Die europäische Integration und ihre Auswirkungen auf die deutschen Länder


Hausarbeit, 2003

15 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Problematik der Bundesländer im europäischen Integrationsprozess
2.1. Kompetenzen der Bundesländer1
2.2. Kompetenzverluste der Bundesländer

3. Die Bemühungen der Bundesländer um Mitwirkungsrechte im Prozess der europäischen Integration
Die Aktivitäten der Bundesländer im Vorfeld der Europäischen Akte (EEA)

4. Die Aktivitäten der Bundesländer vor Abschluss des Maastrichter Vertrags
4.1. Die Einheitliche Europäische Akte
4.2. Der Länderbeobachter
4.3. Die Länderbüros

5. Der Vertrag von Maastricht Eine neue Stufe im europäischen Integrationsprozess
5.1. Ergebnisse des Maastrichter Vertrags
5.1.1. Der Ausschuss der Regionen
5.1.2. Das Subsidiaritätsprinzip
5.1.3. Der neue Europaartikel (Neufassung des ART. 23GG) 10

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der fortschreitende Prozess der europäischen Integration fordert von seinen Mitgliedsstaaten eine weitreichende Übertragung von Kompetenzen auf die Institutionen der Europäischen Union.

Die Integration eines Bundesstaates wie der BRD, dessen Gliedstaaten eigene Staatsqualität besitzen, ist ein schwieriger Prozess. Der Bund gilt als alleiniger Verhandlungspartner der Europäischen Union, obschon viele der Integrationsaufgaben in den ausschließlichen Kompetenzbereich der Bundesländer fallen. Die Bundesländer befürchteten bereits früh eine Aushöhlung ihrer Kompetenzen bis hin zur Gefährdung ihrer Eigenstaatlichkeit. Um dem entgegenzuwirken, versuchen sie „(...) auf die europapolitische Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Willens- und Entscheidungsbildung auf europäischer Ebene Einfluss zu nehmen.“[1]

Die vorliegende Arbeit möchte zunächst zeigen, welche grundsätzlichen Probleme sich für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundesländer durch den europäischen Integrationsprozess ergeben. Zuerst soll dabei betrachtet werden, wie die Kompetenzen in der Bundesrepublik verteilt sind, um darzustellen, auf welche Weise die Länder von Kompetenzübertragungen auf EU-Ebene betroffen sind und welche Auswirkungen das für sie hat.

Im Folgenden werden die Maßnahmen und Ziele der Länder im Vorfeld der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) dargestellt.

Zur Gegenüberstellung soll vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum Maastrichter Vertrag eine neue Qualität der anhaltenden, aktiven Ländermitwirkung skizziert werden, um neue Formen der Bemühungen und Mitwirkung der deutschen Länder zeigen und entsprechend würdigen zu können.

Denn mit Hilfe neuer Strategien konnten die Länder im Verlauf des Maastrichter Vertrags eine weitere Stufe im europäischen Integrationsprozess betreten. Dabei soll auf die Fragen eingegangen werden, wie diese Strategien aussehen, wie sie sich im Prozess der Integration entwickelten und welche Ziele der Länder dadurch umgesetzt werden konnten.

2. Die Problematik der Bundesländer im europäischen Integrationsprozess

2.1. Kompetenzen der Bundesländer

Die deutschen Länder besitzen innerhalb der Bundesrepublik eine eigenständige Staatsqualität.

Sie umfasst die Verfassungsautonomie der Länder, die Staatsgewalt und das Recht, diese nach eigenem Ermessen zu organisieren und auszuüben.

