Über das Gefühl bei Homer


Seminararbeit, 2003

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Definitionsversuch: Gefühl

3. Der Umgang mit Gefühl in der Odyssee
3.1 Sind Gefühle kontrollierbar?

4. Über die Ehre und andere Gefühle (Textanalyse)
4.1 Über den Zorn und die Rache
4.2 Über die Scham

5. Schlußbemerkung/ aktueller Bezug

6. pädagogischer Bezug?

In meiner folgenden Seminararbeit möchte ich mich mit dem Thema „Gefühl„ auseinandersetzen, genauer gesagt mit der Darstellung des Gefühls bei Homer. Als Grundlage meiner Arbeit wählte ich das Epos Odyssee, da hier eine Vielzahl geeigneter Schlüsselszenen zum Thema Gefühl enthalten sind.

Die Odyssee als dem, um ca. 700 v.Ch. entstandenen, ersten Abenteuerroman der Weltliteratur, besteht aus 12200 Hexameterversen, unterteilt in 24 Bücher und schildert das Erleben unzähliger Abenteuer des Helden Odysseus. Die verschiedensten Gefühle der Götter und sterblichen Helden spielen hierbei ihre entscheidende Rolle und stellen ein kaum faßbares Material hinsichtlich meines thematischen Schwerpunktes da. Nahezu jedes denkbare Gefühl läßt sich an einer entsprechenden Szene der Odyssee darstellen. Doch dies kann kaum Ziel einer Arbeit im Fache: Philosophie sein.

Die Tatsache, das die philosophischen und gesellschaftlichen Vorstellungen über Gefühle, historischen Wandlungen unterliegen. Sowie die Tatsache, das der philosophische Blick auf das Gefühl, die Einstellungen gegenüber dem Gefühl, sowie der Umgang mit dem Gefühl etwas Historisches sind, macht die besondere Spannung der Arbeit anhand der Odyssee aus.

Um einer Verzettelung innerhalb der komplexen Handlung des Werkes zu entgehen, habe ich mich entschlossen nach zwei Gesichtspunkten zu selektieren. Zum einen schaue ich welche der unzähligen Szenen historisch gesehen, eine einzigartige Darstellung enthält, beziehungsweise an welchen Szenen einem Gefühl eine heutzutage nicht mehr übliche Bedeutung beigemessen wird.

Zum zweiten lege ich den Schwerpunkt meiner Arbeit auf die Fragestellung wie der Held der Odyssee, eigentlich mit dem Gefühl umgeht und was das besondere daran ist ? Desweiteren versuche ich anhand meines Ergebnisses einen pädagogischen Bezug zu erlangen. Ich möchte mit einem Definitionsversuch von Gefühl beginnen.

Was Gefühle sind ? Was die Liebe ist ? Warum der Zorn soviel Unheil in unserer Welt anrichte? Woraus sich das Gefühl konstituiere? Wo sein jeweiliger Sitz sei? Die Frage nach dem Gefühl, nach den Gefühlen ist und war seit je her eine philosophische Frage? Die älteste uns bekannte Abhandlung über Gefühle von Aristoteles verfaßt, wird auf ca. 360 vor Chr. geschätzt. Der Ausdruck „ta pathe„ griechisch für das Gefühl, taucht schließlich in beeindruckender zum ersten Mal, in den beiden frühsten uns bekannten Epen der griechischen und abendländischen Literatur: „Ilias und Odyssee„ auf. Der wohl heute noch geläufige Ausspruch „pathos„ umschreibt entsprechend der Bezeichnung „ta pathe„, jenes was wir erleiden und weist darauf hin, das Gefühl ein passiver Seelenzustand ist. Gefühle stellen sich ein, sie bitten nicht zuvor um Einlaß, Gefühle sind emotionale Reaktionen auf Begebenheiten. Gefühle sind nicht zwangsläufig auch im Moment des Auftretens steuerbar.

Man könnte sagen, Gefühl ist ein innerer Zustand , welcher positiver oder negativer Natur sein kann. und nach Außen hin nicht sichtbar ist, nicht direkt wahrnehmbar. Doch das Gefühl ist nichts Metaphysisches, es ist existent, denn es ist uns allen bekannt, bekannt in jeder Situation zu jeder Stunde unseres Lebens. Ist vielleicht gerade deshalb, weil Gefühl nichts direkt Faßbares ist und auch nichts Rationales ist , eine historisch so häufig gestellte Frage? eben eine philosophische Frage?

