Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession


Hausarbeit, 2002

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung:

1.) Einleitung

2.) Zur Definition Sozialer Arbeit

3.) Handelt es sich bei Menschenrechten um „moralische“ oder „juristische“ Rechte?

4.) Zusammenführung der Sozialen Arbeit und der Menschenrechte zu einer Menschenrechtsprofession
4.1.) Was können SozialarbeiterInnen (im Zusammenhang mit der internationalen Entwicklung in Politik und Wirtschaft) mit dem Blick auf die Menschenrechte tun?

5.) Eigene Stellungnahme zum Thema der Hausarbeit

1.) Einleitung:

Während meines Studiums stellt sich für mich immer wieder die Frage, wie es mit der Sozialen Arbeit weitergeht. Immer mehr Sozialarbeiter werden arbeitslos, immer mehr Einrichtungen schließen oder sind mit horrenden Sparmaßnahmen konfrontiert. Und all dies geschieht in einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums im zusammenwachsenden Europa. Nicht die Schwachen dieser Gesellschaft, sondern die internationalen Investoren, die Starken sind es, die Schutz bekommen und für deren Bedürfnisse staatlich abgesicherte Positionen von Seiten der Politik geschaffen werden.

Zum ersten Mal bin ich durch mein Angebundensein an eine Praktikumsstelle hautnah mit der „Sozialen Misere“, die nach dem hamburger Regierungswechsel einen neuen Höhepunkt erreichte, konfrontiert. Ansonsten habe ich durch mein Studentinnendasein wohl eher profitiert, da ich als Billiglohnarbeiterin in Kinderheim und Haus der Jugend schnell einen Nebenjob fand.

50% des Budgets der sozialen Projekte für Frauen wurden in Hamburg zum Beispiel gestrichen. Nun könnte man sich vorstellen, daß sich MitarbeiterInnen dieser Institutionen zusammen schließen, protestieren, streiken, KlientInnen mobilisieren, um auf die sozialen Notlagen, die unsere Gesellschaft hervorbringt, aufmerksam zu machen. Leider geschieht dieses viel zu selten. Im Beispiel der hamburger Frauenprojekte geschah Folgendes: Die einzelnen vor dem finanziellen Chaos stehenden Einrichtungen trafen sich, um einzelne Projekte zusammen zu legen und so mit der Hälfte des Budgets, mehr schlecht als recht auszukommen. Dass MitarbeiterInnen dabei arbeitslos werden und Klientinnen nicht mehr ausreichend „geholfen“ werden kann, wurde mehr oder weniger in Kauf genommen. An einzelnen öffentlichen Demonstrationen wurde teilgenommen, weitere Proteste folgten jedoch kaum. In dieser Stresssituation erzürnten sich die MitarbeiterInnen unterschiedlicher „Trägerkooperationen“ zu guter Letzt, so dass manche Einrichtungen vor dem totalen Aus stehen.

Man folgte den Forderungen des Staates zu sparen. Es scheint als gäbe es keine Alternativen. Die geringere Budgetierung resultiere daraus, dass die Staatskassen leer seien und die nun weniger bezuschussten Einrichtungen im Vorherein zuviel Geld bekamen. Diese Einrichten seien „überausgestattet“ (Sozialsenatorin Schnieber-Jastram / CDU) somit die Bedürfnisse der KlientInnen übertrieben worden.

„Die 90er Jahre haben der sozialen Fachwelt beigebracht, Begriffe, wie Benachteiligung, (Un-) Gerechtigkeit, Solidarität, sozialstaatliche Umverteilung, (soziales) Problem, Hilfe, Schutz und Fürsorglichkeit als Elemente eines Auslaufsmodells gesellschaftlicher Analyse und Sozialer Arbeit zu bezeichnen. Eine Praxis und Ausbildung in Sozialer Arbeit, die etwas auf sich hält, hat das „Problem- bzw. Defizitmodell“ verabschiedet und ihre Ausbildung auf effizientes Sozial-, Case-, Gemeinwesen- und Organisationsmanagement ausgerichtet. Und viele Fachpublikationen versuchen- wie das in grosser Öffentlichkeit so üblich ist- der Profession einzureden, dass sie nur so überleben könne. Es gäbe keine Alternativen.“[1]

So berichtete letztens eine Kommilitonin, die die ersten Semester in Bayern Sozialpädagogik studierte, dass sie das Pflichtstudienfach „Management und Controlling“ belegte und gesellschaftskritische Politikseminare, wie am Rauhen Haus nicht angeboten wurden. Nach Sylvia Staub-Bernasconi wäre hier die Pflicht der Sozialarbeit(ausbildung) verfehlt.

„Sofern sich Soziale Arbeit mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Ausbildungen unter Berufung auf „Paradigmenwechsel“ als „effiziente Managementaktivität“ definiert, könnte sie in kurzer Zeit als Profession leicht ersetzbar werden. Denn: qualifizierte Managementausbildungen gibt es im Nonprofitbereich viele. Die Theorien und Methoden der Betriebswirtschaftslehre werden in der Regel gegenstands- bzw. kundenspezifisch vermittelt. Im Prinzip kann also -wie europäische Experten der Sozialen Arbeit warnen- jeder Absolvent jeder Managementausbildung jede ausgeschriebene Stelle im Bildungs-, Sport-, Gesundheits-, Sozial- oder Kulturbereich annehmen. M.a.W. muss er über keine speziellen, wissenschaftlich begründeten Fachkenntnisse über die Formen, Entstehung und Folgen sozialer Ungleichheit zwischen Schichten, Geschlechtern, altersspezifischen, ethnisch-nationalen Gruppen, Nationen u.s.w. verfügen. Um Effizienz- und Sparanforderungen zu genügen, stünden ihm diese Kenntnisse geradezu im Weg.“[2]

Im Rahmen des studienintegrierten Blockseminars wurde ich am Anfang dieses Semesters mit dem Thema „Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession“ konfrontiert. Hier erfuhr ich von dem Handbuch „Menschenrechte und Soziale Arbeit“ der Vereinten Nationen, des Internationalen Verbandes der SozialarbeiterInnen und der Internationalen Vereinigung der Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit, was der Sozialen Arbeit zuallererst einen Menschenrechtsauftrag zuschreibt.

In dieser Hausarbeit möchte ich zunächst eine Definition für „Soziale Arbeit“ geben.

