenproduktionen meist eher ernsteren Inhalts, die als sogenannte Lokalspitze eher lokale Leitartikel darstellen (siehe Anlage 8).

Die Kritik kann Theater-, Musik-, Film-, Buch-, Rundfunk-, oder Fersehbesprechung sein und umfaßt alle Artikel, die sich im weitesten Sinne mit Kunstkritik beschäftigen. Sie unterscheiden sich vom Kommentar nicht nur dadurch, daß sie sich stärker der Mittel der Sprachkunst bedienen, sondern auch, daß sie in der Regel Unterrichtung und Beurteilung verbinden.[40] Nach Dovifat ist die Kunstkritik eine „subjektive, aber sachlich und künstlerisch verantwortliche Beurteilung des Kunstwerks, dem der Kritiker verpflichtet ist. Er berät den Künstler, vermittelt das Kunstwerk der Öffentlichkeit, scheidet überzeugend die Werte und Unwerte, bricht dem Wahrhaftigen Bahn und soll zur Höherentwicklung der Kunst beitragen.“[41] Die fundierte Kunstkritik ist im Lokalteil eher seltener, da den Lokalredaktionen meist die dafür kompetenten Mitarbeiter fehlen. Zudem liegt es auch nicht im Interesse des Lesers, die Aufführung eines Bauerntheaters durch einen Sportverein in der Heimatzeitung zu verreißen.

4.3 Instruierend anweisende Texte

Die Handlungsanleitung ist ein Text, der praktische Tips oder eben Anleitungen gibt: Pflege-, Gebrauchs-, Bearbeitungs-, Montageanleitungen, zum anderen die in der Sprachgestaltung weitgehend standardisierten Kochrezepte.[42] Im Lokalteil der Tageszeitung kommen solche Texte selten vor, eher schon im lokalen Anzeigenblatt. Für Texte dieser Art sind in vielen Zeitungen regelmäßig spezielle Rubriken reserviert. In Fachmagazinen wird dagegen sehr häufig mit solchen Texten gearbeitet.

Die Ratgebung ist eine weniger verbindliche Anleitung, zur ihr zählen zum Beispiel das Horoskop oder der Mondkalender. Sie stellt für potentielle Handlungsrealisierungen Orientierungen dar.[43] Für das Vorkommen im Lokalteil der Tageszeitung gilt dasselbe wie für die Handlungsanleitung.

4.4 Bizentrierte Texte

Das Interview zählt ebenfalls zu den schwierigen Darstellungsformen, da sich hierfür der Interviewer gründlich vorbereiten muß. Interviews ergänzen oder vertiefen die Berichterstattung zu einem bestimmten Thema, in ihnen wird unmittelbar Information vom Befragten wiedergegeben, der Leser erhält Authenzität und Wirklichkeitsnähe. Davon geht aber etwas verloren, wenn das Interview als Text wiedergegeben werden muß, im Gegensatz zu Rundfunk und Fernsehen, wo der Befragte auch hörbar oder sichtbar ist. Der Interviewer eröffnet und beendet das Gespräch, stellt die Fragen,bestimmt das Thema und übt so durch seine Fragestellung Einfluß auf die gewünschte Informationsgebung aus. Der Befragte versucht dagegen oft direkten Fragen, die er nicht beantworten will, auszuweichen, auf ein anderes Thema abzulenken und somit dem Interviewer die Steuerung des Gesprächs aus der Hand zu nehmen. Es kann unterschieden werden in das Politikerinterview, das in der Regel sehr ernst geführt wird, das Starinterview, das eher leger ist und sich um weniger wichtige Themen dreht, und das Experteninterview, bei dem es weniger um die Person des Interviewten geht als um dessen Fachwissen.[44] Von La Roche unterscheidet dagegen in das Interview zur Person, bei der ein Mensch vorgestellt wird (siehe Anlage 9 und 10), das Interview zur Sache, das um Auskunft zu einem Thema fragt und das Meinungsinterview, bei dem nachgefragt wird, wie der Interviewte eine Sachlage beurteilt.[45]

Die Umfrage ist dem Interview ähnlich. Eine Gemeinsamkeit ist, daß beide Auskünfte und Meinungen von Menschen einholt und sie in direkter Rede wiedergeben. Eine Umfrage läßt sich unter Experten machen, oder – was im Lokalteil häufig zu finden ist – es können die Leute „auf der Straße“ nach ihrer Meinung befragt werden. Eine solche Umfrage kann aber in der Regel nicht so repräsentativ sein wie eine demoskopische Umfrage (siehe Anlage 11).