Der Reiz der Beschäftigung mit der Frage nach den Emotionen liegt eindeutig in der Paradoxie begründet, das einerseits die Emotion nichts ist, was direkt greifbar, ja begreifbar ist, jedoch andererseits die Frage nach der Existenz von Gefühl unbestritten bleibt, denn jeder von uns kennt es, das Gefühl.

Bei der Frage nach Gott beispielsweise , ist dieses Verhältnis genau konträr angelegt, hier weiß keiner genau ob es Gott gibt und doch beschäftigt sich jeder mit der Frage.

Gefühlen scheint und schien in der griechischen Gesellschaft fast etwas Mystisches, anzuhaften, denn nicht zuletzt haben selbst die Götter in der Odyssee Gefühle. Denn nicht zuletzt haben selbst die Götter in Darstellungen aus der frühen griechischen Literatur ihre Emotionen, ihren Affekt nicht unter Kontrolle. Zusammenfassend würde ich also sagen ist für die Definition des Gefühls, dessen affektiver Charakter kennzeichnend. Der hier gewählte Ausdruck „ affektiv„ soll verdeutlichen, das Gefühle nicht steuerbar sind, soll zeigen, das Emotionen ungeplant eintreten und hervorheben das der Mensch den Umgang mit Gefühlen aus diesem Grunde allem voran erlernen muß.

Diese Tatsache also der Benötigung eines Umgangs mit dem Affekt, wirft die Frage nach der Kontrollierbarkeit von Gefühl auf. Kann man Gefühl überhaupt kontrollieren? Soll man es? Wenn ja mit welchen Instrumentarien wäre dies möglich? Vielleicht gibt uns das Verhalten Odysseus hierauf eine Antwort?

Der Ursprung jener Frage, ob Gefühle steuerbar sind, liegt keineswegs in der modernen Philosophie begründet, sondern ist, wie wir später noch an einigen Szenen sehen werden, in der Antike zu suchen. Dies zeigt sich schon daran, das die Verwendung des Begriffes „Sophrosyne„ in der frühen griechischen Literatur keine Seltenheit ist. Sophrosyne die Besonnenheit, bedeutet zusammenfassend: Gefühlskontrolle, die Kontrolle der eigenen Triebe, den kognitivistischen Umgang mit den eigenen Gefühlen.

Heute wird uns der Gedanke, der Kontrolle von Gefühl mit dem Ausdruck „self-control„ als etwas einzigartiges und neues verkauft, historisch gesehen aber ist dies nicht haltbar. Dem Gedanken, das auch der Umgang mit Gefühl erlernt werden sollte, wurde einfach nur im laufe der Jahrhunderte immer weniger Aufmerksamkeit geschenkt und spielt heute in der Erziehung nahezu keine Rolle mehr.

In der christlichen Lehre der Kardinaltugenden findet dieser Gedanke bereits Beachtung : Die Besonnenheit, hier als Mäßigung benannt, ist zu dieser Zeit ein zahlreich verfaßtes Thema (siehe Augustinus). In einem sehr frühen griechischen Sprichwort heißt es bereits : „Nur der, der seine Gefühle beherrscht, sei in der Lage zu herrschen. Diesen Standpunkt im Umgang mit den Gefühlen, möchte ich an Beispielszenen der Odyssee schließlich prüfen und analysieren. Es ist interessant, welchen Umgang Odysseus, als Held der Odyssee, mit den Gefühlen, an den von mir ausgewählten Szenen zeigt und welche Einstellung Odysseus gegenüber dem Gefühl, den Gefühlen einnimmt? Ist Gefühl aus Sicht der frühen griechischen Philosophie überhaupt kontrollierbar?

Ich werde mich in meiner folgenden Analyse hauptsächlich mit dem 6-12 Buch (Gesängen) beschäftigen, da dort die Abenteuer des Odysseus in Rückblenden erzählt werden und eine Menge verschiedener Gefühle dort eine entscheidende Rolle spielen.

Desweiteren möchte ich mich In den von mir zum Thema ausgewählten Szenen, mit dem Thema Ehre beschäftigen, ein prägnantes Motiv der griechischen Literatur. Meiner Ansicht nach, ist die Ehre eines der bewegendsten Motive für das Gefühl in der Antike, und bildet deshalb ein Grundgerüst meiner weiteren Selektion der Gefühle. Ich habe die Ehre und jene Gefühle, die mit der Ehre einhergehen, als ein weiteres Selektionskriterium meiner Arbeit gewählt.

