Die Pädagogische Brauchbarkeit der Prämissen und Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung


Hausarbeit, 2003

15 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Die pädagogische Folgenlosigkeit der Gewaltwirkungsforschung
1.2 Kriterien für einen pädagogischen Zugang zum Problem Gewalt in den Medien

2. Gewalt in den und durch die Medien
2.1 Gesellschaftliche Zusammenhänge und Funktionen von Massenmedien
2.2 Medienspezifische Umgangsweisen mit Gewalt am Beispiel des Fernsehens

3. Gewalt im Fernsehen: Eine qualitative Programmanalyse
3.1 Ausgangspunkt und Zielsetzung der Programmanalyse
3.2 Fragestellungen und Kategorien der Programmanalyse
3.3 Die Ergebnisse der Programmanalyse
3.4 Pädagogische Folgerungen und Einschätzungen der Programmanalyse

4. Schlussfolgerungen fürMedienpädagogische Konzepte 15

5. Zusammenfassung

6. Literatur

1. Einleitung

Medien sind ein alltäglicher Bestandteil der Lebenswelt unserer Existierenden Gesellschaft. Die Palette der Medien umfasst Buch, Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk, Fernsehen, Ton- und Bildträger verschiedener Art sowie Computer und Cyberspace. Auf der Basis des Grundsatzes der Informations- und Meinungsfreiheit bieten die Medien ein weit gefächertes Programmangebot - von Nachrichten, politischen Magazinen und Dokumentarsendungen über Spielfilme, Kinder-, Schul- und Bildungsprogramme bis zu Gewalt- und Horroszenarien. Dabei werden die Präsentationstechniken immer noch weiter perfektioniert, z.B. durch die Entwicklung von hochauflösendem Fernsehen, größeren Bildschirmen und dreidimensionalen Darstellungen. Bildschirmmedien, Computertechnologie und Datenfernübertragung werden zunehmend miteinander verbunden. Entsprechende Stichworte sind Multimedia und Datenautobahnen. or dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist unbestritten, dass verschiedene Gewaltmuster sich wieder finden lassen, unsere Gesellschaft insgesamt erheblich wandeln und noch weiter wandeln werden.

In der Folgenden Hausarbeit habe ich eine Programmanalyse aufgegriffen dass sich MOPÄD nannte und jugendliche wie Erwachsene in ihrem Verhaltensmuster gegenüber der Gewalt in ihrem Alltag analysierte.

Neue Möglichkeiten für Medienpädagogische Konzepte sowie neue Erziehungs- und Bildungsaufgaben zeichnen sich deshalb ab, weil die neuen Medien ein Potenzial bieten, das weit über die Möglichkeiten der traditionellen Massenmedien hinausgeht.

Die Frage die sich hierbei stellt ist ob Gewalt durch die Medien produziert wird oder ob die Medien nur das Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft darstellen, in anbetracht dessen was real existiert oder nur pure Fiktion ist.

1.1 Die pädagogische Folgenlosigkeit der Gewaltwirkungsforschung

Die Frage, ob die Betrachtung von Gewalt beim Zuschauer psychische Effekte zeigt, und wenn ja, welcher Art die Effekte sind, wird nicht erst gestellt, seit es Kino und Fernsehen gibt. Bereits Aristoteles schrieb den griechischen Tragödien und den dort gezeigten Gewalttätigkeiten eine die Seele ‚reinigende’ Wirkung zu; er vertrat damit die ‚Katharsisthese’. Seneca war dagegen überzeugt, dass die Gladiatorenkämpfe den Charakter der Zuschauer verderben und sich langfristig negativ auf deren Persönlichkeit auswirken; er behauptete damit die bis heute vertretende ‚Stimulationsthese’. Ähnliche Vermutungen über die Wirkung von Gewaltdarstellung in Theaterstücken, Opern, Wettkämpfen und sonstigen der Unterhaltung dienenden Veranstaltungen gab es wohl zu allen Zeiten. Virulent und in breiter Öffentlichkeit diskutiert wurde die Frage ob Gewalt beim Zuschauer psychische Effekte und Auswirkungen zeigt, jedoch erst mit dem Aufkommen der Massenmedien. Die Verbreitung des Kinofilms rief die Warner vor den schädlichen Wirkungen des sogenannten Schundfilms, wo zum Teil Gewalt auch verherrlicht wurden, auf den Plan. Aus einer Mischung von Kulturpessimismus und konservativ-christlichen Wertvorstellungen heraus wurde eine besondere Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch solche Filme postuliert.

