Die numidisch-karthagischen Konflikte - Ein Essay über die Vorgeschichte des 3. punischen Krieges


Essay, 2003

7 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Einleitung

Im Jahre 202 v. Chr. verlor Hannibal die entscheidende Schlacht bei Zama und mit dem Friedensvertrag von 201 war der 2. punische Krieg zu Gunsten der Römer beendet worden. P. Scipio handelte einen für beide Seiten annehmbaren Vertrag aus. Er hatte insgesamt über 16 Punkte, in denen unter anderem die Abrüstung und Reparationszahlung festgelegt wurden.

Auch wurde die Grenzziehung zwischen dem Reich der Numider, welches von König Massinissa angeführt wurde, und den Karthagern geregelt. Scipio selbst zog die Grenzen, weshalb seine Autorität von besonderer Wichtigkeit bei den späteren Streitigkeiten war. Wie jedoch diese Grenzen lagen, ist heute umstritten.

In meinem folgendem Essay werde ich näher auf die Streitigkeiten zwischen Massinissa und den Karthagern eingehen, sowie die Haltung und Rolle Roms dazu erläutern. Daraus folgen wird die Einleitung in den dritten punischen Krieg, den Rom mit der absoluten Vernichtung Karthagos entschieden gewann.

Der numidisch-karthagische Vertrag

„Die Städte, die Gebiete, die Häuser und der sonstige Besitz, der dem Massinissa oder seinen Vorfahren gehört hat und der innerhalb des noch zu bezeichnenden karthagischen Gebiets liegt, ist an Massinissa zurückzugeben.“[1]

So lautet der fünfte Punkt des Friedensvertrages zwischen Rom und Karthago. Er war in mehreren Dingen umstritten und Anlass für die zahlreichen Streitigkeiten zwischen Massinissa und den Karthagern in der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts.

Zum einen ist die Zeit zwischen dem Ende des zweiten und dem Anfang des dritten punischem Krieges ist in der antiken Geschichtsschreibung sehr ungeklärt. Nach Livius wurde noch im römisch-karthagischen Friedensvertrag festgelegt, dass Karthago und Massinissa einen eigenen Grenzvertrag schließen sollten. Ob diese Forderung real war, ist schwer zu sagen. Weiterhin ist nicht vollkommen geklärt warum und wie es zum Vertragsabschluss kam. Der Historiker Appian berichtet von einem bestehenden Vertrag und nach einer Überlieferung des Polybios wird von „zuzuweisenden Grenzen“[2] gesprochen; Livius hingegen berichtet nur von der Verpflichtung zum Vertragsabschluss, nicht von der römischen Forderung danach.

Dennoch wäre eine römische Forderung nach einer Grenzziehung sicherlich gut denkbar. Nicht nachvollziehbar wäre dann hingegen, warum sich im gesamten Konfliktzeitraum, also 200 bis 150 v. Chr., keine der beiden Vertragsparteien auf einen punisch-numidischen Vertrag beruft. Die Karthager stützen ihre Ansprüche den Römern gegenüber einzigst auf den römisch-karthagischen Friedensvertrag und nicht auf einen eigenen mit den Numidern. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass es zwar einen Vertrag gab, der jedoch keine exakte Grenze festlegte.

Appian berichtet, dass die Friedensverträge, die den Eroberung durch König Massinissa folgten, immer Zusprachen der jeweiligen eingenommenen Gebiete waren. Nicht jedoch wurden den Karthagern Gebiete oder Städte zugesprochen und auch keine genaue Grenze definiert. Auch im römisch-karthagischen Vertrag ist nur die Rede davon, welches Gebiete die Karthager zu räumen haben, nicht welche ihnen zustehen. Dies ist in so fern merkwürdig, als dass Scipio selbst eigentlich die Grenzen hätte genau ziehen können und diese im Vertrag hätte festhalten können. Es stellt sich hier die Frage, welches das Interesse Roms an einer unklaren Grenzziehung war.