Das Gefühl der Ehre soll schleißlich als zentrales Gefühl meiner Textanalyse dienen, ich schaue welche Rolle die Ehre in der Odyssee spielt und welche Rolle diese Emotion eigentlich heute noch spielt? Ist dieses Gefühl in Vergessenheit geraten?

Einleitend beginne ich mit einer kurzen Einführung in den Inhalt der Odyssee. Während in der Ilias dem älteren der beiden Epen von Homer, der Trojanische Krieg im Mittelpunkt steht, ist der Sieg über Troja Ausgangspunkt der Odyssee, sie berichtet über die Erlebnisse des Odysseus und seiner Männer beim Versuch der Heimkehr auf die Heimatinsel Ithaka.

Die Geschichte des Odysseus umfaßt einen Handlungszeitraum von zehn Jahren, beschrieben sind die Irrfahrten des griechischen Helden Odysseus nach Ende des Trojanischen Krieges, bevor er schließlich zu seiner Gattin Penelope heimkehrt. Der erste Teil des Epos beginnt kurz vor der Heimkehr des Odysseus, der nach einem Schiffbruch seinen Rettern von seinen Irrfahrten erzählt, in deren Verlauf er zahllosen Gefahren ausgesetzt war. Parallel dazu schwenkt die Handlung in die Heimat des Helden, wo sich eine Horde Freier in seinem Hause niedergelassen hat, die um die Gunst seiner Gattin Penelope buhlen. Diese kann sich ihrer nur mit einer List erwehren. Ihr gemeinsamer Sohn Telemachos zieht schließlich aus, um nach

seinem Vater zu suchen.

In Form von Rückblenden erzählt Odysseus selbst seine Abenteuer, etwa bei dem menschenfressenden einäugigen Riesen Polyphem. Später muß er sich auch der Verlockungen der Nymphe Kalypso erwehren, die ihm Unsterblichkeit verspricht, wenn er als ihr Gemahl bei ihr bliebe. Dies ist der Teil der Odyssee der mir als Grundlage der Analyse dient.

Der zweite Teil des Epos berichtet von der Heimkehr nach Ithaka, wo er sich zunächst heimlich der Loyalität seiner Dienerschaft versichert und schließlich blutige Rache an den Freiern nimmt.

In einer der bekanntesten Szenen der Odyssee hat Odysseus die Aufgabe sich und seine Männer mit dem Schiff an einer Insel vorbeizusteuern. Odysseus wurde vorher gewarnt, das er beim passieren des Inselbereichs, das Erklingen von Sirenen vernehmen würde, welche Ihn ins Verderben locken würden, falls er der Intensität derer Klänge erliegen würde und berauscht von der Lieblichkeit ihres Klanges der Melodie folgen würde.

Um seine Gefährten vor der Verführung zu schützen, die im Gesang jener Wesen liegt, verstopfte er ihnen die Ohren mit Wachs; sich selbst aber ließ er an den Mastbaum des Schiffes binden, um das Zauberlied der Sirenen ungefährdet zu hören. Um der Versuchung der Sirenen zu entgehen verkorkt sich der Held nicht seine Ohren, er stellt sich dem Gefühl und ist bereit die Sirenen zu hören, er läßt sich an den Mast binden, um ein plötzliches Erliegen der Versuchung sicher ausschließen zu können. Er zeigt seine Bereitschaft sich dem Gefühl, in diesem Falle der Sehnsucht zu stellen. Odysseus sichert sich gegenüber einem Versagen der einer Gefühlskontrolle, durch den Einsatz seiner Vernunft ab, er stellt sich dem Gefühl und kämpft somit aktiv gegen dessen Macht an, kämpft gegen den affektiven Charakter der Gefühle an. Das Verlangen nach den lieblichen Sirenen ist unendlich Groß und im Affekt befiehlt Odysseus seinen Männern ihn loszubinden, doch diese reagieren nicht weil Odysseus im Vorfeld den Befehl gab ihn unter keinen Umständen loszubinden, somit hat Odysseus im Vorfeld mit der Vernunft gegen das Gefühl angekämpft: „Also sangen jene voll Anmut. Heißes Verlangen fühlte ich, weiter zu hören, und winkte den Freunden Befehle, Meine Bande zu lösen, doch hurtiger ruderten diese„ (Vers 191-194).