Laut Art. 70 Abs. 1 und 2 GG verfügen sie über legislative Rechte die sich durch die konkurrierende und ausschließliche Gesetzgebung bemessen zwischen Bund und Ländern abgrenzt. Die Verfassungswirklichkeit sieht dabei mittlerweile anders aus als dieser Artikel es zunächst vermuten lässt. Den Ländern ist ein stark begrenzter Raum für ihre Legislativzuständigkeit geblieben die sich über den kulturellen Bereich, der unter anderem das Schul- und Hochschulwesen betrifft, das Polizei-, Ordnungs- und Bauordnungsrecht, Teile des Umweltrechts, die regionale Kultur- und Wirtschaftsförderung sowie das Kommunalrecht und Organisation der Landesverwaltung erstreckt. Obwohl die Bundesregierung alleiniger Verhandlungspartner der Europäischen Union ist, berühren manche Integrationsaufgaben nicht einmal die Kompetenzen des Bundes.

Art. 24 Abs. 1 GG gibt ausschließlich dem Bund das Recht, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Institutionen zu übertragen. Der Bund kann so Kompetenzen auf EU-Ebene übertragen, die den Ländern zugeordnet sind, da Art. 24 Abs. 1 GG nicht zwischen verschiedenen Kompetenzordnungen unterscheidet.

2.2. Kompetenzverluste der Bundesländer

Bei der Übertragung von Kompetenzen auf EU-Ebene verlieren die Bundesländer sowohl direkt als auch indirekt Rechte.

Werden Kompetenzen der Bundesgesetzgebung übertragen, gehen ihnen die laut Art. 50 GG über den Bundesrat zustehenden Gesetzgebungsbeteiligungen verloren. Die Länder haben Mitwirkungsrechte an der Gesetzgebung des Bundes: das Recht zur Stellungnahme, das Initiativrecht, das Zustimmungsrecht und das Recht Vermittlungsausschüsse anzurufen. Der Bund bleibt über den Ministerrat der EU weiter an der Gesetzgebung beteiligt, während die Mitwirkungsrechte der Bundesländer entfallen.

Bei Übertragung von Kompetenzen die in den Gesetzgebungsbereich der Bundesländer fallen, findet ein direkter Eingriff statt. Das betrifft u.a. Teile der Bereiche Agrar- und Umweltpolitik, regionale Wirtschaftsförderung, Bildung und Kultur sowie Haushaltsgesetzgebung.

Das Fortschreiten des europäischen Integrationsprozesses bringt weitere Kompetenzübertragungen mit sich. Werden die Länderkompetenzen weiterhin beschnitten und von der EU reglementiert, sehen die Bundesländer ihre Eigenstaatlichkeit gefährdet.

3. Die Bemühungen der Bundesländer um Mitwirkungsrechte im Prozess der europäischen Integration

3.1. Die Aktivitäten der Bundesländer im Vorfeld der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA)

1951 wurde der erste wichtige Schritt für eine gesamteuropäische Annäherung bzw. Zusammenarbeit mit der Montanunion (EGKS) getan. Bereits zu diesem Zeitpunkt entbrannten im Bundesrat heftige Debatten um die Kompetenzverluste der Bundesländer. Der Bundesrat forderte ein Gremium, durch welches die Länder am Willensbildungsprozess beteiligt würden. Ein solches Mitwirkungsrecht bei Europa-politischen Fragen konnte nicht bestätigt werden.[2]

Mit dem Abschluss der römischen Verträge 1957 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurden erstmals nationale Kompetenzen auf die Gemeinschaft übertragen, die vorher ausschließlich der innerstaatlichen Zuständigkeit angehörten. Bei der Ratifizierung der Verträge jedoch, wurde dem Anspruch des Bundesrats auf Beteiligung in der EG wenigstens insofern Rechnung getragen, das die Bundesregierung mittels eines Zuleitungsverfahrens verpflichtet wurde „ (...)Bundesrat und Bundestag über die Entwicklung im Rat der Europäischen Gemeinschaften laufend zu unterrichten (...).“[3]