Danach werde ich diskutieren, was Menschenrechte eigentlich sind, bzw. inwiefern man sich rechtlich auf sie berufen und somit „Soziales“ fordern kann.

Im Weiteren werde ich Sylvia Staub-Bernasconis Position zur Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession vorstellen, an- und abschließend selber Stellung zu diesem vorgestellten Berufsbild beziehen.

Ich verwende die Begriffe „Soziale Arbeit“ und „Sozialarbeit“ im gleichen Sinne.

2.) Zur Definition „Sozialer Arbeit“

„Es gibt keine Eindeutigkeit über die Arbeitsfelder, die zur Sozialen Arbeit gehören, es gibt kein verbindliches Grundmuster des Handelns, es fehlt überdies bislang ein prägendes theoretisches Konzept.“[3] An dieser Wörterbuchaussage erkennt man, welche Schwierigkeiten die Frage nach der Definition „Sozialer Arbeit“ mit sich bringt. Die Frage „Was ist Soziale Arbeit?“ wird im Rahmen des Studiums immer wieder von Seiten der Professoren an uns heran getragen. Die Wissenschaft sucht nach einer Definition. Soziale Arbeit hatte immer wieder negative Auswirkungen auf Menschen. Geschichte und Gegenwart der Sozialen Arbeit zeigen, wie leicht sich Angehörige dieser Profession von verschiedensten Kräften instrumentalisieren lassen. Pädagogisierung und Therapeutisierung, Sozialdisziplinierung und Kolonialisierung sind Stichworte, hinter denen sich Grundhaltungen des sozialarbeiterischen Berufes verbargen und verbergen. Ein Orientierungspunkt für die Soziale Arbeit ist sicherlich notwendig. Die Frage, nach welchem Orientierungspunkt sich Soziale Arbeit ausrichten soll, wird von unterschiedlichen Gruppen innerhalb dieses Berufes verschieden beantwortet. Das dominierende Bild des Leitthemas der Sozialen Arbeit sei, laut Kunstreich „Hilfe“.[4] Nach Wendt wird in Sozialer Arbeit versucht, „Menschen einzeln und in Gruppen bei ihrer Lebensführung zu unterstützen und mit ihnen Notlagen zu bewältigen.“[5] „Hilfe“ als wichtigstes Leitthema Sozialer Arbeit wird von anderen WissenschaftlerInnen unter besonderer Beachtung der Institutionalisierung von Hilfe kritisiert. So weist Kunstreich darauf hin, „daß es zu Beginn der modernen Sozialen Arbeit weniger um Hilfe als um die stigmatisierte Zweiteilung in „würdige“ und „unwürdige“ Arme ging.“[6] Darin zeige sich die Vorstellung von der strukturellen Ungleichheit der Gesellschaftsmitglieder, welche bis heute Kontinuität hätte.[7]

Der Auffassung, „Hilfe“ sei das wichtigste Leitthema Sozialer Arbeit, steht die Kritische Soziale Arbeit gegenüber, welche „soziale Gerechtigkeit“ als wichtigeres Leitthema verfolgt. Eine so ausgerichtete Soziale Arbeit reduziert sich nicht auf das Handeln zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn, sondern „nimmt ihren gedanklichen Ausgangspunkt bei den vielfältigen Gestaltungsformen der Sozialitäten, bei der aktiven Aneignung von Überlebenspraktiken, bei dem gewitzten Widerstand der Subjekte- genauso wie bei deren Leid und ohnmächtigen Rückzug.“[8] Eine so verstandene Soziale Arbeit, die nicht als Helfer für die bestehende Herrschaft arbeitet, sondern für die soziale Gerechtigkeit der Mitglieder dieser Gesellschaft, muss politisch neutral sein.

So komme ich nun endlich zu einer Definition „Sozialer Arbeit“, die dem o.g. Aspekt gerecht wird, auch meiner Auffassung dieser Profession am nahesten kommt, außerdem dem Thema dieser Hausarbeit.

Im Juli 2000 wurde auf der Generalversammlung des Internationalen Verbandes der SozialarbeiterInnen (IFSW) folgende neue Definition von Sozialer Arbeit angenommen:

„Die Sozialarbeitsprofession fördert soziale Veränderung, Problemlösung in menschlichen Beziehungen das Empowerment und die Befreiung von Menschen, um ihr Wohlbefinden zu steigern. Mit der Nutzung von Theorien menschlichen Verhaltens und sozialer Systeme setzt sich Soziale Arbeit an den Punkten ein, an denen sich Menschen und ihre Umgebung wechselseitig beeinflussen. Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit sind für die soziale Arbeit grundlegend.“[9]

Ich möchte hervorheben, dass Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession, nicht nur auf internationaler Ebene auf Menschenrechtsverletzungen stößt. Vielleicht denkt man zunächst an die Drittweltländer, in denen der Staat korrupt ist, ich denke da z.B. an den Fall Digna Ochoa, die mexikanische Juristin und Menschenrechtskämpferin, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf Befehl staatlicher Instanzen ermordet wurde und deren Schicksal heute von vielen Menschenrechtsorganisationen untersucht wird.

Auch in Deutschland gibt es menschenrechtsverletzende Zustände, z.B. sind die Zustände in vielen Alten-Pflegeheimen menschenunwürdig, hierzu Näheres im Verlaufe dieser Arbeit. Mir ist es wichtig nochmal zu betonen, dass Sozialarbeit, die sich mit der sozialen, gesellschaftlichen Ungerechtigkeit beschäftigt, politisch neutral sein muss. Denn nur so kann sie frei heraus auf Ursachen gesellschaftlicher Ursprünge und die daraus resultierenden Notlagen ihrer Klienten aufmerksam machen. Meine Frage ist nur, inwieweit diese Profession von Politik unabhängig sein kann. Schließlich ist Sozialarbeit ein Non-Profitberuf, der nur von staatlichen Geldern getragen wird, sieht man von allgemeinen Spendengeldern ab. Einrichtungen, die sich lautstark gegen eine politische Richtung wehren, laufen Gefahr im nächsten Quartal einfach nicht mehr bezuschusst zu werden. Die Gelder verteilt der Staat, er hat „die Fäden in der Hand“. Ich denke, dass es wohl am wichtigsten wäre, um diese „Ausschaltungen“ zu vermeiden, dass gemeinsam „gekämpft“ wird, dass sich Träger zusammenschließen, nicht nur auf nationaler Ebene. Ansonsten geht es bald jedem Sozialarbeitsfeld so, wie den Frauenprojekten in Hamburg.

