Berlin - Hauptstadt der ersten parlamentarischen Republik Deutschlands


Unterrichtsentwurf, 2003

10 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Berlin – Hauptstadt der ersten parlamentarischen Demokratie in Deutschland

1. Das Erbe Bismarcks und der Hohenzollern

Das Kaiserreich unter Wilhelm II. und Reichskanzler Bismarck garantierte nicht nur die rechtlichen und machtpolitischen Voraussetzungen für eine Kapitalakkumulation in den Händen weniger, es hinderte auch die sozialdemokratische Arbeiterbewegung daran, ihre wachsende Anhängerschaft in politischen Einfluss umzusetzen. So stellte Bismarck 1889 fest : „ ...Diese Fragen, wie die der Sozialdemokratie..., werden nicht gelöst ohne Bluttaufe, wie die deutsche Einheit auch.“[1]

Dies geschah zunächst durch das Sozialistengesetz, das die sozialdemokratische Partei bis Januar 1890 verbot, das preußische Dreiklassenwahlrecht ( Die Wähler, selbstverständlich nur Männer, wurden nach der Steuerleistung in drei Klassen eingeteilt, die jeweils dieselbe Anzahl von Wahlmännern wählen durften. )verhinderte auch nach dessen Aufhebung eine Integration der Sozialdemokratie in den Staat. Bei den Reichstagswahlen am 20. Februar 1890 wurde sie zwar mit 20 % zur stärksten Partei, die Wahlkreiseinteilung, die der Zunahme der Bevölkerung in den industriellen Zentren schon längst nicht mehr entsprach, bewirkte jedoch dass sich dieser Wahlerfolg nicht in einer deutlichen Mandatssteigerung niederschlug.[2]

Auch nach Bismarcks Rücktritt im April 1890 wurden die innenpolitischen Versäumnisse nicht korrigiert, das heißt, es erfolgten keine demokratischen Reformen des konstitutionell verbrämten Absolutismus. Der „ Sozialdemokrat“ – eine in London redigierte Zeitung - bemerkte : „Hohenzollerabsolutismus für Kanzlerabsolutismus, das ist ein sehr zweifelhafter Gewinn.“[3]

So überdauerte bis ins 20. Jahrhundert der Militär- und Polizeistaat mit entsprechender Obrigkeitsgesellschaft einerseits und ausgeprägter Untertanenmentalität andererseits. Heinrich Mann beschreibt in seinem Werk Der Untertan diese deutsche Wirklichkeit eindrucksvoll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[4]

2. Der Aufstieg der Sozialdemokratie

Dem oben beschriebenen sozialen Milieu blieb auch die deutsche Sozialdemokratie stets verhaftet. Obwohl sie sich lange Zeit nicht nur auf Lasalle, sondern auch auf Marx und Engels berief, waren sowohl die Einstellung der Mitglieder als auch die tatsächlich verfolgte Politik nicht die einer marxistischen Arbeiterpartei.[5]

Die reformistische Tagespolitik führten nicht nur zu einer Verbürgerlichung und Bürokratisierung der Sozialdemokratie, in der die Gewerkschaftssekretäre und Parteibeamte zunehmend an Bedeutung gewannen, sondern auch zu einer Anpassung an „wilhelminische Zustände“, d. h., dass die SPD zunehmend selbst autoritärer wurde.

Dennoch blieb sie für Wilhelm II. bis 1914 die Partei der „vaterlandslosen Gesellen“ und kein Sozialdemokrat konnte in seinem Machtbereich „Dozent oder Briefträger“ werden.[6]

Als sich die Gefahr eines weltweiten Krieges abzeichnete, beschäftigte sich der Internationale Sozialistenkongress 1907 mit der Frage, wie sich die Arbeiterparteien in diesem Fall verhalten werden und kamen zu dem Ergebnis, dass die Arbeiter diesen verhindern sollten – und falls dies nicht möglich sei, alles für dessen Beendigung zu tun und die Krise zugleich zur Überwindung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu nützen. Eine der glühendsten Kriegsgegnerinnen war die theoretische Wortführerin der deutschen Marxisten, die in Zamosc ( Russisch – Polen ) geborene Dr. Rosa Luxemburg ( 1871 – 1919 ).[7]

So argumentierte sie z.B. 1913 : „ Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffe gegen unsere französischen oder anderen Brüder zu erheben, dann rufen wir : Das tun wir nicht !“[8], wofür sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde.