Dieses Thema bestimmte fortan die Diskussion und legte den Grundstein für eine eigene Medienpädagogische Richtung. Es war und ist heute zum Teil noch die ‚Bewahrpädagogik’, der es im Kern darum ging, die heranwachsenden vom ‚schlechten’ Film weg und zum ‚guten’ Film hinzuführen. Der eigentliche Aufschwung der Gewaltwirkungsforschung ist mit der Einführung des Fernsehens anzusetzen. Zuvor gab es bereits – vor allem n den USA – Untersuchungen über die Medienwirkung allgemein, die primär von „von zwei Institutionen mit ähnlichen Interessen ausgelöst und angeregt wurden, dem Militär und der Werbeindustrie“ (vgl. Schorb, Mohn, Theunert 1980)

Für erstere war insbesondere die Untersuchung der Persuasionskraft von Medien unter kriegspsychologischen Aspekten von Interesse, letztere interessierte daneben vor allem die Untersuchung von Nutzungsquantitäten unterschiedlicher Medien.

Eine Reihe überwiegend quantitativ ausgerichteter Untersuchungen über die allgemeine Sozialisationswirkung des Fernsehens wurde angestrengt um der weithin postulierten ‚Vermassung und Verdummung’ durch das Fernsehen entgegenzuwirken. Es wurden Versuche unternommen, das Fernsehen durch lern- und persusasionstheoretische Idealprogramme als kompensatorischen Bildungsfaktor nutzbar zu machen. Die These von der ‚Verrohung durch die Massenmedien’, wurde insbesondere durch das Fernsehen verstärkt aufgestellt. Es spezialisierte sich die allgemeine Frage nach der Sozialisationswirkung des Fernsehens und nach den psychischen und sozialen Auswirkungen medialer Gewaltdarstellungen.

Es gab und gibt Untersuchungen über den Zusammenhang der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen und realer Aggressionsbereitschaft, realem aggressivem Verhalten und realer Kriminalität. Die Hypothesen zu diesem Zusammenhang deren Spektrum sich bis heute durch die Katharsis- und Stimulationstheorie begrenzen lässt, wurden in Labor- und Feldexperimenten und in Befragungen überprüft, belegt, widerlegt und variiert. Keine Einzige These jedoch konnte gesicherte Gültigkeiten beweisen. Was von den Untersuchungen zu diesem Thema bis heute bleibt, sind Behauptungen und Gegenbehauptungen. Die Gewaltwirkungsforschung zeichnet sich trotz der Vielzahl von Untersuchungen bis heute nur durch Widersprüchlichkeiten aus. Diese Widersprüchlichkeiten spiegeln sich in pädagogischen Diskussionen, der Versuch aus Ergebnissen der Gewaltwirkungsforschung Forderungen und Praktische Maßnahmen abzuleiten.

1.2 Kriterien für pädagogischen Zugang zum Problem Gewalt in den Medien

Eine pädagogisch orientierte und verantwortbare Auseinandersetzung mit medialer Gewalt muss eine Reihe von Prämissen ändern, will sie nicht den monokausalen Erklärungsmustern über den Zusammenhang von medialen Gewaltdarstellungen und realem Gewalthandeln verfallen und darin implizierte deterministische und reduzierte Sichtweise menschlichen Verhaltens und Handelns nur perpetuieren.

Dem Versuch, Kriterien für einen veränderten, pädagogisch orientierten Zugang zum Problem medialer Gewalt zu formulieren, seien zwei Überlegungen vorangestellt, die die Gewaltwirkungsforschung ausklammern.

Die Zuschauer lernen nicht nur vom Fernsehen. Sie stehen in einem sozialen Kontext, sind von vielen verschiedenen Einflüssen (Freunde, Eltern, Arbeitskollegen, Schule, andere Massenmedien etc.) abhängig und nehmen entsprechend viele Eindrücke wahr. Diese Eindrücke verdichten sich zu Einstellungen, Meinungen und Vorurteilen, die das Verhalten und Handeln bestimmen.