3.) Handelt es sich bei Menschenrechten um „moralische“ oder „juristische“ Rechte?

Die Not, die es erst nötig macht, Menschenrechte zu formulieren, zeigt, dass es „Unmenschlichkeit“ gibt, dass Menschen Rechte (wieder) zugesprochen werden müssen. Diese Notwendigkeit macht die grundsätzliche Ungerechtigkeit auf dieser Welt am deutlichsten.

Mit der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) gibt es seit 1948 ein faktisches Dokument über Menschenrechte. Dennoch gibt es bis heute kein allgemein akzeptiertes Verständnis dieser Rechte.

In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1987 mit dem Titel „Human Rights: Questions and Answers“ geben die Vereinten Nationen folgenden Begriff von den Menschenrechten:

„Als Menschenrechte lassen sich ganz allgemein jene Rechte definieren, die unserer Natur eigen sind und ohne die wir als menschliche Wesen nicht existieren können. Die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten erlauben uns, unsere menschliche(n) Eigenschaften, unsere Intelligenz, unsere Begabung und unser moralisches Bewußtsein voll zu entwickeln und zu gebrauchen und unsere geistigen und sonstigen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie gründen im zunehmenden Verlangen der Menschheit nach einem Leben, in dem die unveräußerliche Würde und der Wert jedes einzelnen Menschen Anerkennung und Schutz findet.“[10]

Tomuschat formuliert Menschenrechte wie folgend: Sie seien „ Rechte, welche einem jeden Menschen ungeachtet aller seiner Eigenschaften allein kraft seines Menschseins zukommen (sollen).“[11] Hiermit werden jedem Menschen, nur aufgrund seines bloßen Menschseins Rechte gegeben, die ihn gleichberechtigen.

Brieskorn vertritt die Auffassung, dass sich die Menschenrechte „gegen und an den Staat richten, ihn auch aufbauen und seine Akte legitimieren wollen.“ Sie seien Prinzipien der politischen, nicht der persönlichen Humanität.[12] Verstünde man Menschenrechte als Rechte, die Menschen sich wechselseitig zusagten, so ginge es in jedem Rechtsstreit um Menschenrechtsverletzungen, worunter Mord, aber auch der kleine Betrug verstanden würde. Hierdurch drohe ein Verschwimmen der Konturen.[13]

Sylvias Staub-Bernasconi formuliert es treffend: „Da das Festschreiben von Menschenrechten die Begrenzung von Macht gegenüber Machtträgern ist, sind heute auch andere Machtträger, namentlich die Wirtschaft, auf die ein beträchtlicher Anteil ehemals staatlicher Macht übergegangen ist, als Bedroher der Menschenrechte anzusehen.“ Wenn Menschenrechte nicht als Prinzipien der persönlichen Beziehungen anzusehen sind, ist es wichtig, stets die Folgen gesellschaftlicher Prozesse im Auge zu behalten. So ist z.B. eine Situation, in der ein Mann eine Frau misshandelt, nicht ohne Weiteres dem Privatbereich zuzuordnen. Die Bedingungen, die ein solches Verhalten hervorbringen, akzeptieren oder dulden, werden vom Staat entscheidend bestimmt, und da eine Menschenrechtsverletzung durch Tun oder Unterlassen des Staates geschehen kann, sei laut Staub-Bernasconi zu prüfen, inwieweit der Staat sich einer Menschenrechtsverletzung schuldig mache, z.B. in Bezug zum Artikel 2 AEMR.

Ich habe am Anfang dieses Kapitels die Frage gestellt, ob es sich bei Menschenrechten, um juristische oder moralische Rechte handelt. Die obige „Diskussion“, in denen sogar philosophische Inhalte zu finden sind, macht deutlich, dass es auf die Frage nach einer allgemeingültigen Definition noch keine Antwort gibt. So sagt Brieskorn: „Immer wenn Politik als Menschenrechtspolitik auftrat, legte sie sich einen ihr passenden Begriffe der Menschenrechte zurecht.“[14] So kritisierten sich UdSSR und USA jahrelang gegenseitig wegen des Verstoßes gegen die sozialen Rechte und Freiheitsrechte.

Sicherlich ist es schwer, vielleicht auf fairer Basis gar nicht möglich, international gleichwertige Menschenrechte auszuformulieren; Rechte oder Verbote, die in einigen Kulturen herrschen, sind für andere nicht nachvollziehbar. Ich denke, dass hier eine gewisse Toleranz, Ungleichheit gegenüber bedacht werden muss.

Aktuell fand ich einen Artikel in der Zeitungsbeilage „Le monde diplomatique“ der taz, der deutlich macht, dass Menschenrechte für politische Belange funktionalisiert werden (vorallem von den USA), was meiner Vorstellung der Menschenrechtsidee widerspricht, jedoch wird man immer wieder eines anderen belehrt.

„Die Menschenrechte haben es heutzutage nicht leicht. In den Jahren des Kalten Krieges sind sie vom subversiven Glaubensbekenntnis von Dissidenten und Aktivisten zu einer Art herrschenden Ideologie (!) westlicher Religionen aufgestiegen. Doch wie jede offizielle Weltanschauung (!) standen auch die Menschenrechte immer dann höher im Kurs, wenn ihnen zuwider als wenn ihnen gemäß gehandelt wurde. Insbesondere als Legitimation der humanitären Interventionen der Neunzigerjahre in Somalia, Bosnien, Osttimor und im Kosovo spielten sie spürbar eine Rolle.“[15]

Sind Menschenrechte juristisch einklagbar?

Erklärungen gelten ebenso wie Beschlüsse und Resolutionen ungeachtet ihrer Rechtsverbindlichkeit als formelle Rechtsakte, welche als formelle Willensbekundungen eines Organs verstanden werden. Erklärungen, wie z.B. die AEMR haben dabei in der Regel lediglich Empfehlungscharakter und keinerlei Rechtsverbindlichkeit.

Mitglieder des Europarates haben die Möglichkeit, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten. Durch die Möglichkeit der Individualbeschwerde nach Art.25 der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 (EMRK) wird ein viel weitreichender Rechtsschutz gewährleistet als durch die der UN. Seit dem 1.11.1998 gibt es den ständigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EuGHMR), welcher den nichtständigen, sowie die Europäische Kommission für Menschenrechte ersetzt.