Nach den Schüssen von Sarajewo traf sich das Büro der Sozialistischen Internationale am 29. Juli in Brüssel, um erneut zur Kriegsgefahr Stellung zu nehmen. Viktor Adler berichtete von der Kriegsbegeisterung in Österreich. Der Kongress konnte sich auf keine gemeinsame Vorgangsweise einigen, kurz danach wurde Jean Jaurés, der französische Sozialistenführer, der am ehesten noch eine Einigung hätte herbeiführen können, ermordet.

Am 4. August 1914 nahm der Kaiser die Bezeichnung „vaterlandslose Gesellen“ zurück, worauf das Gros der sozialdemokratischen Partei unter Ebert und Scheidemann bereit war, sich mit einem „sozialen Kaisertum“ abzufinden und einen „Burgfrieden“ mit den nationalen und militärischen Kräften des Landes zu schließen. Vermutlich lagen die Gründe dafür in einer Mischung aus Hurra – Patriotismus und Angst vor einer Militärdiktatur.

3. Die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung

Diese Unterstützung der kaiserlichen Kriegspolitik durch den SPD - und Gewerkschaftsapparat führte zur Spaltung der Arbeiterbewegung.

Aus drei verschiedenen Parteiflügeln ( Revisionisten, Zentrum, Radikale Linke ), die seit der Jahrhundertwende politische und theoretische Sachfragen wie den politischen Massenstreik oder Reform oder Revolution kontrovers debattiert hatten, wurden als Folge von Krieg und Revolution schließlich drei separate Massenparteien ( MSPD, USPD, KPD ), die letztlich in den entscheidenden Auseinandersetzungen auf unterschiedlichen Seiten der Barrikaden standen.

Nachdem Karl Liebknecht als erster und einziger Abgeordneter im Reichstag schon am 2.12. 1914 gegen die Kriegskredite gestimmt hatte, schlossen sich ihm ein Jahr später 20 Abgeordnete an, weitere 22 verließen den Saal.[9] Diese Parlamentarier wurden aus der Fraktion ausgeschlossen und gründeten 1917 in Gotha die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands ( USPD ). Die revolutionär – marxistische Linke um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ( ab 1915 „Gruppe Internationale“, später „Spartakusbund“ ) stand der USPD durchaus kritisch gegenüber, trat ihr aber dennoch geschlossen bei. Andererseits gehörten der USPD aber auch sozialdemokratische Kriegsgegner verschiedener Flügel an, darunter Reichstagsabgeordnete und Gewerkschaftler, sowie der langjährige Gegenpol zu Rosa Luxemburg, Eduard Bernstein, der Theoretiker des Revisionismus. Die USPD wurde später ideologisch zwischen der MSPD und der KPD aufgerieben.

4. Das Waffenstillstandsabkommen

1917 hatte der Erste Weltkrieg bereits 1, 8 Mio Tote und 4, 2 Mio Verletzte gefordert, die Ernährungssituation der Menschen in den Städten war katastrophal und die Bevölkerung trotz heftigster Propaganda ( „ Die Zeit ist hart, aber der Sieg ist unser“[10] ) kriegsmüde.

Die Parteien des Reichstags ( MSPD, Fortschrittliche Volkspartei und katholische Zentrumspartei = die sogenannte „Weimarer Koalition“ ) behandelten gemeinsam die Frage einer Verfassungsänderung, wie von Präsident Wilson ( USA ) als Bedingung für einen maßvollen Frieden verlangt worden war. Ludendorff schloss sich formal diesen Ideen an und erklärte seine Motive dafür : „ Ich habe Seine Majestät gebeten, jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen, denen es wir in der Hauptsache zu danken haben, dass wir so weit gekommen sind.()Die sollen nun den Frieden schließen, der geschlossen werden muss. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“[11]

Diese Aussage initiierte die sogenannte Dolchstoßlegende – die Heimat sei den im Felde unbesiegten Truppen in den Rücken gefallen -, die zu einer wichtigen Parole der Rechten in der politischen Auseinandersetzung werden sollte.[12] [13]

5. Die Novemberrevolution 1918

Um die Chancen auf einen Frieden zu erhöhen, ernannte Wilhelm II im Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung und den Mehrheitsparteien den Prinzen Max von Baden zum Reichskanzler. Seinem Kabinett gehörten auch Mathias Erzberger ( Zentrum ) und Philipp Scheidemann ( MSPD ) an, als Staatsform wurde eine parlamentarische Monarchie angestrebt.