Der Korrespondentenbericht gibt zusätzliche Information, zu Bericht, Nachricht und Meldung, der Korrespondent kann sogar interpretieren.[46] In lokalen Medien ist er in der Regel nicht zu finden, da die Redaktion sowieso an Ort und Stelle ist.

Die Konsultation kann in dieser Betrachtung ausgeklammert werden, da sie in der Regel in der lokalen Presse nicht zu finden ist. Eine klassische Konsultation ist das allseits bekannte Dr.-Sommer-Team in der Jugendzeitschrift Bravo.

Eine fünfte Kategorie von Zeitungstexten sind die kontaktherstellenden Texte. Dies sind Texte, mit denen Boulevard-Blätter auf ihrer Titelseite arbeiten, um den Leser zum Kauf des Blattes am Kiosk zu bewegen. Diese Texte kommen im lokalen Bereich sehr selten vor und werden deshalb hier nicht betrachtet.[47]

5. Ausblick

Wie zu Beginn angeführt bleibt auch nach der näheren Betrachtung festzustellen, daß es eine eigene Pressesprache nicht gibt, sondern daß sie von dem Sprachgebrauch der Gesellschaft oder bestimmter Fachbereich beeinflußt wird. Dennoch hinterlassen Aufbau und Eigenheiten von journalistischen Texten auch gewisse sprachliche Merkmale.

Viel mehr beeinflußt aber den Sprachgebrauch des Lokaljournalisten dessen Anspruch, auch Lieschen Müller aus Baiersbronn-Mitteltal solle den Inhalt des Textes verstehen. Deshalb gehört es auch zu seinen Aufgaben, beim Redigieren Texte so druckfähig zu machen, daß die ursprünglich in Amtsdeutsch verfaßte Mitteilung des Landratsamtes für jeden verständlich wird. Dieser Anspruch muß auf alle Arten von Texten und auf alle Themenbereiche der Lokalredaktion ausgeweitet werden. Nicht geläufige Fremdwörter müssen ins Deutsche übersetzt, sich einschleichende Angliszismen ausgemerzt werden. „Ich muß meine Kids mal briefen, damit ihnen kein Gap entsteht“ ist zwar keine in verständliches Deutsch zu übertragende Fachsprache, sondern für viele schon zur alltäglichen Umgangssprache geworden, trotzdem versteht den Inhalt bei weitem nicht jeder. „Ung-Wörter sind Un-Wörter“ oder „Man schreibt nicht man“ sind zwei der vielen Regeln, die Volontäre im Laufe ihrer Ausbildung zum Umgang mit der Sprache lernen sollen. Dazu noch zwei Beispiele aus der Praxis: „...hat der Gemeinderat den Beschluß verabschiedet, daß ein Kandelaber zur Erstellung kommen soll.“ Verständlicher ausgedrückt: Der Gemeinderat beschloß, daß eine Laterne aufgestellt werden soll. Beeindruckt von der (nominalisierten) Amtssprache, die nicht selten für gutes Deutsch gehalten wird, schreiben viele Menschen so: „...konnte 1. Vorsitzender Müller zur Begrüßung der Gäste u, v, w, x, y, und z schreiten. Danach hat man der Toten gedacht. Dazu ist man zu einer Schweigeminute aufgestanden. Anschließend hat man sich an die Erlebnisse des Vereinsausflugs erinnert, die von unserer lieben Wanderfreundin Erna vorgetragen wurden...“ Zum Grundstock der sprachlichen Regeln gehört natürlich auch, daß Abkürzungen vermieden, Zahlen ausgeschrieben, volle Namen genannt und vor allem dialektale Grammatik in schriftdeutsche umgewandelt wird. Fernsehen und Neue Medien werden in Zukunft die Sprache mehr denn je aufweichen und die Bedeutung korrekter Schriftsprache zurückdrängen. Umso mehr verstehen sich Journalisten bei Tageszeitungen heutzutage als Hüter der guten Sprache.