Der Einfluss des Fernsehens kann also nur durch andere Einflüsse ausgemacht werden. Das Fernsehen ist kein isolierter Sozialisationsfaktor denn es ist den gesellschaftlichen Einflüssen, Meinungen, und Vorurteilen ausgesetzt. Inhalt und Darbietungsform von Fernsehproduktionen unterliegen dem gleichen gesellschaftspolitischen Einfluss wie die zugehörigen Wahrnehmungskriterien der Zuschauer.

Vor diesem Hintergrund muss ein pädagogisch orientierter Zugang seinen Ausgangspunkt in einer Neubestimmung des Verhältnisses ‚Gewalt in den Medien’ aufnehmen und auf dieser Basis Kriterien für einen adäquaten Umgang mit dem Problem mediale Gewalt entwickeln.

Sozialisation durch Massenmedien ist in diesem Kontext zu erklären:

„Sie findet statt und ist nur erklärbar im historisch-gesellschaftlichen Kontext. Damit ist Sozialisation kein einseitiger Akt der Beeinflussung, sondern ein Prozess, in dem eine gesellschaftlich produzierte Umwelt die Individuen sowohl formt, als auch von diesem geformt wird. Das beinhaltet eine grundsätzliche Reversibilität von Sozialisationsprozess und –ergebnis.“ (Schorb, Mohn, Theunert 1980, S. 63)

In dieser Definition sind zwei entscheidende Prämissen für einen pädagogisch orientierten Zugang zum Problem Gewalt in den Medien beinhaltet, die die eingeschränkten Positionen der Wirkungsforschung überwinden. Massenmedien werden in einen historisch-gesellschaftlichen Kontext als Bedingung ihrer Entstehung und Entwicklung eingebunden. Funktion und Inhalt von Medien können nicht aus dem gesellschaftlichem Gesamtkontext, aus dem sie stammen, isoliert werden.

Inhalte der Medien beziehen sich auf die Realität und orientieren sich an ihr.

Für die Wirkung von medialen Gewaltdarstellungen bedeutet dies, dass sie nicht losgelöst vom gesellschaftlichen Umfeld der Medien, also von real vorfindbaren Gewaltverhältnissen, und vom gesellschaftlichen Umfeld der Rezipienten, also den realen Gewalterfahrungen der Individuen, zu betrachten ist.

Welche Bedeutung die Rezeption medialer Gewalt für ein Individuum hat, kann –abgesehen von kurzfristigen Emotionalisierungseffekten- nur im Gesamtzusammenhang seiner jeweiligen Lebens- und Erfahrungsbezüge eingeschätzt werden. In der angeführten Definition wird das Individuum nicht mehr als deterministisch beeinflusstes oder beeinflussbares Objekt verstanden, sondern als aktiver Teil des Sozialisationsprozesses.

Reale Gewalttätigkeit von Individuen hat mehr als nur eine Ursache. Es ist ein Wechselprozess zwischen dem Individuum und seinem gesellschaftlichem Umfeld.

Diese beiden Prämissen, die das Problem mediale Gewaltdarstellung in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einbetten, sind die Eckpfeiler eines pädagogisch orientierten Zugangs.

2. Gewalt in den und durch die Medien

„Gewalt ist zu allererst ein gesellschaftliches Phänomen und Problem. Nicht ein Medium generiert Gewalt, sondern die Gesellschaft, deren Bestandteil dieses Mediums ist.“ (Schorb, Theunert 1984, S. 31)

Medien als funktionaler und konstitutionsbedeutsamer Bestandteil der Gesellschaft sind von gesellschaftlichen Realitäten nicht abzulösen. Massenmedien orientieren sich in ihren Inhalten an alltäglichen Themen und Sachverhalten und ebenso sind ihre Präsentationsweisen in gesellschaftlicher Tradition und Entwicklung von Vermittlungsformen angereichert. Bezogen auf mediale Gewaltdarstellungen bedeutet dies, dass sie immer Entsprechungen und Nahtstellen zu real vorfindbarer Gewalt haben. Die im Gewaltbegriff vorgenommenen Bestimmungen gelten deshalb sowohl für reale als auch für mediale Gewaltphänomene. Bevor die Beispiele des Mediums Fernsehen verdeutlicht werden, ist der angerissene Zusammenhang von Medien und Gesellschaft näher zu definieren.