Doch die Monarchie hatte in der Bevölkerung bereits jeden Rückhalt verloren. Als die Seekriegsleitung in vollkommener Verkennung der Situation die Matrosen in Kiel anwies „ihre letzten 2000 Schuss zu verfeuern und mit wehender Fahne unterzugehen“[14], weigerten sich diese, gegen britische Verbände auszulaufen. Stattdessen wählten sie am 3. November 1918 Soldatenräte. Innerhalb weniger Tage breitete sich der spontane Aufstand über ganz Deutschland aus, in allen großen Städten wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die meist in Koexistenz mit der alten Verwaltungshierarchie bestanden. ( Nur in Bayern und Bremen wurden Räterepubliken ausgerufen. )

Als die Revolution am 9. November Berlin erreichte, floh Wilhelm II. nach Holland, Max von Baden übergab sein Amt an Friedrich Ebert ( MSPD ). Scheidemann rief den revolutionären Massen aus dem Fenster des Reichstagsgebäudes zu : „ ...Das alte morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt. Die Hohenzollern haben abgedankt ! Es lebe die Republik.“[15]. Zwei Stunden später proklamierte Karl Liebknecht die „freie sozialistische Republik Deutschland“ – vom Balkon des kaiserlichen Schlosses aus.

Tatsächliche Organisatoren der zum größten Teil friedlich verlaufenen Revolution ( die in Berlin stationierten Regimenter hatten sich entweder angeschlossen oder friedlich verhalten ) waren aber nicht der noch parteilose Karl Liebknecht ( Er war erst seit 14 Tagen aus dem Gefängnis entlassen, in das ihn sein Protest gegen den Krieg zwei Jahre zuvor gebracht hatte ) oder gar Rosa Luxemburg, sondern die „Revolutionären Obleute“ der Berliner Großbetriebe, die während der Streiks des vergangenen Winters eine funktionierende Organisation aufgebaut hatten.

Am 10. November ließ sich Ebert in einer turbulenten Sitzung im Zirkus Busch zum Vorsitzenden des Rats der Volksbeauftragten wählen und sorgte dafür, dass auch im Aktionsausschuss der Arbeiter- und Soldatenräte die Rechtssozialisten die Oberhand behielten. Um die politische Initiative zu behalten und den Linkssozialisten nicht das Feld zu überlassen, setzte er sich somit an die Spitze einer Revolution, die gegen seinen Willen ausgebrochen war.[16] Am selben Abend schloss er telefonisch über eine geheime Telefonleitung mit General Groener von der obersten Heeresleitung einen streng vertraulichen Pakt, der die „schnellste Beendigung des Räteunwesens“ und die Rückkehr zu geordneten Verhältnissen zum Ziel hatte.[17]

Dieser Pakt mit den alten Mächten - der wilhelminische Beamtenapparat, das Offizierskorps und andere Organisationen blieben unbehelligt an ihren Machtpositionen - trug zur Radikalisierung bei, die Bündnisse mit rechten Teilen der Armee kosteten die MSPD das Vertrauen der Massen und führten innerhalb zweier Monate zum Bürgerkrieg.

6. Die Gründung der KPD

In Anbetracht dieser Ereignisse hielten es viele Mitglieder des Spartakusbundes für notwendig, sich unmissverständlich von der schwankenden USPD -Führung abzusetzen und klare Fronten zu schaffen. So wurde mit dem Gründungsparteitag der KPD ( 29. – 31. Dezember.1918 ) ein Zeichen gesetzt.

„Die Aufgaben sind gewaltig, sie münden in die sozialistische Weltrevolution. Aber was wir bisher in Deutschland sehen, das ist noch die Unreife der Massen. Unsere nächste Aufgabe ist, die Massen zu schulen, diese Aufgaben zu erfüllen. Das wollen wir durch den Parlamentarismus erreichen“[18] stellte Rosa Luxemburg in ihrem Redebeitrag fest. In dieser ihrer letzten Rede vor großem Publikum skizzierte sie das Programm der neuen Kommunistischen Partei, wobei sie nach einer leidenschaftlichen Abrechnung mit den opportunistischen Verfälschungen des Marxismus auch anmerkte, dass ohne Kritik und Selbstkritik ein Fortschritt der Arbeiterbewegung nicht möglich sei.

Bereits einen Tag später schrieb die bürgerliche „ Deutsche Allgemeine Zeitung“, dass zur Niederwerfung der KPD „ Theorien nicht genügen“ würden, bald konnte man an den Litfassäulen Berlins Handzettel finden, die offen zum Mord an den Spartakisten und ihren AnführerInnen aufriefen.