Die nicht-militärischen Streitfälle [3]

Im Jahre 193 v. Chr. fiel Massinissa zum ersten Mal seit Ende des zweiten punischen Krieges in karthagisches Hoheitsgebiet ein. Karthago legte darauf Beschwerde in Rom ein und auch Massinissa schickte Gesandte dorthin. Karthago argumentierte, dass die überfallenen Gebiete nach Scipios Grenzziehung auf karthagischem Hoheitsgebiet lägen. Massinissas Gesandte hingegen argumentierten mit ihrer 600 Jahre alten Gründungsgeschichte. Sie legten die Idee zugrunde, dass das Land den Ureinwohnern gehört und da das Gebiet schon immer umstritten war, sei es dem Stärkeren zuzusprechen. Diese Argumente implizieren, dass die Numider den römisch-karthagischen Vertrag nicht anerkannten, da sie sich eben nicht auf Vertragsrecht, sondern vielmehr auf eigenes Recht beriefen.

Der römische Senat, historisch bedingt eher auf Seiten Massinissas, kam aber bewusst zu keinem Entschluss, denn einerseits war natürlich die Feindschaft zu Karthago nicht erloschen und andererseits hatte Rom eine gewisse Furcht vor einem großnumidischen Reich. Ein weiterer Grund für die neutrale Haltung war die Verwicklung in Eroberungskämpfe im Osten, wofür das Reich Hilfsdienste sowohl der Karthager als auch der Numider, in Anspruch nahm und auch auf keine der beiden Mächte verzichten wollte. Diese ungeklärte Situation war natürlich für Massinissa von Vorteil, da die Karthager die Gebiete ja verloren hatten und sich militärisch nicht wehren durften. Jedoch brachte die folgende Annektierung nicht den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg, was dazu führte, dass es gut zehn Jahre später wieder zu einem Konflikt kam.

Massinissa besetzte 182 v. Chr. wieder karthagisches Gebiet, wieder wurde der römische Senat eingeschaltet und wieder traf Rom keine Entscheidung. Der Numiderkönig argumentierte diesmal damit, dass die neueroberten Gebiete von seinem Vorgänger Gaia annektiert worden waren und daher rechtmäßig zu seinem Königreich gehörten. Seltsam ist jedoch, dass die Karthager schon nach dem Krieg gegen Rom, den sie verloren hatten, und darauf folgenden Friedensvertrag von 201 alle eroberten Länder und Gebiete zurückgeben mussten und dies auch getan hatten. Der genaue Ausgang des Konfliktes von 182 ist unklar. Da Rom die Rechtsfrage offen ließ und Karthago keine Berufung einlegte, ist es wahrscheinlich, dass der Numiderkönig die Städte vorerst zurückgegeben hatte, um sie im folgenden Streitfall zehn Jahre später, also im Jahre 172, wieder zurückzuerobern.

In diesem Jahr erreichte Rom wieder eine punische und numidische Gesandtschaft wegen eines erneuten Grenzkonfliktes. Die Punier trugen vor, dass Massinissa wieder mehr als 70 Städte und feste Plätze mit Waffengewalt in Besitz genommen habe. Unter diesen 70 Städten befanden sich eben auch jene, um die es schon 182 ging.

Die Karthager forderten von den Römern einen ihrer drei Vorschläge anzunehmen: entweder sollte ein unvoreingenommenes Schiedsgericht über die Streitigkeiten entscheiden oder man solle den Puniern die Erlaubnis geben, sich zur Wehr setzen zu dürfen. Die dritte Möglichkeit war eher rhetorischer Natur: sie forderten endgültig zu wissen, wie viel Land sie denn nun Massinissa schenken sollten. Darauf schickte Massinissa seinen Sohn Gulussa mit der Botschaft nach Rom, dass nichts des von den Puniern Gesagten stimme. Außerdem beschuldigte Gulussa die Punier der Zusammenarbeit mit den Makedoniern, die mit den Römern im Krieg standen, und behauptete, die Karthager würden sie, die Numider, nur so hassen, weil sie so enge Verbündete Roms waren.