Hier zeigt sich ganz deutlich welche Einstellung Odysseus, dem Umgang mit Gefühl gegenüber hat. Die Szene zeigt an, wie schwer es dem Menschen fällt dem affektiven Charakter der Gefühle etwas entgegenzustellen. Die große Bedeutsamkeit der Kontrolle des Menschen über sein Gefühl, kommt hier klar zum Ausdruck, der Mensch der Antike scheint sich dessen bewußt zu sein. Die Schwierigkeit des Menschen das Gefühl unter Kontrolle zu bringen, hier sogar den Held des Epos betreffend, scheint ein gefestigtes Gedankengut der Zeit zu sein. Sogar die Götter unterliegen dem Affekt, reagieren zum Beispiel unkontrolliert zornig.

Es wird klar, der reife Mensch, der heldenhafte Mensch der Antike, herrscht über seine Gefühle. Doch zugleich wird deutlich wie viel Disziplin erforderlich ist, um diesen hohen Anspruch genüge zu tun. Fazit: Odysseus versucht seine Gefühle zu kontrollieren, ist sich gleichzeitig aber bewußt, das er dabei sehr wohl versagen kann, sichert sich also durch den Einsatz seiner Vernunft ab und reagiert damit im doppelten Sinne besonnen.

Eine weitere interessante Passage in diesem Zusammenhang der Gefühlskontrolle, ist folgende Szene.

Aufgrund einer Weissagung des Teiresias, eines Gottes der Unterwelt, welche besagte, das Odysseus und seine Männer ihre Heimatinsel nur unter der Bedingung erreichen würden, das die Rinder und Schafherden des Sonnengottes, welche auf Trinikria weideten, von der Mannschaft verschont blieben, hätte Odysseus gerne die Insel gemieden. Aber seine Gefährten zwangen ihn zur Landung, und während er schlief, vergriffen sie sich, vom Hunger getrieben, an den Herden des Sonnengottes. Hart straften die Götter den Frevel. Kaum war das Schiff auf hoher See, da traf es vernichtend der Blitz des Zeus; alle Gefährten kamen um, nur Odysseus selbst gelang es, sich schwimmend zu retten.

Odysseus erteilte in diesem Falle seinen Männern den Befehl, die besagten Rinder und Schafherden des Sonnengottes unter keinen Umständen anzurühren. Doch nach wochenlanger Seefahrt und nach einiger Zeit, als die eigenen Vorräte aufgebraucht sind, gelingt es der ausgehungerten Mannschaft nicht der Versuchung des frischen Fleisches zu entsagen. Sie erliegen ihrem Hunger und schlachten einige Tiere zum Mahle :„Und sie trieben die besten der Sonnenrinder zum Opfer„(Vers 153, Zwölfter-Gesang).

Odysseus der ebenso ausgehungert und erschöpft ist wie seine Männer, hätte hier im genauen Gegensatz zu seinen Gefährten, niemals der Versuchung des Fleisches nachgegeben. Somit ist er seinen Männern weit in der Beherrschung und Kontrolle der eigenen Gefühle überlegen. Odysseus unterliegt hier seiner Müdigkeit und schläft ein, dies nutzten die Männer, um seinem Befehl zu entsagen, Odysseus ist entsetzt über die Tat der Gefährten:„ Dass die Gefährten indes den entsätzlichen Frevel verübten!!„(Vers 372). Die Folge dieser Tat, der Schwäche der Männer ihre Gefühle zu kontrollieren, fordert die Rache der Götter, der Zorn des Zeus entlädt sich gegen die Männer: „Bald erschienen darauf die schrecklichen Zeichen der Götter…„ (Vers 394, Zwölfter-Gesang), auch folgende Stelle macht den Zorn des Zeus deutlich „Breitete Zeus ein dunkelblaues Gewölk aus Über das laufende Schiff, und Nacht lag über der Tiefe.„(Vers 405ff, Zwölfter-Gesang), „Und nun donnerte Zeus; der hochgeschleuderte Stahl schlug Schmetternd ins Schiff und es schwankte, vom Donner des Gottes erschüttert; Alles war Schwefeldampf, und die Freund` erstürzten dem Boden„ (Vers 417 ff, Zwölfter-Gesang). Die Mannschaft und das Schiff des Odysseus sind verloren, nur Odysseus kann sich retten und bleibt vom Tode verschont, er treibt als Schiffbrüchiger durch das Meer. Hier wird klar auch Götter können zornig sein und verüben Rache, selbst die Götter haben hier Gefühle des Ehrverlustes dies verweist einmal mehr darauf, welch entscheidende Rolle das Gefühl, und den Umgang mit Gefühl in der griechischen Kultur gespielt haben muß.