In der Folge verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen der Sozialdemokratie und den radikalen Kräften.

Als Reaktion auf das Bündnis von SPD und kaiserlicher Armee während der sogenannten Weihnachtskämpfe hatten die Vertreter der USPD am 28. Dezember 1918 empört den Rat der Volksbeauftragten verlassen. Zuvor war es allerdings zu erheblichen Differenzen mit den MSPD Abgeordneten über den politischen Kurs der Regierung gekommen, der eine gemeinsame konstruktive Politik der beiden sozialdemokratischen Richtungen unmöglich machte. Ersetzt wurden die USPD -Vertreter durch Gustav Noske und einen weiteren Vertreter der SPD, in deren Händen nun die alleinige Regierungsgewalt lag. Eine weitere unmittelbare Folge der Weihnachtskämpfe war die Entlassung des zum linken Flügel der USPD gehörenden Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (1863-1925).

7. Der sogenannte „Spartakus“ - Aufstand

Provoziert durch die Absetzung Eichhorns, der letzten Machtbastion der Linken in Berlin, riefen die Revolutionären Obleute, die USPD und die KPD für den 5. Januar 1919 zu einer Protestdemonstration auf., die massenhaften Zustrom der Berliner Arbeiter erhielt. Ausgehend von diesem Protestzug besetzten vom 5. bis 12. Januar revolutionäre Arbeiter Teile der Innenstadt sowie das Berliner Zeitungsviertel und erklärten die Regierung für abgesetzt. Die Regierung ließ den Aufstand mit Hilfe der Freikorps ( ehemalige Frontsoldaten, finanziell unterstützt vom Großkapital, gedeckt von der Reichswehr ) unter dem Oberkommando des Volksbeauftragten Gustav Noske brutal niederschlagen.[19] Die schwerste Schlacht tobte am 11. Januar um das Verlagsgebäude des Vorwärts. Im Verlauf dieser Kämpfe wurden Parlamentäre der Besetzer von Freikorpssoldaten misshandelt und ermordet.[20]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/januaraufstand/index.html

Vorhergesehen oder geplant hatte die gerade erst gegründete und ziemlich schwache KPD diesen Aufstand nicht, Rosa Luxemburg soll Karl Liebknecht wegen seiner eigenmächtigen Teilnahme an der eher planlosen Aktion vorgeworfen haben : „ Karl, ist das unser Programm ?“[21]

Am 9. Januar versammelten sich 40.000 Arbeiter der AEG und der Schwarzkopf Werke und forderten eine Einigung der sozialistischen Parteien und den Rücktritt der Ebert – Regierung, die ihrer Meinung nach für den entsetzlichen Brudermord verantwortlich war. Doch Ebert, Scheidemann und Noske negierten die Arbeiterresolutionen und stellten fest, dass die Teilnehmer des Januarkampfes „Spartakisten“ gewesen seien.

8. Die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dr. Karl Liebknecht und Dr. Rosa Luxemburg

Quelle: Haffner, S.148 und 149

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten bis zur Gründung der KPD sehr verschieden Laufbahnen hinter sich.

Rosa war eine Frau, Jüdin und Ausländerin, ( nur durch eine Scheinehe vor der Ausweisung geschützt ), sie war eine Intellektuelle, die theoretische Wortführerin der deutschen Marxisten, eine Weltbürgerin und Internationalistin. Sie unterrichtete an der zentralen Parteischule, war Humanistin, glühende Pazifistin, dazu eine brillante Rednerin.

Ihre Gegner warfen ihr vor, radikal und am äußersten linken Rand der ArbeiterInnenbewegung zu agieren. Ohne Zweifel war sie radikal, wenn man die ursprüngliche Bedeutung des Wortes meint, denn sie war nicht bereit, Opportunismus und Lügen zu dulden. So meinte sie etwa auf den ausgestreuten Vorwurf, dass Spartakus den Terror befürworte : „ Die [ .] , die ohne mit der Wimper zu zucken anderthalb Millionen deutsche Männer und Jünglinge zur Schlachtbank getrieben haben – [] um neuer Kolonien willen, die Scheidemann – Ebert, die vier Jahre lang für den größten Aderlass, den die Menschheit erlebt hat, alle Mittel bewilligten – sie schreien jetzt im heiseren Chor über den „Terror“ über die angebliche „Schreckensherrschaft“, die von der Diktatur des Proletariats drohe.“[22] Bei einer anderen Gelegenheit meinte sie :“ Wir brauchen durchaus nicht in der Revolution Heugabeln und Blutvergießen zu verstehen. Eine Revolution kann auch in kulturellen Formen verlaufen, [...]denn wir sind die letzten, die zu Gewaltmitteln greifen [...] Aber solche Dinge hängen nicht von uns ab, sondern von unseren Gegnern.“[23]