Bibliographie

1. Belke, H., Literarische Gebrauchsformen (Düsseldorf, 1973)
2. Dovifat, E., Zeitungslehre 2Bde. (Berlin: 5/1967)
3. Eggers, H., Deutsche Sprachgeschichte Bd. IV (Reinbek: 1977)
4. Koszyk, K. / Pruys, K. H. (Hg.), Wörterbruch zur Publizistik (München: 4/1976)
5. Lüger, Heinz Helmut, Pressesprache (Tübingen: Niemeyer-Verlag, 1983)
6. Projektteam Lokaljournalisten (Hg.), ABC des Journalismus (München: Verlag Öhlschläger, 1981)
7. Schneider, Wolf, Deutsch für Kenner (München: Piper-Verlag, 1996)
8. Schönbach, K., Trennung von Nachricht und Meinung (Freiburg: 1977)
9. Schwarzwälder Bote (Hg.), Handbuch für den Vereinspressewart (Oberndorf: Schwarzwälder Bote, 1995)
10. Von La Roche, Werner, Einführung in den praktischen Journalismus (München: Paul List Verlag, 1975)
11. Weber, Manfred (Hg.), Hohlspiegel (Hamburg: Hoffmann und Campe, 1997)

[...]


[1] Im Kreis Freudenstadt gibt es zum Beispiel das Nachrichtenblatt der Stadt Alpirsbach, den Loßburger Amtsboten, oder den Murgtalboten als amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Baiersbronn. Solche Blätter mit einem amtlichen Teil und einem Vereinsteil gibt es meist nur in den kleineren Städten und Gemeinden, weil noch vor zwanzig Jahren die Berichterstattung der lokalen Tageszeitung(en) vor allem bei den dörflichen Vereinsnachrichten (Wir treffen uns wieder zur Singstunde...) aus technischen Gründen lückenhaft war.

[2] Der Dorfbüttel lief mit einer Glocke durchs Dorf und „schellte“ die amtlichen Bekanntmachungen aus. In Alpirsbach tat er dies bis in die 1930er Jahre.

[3] Im Kreis Freudenstadt gibt es den „Anzeiger“ als reines lokales Anzeigenblatt und die „große Wochenzeitung WOM“ (früher: Wochenmarkt) des Schwarzwälder Boten als Anzeigenblatt mit dem Charakter eines regionalen Boulevardblattes. Von 1993 bis 2000 gab es auch die „Rundschau“ als Lokalzeitung mit dementsprechendem Anspruch und einer zeitweise mit gelernten Blattmachern besetzten Redaktion.

[4] Zum Beispiel die „Bad Sodener Zeitung“.

[5] Walther von La Roche: „ Redigieren ist der Oberbegriff für jene journalistischen Tätigkeiten, die darauf abzielen, aus dem eingegangenen Material eine konsumierbare inhaltliche und formale Einheit zu gestalten. Redigieren, das ist Auswählen, Bearbeiten und Präsentieren des Stoffes in der dem Medium entsprechenden Form.“ In: von La Roche, Walther. Einführung in den praktischen Journalismus (München: List-Verlag, 13/1975). 20.

[6] Von La Roche, Walther, Einführung in den praktischen Journalismus 17.

[7] Lüger, Heinz-Helmut, Pressesprache (Tübingen: Niemeyer-Verlag, 1983) 1, 103.

[8] Der „Mantel“ ist der nicht lokale Politik-, Wirtschafts-, Sport- und Beilagenteil, der den Lokalteil „verpackt“.