Zusammenfassend läßt sich also festhalten das Odysseus, die List der Vernunft gegen die Macht seiner Gefühle gebraucht und er somit seinen Männern immer ein Stück überlegen, den potentiellen Feinden immer ein Stück voraus ist. Odysseus Überlegenheit gegenüber seiner Mannschaft resultiert hier aus dem Gebrauch der eigenen Vernunft gegenüber den Emotionen.

Odysseus weiß der Mensch ist dafür anfällig, im Affekt den unvernünftigen, ungewollten Gefühlen nachzugeben, deshalb sichert sich Odysseus lieber dem Versagen der Gefühlskontrolle im Vorfeld ab, indem er dem Gefühl das Instrumentarium der Vernunft entgegenstellt, so verhindert er das hier, das Gefühl die Kontrolle über ihn gewinnen kann. Er selbst läßt sich sicherheitshalber anbinden, er würde die Insel der Sonnenherden, seinen Männern als Schutze lieber meiden. Er selbst wäre in diesem Falle, in der Lage seine Gefühle in dieser Situation ,den Hunger, zu kontrollieren, doch er weiß seine Männer sind schwach. Odysseus reagiert mit Besonnenheit und durch seine Fähigkeit besonnen zu sein, wirkt er, der König der Griechen, im klaren Kontrast zu seinen Männern, als der wahre Held des Epos.

Dies kommt an den verschiedensten Passagen der Odyssee, ganz deutlich zur Geltung, im weiteren Verlauf kommt nochmals eine Szene ins Spiel, die dies hervorragend zeigt. Letztlich sehe ich das Sprichwort:„Nur Derjenige, der seine Gefühle beherrscht, sei in der Lage zu herrschen„ am Verhalten des Helden Odysseus bestätigt und ist somit als früh griechisches Verhaltensindeal annehmbar.

Beim Lesen der verschiedenen Szenen ist mir desweiteren aufgefallen, das einem heute kaum mehr beachteten Gefühl, nämlich dem Gefühl der Ehre, bei den Griechen, eine heutzutage untypische Bedeutung zukam. In zahlreichen Schlüsselszenen spielt die Ehre eine bedeutende Rolle. Der Ausdruck Ehre wirkt in heutiger Sprache eigentlich antiquiert und wird kaum mehr in dieser Form und etwas pathetischen Bedeutung gebraucht.

Die „Time„ wie die Ehre im griechischen benannt ist, scheint dem Menschen des frühen Griechenlands allerdings ein wertvolles Gut. Die EHRE spielt in zahlreichen Episoden im Geschehen der Odyssee mit. Zum Ausdruck der Ehre, könnte man synonym auch: Achtung, Ansehen, Selbstbewußtsein sagen Ist die Ehre schließlich einmal verloren, herrscht meist nur noch der Zorn und um dem starken Gefühl des Zorns, Erleichterung zu verschaffen, folgt meist ein Akt der Rache. Wird dem Zorn ein Akt der Rache entgegengestellt, tritt meist eine Erleichterung des zerreißenden Gefühls beim Erzürnten ein, und der Zornige fühlt sich besser. Als Ideal griechischen Verhaltens, würde ein solcher Kreislauf : der mit dem Verlust der Ehre beginnt, den Zorn zufolge hat und zur Rache führt, allerdings nicht gelten, sogar ein Zeichen menschlicher Schwäche sein, denn der gereifte Mensch der Antike muß den Zorn kontrollieren können, um der Rache keinen Platz zu bieten und somit auch dem Kriege. Ein weiters Gefühl in diesem Zusammenhang ist die Scham welche in direkter Verbindung zur Ehre steht. Diese Gefühle spielen oftmals untrennbar ineinander und bedingen sich wechselseitig , deshalb habe ich die Odyssee nach Passagen untersucht die hierfür bedeutsam sein könnten.