Rosa Luxemburg kritisierte aber auch die bolschewistische Revolution und trat für einen demokratischen Sozialismus ein. Sie verbrachte beinahe die gesamte Kriegszeit in Gefängnissen. In ihren letzten Lebenstagen redigierte sie die „ Rote Fahne“, das Parteiorgan der KPD und beschäftigte sich mit der Formulierung des Parteiprogramms.

Karl war der Sohn des Wilhelm Liebknecht, des Parteigründers der SPD, Rechtsanwalt und schrieb ein Buch gegen den Militarismus, das ihm anderthalb Jahre Festungshaft einbrachte. Ab 1908 saß er im preußischen Landtag, ab 1912 im Reichstag, wo er 1912 durch Verweigerung des Fraktionszwangs in der Frage der Kriegskredite große Popularität erlangte. Am 1. Mai 1916 begann er seine Ansprache mit den Worten „Nieder mit dem Krieg !“, was ihn wiederum für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis brachte. Die machte ihn endgültig zur Symbolfigur gegen den Krieg und die verkörperte Revolution.[24] Karl Liebknecht bewies mehrmals großen Mut, seine politische Macht war allerdings gering.

Am 15. Januar 1919 erscheint die vorläufig letzte Ausgabe der „Roten Fahne“.

Karl Liebknecht schrieb :“ Und ob wir dann noch leben werden, wenn das Ziel erreicht wird – leben wird unser Programm. Es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotzalledem.“[25]

Rosas Artikel endet mit den Worten :“ »Ordnung herrscht in Berlin!« Ihr stumpfen Schergen! Eure »Ordnung« ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon »rasselnd wieder in die Höh' richten« und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!“[26],

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden am 15. Januar 1919 um 21,30 aus ihrer letzen Unterkunft in der Mannheimer Straße 43 von einem Trupp der Wilmersdorfer Bürgerwehr unter Lindner und Moering[27] abgeholt und in das Eden - Hotel, das Hauptquartier der Garde – Kavallerie – Schützen – Division gebracht. Dort wurden beide schwer misshandelt und schließlich einzeln zum Tiergarten gebracht und auf dem Weg dorthin bzw. dort erschossen. Beteiligt waren unter anderem ein Jäger Runge, ein Leutnant Vogel, ein Leutnant zur See Hermann W. Souchon und ein Adjutant von Pflugk - Harttung sowie der Hauptmann der Garde – Kavallerie- Schützendivision Waldemar Pabst, der – nachdem er zwischen 1920 und 1930 von Innsbruck aus die österreichischen Heimwehren aufgebaut hatte, bis zu seinem Tod 1970 in der BRD niemals strafrechtlich verfolgt wurde. 1959 gab er eine Erklärung beim Amt des Verfassungsschutzes ab, die besagte, er selbst habe die Verhaftung Rosas und Karls veranlasst, da „man ihnen nichts Gleichwertiges entgegensetzen könne.“[28] 1969 notierte er :“ Dass ich die Aktion ohne Noskes Zustimmung gar nicht durchführen konnte ( mit Ebert im Hintergrund )[...] ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin.[] Als Kavalier habe ich das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“[29] Obwohl man sich bemühte, die Umstände der beiden Morde zu verschleiern, kam es zu einem Prozess, die Richter Jorns und Canaris begünstigten in dem Verfahren die Mörder, was in der Revision 1929 fest gestellt wurde.[30] I

In den nächsten Wochen fielen neben Luxemburg und Liebknecht auch viele tausend anderer fähiger und engagierter Arbeiter, aber auch prominente Anführer und Theoretiker wie Leo Jogiches oder Eugen Leviné dem „weißen“ Terror der konterrevolutionären Freikorps zum Opfer. Der Mord an Rosa und Karl nahm der revolutionären Bewegung in Deutschland im Grunde die fähigsten und weitsichtigsten Köpfe.