„Als sie dann noch den Numiderkönig als rauen Henker bezeichneten und sich in der Absicht Mitleid zu erwecken, weinend niederwarfen, verfehlte diese rührselige Szene ihre Wirkung auf die Senatoren nicht.“[4]

Der römischen Senat aber war mehr beeindruckt von der Darbietung der Punier und forderte Gulussa auf, seinen Vater nach einer erneuten Delegation zu bitten, die mit ausreichenden Kompetenzen ausgestattet sei, um die Streitigkeiten lösen zu können.

Massinissa aber schickte keine Delegation, sondern Truppen mit Elefanten, um die Römer im Kampf gegen den Makedonierkönig Perseus zu unterstützen. Für die Römer war die Angelegenheit damit vorerst erledigt. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass jeglicher Territorialgewinn Massinissas im Prinzip auch ein Gewinn für Rom war, denn Rom war Besitzer des Numidischen Gebietes, sie hatten es ihnen nur zur Nutzung überlassen.

161 v. Chr. folgte ein weiterer Zwischenfall. Da das Numiderreich sehr heterogen war, hatte Massinissa große Schwierigkeiten seine Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Es gelang ihm nicht ganz: eine Gruppe rebellierte, wurde dann verfolgt und suchte Schutz auf karthagischem Gebiet. Karthago gewährte ihnen diesen Schutz und verweigerte Massinissa den Durchzug, was dieser als Affront verstand und darauf zuerst die Emporia, ein Weizenanbaugebiet, und später die kleine Syrte besetzte. Die Emporia war insofern von großer Bedeutung, als dass dort die Kornkammer Karthagos lag und diese sehr ertragreich war.

„Die Beweisführung Karthagos ist rechtlich fundiert, denn es besaß die Souveränität über das Territorium der Emporia. Ein Betreten desselben durch bewaffnete numidische Einheiten stellte eine Verletzung dieser Souveränität dar, zu deren Ausübung auch die Gewährung des Asylrechts gehörte.“[5]

Rom fällte diesmal eine Entscheidung. Anders als zu erwarten fiel sie nicht zugunsten der Karthager aus, sondern berücksichtigte wieder römisches Interesse und verurteilte die Karthager dazu die Städte und das Land abzugeben, sowie fünfhundert Talent Entschädigung zu zahlen.

„...Massinissa sei stets von den Römern begünstigt worden, wobei die entsandten Schiedsrichter weniger rechtliche Maßstäbe als vielmehr das römische Interesse berücksichtigten.“[6]

Die militärischen Streitfälle

154 kam es erneut zu einem Konflikt auf Karthagischem Gebiet, diesmal jedoch initiiert von numidischen Normaden und nicht von Massinissa selbst. Die Karthager setzten sich mit entschlossener Kraft gegen die Eindringlinge zur Wehr. Da dieser Krieg jedoch nicht gegen Massinissa gerichtet war, wiedersprach er auch nicht dem Friedensvertrag von 201. Dies hätte ein militärisches Intervenieren der Römer in jedem Fall gefordert. So zwangen die Römer nur beide Parteien zur Waffenruhe.