2.1 Gesellschaftliche Zusammenhänge und Funktionen von Massenmedien

Den gesellschaftlichen Zusammenhängen von Medien und ihren Inhalten widmen sich insbesondere Ansätze, die der ‚reflexiv-kritischen’, gesellschaftstheoretisch orientierten Richtung der Medientheorie zuzuweisen sind.

Das erklärte Ziel der reflexiv-kritischen Medientheorie ist, Massenmedien nicht als Einzelerscheinung zu betrachten und zu beschreiben, sondern sie aus ihrem gesellschaftlichen Bedingungen und Zusammenhängen heraus zu bestimmen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen vertreten drei Positionen unterschiedlicher Schwerpunkte die gesellschaftlichen Funktionszusammenhänge von Massenmedien. Die erste Position setzt sich in ideologiekritischen Analysen mit den Inhalten der Massenkommunikation auseinander. (exemplarisch Knilli 1971) Die Zweite bezieht neben den Inhalten die Institutionen der Massenkommunikation und die über sie Verfügenden mit ein. (exemplarisch Prokop 1972)

Beide Positionen sehen die wesentliche Funktion von Massenmedien in der Stabilisierung und Legimitierung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse, die insbesondere über den manipulativen Charakter der verbreiteten Inhalte erfüllt wird. Die dritte thematisiert den Zusammenhang von Massenmedien und der Gesellschaft am umfassendsten. (exemplarisch Brecht 1967) Die in den drei Positionen genannten Funktionszusammenhänge weisen Massenmedien als integrierte Bestandteile der Gesellschaft ein. Der gesellschaftliche Zusammenhang von Massenmedien wird zusätzlich von der Seite der Rezipienten der deutlich. Die Nutzung der Medien durch die Rezipienten erfolgt ebenso wenig losgelöst von den gesellschaftlichen Bedingungen wie die Produktion der Medien. Mediennutzung ist eingebunden in den individuellen und gesellschaftlichen Alltag des Rezipienten. Wie die Massenmedien selbst, ist auch der Rezipient Teil gesellschaftlicher Realität und wird von ihr geprägt.

Massenkommunikation als Resultat historisch-gesellschaftlicher Entwicklung trifft auf ein Vorverständnis des Rezipienten, das sich gleichermaßen in diesem Prozess konstituiert.

2.2 Medienspezifische Umgangsweisen mit Gewalt am Beispiel des Fernsehens

Die zuvor für Massenmedien allgemein konstatierten gesellschaftlichen Funktionszusammenhänge und die realen Bezüge ihrer Inhalte und Präsentationsformen gelten auch für das Medium Fernsehen und für den spezifischen Inhalt der Gewalt. Das Fernsehen gibt reale Gewalt wieder und normalerweise findet sich so was im Informationsbereich und in der Berichterstattung (wie Nachrichten. Magazinen) wieder. Dort werden von realen Gewaltereignissen wie Kriegsgeschehen, Verkehrsunfälle, Raubüberfälle berichtet. Obwohl das Fernsehen hierbei in der Regel keine großen Variationen der Realität vornimmt, ist das, worüber berichtet wird, immer nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, auch der Wirklichkeit der Gewaltereignisse und -verhältnisse.

In dieser Umgangsweise manifestieren sich zwar die realen Bezüge medial präsentierter Gewaltphänomene am deutlichsten, aber das Fernsehen zeigt auch hier nur eine nach spezifischen Kriterien verarbeitete und gewichtete Realität. Das Fernsehen greift real vorfindbare Gewalt auf und variiert sie mit fernsehspezifischen Mitteln. Im Informationsbereich drückt sie sich beispielsweise in der sprachlichen und filmischen Kommentierung realer Gewaltereignisse und -verhältnisse aus. Ein gesprochener Kommentar der, der primär die Arbeitgeberposition argumentiert, kann den Eindruck erwecken, sei illegal, da es der Wirtschaft schadet.

Im Unterhaltungsbereich manifestiert sich diese Art des Umgangs sehr vielfältig. Es werden die realen Formen der Kriminalität gezeigt, wie Entführungen, Rauschgifthandel, und Morde. Das Fernsehen selbst produziert Gewalt. Es ist die Art und Weise der Präsentation und Vermittlung von Inhalten die alle mir einander Fungieren. Ein Beispiel ist die Informationsfälschung, wenn reale Geschehnisse unrichtig oder nur teilweise richtig dargestellt oder anders gewichtet und bewertet werden als in der Realität. Neuestes Beispiel waren die Propagandersendungen des Aktuellen Golfkriegs. Informationsvorenthaltung ist ein weiters Beispiel wo reale Ereignisse nur einseitig dargestellt werden, oder Zusammenhänge und Hintergründe ausgeblendet bleiben.