9. Die Gründung der Weimarer Republik

Dennoch wurden am 19.1. 1919 Reichstagswahlen abgehalten:

Die DNVP ( Deutschnationale Volkspartei ) erhielt 10, 3%, die DVP ( Deitsche Volkspartei )4,4%, die DDP ( Deutsche Demokratische Partei ) 18,6%, das Zentrum 19,7%, die MSPD 37,9% und die USPD 7,6% der Stimmen. Die KPD kandidierte nicht,[31] obwohl sich Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag für eine Teilnahme an den Wahlen ausgesprochen hatte.

Die Deutsche Demokratische Partei, das Zentrum und die MSPD bildeten die „Weimarer Koalition“. Am 6. Februar trat die Nationalversammlung in Weimar unter massiver Militärpräsenz zur konstituierenden Sitzung zusammen. Unter den 423 gewählten Abgeordneten befanden sich erstmals auch Frauen. ( 41 )[32] Am 11. August unterzeichnete Friedrich Ebert die von der Nationalversammlung ausgearbeitete Verfassung des Deutschen Reiches. Ebert wurde zum Reichspräsidenten, Scheidemann ( MSPD ) zum Ministerpräsidenten gewählt.

Innenminister Hugo Preuß ( DDP ) entwarf die Verfassung, die im Juli 1919 von der Nationalversammlung angenommen wurde und die neben einer Präambel ( „ Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden“[33] ) zwei Hauptteile enthielt.

Der erste Hauptteil regelte den Aufbau des Staates. Der vom Volk in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl ( wahlberechtigt alle BürgerInnen über 20 Jahre ) gewählte Reichstag übte die Legislative aus und kontrollierte die Reichsregierung, welche aus dem Reichskanzler und den Reichsministern bestand. Als Gegengewicht wurde das Amt des Reichspräsidenten geschaffen und mit außerordentlich weitreichenden Kompetenzen versehen, so konnte er u. a. ohne Mitwirkung des Reichstages Gesetze mit Hilfe von Notverordnungen beschließen. Volksbegehren und Volksentscheid wurden als Formen der unmittelbaren Demokratie in die Verfassung eingebaut. Die Judikative lag bei den Richtern, ein Reichsverfassungsgericht war nicht vorgesehen.

Der zweite Hauptteil regelte die „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen.“ Die klassischen Grundrechte - wie in der Revolution von 1848/49 gefordert ( Meinung -, Versammlungs-, Pressefreiheit ,Konfessionen, Wissenschaft und Schule ) waren hier verzeichnet, allerdings waren sie vom Bürger nicht einklagbar, Gesetzgebung und Exekutive waren nicht an sie gebunden und in Krisenzeiten konnten sie außer Kraft gesetzt werden. Auf Drängen der Sozialdemokraten wurden auch soziale Rechte festgeschrieben, so wie etwa ein Gesetz, das das Reich ermächtigte, private Unternehmen zu sozialisieren und das Betriebsrätegesetz.[34]

Die Verfassung der Weimarer Republik war geprägt von liberalen Ideen, nicht von sozialistischen und sie war ein Konstrukt von Kompromissen zwischen der gemäßigten Arbeiterbewegung und demokratischen Teilen des Bürgertums. Eine unbestrittene Schwäche lag in der starken Stellung des Reichspräsidenten, eine weitere im Fehlen des Verfassungsschutzes. Das reine Verhältniswahlrecht führte zu einer großen Parteienlandschaft.

Das spätere Scheitern der Weimarer Republik bzw. ihre Unterwanderung durch die Nationalsozialisten hat vielfältigere und komplexere Ursachen als die Schwächen dieser Verfassung.

10. Innenpolitische Probleme

Viele der Wähler beteiligten sich auch an Streiks und revolutionären Unruhen, die nach der Wahl zur Nationalversammlung und der Einsetzung des Kabinetts unter Philipp Scheidemann bis zum Frühsommer 1919 weite Teile des Deutschen Reichs erfassten. Im Ruhrgebiet und im mitteldeutschen Bergbaugebiet um Halle/Saale kam es zu Generalstreiks und blutigen Auseinandersetzungen mit Regierungstruppen.

In Berlin versuchten revolutionäre Arbeiter einen Anfang März 1919 ausgerufenen Generalstreik zum Putsch gegen die Reichsregierung voranzutreiben. Fast 1.200 Menschen verloren bei den mehrere Tage anhaltenden Märzkämpfen ihr Leben. Wie der Aufstand in Berlin konnte auch die von der USPD Anfang April 1919 proklamierte Münchner Räterepublik nur mit Unterstützung massiver und äußerst brutaler Einsätze von Freikorpsformationen niedergeschlagen werden. Die revolutionäre Massenbewegung verlor nach diesen Kämpfen entscheidend an Dynamik.