Ein für mich persönlich gutes Moment, um das Gefühl der Ehre zu verdeutlichen, stellte die Szene dar, in welcher Odysseus, der völlig entkräftet ist, von einem jungen phäakischen Krieger zum Wettstreit, in den dort gerade vorgeführten Wettkämpfen herausgefordert wird. Odysseus wird von dem jungen Phäaken solange in seiner Ehre gekränkt und mit Ausdrucken verletzt, bis er schließlich wieder seiner gewaltigen Erschöpfung (monatelang Schiffbrüchiger), den Wettstreit bestreitet und somit die Ehre seines Volkes und die eigene „Time„ verteidigt. Odysseus hält sich auf der Insel der Phäaken auf, da er dort als Schiffbrüchiger angeschwemmt wurde, man nimmt ihn herzlich auf und verwehrt ihm keine Hilfe, um möglich zu machen das der Held zu seiner Heimatinsel zurückkehren kann.

Euryalos wie der junge phäakische Krieger heißt reizt Odysseus: „Nein, wahrhaftig! O Fremdling, du scheinst mir kein Mann der auf Kämpfe sich versteht, so viele bei edlen Männer bekannt sind..„(Vers 166, Achter Gesang), Odysseus verteidigt sein Ansehen:„ Weil du nicht billig sprachst! Ich bin kein Neuling im Wettkampf..„(Vers 179, Achter-Gesang). „ Aber auch jetzt, so entkräftet ich bin versuche ich den Wettstreit! Denn an der Seele nagt mir die Red, und du hast mich gefordert!„(Vers 184-185, Achter-Gesang). Der Wettkampf hier um den Weitwurf einer Scheibe besteht Odysseus, indem er alle Phäaken übertrifft: „In diesem Kampfe sei sicher kein Phäake wird dich erreichen oder besiegen.„ (Vers 198) Odysseus freut sich nun das Ansehen im Volke der Phäaken gerettet zu sehen, es geht hier nochmals um die „Time„, „ Freute sich, einen gewogenen Mann im Volke zu sehen, Und mit leichterem Herzen begann er zu den Phäaken; schleudert jetzt mir nach…„(Vers 200 f. Achter Gesang).

Hier in einer weiteren Stelle, bei der die Ehre eine Rolle spielt, gelangt der Held zu dem einäugigen, menschenfressenden Kyklopen Polyphemos, einem Sohn des Poseidon. Er gerät mit zwölf seiner Gefährten in die Höhle des Riesen; Polyphemos verschliß die Höhle mit einem Felsblock und verschlingt sechs der Genossen. Doch Odysseus machte ihn trunken, blendet sein einziges Auge mit dem glühenden Pfahl, und am Tage darauf entkommen die Gefährten, indem sie sich unter die ausziehenden Herdentiere des Kyklopen mischen; Odysseus aber hält sich am Bauchfell eines der riesigen Widder fest und läßt sich ungesehen hinaustraten. Vergeblich wirft der nun blinde Polyphemos den fliehenden Schiffen schwere Felsblöcke nach; in seiner ohnmächtigen Wut konnte er nur seinen Vater Poseidon anflehen, Odysseus zu strafen, und von jenem Tage an verfolgte der Zorn des Meeresbeherrschers den Helden auf all seinen Irrfahrten

Mit einem glühenden Pfahl stach Odysseus Poseidons Schützling dem Kyklopen ein Auge aus und verletzte zudem, durch den Ausdruck hämischer Schadenfreude gegenüber dem riesigen Menschenfresser, dessen Ehre und somit auch die Ehre des Meeresgottes Poseidons:„ Da begann ich und rief dem Kyklopen mit schmähenden Worten: Ha, Kyklope, so recht ! Nicht eines Feigen Gefährten Hast du, wütiger Ries, in der dunklen Höhle gefressen! Lange hattest du das mit deinen Sünden verschuldet!„(Vers 475 ff, Neunter-Gesang). Nicht nur durch die Überlegenheit des Odysseus, die List der Vernunft, welche hier einmal wieder über dem Gefühl, der Angst gegenüber dem Riesen siegte und die Männer aus der Hohle des Riesen rettete, verletzte hier die Ehre des Kyklopen, sondern auch das hämische Verhalten und die Schadenfreude des Odysseus. Schadenfreude über das verlorene Augenlicht des Sohnes von Poseidon.