[9] Eggers, H., Deutsche Sprachgeschichte Bd. IV (Reinbek, 1977) 130.

[10] von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 61.

[11] von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 81-86.

[12] Schönbach, K., Trennung von Nachricht und Meinung (Freiburg, 1977) 17.

[13] „Der Grenzer, Amts- Anzeige- und Fremdenblatt für den Oberamtsbezirk Freudenstadt und den nördlichen Schwarzwald“ vom 2. Februar 1916. Der Grenzer wurde Anfang der 70er Jahre wie die Neckarchronik in Horb von der Südwestpresse in Ulm aufgekauft, 15 Jahre später schloß diese ihre Freudenstädter Redaktion. Nachrichten aus der Kreisstadt sammelt die Südwestpresse für ihre Horber Leser nun von Horb aus.

[14] Schwarzwälder Bote.

[15] Südwestpresse.

[16] Weber, Manfred (Hg.), Hohlspiegel (Hamburg: Hoffmann und Campe, 1997)

[17] siehe Kapitel 2.

[18] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 78.

[19] Schwarzwälder Bote (Hg.), Handbuch für den Vereinspressewart (Oberndorf: Schwarzwälder Bote, 1995) 7-8.

[20] Lüger, Pressesprache 68.

[21] Seitentitel wie „Wirtschaft“, „Politik“, „Aus Baden-Württemberg“.

[22] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 88-89

[23] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 89-90.

[24] Siehe in Kapitel 4.2 unter „Glosse“

[25] Lüger, Pressesprache 72-74.

[26] Belke, H., Literarische Gebrauchsformen (Düsseldorf, 1973) 91.

[27] Ein Aufhänger ist die Hervorhebung eines provozierenden Aspekts.

[28] Lüger, Pressesprache 75-76.

[29] Lüger, Pressesprache 76.

[30] Belke, Literarische Gebrauchsformen 95.

[31] Lüger, Pressesprache 78.

[32] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 140-143.

[33] Koszyk, K. / Pruys, K.-H. (Hg.), Wörterbuch zur Publizistik (München, 1969) 184f.

[34] Aufmacher: Jener Bericht, der die Seite „aufmacht“, also in der Regel ganz oben steht, das wichtigste Thema der Seite enthält und deshalb mit einer dickeren Überschrift abgesetzt wird.

[35] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 153-156.

[36] Lüger, Pressesprache 82-86.

[37] Dyba, Karsten, Schwere Geburt Kommentar in: Schwarzwälder Bote, Februar 1999.

[38] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 156.

[39] Lüger, Pressesprache 86-87.

[40] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 157.

[41] Dovifat, E., Zeitungslehre, 2Bde. (Berlin, 1967).

[42] Lüger, Pressesprache 90.

[43] Lüger, Pressesprache 91.

[44] Lüger, Pressesprache 95-98.

[45] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 144.

[46] Von La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus 150.

[47] Der Schwarzwälder Bote hat mit der Wochenzeitung WOM ein Anzeigenblatt mit Boulevardstil geschaffen, in dem regionale Themen behandelt werden. Die Titelseite soll nicht Kaufanreiz sein, sondern Anreiz, das Blatt aufzuschlagen und weiterzulesen. So wurde der WOM zum erfolgreichen Füller einer Marktlücke.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Sprachgebrauch der Presse anhand von Beispielen aus der Lokalredaktion
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Linguistik II
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
24
Katalognummer
V109216
ISBN (eBook)
9783640073979
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ein Einführung in den Sprachgebrauch der Lokalpresse, die sich im wesentlichen an weit verbreitetend Gewohnheiten und den journalistischen Stilmitteln orientiert.
Schlagworte
Sprachgebrauch, Presse, Beispielen, Lokalredaktion, Linguistik
Arbeit zitieren
Karsten Dyba (Autor:in), 1999, Der Sprachgebrauch der Presse anhand von Beispielen aus der Lokalredaktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109216

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