Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" - Eine Analyse von Werthers Verhältnis zum Volk


Hausarbeit, 2000

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

In meiner Hausarbeit möchte ich das Verhältnis des Protagonisten, eben des jungen Werther, zum Volk herausarbeiten. Da sich der Begriff „Volk“ in viele verschiedene Gruppen aufteilen lässt, habe ich mich auf die Gruppen des Bürgertums, die Obrigkeit und auf die Kinder beschränkt, um an ihnen die Intentionen und die Träumereien des jungen Werther aufzuzeigen. Obwohl die Kinder auf den ersten Blick kein Bestandteil des Volkes als soziale Schicht sind, wie zum Beispiel das Bürgertum oder das Bauernvolk, so sind sie doch ein wichtiger Bestandteil des Romans und der Lebensauffassung Werthers. Nach der Lektüre des Romans „Die Leiden des jungen Werther“ wird schnell klar, das die Kinder mit ihrem Verhalten und ihrem offenen und ehrlichen Wesen für Werther das genaue Gegenteil zu den Maximen und den Gepflogenheiten des Bürgertums und der degenerierten Adelsgesellschaft darstellen. Die Verhaltensweisen und die Wirkungen der „Gruppen“ des Volkes möchte ich näher untersuchen, um das Verhalten des jungen Werther besser zu erläutern. Auf das Bürgertum und die Obrigkeit werde ich unter Punkt 3 der Hausarbeit näher eingehen, auf sein Verhältnis zu den Kindern unter Punkt 4.

Vor der Untersuchungen der Parteien gebe ich unter Punkt 2 ein kleinen historischen Anriß über die politischen Verhältnisse, das Bürgertum und den Adel im Deutschland des 18. Jahrhunderts, um näher zu erläutern, welche Aspekte und Normen das tägliche Leben in der Zeit des Wertherromans bestimmten.

2. Historischer Überblick

Das Bürgertum in Deutschland im 18. Jahrhundert

In diesem kleinen historischen Anriß möchte ich die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland kurz darstellen. Warum die Untersuchung des bürgerlichen Standes nicht ganz so einfach zu erklären ist, zeigt am besten das folgende Zitat:

„Die Schwierigkeit, den Begriff „bürgerlich“ für die gesellschaftlichen Verhältnisse Deutschlands im 18. Jahrhundert zu präzisieren, liegt in der gestörten Entwicklung des deutschen Bürgertums begründet.“[1].

Im Gegensatz zu Deutschland hatten die herrschenden Adelskreise in England oder Frankreich die ökonomische Potenz der führenden Bürgerschichten früh erkannt und genutzt. In Deutschland verzögerten die Folgen des Dreißigjährigen Krieges die selbständige Entfaltung bürgerliche Initiativen. Das Deutsche Reich war kein unter einer Herrschaft vereintes Land, vielmehr war es in über 300 eigenständige Territorien mit eigenen Herrschern und Rechtssprechungen unterteilt, dazu kamen noch über 1400 Reichsritterschaften. Die politische Landkarte wies ein kaum noch entwirrbares Nebeneinander weltlicher und geistlicher Territorien. Reformversuche wie der Reichsbund von 1658, die Reichskriegsordnung von 1661 scheiterten, auch die späteren Verträge wie zum Beispiel der Wiener Kongreß 1815. Erst nach der Niederlage Frankreichs gegen die Truppen aller deutschen Staaten am 02.09.1870 ermöglichte - am 18.01.1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles- die Ausrufung des neuen deutschen Kaiserreiches. Erst jetzt waren zum ersten Mal die Staaten des deutschen Territoriums vereinigt.

In der Zeit des Wertherromans waren die deutschen Staaten noch weit entfernt von dieser Einigkeit. Allein in den privilegierten Handelsstädten konnten Kaufleute und Patrizier ihre wirtschaftlichen Positionen stärken und kulturell

untermauern. Die Landesfürsten der einzelnen Staaten banden die bürgerliche Intelligenz an lokale Verwaltungs- und Bildungsaufgaben, eine Bezeichnung als „Stand“ ist daher mit Vorsicht zu genießen, da sie eigentlich keine eigene Identität hatten. Die in den Residenz-, Garnisons-, Universitäts- oder Handelsstädten dominierenden Vertreter des Bürgertums lassen sich nach ihren Tätigkeiten unterscheiden: Beamte der höfischen Verwaltung, Pastoren, Ärzte, Offiziere, Universitätsprofessoren und Magister, Schulmeister, Kaufleute und Manufakturbesitzer.

Man spricht auch von der „gesellschaftslosen Lage“[2] des deutschen Bürgertums im 18. Jahrhundert. Der Begriff „bürgerliche Gesellschaft“ ist also nur als Summenformel zu sehen, die durch Besitz und Bildung privilegierter Privatleute zusammenfaßt. Die Wahrung der eigenen Interessen verband sich mit der Ausbildung adäquater Verhaltensnormen. Durch dieses Selbstverständnis steht das deutsche Bürgertum in den Residenzen noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts abseits der öffentlichen Institutionen und Rechtsbeziehungen, ohne realisierbaren politischen Machtanspruch.

Die Einbindung des jungen Werther in die fürstlichen Verwaltung und die damit verbundene Übernahme eines öffentlichen Amtes zur Vorbereitung auf die Laufbahn des geheimen Rates oder Gesandten beweisen seine Angehörigkeit zum Bürgertum. Er konnte also eine - für die damalige Zeit typische- Karriere beginnen und sich in den bürgerlichen Alltag integrieren. Dass er diese „Ausbildung“ abbricht, ist für die damalige Zeit eine Seltenheit, denn die Situation des Arbeitsmarktes war für junge, gebildete Menschen nicht die Beste. Viele bewarben sich vergeblich bei Hofe, um eine Anstellung zu bekommen, die zur Sicherung ihrer Existenz beitragen konnte.

[...]


[1] Scherpe, Klaus: Werther und Wertherwirkung. Zum Syndrom bürgerlicher Gesellschaftsordnung im 18. Jahrhundert. S. 16. Im folgenden werde ich als Kurztitel „Wertherwirkung“ verwenden.

[2] Wertherwirkung S. 18.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" - Eine Analyse von Werthers Verhältnis zum Volk
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Veranstaltung
Einführung in die Literaturwissenschaft
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V108577
ISBN (eBook)
9783640067749
ISBN (Buch)
9783640867158
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit zum Themenbereich: Werthers Verhältnis zum Volk: Den Kindern, dem Bürgertum und der Obrigkeit.
Schlagworte
Goethe, Johann, Wolfgang, Leiden, Werthers, Einführung, Literaturwissenschaft
Arbeit zitieren
René Bauer (Autor:in), 2000, Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" - Eine Analyse von Werthers Verhältnis zum Volk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108577

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