Somit wurde die Ehre des Einäugigen massiv, ja im doppelten Sinne angegriffen, infolgedessen ist der Zorn des Kyklopen gegenüber Odysseus und dessen Gefährten hierzu proportional gewaltig. In blinder Wut wirft der Riese Felsbrocken nach dem Schiff.„ Noch wütender tobte der blinde Kyklope, Riss herunter und warf den Gipfel des hohen Gebirges.„(Vers 480 ff, Neunter-Gesang). Da der Riese der Sohn des Poseidon ist, nimmt auch dieser Rache an Odysseus, er versucht Odysseus Heimkehr als Herrscher des Meeres zu erschweren:„ Glückliche Heimfahrt suchst du , o weit berühmter Odysseus: Aber se wird die ein Gott schwer machen…Er trägt dir heimlichen Groll nach, Zürnend, weil du den Sohn des Augenlichtes beraubt hast.„(Vers 100 ff, Elfter- Gesang). Wie man deutlich erkennt ist die „Time„ Motiv dieser und zahlreicher weiterer Schlüsselszenen der griechischen Mythologie überhaupt, es geht hier um Ehre und jene Gefühle, die durch den Verlust der Ehre unweigerlich entstehen, also den Zorn und die Rache. Das Gefühl des Ansehens, wie wir heute vielleicht eher sagen würden, ist für den Menschen also ein ganz prägendes und ursprüngliches Motiv. Es wäre interessant dieser Frage einmal nachzugehen. Warum scheint die Ehre im Wesen des Menschen so unabdingbar? Würde es den Zorn , also auch den Krieg ? ohne die Ehre geben, wäre die Scham ohne die Ehre denkbar?

Rache und Zorn liegen eng beieinander, bedingen sich und sind immer wiederkehrende Elemente in der Odyssee, ich behaupte die Rache ist ein Mittel um den Zorn zu schmälern, der Zorn sitzt in der Galle, der Zornige ist erhitzt es ist schwer damit umzugehen , doch wer den Zorn kontrollieren kann ist der Stärkere. In folgendem Falle reagiert Odysseus nicht besonnen, er folgt seinem Gefühl des Zorns gegenüber dem Riesen und rächt sich indem er über ihn spottet, er zeigt hier keine Stärke:„ Und ich rief dem Kyklopen von neuem mit zürnender Seele: Hör, Kyklope!..„. Zudem zeigt die Stelle, das speziell der Zorn, ein gewaltiges übermächtiges Potential in sich trägt, das der Zorn dasjenige Gefühl ist, welches am schwierigsten zu kontrollieren, das größte Unheil zur Folge haben kann. Man denke hier an den Krieg, ein aktuelles Thema dieser Tage, der Ausbruch des Irak-Krieges, aus blindem Zorn und dessen Erleichterung durch Rache? Resultat der verletzten „Time„ eines modernen „Kapital-Gottes„?

Dies kommt auch am Ende der Odyssee zum tragen, wenn Odysseus Rache an der belagernden Freiern des Palastes nimmt und alle ermordet. Die Verletzung der Ehre scheint also ein Urthema der Menschheit zu sein, welches selbst Heute noch zum Kriege führt! Denn das Ansehen der amerikanischen Regierung, gegenüber der Rest der Welt, drohte verloren zu gehen, die Iraker sanktionierten die Auflagen der USA, somit wurde die USA zornig und rächte sich? Also auch heute, auch wenn der direkte Ausdruck antiquiert wirkt, ist die Ehe ein Grundmotiv des Menschseins. In diesem Zusammenhang sehe ich auch noch ein weites Gefühl, in Verbindung mit der Ehre als Urthema des Menschen an, was auch an meinem aktuellen Beispiel erfarbar wird, nämlich die Scham. Tausende von Amerikanern schämen sich in diesen Tagen für das Verhalten ihrer Regierung, aber warum? Jene Amerikaner welche derzeit gegen das Verhalten ihrer Regierung demonstrieren, haben Angst die Ehre des Volkes, vor dem Rest der Welt, zu verlieren. Denn die eigene Regierung fährt trotz aller Gepflogenheiten der UN, ihren eigenen Kurs, und bringt die Weltpolitik der Tage damit ins Wanken. Die Scham der Bewohner resultiert in diesem falle daraus: Das die eigene Regierung etwas tut, was moralisch keinen Konsens erfährt, und das ansehen des Landes in Gefahr bringt ,die Folge ist die Angst vor der Ablehnung, ja die Scham.