Jede nätürliche Person, nichtstaatliche Organisation oder Personenvereinigung kann hier eine Individualbeschwerde gegen einen Staat des Europarates einreichen, wenn sie ihre EMRK gewährleisteten Rechte verletzt sieht. Voraussetzung ist,dass der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft ist. Durch den Europäischen Gerichtshof werden Urteile deutscher Gerichte oder Verwaltungsakte nicht aufgehoben, nach § 359 Nr.6 Strafprozessordnung besteht aber kein Wiederaufnahmegrund, wenn der EuGHMR festgestellt hat, dass ein Urteil auf der Verletzung der EMRK oder ihrer Protokolle beruht. Bei Verstoß gegen die EMRK kann der EuGHMR der geschädigten Partei eine Entschädigung nach Art. 50 EMRK zusprechen, dieses Urteil ist verbindlich, d.h., dass der betroffene Staat dem Urteil nachkommen muss. Andere Urteile des EuGHMR haben lediglich feststellenden Charakter, sind somit nicht direkt verbindlich.[16]

Es gibt derzeit noch keine Möglichkeit, soziale Menschenrechte auf internationalem Rechtsweg einzuklagen. So enthält der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) nicht die Möglichkeit des Beschwerdeverfahrens, wie im Verfahren des Europarates, der nur über europäische Rechtsfragen entscheidet. Staaten bzw.- Individualbeschwerden führen nicht zu zwangsläufigen Strafen oder Entschädigungsmaßnahmen. Der Menschenrechtsausschuss kann nach einem bestimmten Verfahren beratend eintreten.

Staaten, die Partei des IPwskR sind, übernehmen jedoch die Verpflichtung, regelmäßig über Maßnahmen zu berichten, die sie zur Verwirklichung der vom Pakt geschützten Rechte getroffen haben. Der Ausschuss für die WSK-Rechte, als überstaatliche Instanz prüft diese Staatenberichte und bemängelt die Verletzungen im jeweiligen Land. Der Rechtsausschuss macht zusätzlich Aussagen über seine Rechtsauffassung in bestimmten Angelegenheiten. Rechtsverbindlichkeit haben diese jedoch nicht; auch die Bemängelungen der Staatenberichte sind keine juristisch wirksamen Auflagen.

Sicherlich gibt es immer wieder staatliche Bemühungen, auf die von der UNO betonten Missstände regulierend einzugehen. Gerade für Drittweltländer ist es problematisch, international durch Menschenrechtsverletzungen ins Rampenlicht zu gelangen; zum Beispiel für Staaten, deren Mitglieder durch unwürdige Lebensbedingungen flüchten und so Druck von den Ländern bekommen, die ihre Flüchtlinge (gezwungenermaßen) aufnehmen.

Nur was nützt dieses aufwendige Verfahren, wenn Menschenrechtsverletzungen nicht juristisch geahndet werden? Doch selbst wenn rechtliche Strafen festgelegt würden, würde es nicht bedeuten, dass es keine Menschenrechtsverletzungen mehr gäbe. Für viele Vergehen gibt es Strafen, trotzdem hören die Straftaten nicht auf; diese Tatsache darf an dieser Stelle nicht vergessen werden.

So kann man die Menschenrechte tatsächlich als „moralische“ Rechte oder als Richtlinien für Staaten verstehen, auf die von einer großen, internationalen Basisbewegung immer wieder aufmerksam gemacht werden muss. „Als Katalog moralischer Forderungen sind die Menschenrechte das Gegenteil von Politik, sie sind ein Moralkodex, der a priori jede politische Rechtfertigung der Verweigerung von Grundrechten ablehnt (z.B. im Bezug zur aktuellen Legitimation des Kampfes gegen „die Achse des Bösen“ der USA). Doch Menschenrechte sind auch mehr als ein Stapel moralischer Trümpfe. In einer Welt der Gewalt und Ungerechtigkeit bemühen sich Menschenrechtsaktivisten, ihren Einfluss geltend zu machen, in dem sie als Bewegung auftreten. Sie müssen versuchen, ihre moralisch kompromisslosen Forderungen in Einklang zu bringen mit der harten Realität, die da heißt, sich in einer freien Welt Gehör zu verschaffen, die sich im Krieg gegen den Terror befindet.“[17]

Im Folgenden komme ich zu Sylvia Staub-Bernasconi, und ihrem Verständnis von Menschenrechten, sowie ihrer Idee, diese für Forderungen in der Sozialen Arbeit heranzuziehen.

4.) Zusammenführung der Sozialen Arbeit und der Menschenrechte zu einer Menschenrechtsprofession

Im Folgenden zitiere ich aus dem von der UNO, dem Internationalen Verband der SozialarbeiterInnen und der Internationalen Vereinigung der Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit entstandenen Handbuch für Sozialarbeit (1992), was den Einbezug der Berufung auf die Menschenrechte in der Sozialarbeit vorgibt:

„Das Gewicht, das die Sozialarbeit von Berufs wegen auf die menschlichen Bedürfnisse legt, hat in ihr die Überzeugung gefestigt, daß wegen der grundlegenden Natur dieser Bedürfnisse ihre Befriedigung keine Sache des Beliebens, sondern ein Gebot fundamentaler Gerechtigkeit ist. So gelangt die Sozialarbeit dazu, die Menschenrechte als zweites organisierendes Prinzip ihres beruflichen Wirkens zu betrachten. (...) Ein substantielles Bedürfnis läßt sich in ein entsprechendes positives Recht übersetzen; der Leistungsanspruch, der aus diesem Recht folgt, läßt sich vom Staat oder auch von übergeordneten Instanzen einfordern.“[18]

Somit verstehe ich Sozialarbeit hier als gewisse staatliche „Kontrollinstanz“ über soziale Belange. Ein solcher Staat wäre „sozial selbstregulierend“.

Sylvia Staub-Bernasconi hat in Deutschland als erste über die Intergration der Berufung auf Menschenrechte in der Sozialen Arbeit aufmerksam gemacht. Sie stellt die Forderung auf, dass, analog zum weltweiten Bewußtseinsprozeß über ökologische Probleme, ein solcher auch über soziale Probleme in Gang gesetzt werden müsse.[19] In 8 Thesen entwickelt sie, dass Menschenrechte zu einem zentralen Thema in der Sozialarbeitspraxis werden müssen. Dabei ist es ihr ein großes Anliegen, dass dieses Thema vorallem an die Ausbildungsstätten getragen wird, um so einen Strukturwechsel (infolge der „neuen“ Arbeitskräfte) in der Sozialarbeit zu erreichen.