Diese friedensähnliche Situation hielt nicht lange an. Massinissa besetzte 153 die großen Felder im Bagradas-Tal sowie das Gebiet der fünfzig Städte namens Tyska.[7] Wieder legten die Karthager Beschwerde in Rom ein und es wurde erneut eine römische Delegation nach Karthago geschickt. Diese inspizierte die punischen Gebiete und zog ohne einen Entschluss getroffen zu haben wieder nach Rom. Dort war man sehr gespalten: während die eine Fraktion, angeführt von M. Porcius Cato, in Karthago eine große Bedrohung sah und Kartago zerstört sehen wollte, versuchte Scipio Nasica zu vermitteln und die Karthager zum abrüsten zu bringen. Er setzte sich im Senat durch, und es wurde die Vereinbarung getroffen, dass kein Krieg stattfinden sollte, wenn Karthago seine Flotte in Brand stecken und das Heer entlassen würde. Die Bemühung scheiterten jedoch daran, dass das punische Heer bereits ins Königreich der Numider einmarschiert war. Eine ca. 58.000 Mann starke Armee unter der Führung des Hasdrubal schritt gegen 52.000 Soldaten Massinissas. Nach einigen kleinen Erfolgen gelang es Gulussa, der das numidische Heer anführte, die Karthager auf einem Berg zu umzingeln und auszuhungern. Hasdrubal musste aufgeben und seine große Armee wurde bis auf wenige Mann durch Seuchen dahingerafft und der Rest von Gulussa hingerichtet.

Wegen des Friedensvertrages von 201 war Rom nun gezwungen seinen numidischen Bundesgenossen zur Hilfe zu eilen und einen Zug gegen Karthago zu beginnen. Dieser sollte 146 in der totalen Vernichtung Karthagos enden.

Schluss

Der gesamte Konflikt zwischen Massinissa und den Karthagern hatte seinen Ursprung in der Forderung Massinissas „Afrika den Afrikanern“. Der Versuch diese Forderung durchzusetzen war nur möglich, weil Massinissa die Macht Roms geschickt einzusetzen wusste. Zur rechten Zeit wusste er den Römern zu Hilfe zu eilen oder geschickt zu intrigieren und Verschwörungen zu verbreiten. Jedoch war sein Traum des großnumidischen Reiches in Afrika nicht der Traum der Römer, die kein Interesse an einer zweiten starken Macht in der Region hatten. Die Spannung, die sich dann zwischen Massinissa und Rom entwickelte, ist jedoch nicht mehr Thema dieses Essays.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass Massinissa ohne römische Hilfe keine ernsthafte Gefahr für die Karthager hätte werden können. Aber auch in Karthago gab es größere Differenzen zwischen der pronumidischen Partei und den Anhängern eines starken Karthagos. Auch diese Streitigkeiten führten sicherlich zu einem Abschwächen der karthagischen Position. Auch dies sollte jedoch nicht Thema dieser Arbeit sein.

Literatur

- Gerold, Markus: Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden – Rechtshistorische Untersuchungen zu den römisch-karthagischen Beziehungen zwischen 241 v Chr. und 149 v. Chr., Frankfurt am Main 2002.
- Huss, Werner: Karthago, 2. Aufl., München 2000.
- Storm, Elfriede: Massinissa – Numidien im Aufbruch, Stuttgart 2001.

[...]


[1] Huß, Werner: Karthago

[2] „Polybios überlieferte ausdrücklich, dass alles Eigentum „innerhalb der ihnen [den Karthagern] zuzuweisenden Grenzen“ an Massinissa zurückgeben werden müsse.“ Gerold, Markus: Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden.

[3] Zwar handelt es sich bei den Überfällen Massinissas zweifelsohne um militärische, gemeint ist hier aber die nicht-militärische Reaktion der Karthager.

[4] Storm, Elfriede: Massinissa

[5] Storm, Elfriede: Massinissa

[6] Gerold, Markus: Rom und Karthago

[7] Vgl.: Gerold, Markus: Rom und Karthago

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Die numidisch-karthagischen Konflikte - Ein Essay über die Vorgeschichte des 3. punischen Krieges
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Einführungsseminar
Note
2,3
Jahr
2003
Seiten
7
Katalognummer
V108724
ISBN (eBook)
9783640069187
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konflikte, Essay, Vorgeschichte, Krieges, Einführungsseminar
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Die numidisch-karthagischen Konflikte - Ein Essay über die Vorgeschichte des 3. punischen Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108724

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