Manche Berichte werden so dargestellt das die Informationen undurchschaubar sind, vor allem durch komplizierten Sprachgebrauch und das Ineinanderschachteln von unterschiedlichen Sachverhalten.

3. Gewalt im Fernsehen: Eine qualitative Programmanalyse

Die Gesellschaftlichen Funktionszusammenhänge von Massenmedien die Umgangsweisen des Fernsehens mit realer Gewalt und die Bestimmungen des Gewaltbegriffs stellen den theoretischen Hintergrund für die im Projekt MOPÄD durchgeführte Analyse von Gewaltdarstellungen im Fernsehen dar. Die explizierten Bezugspunkte bestimmten die die Analyse leitenden Interessen, die Fragestellungen, die an die Programme des Fernsehens gestellt wurden, die Kategorien, mit denen sie untersucht wurden, und schließlich die methodische Anlage der Analyse.

3.1 Ausgangspunkt und Zielsetzung der Programmanalyse

Untersuchungen zu Gewaltdarstellungen im Fernsehen beschränken sich in der Regel auf bestimmte Sparten des Programms. Im Mittelpunkt stehen Krimis, Western, Familienserien, als Genres aus dem Unterhaltungsbereich. Ausschlaggebend für die Auswahl dieser Genres ist das zugrunde liegende Gewaltverständnis, das sich vorwiegend auf offensichtliche Akte physischer Gewalt konzentriert.

Die vorgeschlagenen Gewaltbegriffe sind jedoch umfassender denn sie beziehen sich neben offensichtlichen Formen von personaler Gewalt auch auf deren subtilere Varianten. Berücksichtigt werden dabei die unterschiedlichen Erscheinungsformen der strukturellen Gewaltdimensionen.

Die im Projekt MOPÄD durchgeführte Programmanalyse bezog sich auf das ganze Programm. Analysiert wurden jeweils drei vollständige Programmtage der ARD und des ZDF. Die Dimensionen und Erscheinungsformen von Gewalt sind in den verschiedenen Sparten des Fernsehprogramms jeweils in unterschiedliche inhaltliche und dramaturgische Kontexte eingebettet.

3.2 Fragestellungen und Kategorien der Programmanalyse

Die Fragestellungen der Programmanalyse des Projekts MOPÄD waren gemäß den Zielsetzungen primär auf qualitative Aspekte und Zusammenhänge gerichtet, in denen Gewaltdarstellungen im Fernsehen den Zuschauern gegenübertraten. Fünf Fragestellungen waren vor diesem Hintergrund zentral. Diese Fragen bezogen sich zum Beispiel auf Dimensionen und Formen von Gewalt in Fernsehprogrammen, ob diese in Sparten dargestellt wurde, ob bestimmte Darstellungsweisen Dominierten, und wie erschienen die Sendungen im Zusammenhang personaler und struktureller Gewalt. Die systematischen Untersuchungen dieser Fragestellungen ist ein Kategoriensystem grundgelegt. Die Kategorien resultieren aus dem grundgelegten Gewaltbegriff, dessen Bestimmungen zum Zweck dieser Analyse so operationalisiert wurden, daß sie die unterschiedlichen Dimensionen von Gewalt in ihren Erscheinungsformen, ihren inhaltlichen Aspekten und in ihren Zusammenhängen beobachtbar oder erschließbar machen. Diese Kategorien bezogen sich auf direkt beobachtbare Gewaltphänomene. Damit ließen sich offensichtliche, direkt beobachtbare Gewaltverhältnisse in ihrer unmittelbaren Darstellung in Fernsehsendungen erfassen. Es existieren noch Kategorien die sich auf die Kontexte von dargestellten Gewaltverhältnissen beziehen. Diese umfassen den gesamten Sendungskontext wie, Beschreibung des Inhalts und der Dramaturgie, und subjektive Einschätzungen und Bewertungen. Dazu kommen noch Kategorien mit denen sich strukturelle Gewalt erschließen lässt. Diese Ebene systematisiert Suchkategorien, über die sich Indizien für in Fernsehsendungen enthaltene strukturelle Gewaltphänomene und –verhältnisse sammeln lassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Die Ergebnisse der Programmanalyse