Im Folgenden werde ich Staub-Bernasconis Thesen für eine Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession zusammengefasst wiedergeben:[20]

1) In der ersten These stellt Staub-Bernasconi fest, dass die Nutzung der Menschenrechtsidee für die Forderung sozialer Gerechtigkeit in der Sozialen Arbeit schon lange vorherrscht. Die kritische Sicht auf gesellschaftliche Strukturen, angestoßen durch das Leid eines „Klienten“, ist seit den ersten Professionalisierungskarrieren Grundlage Sozialer Arbeit. Hierzu führt sie beispielhaft Jane Addams´ Forderungen des frühen 20.Jahrhunderts an.
2) Menschenrechte gäben der Sozialen Arbeit die Möglichkeit zurück, in größter Radikalität von Menschen und ihren Bedürfnissen aus zu denken und zu handeln. Menschenrechte fordern, dass die menschlichen Bedürfnisse als erstes gesehen und geachtet werden, um dann zu handeln. Wegen ihrer in der Struktur des Organismus verankerten Natur könne angenommen werden, dass diese Bedürfnisse allen Menschen gemeinsam sind. So könnten Menschenrechte sogar auf wissenschaftlicher Basis geltend gemacht werden.
3) Soziale Arbeit als Non-Profit-Profession ist von staatlichen Geldern abhängig. Sie hat so gut, wie keine trägerunabhängige Theoriebasis, lässt sich vielmehr von Trägern und den Finanzen der gesellschaftlichen Auftraggebern das Denken und Handeln abnehmen bzw. vorschreiben (vgl. Kapitel 1). Soziale Arbeit als voll und ganz von gesellschaftlich zur Verfügung gestellten Ressourcen abhängig zu sehen, greife jedoch zu kurz. Die Menschenrechte „könnten... als eine Art symbolischer und kultureller Ressourcen bezeichnet werden, innerhalb derer auf vergesellschafteter Ebene festgehalten wird, dass es sich um Rechte handelt, die in einer internationalen sozialen Ordnung... jedem Menschen zugesprochen werden sollen.“ (S.53) Damit lieferten sie Sozialer Arbeit die Möglichkeit, eigenbestimmte Aufträge zu formulieren, welches ein Kriterium einer Profession darstelle. Soziale Arbeit könne und müsse nicht, wie so oft praktiziert, vom Auftraggeber auf „Legitimation zum Denken und Handeln“ warten.
4) Staub-Bernasconi fordert die Soziale Arbeit auf, sich in die Diskussionen um kulturelle Differenzen im Bezug zu den Menschenrechten einzumischen. Menschenrechte müssten hier gelegentlich in Menschenpflichten umformuliert werden. Sie warnt davor, nicht eine „kollonialistische Agenda“ zu werden. Kulturelle Unterschiede müssten ausgehalten werden, jedoch seien Diskussionen wichtig, um die bedürfnisorientierten Menschenrechte zu gewähren, z.B. in Fragen der Gleichberechtigung der Geschlechter und religiös gerechtfertigten Strafen im Islam. Hierbei sei zwischen klaren Expansions- und Machtansprüchen islamischer Regimes, sowie dem Missbrauch dieser Phänomene zur allgemeinen Diskreditierung des Islams durch den Westen zu unterscheiden. Fragen zum „Recht auf Gleichheit“, sowie zum „Recht auf Ungleichheit oder Differenz“ seien sehr ernst zu nehmen und sorfältig zu führen, auch wenn die Uno-Generalversammlung die Universalität der Menschenrechte als abstrakten Grundsatz immer wieder neu bekräftigt hat.
5) Menschenrechte seien im Unterschied zu „großen, unerreichbaren Idealen“ „Realutopien“. „Realutopien sind individuelle und kollektiv geteilte Bilder des Wünschbaren, für die vage bis sehr konkrete Vorstellungen bestehen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Ressourcen und Mitteln sie verwirklicht werden könn(t)en.“ (S.56) Praktisch hieße das, dass die Menschenrechte kritisier- und veränderbar blieben. Aufgrund der Allgemeinheit und Abstraktheit der Begriffe Freiheit, Gleichheit, Solidarität müssten sie breite Deutungs- und Operationalisierungsspielräume zulassen. Ihre Konkretisierung würde immer wieder umstritten sein, was eine respektvolle Diskussionskultur auf inter- und transkultureller Ebene verlange.
6) Die UNO- Menschenrechtserklärung erklärt die Individual-, Bürger- und Sozialrechte als unteilbar. Jedoch sind nur die ersten beiden verfassungswürdig und einklagbar. Soziale Arbeit müsse sich mit Gründen, Folgen und Veränderungsbedingungen dieser Zweiteilung befassen. Sozialrechte geben, nach Staub-Bernasconi „ein Recht auf einen bestimmten Wohlfahrtsstaat, der nicht vom wirtschaftlichen Marktwert des Anspruchsberechtigten, sondern allein von seinem Menschsein abhängen darf“, wofür sich Soziale Arbeit weiter engagieren müsse.
7) Auf der Ausbildungsebene Sozialer Arbeit müsse das Thema Menschenrechte (und Soziale Arbeit) ins Ausbildungsmodell als fester Bestandteil integriert sein. Es soll in den unterschiedlichen Studienfächern manifestiert sein, um Menschenrechte empirisch begründen, kontextbezogen interpretieren, auf ihren Wert und normativen Gehalt reflektieren zu können und auf ihren interprofessionellen Handlungsaspekt hin zu untersuchen. Praxisbezogen, mit Ideenentwicklung soll das Studium im Bezug auf diese Thematik ausgestattet sein, so dass innovative SozialarbeiterInnen einen Strukturwandel in ihren Beruf durch verändertes Bewusstsein inszenieren könnten.
8) Menschenrechte müssten zu einem zentralen Thema in der Praxis werden. So seien nicht nur Staat und UNO Ansprechpartner für die Feststellung von Menschenrechtsverletzungen und die Einlösung von Menschenrechten, auch Wirtschaft, Kirche, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen, wie private Vereinigungen. Staub-Bernasconi schlägt vor, den Begriff KlientIn gegen SozialbürgerIn einzutauschen, der dann nicht an eine Nation gebunden, verstanden werden müsse. Das oberste Ziel sei die Einübung einer Menschenrechtskultur am Arbeitsort, in der Öffentlichkeit und Familie. Nicht nur in der Sozialen Arbeit Tätige könnten die Last der Etablierung dieser Kultur tragen, an Führungskräfte unterschiedlicher Einrichtungen und Unternehmen müssten dieses Bewusstsein heran getragen werden. Abschließend äußert sich die berliner Wissenschaftlerin zu der erwartenden Kritik an die Soziale Arbeit, falls sich Staub-Bernasconis Forderungen etablieren sollten und lauter würden: „Es wird nicht an Stimmen fehlen, die ihr (der Sozialen Arbeit) wieder Bescheidenheit anmahnen und verordnen werden. Da wird es gut sein, sich an eine Stelle im UNO-Manual für SozialarbeiterInnen zu erinnern. Dort heißt es: „SozialarbeiterInnen arbeiten in verschiedenen Systemen... Sie tun dies meistens als Angestellte von Organisationen. Ihre Position als Beauftragte des Staates oder als Angestellte von mächtigen Organisationen hat viele von ihnen in schwierige Situationen gebracht. Die Profession ist beiden verpflichtet, den Arbeitgeber wie der Klientel. Aufgrund des Berufkodexes sowie der Ausbildungziele der (Hoch-)Schulen der Sozialen Arbeit steht der Dienst gegenüber den Menschen höher als die Loyalität zur Organisation.“ (Manual 1994, S.5)“ (S.60)