Als am 13. März 1920 rechte Reichswehreinheiten gegen die Weimarer Republik putschten und eine Militärdiktatur zu errichten versuchten („ Kapp – Putsch“ ), rief die Regierung, aber auch die erstarkte USPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund zum Generalstreik auf, der beinahe lückenlos befolgt wurde und die Putschisten nach vier Tagen zur Kapitulation zwang. Am Kapp – Putsch waren die Freikorps und mit ihnen wieder etliche der Mörder Luxemburgs und Liebknechts entscheidend beteiligt. Anders als bei der Niederwerfung der Räteregierungen durften sich die rechten Putschisten über milde Urteile freuen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Ruhrgebiet, in Teilen Sachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts mündete der Generalstreik in bewaffnete Arbeiteraufstände, deren Höhepunkt in der Bildung einer Roten Armee, die einige Großstädte besetzte, bestand. Trotz eines Amnestieversprechens wurde sie von gerade erst wieder nach dem Kapp – Putsch eingegliederten Reichswehrverbänden und Freikorps blutig niedergeschlagen, ebenso wie die letzte von Max Hölz in Sachsen – Thüringen errichtete Räterepublik.

Diese Auseinandersetzungen verliefen äußerst brutal und trugen zur Verschärfung des innenpolitischen Klimas bei.

Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 verlor die SPD daraufhin Millionen Stimmen an die USPD. 21,7 Prozent ( 5,6 Millionen) wählten SPD, 17, 9 Prozent (4,9 Millionen) wählten USPD, die KPD trat erstmals an und kam auf zwei Prozent der Stimmen (eine halbe Million). Der Rest der Stimmen entfiel auf sechs weitere Parteien , deren stimmenstärkste die DNVP ( Deutschnationale Volkspartei ) mit 19, 5 % der Stimmen war.[35]

In wichtigen Industriegebieten allerdings wie den Regionen Berlin, Leipzig und Düsseldorf etwa gewann die USPD zwischen dreimal und fünfmal so viele Stimmen wie die SPD. Die USPD zählte in jenen Monaten zeitweilig über 900.000 Mitglieder, die KPD bis zu 450 000 Mitglieder und war somit die stärkste kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion.

Auch 1921 und 1923 kam es wegen der französischen Besetzung des Ruhrgebiets und der Offensive der Unternehmer gegen den 8 – Stunden – Tag zu teilweise großflächigen Arbeiteraufständen, die jeweils blutig niedergeschlagen wurden, wobei die Freikorps eine wichtige Rolle spielten. Morde wurden als politisches Mittel eingesetzt, wobei sich auch bereits antisemitische Motive mit den politischen vermengten. Nach Liebknecht, Luxemburg und Eisner ( KPD ) fielen auch Gareis ( USPD ), Mathias Erzberger ( Z ), der den Waffenstillstand unterzeichnet hatte und der Außenminister Walter Rathenau ( DDP ) politischen Mordanschlägen zum Opfer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[36]

Während sich von 1923 bis 1929 die innenpolitische Situation stabilisierte, ein gewisser wirtschaftlicher Aufschwung, wenn auch mit Hilfe kurzfristiger Auslandskredite, einsetzte und so den Lebensstandard verbesserte, entfaltete sich das geistige und künstlerische Potential, das im Kaiserreich unterdrückt worden war, in beeindruckender Vielfalt und erzeugte den Mythos der „Goldenen Zwanziger Jahre“. Dennoch aber sollten die Geschehnisse der Jahre 1918 – 1923, darunter das Fehlen einer fortschrittlichen bzw. demokratischen Geisteshaltung in weiten Teilen der Bevölkerung, der Pakt der SPD mit dem Großkapital, den Aristokraten und dem Militär, die Rolle der Freikorps, die strukturell und ideologisch bereits die SA und SS – Verbände vorbereiteten, die Klassenjustiz sowie die Tradierung von Lügen wie der Dolchstoßlegende, um nur einige zu nennen, wesentlichen Einfluss auf den weiteren verhängnisvollen Verlauf der Geschichte Deutschlands nehmen. Einige Historiker ( Haffner, Hetmann, Gietinger ) sind der Meinung, dass mit dem Leichnam Rosa Luxemburgs auch schon die Weimarer Republik im Berliner Landwehrkanal untergegangen war.[37]

[...]