Die ausgeführten Ergebnisse der Programmanalyse des Projektes MOPÄD stellen eine kleine Auswahl dar. Der Schwerpunkt liegt auf den im Fernsehen dargestellten Formen der strukturellen Gewalt, da dies das eigentlich Neue an der Programmanalyse ist. Die in den Bestimmungen des Gewaltbegriffes theoretisch ermittelten Dimensionen und Erscheinungsformen lassen sich generell im gesamten Programm sowie in den beiden Sparten Unterhaltung und Information auffinden. Personale Gewalt hat dabei im gesamten Programm den stärksten Anteil. Physische Gewalt tritt in Unterhaltungssendungen – insbesondere in Krimiserien und Spielfilmen – deutlich häufiger auf (76%) als psychische Gewalt (24%). Im Informationsbereich ist dies Verhältnis umgekehrt. Hier dominiert psychische Gewalt (59%) gegenüber physischer Gewalt (41%). In Nachrichtensendungen ist der Anteil psychischer Gewalt noch höher (64%) als im übrigen Informationsbereich. Doch im gesamten Programm wird psychische Gewalt überwiegend auditiv, also über den Ton vermittelt (71%), während bei physischer Gewalt auditive und visuelle Darstellungen gleich verteilt sind (jeweils 50%). Die physische Gewalt richtet sich überwiegend gegen einzelne oder Gruppen von Menschen (74%). Die häufigsten Beteiligten an Gewaltverhältnissen sind auf der Seite der Ausübenden ‚Individuen’ (36%) und ‚Exekutive’ (20%) und auf der Seite der Betroffenen ebenfalls ‚Individuen’ (42%) und ‚Exekutive’ (13%).

In Informationssendungen zeigt sich die Darstellung von struktureller Gewalt vor allem in der Art der Aufbereitung und Vermittlung der Inhalte. Verschiedene Inhaltsaspekte eines Themas werden (besonders in Nachrichten) bis zur Unverständlichkeit ineinander verschachtelt. Komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge werden auf ein vereinfachendes Gegensatz-Klischee reduziert, zum Beispiel ‚demokratisch-freiheitliche USA’ versus ‚diktatorisch-revolutionärer Iran'. Komplexe Zusammenhänge werden auf oberflächliche Phänomene reduziert, zum Beispiel die vordergründige Darstellung eines Volksaufstandes als Massenschießerei darzustellen.

3.4 Pädagogische Folgerungen und Einschätzungen der Programmanalyse

Die Ergebnisse der Programmanalyse des Projektes MOPÄD machen deutlich, dass Gewalt im Fernsehen ein sehr viel breiteres Spektrum umfasst, als angenommen und diskutiert wird. Gewalt lässt sich weder erfassen wenn nur bestimmte Programmsparten oder Sendungsarten berücksichtig werden, noch lässt sie sich auf offensichtliche Akte physischer Gewalt reduzieren. Für das Fernsehprogramm insgesamt lässt sich das Fazit ziehen das der Umgang mit realen Gewaltereignissen und –verhältnissen, seien sie personaler oder struktureller Art, überwiegend phänomenhaft und vernachlässigt übergreifende Zusammenhänge hat. Gewalt wird dadurch als naturgegeben und unabänderlich vermittelt. Die Präsentation verstärkt diese Zusammenhangslosigkeit und Unabänderlichkeit von Gewalt und lässt zudem Realität nur in Verzerrungen erscheinen. Sei es durch Einseitigkeit, Verkürzung oder klischeehafte Typisierung, Der Zuschauer wird desorientiert oder mit vereinfachten Ideologien konfrontiert und kann dadurch in seiner realen Auseinandersetzung mit den ihn umgebenden Lebensbedingungen zumindest behindert werden.

Für eine pädagogische Auseinadersetzung mit Gewalt im Fernsehen resultieren aus verschiedenen Ergebnissen eine Reihe von Konsequenzen. Ein für die pädagogische Auseinandersetzung mit Gewalt übergeordnetes Ziel besteht darin, den Zusammenhang von medial dargestellter und real vorfindbarer Gewalt zugänglich zu machen. Es ist zu verdeutlichen, dass Gewalt im Fernsehen nicht als isoliertes Problem existiert, sondern eingebunden ist in reale gesellschaftliche Bedingungen, und dass die in den Programmen dargestellte Gewalt ebenso wie die aktiv produzierte Gewalt immer Entsprechungen in der Realität haben.