Dies sei und der Meinung schließe ich mich an, eine anspruchsvolle Gradwanderung.

Staub-Bernasconi führt einige Menschenrechtsverletzungen auf, die in Deutschland immer wieder geschehen und denen sich die Sozial Arbeit annehmen müsse:

- im Asylbereich werden von politisch Verfolgten immer wieder von der Heimatregierung ausgehändigte Papiere verlangt,
- Missachtung der Rechte von Behinderten u.a. am Arbeitsplatz,
- Erwerbslosigkeit, Armut, fehlende Mindestrente,
- Entzug der Bewegungsfreiheit durch Angurten, die Wegnahme von Gehhilfen, die medikamentöse Ruhigstellung der Bewohner von Altenheimen. So wird dem unterbestztem Personal Arbeit erspart,
- Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz,
- Diskriminierung der Frau durch die Kirche bezüglich des Priesteramtes, u.v.m..

4.1. Was können SozialarbeiterInnen (im Zusammenhang mit der internationalen Entwicklung in Wirtschaft und Politik) mit dem Blick auf die Menschenrechte tun?

Ich werde in diesem Kapitel aufzeigen, welche praktischen Ideen Staub-Bernasconi für die Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession hat. Hierbei ist es wichtig, anzumerken, dass sie kein durchdachtes Gesamtkonzept vorlegt. Staub-Bernasconi will vielmehr „ein paar Wege aus dem Alltag“, „Grenzüberschreitungen“ vorschlagen.[21] Ich werde hier aus ihrer großen Ideenbörse die mir wichtigsten widergeben:

- Staub-Bernasconi plädiert immer wieder für die Etablierung sogenannter „Journale“, die die Bedürfnisse der jeweiligen Klienten Sozialer Einrichtungen widergeben, demgegenüber die Rechtsverletzungen, außerdem Gründe der menschenunwürdigen Lage.

So könnte ein Netzwerk Sozialer Organisationen entstehen, das zum Erfahrungsaustausch in Sachen „Menschenrechtsverletzungen und Möglichkeiten ihrer Beseitigung“ diene, außerdem für gemeinsame sozialpolitische Vorstöße und Forderungen Ausgangspunkt wäre.

Mein Dozent Harald Ihmig berichtete mir, dass im Arbeitsfeld „Altenarbeit in Pflegeheimen“ ein solches Journal in Deutschland entstanden ist.

- Bewusstseinsbildung über die Relevanz der Menschenrechte in der Öffentlichkeit als Bedingung für die Entstehung einer Menschenrechtskultur sei ein Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit
-Die Bindung an Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO´s) müsse erfolgen. Diese haben Kontakte zur UNO, die genutzt werden könnten.
- Finanzielle Unterstützung der NGO´s, die sich für ein menschen-, sozial-, frauen-, und umweltverträgliches WTO-Abkommen einsetzen.
- Mitwirkung bei der Verbreitung der Forderung nach Besteuerungen der Finanzeinkünfte in mindestens der gleichen Höhe, wie die Lohnarbeit
- Mitwirung bei der Verbreitung der Forderung nach Besteuerung der Transaktionen auf den internationalen Devisenmärkten, was gemäß Berechnungen von Tobin (1972), Nobelpreisträger in Ökonomie, ein weltweites, existenzsicherndes Grundeinkommen ermöglichen würde
-Ermöglichung von Begegnungen zwischen Wirtschaft und Sozialer Arbeit, z.B. nach dem Vorbild des schweizerischen Projektes „Seitenwechsel“: Manager lernen als Teil ihrer Aus- und Weiterbildung soziale Einrichtungen, ihre Klientel und MitarbeiterInnen, aber auch Gemeinwesenprojekte kennen. Und SozialarbeiterInnen begleiten einen Bankangestellten, Börsenmakler, Immobilienhändler oder lernen einen Fabrikationsbetrieb kennen.
-JournalistInnen aus Lokal-, Inland- uns Auslandredaktionen zusammenbringen, um zu bewirken, dass verschiedene Perspektiven und Sachverhalte in ihrem Zusammenhang berücksichtigt und Menschenrechtsthemen publik werden.
- Gründung von „Denkfabriken“, d.h. Zentren, die Wissen über aktuelle ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklungen zusammentragen und aufgrund bestimmter Fragestellungen verarbeiten und verbreiten.
-Formulierung und Weiterverbreitung von Änderungsvorschlägen an den Vertragstexten, Gegenentwurf zu den WTO-Vertragstexten zusammen mit Juristen, Ökonomen, Finanzanalysten, Sozialpolitikern u.a..
- Änderung der Konsumgewohnheiten, z.B. unter Berücksichtigung eines Soziallabels in Analogie zum Ökolabel, kombiniert mit Infoständen vor/in Läden.