Eines ist sicher die Scham entsteht dann, wenn die Gefahr besteht, das die Ehre vor einer gewissen Gruppe und oder deren moralischen oder gesellschaftlichen Konsens, verloren zu gehen droht. Ein gutes Beispiel für die Scham als Urthema der menschlichen Gefühle, ist die Auslösung des Schamgefühls beim ungewollten Anblick der Nacktheit des anderen Geschlechts. Das Ansehen ist bedroht und die Scham tritt ein, in diesem falle das Ansehen vor dem anderen Geschlecht.

Ein schönes Beispiel finden wir auch im sechsten Gesang der Odyssee, Odysseus ist auf die Insel der Phäaken gespült worden und schläft nackt hinter einem Busch ein, am nächsten Morgen begegnet ihm Nausikaa die Tochter des Königs, sie ist in Gesellschaft weiterer Mädchen am Wäsche waschen im naheliegenden Fluß, Odysseus bedeckt seine Blöße mit einem Blatt weil er sich für seine Nacktheit den jungfräulichen Frauen gegenüber schämt, er bittet um ein Gewand :„Also sprach er und kroch aus dem Dickicht, der edle Odysseus, ….Einen laubigen Zweig, des Mannes Blöße zu decken„(Vers129 ff Sechster-Gesang). Da Odysseus am ganzen Körper verschmutzt mit Schlamm ist und er die Tochter des Päakenkönigs überzeugt hat ihm Kleidung zu bringen, schlägt sie ihm vor ihn mittels einigen mitgebrachten Ölen , in dem naheliegenden Strom zu baden, um den Schlamm und das Meersalz abzuspülen, Odysseus aber schämt sich vor der Jungfrau zu baden :„ Aber ich bade nimmer vor euch, ich würd mich schämen, Nackend zu stehn, in Gegenwart schönlockiger Jungfraun.„(Vers 221f.f, Sechster-Gesang). Die Scham vor der Nacktheit dem anderen Geschlecht gegenüber, ist seid je her ein Symbol für das Erröten und die Scham überhaupt, die Angst durch die Entblößung der Intimität seine Ehre zu verlieren, gegen die sittlichen Gesetze zu verstoßen, ist hier bezeichnend für das Auftreten der Scham.

Zusammenfassend und abschließend läßt sich sagen, das einiges an Motiven und Metaphorischem in der Odyssee enthalten ist, dessen Interpretation lohnend erscheint, lohnend nicht zuletzt, um vieles über das griechische Denken, die griechische Philosophie zu erfahren. Eine spannende Herausforderung stellt die Odyssee nicht nur für den Philosophen, den Geschichtsforscher und Philologen, sondern auch der Pädagogen kann spannende Passagen und Motive in der Odyssee finden.

Aus meiner pädagogischer Sicht ist zu bemerken, das gerade die Bedeutung, der in der Odyssee intendierten Kontrollierbarkeit der eigenen Gefühle, ein wichtiges Thema sein könnte. Die aus pädagogischer Sicht zu vermittelnde Maxime, den eigenen Gefühlen gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet zu sein, beinhaltet ein wichtiges Ziel der Erziehung, das leider in Vergessenheit geraten ist.

Es müßte stärker in den Lehrplänen seine Berücksichtigung finden, das auch die Fähigkeit des Umgang mit Affekten, eine bedeutsame Fähigkeit darstellt.

Eine Auseinandersetzung mit der Frage wie sich die Vernunft in Hinsicht auf die eigenen Gefühle positioniert, ist ebenfalls eine spannende Frage für jeden Pädagogen, In der Erziehung könnte man festlegen: Wer seine Gefühle beherrscht und mit Besonnenheit pädagogisch handelt, kann ein gutes Vorbild sein und eine wertvolle Norm vermitteln, ja diese lebbar machen.

Literaturverzeichnis: Odyssee, Homer, Hamburger Lesehefterverlag, Heft 208

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Über das Gefühl bei Homer
Hochschule
Universität zu Köln
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V107962
ISBN (eBook)
9783640061686
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gefühl, Homer
Arbeit zitieren
Natascha Hinz (Autor:in), 2003, Über das Gefühl bei Homer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107962

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