4. Schlussfolgerungen für Medienpädagogische Konzepte

Aus den theoretischen Bestimmungen zu Gewalt in der Realität und in den Medien und aus den Befunden des Projektes MOPÄD lassen sich Folgerungen für pädagogische Prozesse und Konzeptionen erkennen. Als Ausgangspunkt für einen pädagogischen Zugang zum Problem Gewalt in den Medien wurde das Verhältnis ‚Gesellschaft – Medien – Rezipient’ neugefaßt. (vgl. 1.2) Medien sind die Integralen Bestandteile gesellschaftlicher Realität, welche die Inhalte und Präsentationsformen prägt. Entsprechend sind die auffindbaren Gewaltpräsentationen und deren aktiven Anteile an der Produktion von Gewalt in ihren wechselseitigen Verknüpfungen mit real existierender Gewalt zu betrachten. Diese Bestimmung impliziert die Betrachtung von Medien als einen Sozialisationsfaktor neben anderen. Die Wirkung medialer Gewaltpräsentation ist dementsprechend nicht isoliert zu erfassen. Stattdessen vor dem Hintergrund der spezifischen Lebensbedingungen der Rezipienten. Die Individuen werden in diesem Kontext als aktiver Part von Sozialisationsprozessen verstanden, die von gesellschaftlichen Bedingungen beeinflusst werden, diese aber immer mitgestalten. Sie verfügen über erfahrungsbezogene Deutungen, an denen sie ihre Bewältigung von Realität orientieren. Die spezifische Ausprägung bestimmt die Bedeutung und Wirkung medialer Gewaltpräsentation für den einzelnen in entscheidendem Maße. Vor diesem Hintergrund wurde ein pädagogischer Zugang vorgeschlagen, der reale und mediale Phänomene aufeinander bezieht, beide in ihrem gesellschaftlichen Kontext betrachtet und das Gewaltverständnis der Individuen konstruktiv einbezieht.

Die theoretischen Bestimmungen zu Gewalt beinhalten einen analytischen Zugang, der über die beobachtbaren und erfahrbaren Folgen von Gewalt Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Phänomene, deren Besonderheiten und Ursachen ermöglicht. Die theoretischen Reflexionen zu medialer Gewalt und die Befunde der Programmanalyse des Projektes MOPÄD verweisen für die Vermittlung der Aspekte medialer Gewalt auf die Notwendigkeit, inhaltliche und dramaturgische Kontexte einzubeziehen.

5. Zusammenfassung

Die angeführten Prämissen, Zieldimensionen und Vermittlungsprinzipien stecken einen Rahmen für pädagogische Prozesse zur Auseinandersetzung mit dem Gegenstandsbereich Gewalt, der sowohl über die Theorie als auch über die subjektiven Sichtweisen der Individuen begründet ist.

Pädagogische Konzeptionen zum Gegenstandsbereich Gewalt können und wollen unter diesen Aspekten nicht mehr als Anregung fungieren. Die Entwicklung pädagogischer Konzeptionen auf der Grundlage der eingangs formulierten Prämissen, Zieldimensionen und Vermittlungsprinzipien ist die thoretische Auseinandersetzung mit Gewalt in realen Zusammenhängen im spezifischen Kontext der Massenmedien

6. Literatur

Borcsa, Charlton, ‚Mediengewalt und Medienpädagogik’ , Televizion, 1995

Schorb, Mohn, ‚Sozialisation durch Massenmedien’ , Hurrelmann, 1980

Schorb, Theunert, ‚Gewalt im Fernsehen’, medien+erziehung, 1982

Theunert, ‚Gewalt in den Medien’ , Kopäd , 2000

Villigster Deeskalationsteam SOS- Rassismus, ‚Deeskalation von Gewalt’ 1998

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Pädagogische Brauchbarkeit der Prämissen und Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V108815
ISBN (eBook)
9783640070060
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pädagogische, Brauchbarkeit, Prämissen, Ergebnisse, Gewaltwirkungsforschung
Arbeit zitieren
Ali Narchi (Autor:in), 2003, Die Pädagogische Brauchbarkeit der Prämissen und Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108815

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