Abschließend zu ihrer Ideenbörse bemerkt Staub-Bernasconi: „Bei alledem aber braucht es Bewusstseinswandel – nicht zuletzt auf den Führungsetagen des Sozialwesens“.

und das Interesse für einen solchen Bewusstseinswandel muss ersteinmal geweckt werden. Durch das Appellieren an ihre Moral? Hierin sehe ich das Problem Staub-Bernasconis Theorie. Die Menschenrechte sind nicht juristisch eindeutig einklagbar.

Durch ein öffentliches Interesse und eine Gemeinschaft könnte eine Verbindlichkeit der Menschenrechte erkämpft werden (sicherlich eine gewagte Aussage), hierfür müsste ersteinmal ein öffentliches Bewusstsein geweckt werden.

5.) Eigene Stellungnahme zum Thema der Hausarbeit

Das dritte Kapitel dieser Hausarbeit beginnt mit meiner These, dass man alleine an der Notwendigkeit der Formulierung von Menschenrechten erkennt, wie ungerecht Lebenssituationen auf dieser Erde sind. Es stellte sich mir im Verlauf der Anfertigung dieser Arbeit immer wieder die Frage, ob es bedeutend weniger Elend gibt, da Menschenrechte formuliert wurden.

Im zweiten Kapitel stelle ich mehrere Positionen von Wissenschaftlern vor, die sich mit den Adressaten der Menschenrechte auseinandersetzen. Und diese Frage bewegt mich weiterhin: An wen wenden sich Menschenrechte, wieso existiert ihre Verschriftlichung, wenn sich doch kein Staat verbindlich an sie halten muss? Geahndet werden Menschenrechtsvergehen nur äußerst selten, der Weg ist langwierig und oft erfolglos. Sogar hier in Deutschland, in einem der reichsten Länder gibt es Lebenssituationen, die menschenunwürdig sind...

Staub-Bernasconi sagt in ihrer 8.These, dass auch Wirtschaft, Kirche, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen, sowie private Unternehmen in die Verantwortung genommen werden müssten, um Menschenrechtsverletzungen aufzudecken und einzulösen. Es ist sicherlich notwendig, die breite Öffentlichkeit zu informieren und zu aktivieren, sich auf die Menschenrechte zu berufen, wenn Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession verstanden werden und sich als solche etablieren soll, außerdem eine allgemeine „Kultur der Menschenrechte“ angestrebt wird. Jedoch finde ich die Vorstellung, an die Wirtschaft zu treten und darzustellen, wo und wie gegen Menschenrechte verstoßen wird etwas skurril, als ob Wirtschaftsbosse nicht wüssten, wie Lebensbedingungen international divergieren und unter welchen Bedingungen sie z.B. ihre Arbeiter im In- und Ausland schuften lassen...

Ein wirkliches Interesse an dem Wohl ihrer MitarbeiterInnen haben viele Firmen sicher nicht, ich denke da z.B. an Firmen, wie Ikea und H&M, deren Billigprodukte –wir wissen es alle- in Drittweltländern von Kindern gefertigt werden. Staub-Bernasconi appelliert, meiner Meinung nach etwas naiv an die Moral der „großen Männer“ und Mächte. Ein weiterer Hinweis, dass Menschenrechte als „moralische“ Rechte verstanden werden könnten?

Die Idee, die Misere der Menschenrechte publik zu machen, um so eine „Kampfgemeinschaft“ zu gründen, die sich der rechtlichen Verbindlichkeit der Menschenrechte annimmt, finde ich nachvollziehbarer. Die Gründung einer Gemeinschaft zur Durchsetzung der Menschenrechte, der weitere Anschluß an NGO`s und Zusammenschluß verschiedener Organisationen ist unerlässlich, denke ich. Deshalb ist die Integration des Themas ins Studium bzw. in die Ausbildung wichtig. Menschenrechte müssen verbindlich existieren, vorher kann man sie als Rechte nicht stehen lassen!

Für eine effektive Durchsetzung von Menschenrechten scheinen mir außer den Menschenrechtsverteidigern aller Art, inklusive Sozialarbeitern, die Betroffenen selbst von entscheidender Bedeutung. So lange die – bei uns in Deutschland jedenfalls- kaum auftauchen, wird es mit bloßer anwaltschaftlicher Inanspruchnahme von Menschenrechten nicht weit her sein.

Oder gehen staatliche Interessen was die Menschenrechte betrifft in eine ganz andere Richtung?

Das Elend, auch in den Unterzeichnerstaaten ist so eindeutig; wenn das staatliche Interesse auf Seiten des Volkes läge, gäbe es diese Ungerechtigkeit nicht!

Im Rahmen dieser Hausarbeit wurde ich das erste mal mit dem Thema „Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession“ und dem (Un-)Sinn der Menschenrechte intensiver konfrontiert (was deutlich macht, dass öffentliche Aufklärung notwendig ist). Ich habe längst nicht alle Gesichtspunkte zum Thema diskutiert, die Rolle und Idee, sowie der Zweck der UNO müssten als nächstes ins Auge gefasst werden, was die Frage nach dem Sinn der Menschenrechte wieder aufgreifen würde. Vielleicht ist das Thema für eine Hausarbeit fast zu umfangreich.

Sollen Menschenrechte wirklich Rechte vergeben oder verplichten sie einen Menschen vielleicht „funktionierender“ Staatsbürger zu sein? Ich möchte meine Hausarbeit mit einem zum Nachdenken anregenden Zitat beenden, was die herkömmliche Idee der Menschenrechte auf den Kopf stellt:

„Ein sonderbarer „Dienst der Politik am Menschen“, auf den sich bürgerliche Staaten in ihren Verfassungspräambeln verpflichtet haben: Zu leben, zu denken und die Schnauze aufzumachen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Recht, das der Staat gewährt. Selbst so harmlose und unvermeidliche Lebensäußerungen gelten damit nur, wenn sie der Staat erlaubt – und nach Maßgabe des Garanten. Die Menschenrechte, die einem gestohlen bleiben können, wenn man nichts zu fressen hat und die schon gleich kein Versprechen auf ein lohnendes Leben darstellen, sind ihrer Staatsnatur nach eine einzige Anmaßung: Die Staatsgewalt hält sich enorm viel darauf zugute, das ihr unterstellte Menschenmaterial mit Erlaubnissen aller Art zu beglücken. Und viel gewichtiger als das, was erlaubt ist, kommt die armselige Tatsache daher, daß es erlaubt ist. Die politische Gewalt erteilt die großzügige Genehmigung, Mensch sein zu dürfen. Und dafür stellt sie sich ein Lob nach dem anderen aus, so dass die Menschen an einem Argument garantiert nicht vorbeikommen: Diese Staatsgewalt kann auch ganz anders verfahren, wenn sie den Nutzen des Volkes herbeiführt. (...) Todesstrafen sind selbst in zivilisierten Staaten nicht tabu; sie dienen dem Recht auf Leben, das die Staatsgewalt darin achtet, wenn sie über das Lebensrecht ihrer Untertanen entscheidet. Staatliche Todesschwadronen, sorgen für die praktische Einsicht, dass das staatlich gewährte Recht auf Leben eine Verpflichtung ist, die auch verspielt werden kann.“[22]