[1] Zechlin, Egmont : Motive und Taktik der Reichsleitung 1914, in: Der Monat, Heft 209 ( 1966 ), S.92.

[2] Ullrich, Volker : Als der Thron ins Wanken kam. Donat Verlag, Bremen, 1993. S.24 ff.

[3] Ebenda, S.36.

[4] Kriegsplakat mit Paul von Hindenburg, Deutsches Historisches Museum, Berlin.

[5] Flechtheim, Ossip: Rosa Luxemburg – Zur Einführung. Junius Verlag, 1986. S.10 ff.

[6] Ebenda, S.19.

[7] Hetmann, Frederic:Rosa L. – Die Geschichte der Rosa Luxemburg und ihrer Zeit. Beltz Verlag, Basel, 1976, S 163 ff.

[8] Ebenda, S. 169.

[9] Ebenda, S. 28 ff.

[10] Kriegsplakat mit Paul von Hindenburg, Deutsches Historisches Museum, Berlin

[11] Ritter, Miller ( Hrsg.): Die deutsche Revolution.S. 28

[14] Ebenda, S. 42.

[15] Michalka, Niedhart ( HRSG.): Deutsche Geschichte 1918 – 1933.Fischer, Frankfurt, 1992, S.20.

[16] Brandt Peter ( Hrsgb.): 1918/19 Ein Lesebuch. LitPol, Berlin 1979.

[17] Haffner, Sebastian : Die deutsche Revolution 1918 – 1919. Knaur , München , 1991. S. 106 ff.

[18] Luxemburg, Rosa: Reden. Reclam, Leipzig 1976.

[19] Heiber, Helmuth : Die Republik von Weimar. München, 1982.

[20] Haffner, S.142.

[21] Ebenda, S. 144.

[22] Hetmann, S.249.

[23] Luxemburg, Reden. S.15.

[24] Haffner, S. 151.

[25] Hetmann, S.261.

[26] Politische Schriften, Band 2 Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a. Main, 1975 Seite 203 – 209.

[27] Gietinger Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal. Verlag 1900, Berlin 1995, S. 28.

[28] Hetmann, S.291

[29] Gietinger, S.110.

[30] Ebenda, S.289.

[31] Praxis Geschichte, November 6, 2002, S.16.

[32] Kaiser, Hans J. : Die Weimarer Republik, Stark Verlagsgesellschaft, 1998, S.12.

[33] Ebenda, S. 18.

[34] Kaiser, S.20 ff.

[35] Praxis Geschichte, November 6/2002, S. 16.

[36] Göbel, Walter : Die Weimarer Republik. Klett, Stuttgart, 1980.

[37] Gietinger, S. 116.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Berlin - Hauptstadt der ersten parlamentarischen Republik Deutschlands
Hochschule
Pädagogisches Institut des Bundes in Wien
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
10
Katalognummer
V108444
ISBN (eBook)
9783640066414
Dateigröße
647 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berlin, Hauptstadt, Republik, Deutschlands
Arbeit zitieren
Dagmar Schulz (Autor:in), 2003, Berlin - Hauptstadt der ersten parlamentarischen Republik Deutschlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108444

Kommentare

  • Gast am 27.3.2006

    Quellen.

    Ich meine, da es sich weder um eine Dissertation noch eine Diplomarbeit handelt, ist die Kritik an den Quellen obsolet.
    Die Aussprüche sind gut in Sekundärliteratur dokumentiert.

  • Gast am 4.11.2004

    Quellen.

    Mir fehlen in dieser Arbeit die Hinweise auf die Originalquellen.

    2. Absatz:
    Zitat: " ... Am 4. August 1914 nahm der Kaiser die Bezeichnung ,,vaterlandslose Gesellen" zurück"

    An dieser Stelle hätte ich gern den original Wortlaut. Was hat Kaiser Wilhelm II. wirklich gesagt?

    In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch die Frage wann und wo Kaiser Wilhelm II. diesen Ausdruck das erste Mal verwendete.

    Mit freundlichen Grüßen
    Rolf Bergius

  • Gast am 27.10.2004

    Ausgezeichnete Arbeit.

    Endlich einmal fern vom Mainstream, gut recherchiert - kurze, ausgezeichnete Arbeit !

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Titel: Berlin - Hauptstadt der ersten parlamentarischen Republik Deutschlands



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