Literaturverzeichnis:

- Brieskorn, Norbert: Menschenrechte, Eine historisch-philosophische Grundlegung, Stuttgard1997.
- Ignatieff, Michael: Über das Dilemma mit den Menschenrechten, Die Moral und ihr Preis. In:Le monde diplomatique. In: die tageszeitung-hamburg, 12.7.02, Nr.6798.
- Kreft, Dieter / Mielenz, Ingrid: „Soziale Arbeit“, Wörterbuch soziale Arbeit, Weinheim/Basel, 4. überarbeitete Auflage, 1996.
- Kunstreich, Timm: Grundkurs Soziale Arbeit, Sieben Blicke auf Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit, Band1, Hamburg 1997.
- Staub-Bernasconi, Sylvia: „Dritte Wege“ für eine neue Soziale Arbeit im dritten Jahrtausend?. In: Forum Sozial, April-Juni 2/2000.
- Staub-Bernasconi, Sylvia: Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession. In: Schruba, Baldur: Vom Jugendwohlfahrtspfleger zum Sozialmanager, Band1.
- Vereinte Nationen-Zentrum für Menschenrechte/ Internationaler Verband der SozialarbeiterInnen/ Internationale Vereinigung der Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit: Menschenrechte und Soziale Arbeit, Ein Handbuch für Ausbildungsstätten der Sozialen Arbeit und für den Sozialarbeitsberuf, Weingarten, 3. Auflage, 1999.
- Verein zur Förderung marxistischen Pressewesens e.V.: MSZ Nr.10/1984.
- Wendt, Wolf Rainer: Sozial und wissenschaftlich arbeiten, Status und Positionen der Sozialarbeitswissenschaft, Freiburg im Breisgau 1994.

[...]


[1] Staub-Bernasconi, Sylvia: „Dritte Wege“ für eine neue Soziale Arbeit im dritten Jahrtausend?. In: Forum SOZIAL, April-Juni 2/2000

[2] a.a.O.

[3] Kreft/Mielenz: „Soziale Arbeit“, Wörterbuch soziale Arbeit. Weinheim/Basel. 4.überarbeitete Aufl. 1996.

[4] vgl. Kunstreich, Timm: Grundkurs Soziale Arbeit, Sieben Blicke auf Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit, Band 1, Hamburg 1997, S.18.

[5] Wendt, Wolf Rainer: Ausblick: Ziviler Diskurs und soziale Wissenschaft“. In: Wendt, W.R.(Hrsg.): Sozial und wissenschaftlich arbeiten. Status und Positionen der Sozialarbeitswissenschaft. Freiburg im Breisgau 1994, S. 161-174.

[6] Kunstreich: 1997, S..18.

[7] a.a.O., S. 19.

[8] a.a.O., S.24. Für gesamten Absatz, vgl. S. 22ff

[9] IFSW: A new Definition of Social Work, 2000, S.1. – eigene Übersetzung- „The social work profession promotes social change, problem solving in human relationships and the empowerment and liberation of people to enhance well-beeing. Utilising theories of human behaviour and social systems, social work intervences at the points where people interact with their enviroments. Principles if human rights and social justice are fundamental to social work.“

[10] Vereinte Nationen, Human Rights: Questions and answers (1987), S.4 (2), In: Menschenrechte und Soziale Arbeit, Ein Handbuch f. Ausbildungsstätten der Soz. Arbeit u. f. d. Sozialberuf, New York/Genf 1994.

[11] In: Brieskorn, Norbert: Menschenrechte, Eine historisch-philosophische Grundlegung, Stuttgart 1997, S. 121.

[12] a.a.O., S. 110

[13] a.a.O., S. 109

[14] Brieskorn, 1997, S. 102.

[15] Ignatieff, Michael. In: Le monde diplomatique, Juli 2002, S.12.

[16] vgl. Bundesministerium der Justiz: Die Menschenrechte in den Internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Berichte und Dokumente. In: http:// www.bundesministerium.de/mrechte/mrechte.htm

[17] Ignatieff, Michael. In: Le monde diplomatique, Juli 2002, S.12.

[18] Menschenrechte und Soziale Arbeit, Ein Handbuch für Ausbildungsstätten der Sozialen Arbeit u.f.d. Sozialarbeiterberuf, S.7f..

[19] Staub-Bernasconi, Sylvia: Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession, In: Schruba, Baldur: Vom Jugendwohlfahrtspfleger zum Sozialmanager, Band 1, S.48.

[20] vgl. a.a.O.: S.49-61.

[21] vgl. zu diesem Kapitel: Staub-Bernasconi: Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession, In: Schruba, S.61-63. Und Staub-Bernasconi: Was können Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Zusammenhang mit der internationalen Entwicklung in Wirtschaft und Polizik tun?, In: Sozial Aktuell, SBS/ASPAS, Nr.9, Mai 2000, S.42-45.

[22] Verein zur Förderung marxistischen Pressewesens: MSZ Nr.10/1984, S.20ff.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession
Hochschule
Ev. Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg
Veranstaltung
Politik
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V108632
ISBN (eBook)
9783640068272
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit wirft einen kritischen Blick auf die neuen Steuerungsmodelle Sozialer Arbeit. Sie diskutiert die Möglichkeit Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession zu etablieren, um so eine Basis zu gründen, auf der dem Sozialabbau rechtlich entgegengewirkt werden kann.
Schlagworte
Sozialarbeit, Menschenrechtsprofession, Politik
Arbeit zitieren
Ulrike Wrage (Autor:in), 2002, Sozialarbeit als Menschenrechtsprofession, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108632

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