1979 kam es zu einer Absprache zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidenten über eine Länderbeteiligung bei EG-Vorlagen. Die Bundesländer durften hiernach ihren Standpunkt der Bundesregierung darlegen, wenn EG-Vorhaben die ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder ganz oder teilweise betreffen. Jedoch ist dieses „Zugeständnis“ nicht über zu bewerten, denn bei „(...) Kompetenzverlagerungen auf die Gemeinschaft mittels Rechtsetzung der Gemeinschaftsorgane, war die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich. Dies galt bis zum Inkrafttreten des neuen Art. 23 GG, der seit 1993 unter anderem die Mitwirkung des Bundesrates in den Angelegenheiten der Europäischen Union regelt.“[4] Von Anfang an also bemühten sich die deutschen Länder um Einfluss auf den europäischen Integrationsprozess, ohne aber nennenswerte Erfolge verzeichnen zu können. Erst mit den Bemühungen der Länder um eine Konstituierung von Beteiligungsrechten vor und während der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) konnte auf eine Verbesserung für die Bundesländer gehofft werden. Innenpolitisch begann im Vorfeld der EEA diesbezüglich eine zähe Debatte. Ziel der EEA war die Verwirklichung des EU- Binnenmarktes, was jedoch weitere Kompetenzverlagerungen der Länder auf die EG- Organe nach sich ziehen würde. Die Länder fürchteten um ihre Kompetenzen vor allem in Bereichen der Ausbildung, der Wissenschaft und Forschung, der Sozial-, Gesundheits- und Verbraucherpolitik. „Die Europäische Union müsse die verfassungsrechtliche Stellung der Länder der Bundesrepublik Deutschland und die Rechte der Regionen wahren. Das Prinzip der Subsidiarität müsse berücksichtigt werden, den Ländern der Bundesrepublik Deutschland ihr Kernbereich der Eigenstaatlichkeit mit klar abgegrenzten eigenen Zuständigkeiten verbleiben und ein ausreichendes Mitwirkungsrecht an den Entscheidungen der Union zugestanden werden.“[5]

4. Die Aktivitäten der Bundesländer vor Abschluss des Maastrichter Vertrags

4.1. Die Einheitliche Europäische Akte

Im Zuge der EEA sollte der aus Ländersicht hohe Kompetenzverlust auf europäischer Ebene kompensiert werden. Vertragsbestandteile waren zunächst Wirtschafts- und Währungspolitik, Fragen der Außenpolitik und europäischer Sicherheit, Reform des EWG-Vertrags und Reform des Strukturfonds zur Unterstützung wirtschaftlich und standörtlich benachteiligter Regionen, sowie die bisher außerhalb dieses Vertrags praktizierte gemeinsame Politik der Mitgliedsstaaten.

Am 16.5.1986 wurde vom Bundesrat beschlossen, die EEA als ein auf dem Weg zur Europäischen Union wichtigen und geeigneten Schritt anzuerkennen. Trotzdem stand er ihr im wesentlichen noch immer äußerst kritisch gegenüber .

Er sieht in ihr noch immer relevante Eingriffsmöglichkeiten für die Gemeinschaft in die föderale Struktur der Bundesrepublik und fordert außer einer frühest möglichen Unterrichtung über EU-Vorhaben durch die Bundesregierung des weiteren die „(...) Verpflichtung der Bundesregierung, vor Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften, die ´ in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen oder deren wesentliche Interessen berühren´, die Stellungnahme des Bundesrates einzuholen. Die Verpflichtung der Bundesregierung zur Berücksichtigung dieser Stellungnahmen bei den EG- Verhandlungen, die Verpflichtung der Bundesregierung, davon bei ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abzuweichen und im Falle einer Abweichung den Ländern die maßgeblichen Gründe mitzuteilen. Schließlich sollen in diesen Fällen auf Verlangen Vertreter der Länder zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Europäischen Kommission und des Rates hinzugezogen werden.“[6]

Um eine Übertragung von Hoheitsrechten ohne die Zustimmung des Bundesrats, welche die ausschließlichen Zuständigkeitsbereiche der Länder betreffen, auf zwischenstaatliche also die europäische Ebene zu verhindern, sollte Art. 24 GG geändert werden.

Die Bundesregierung verpflichtete sich in ihrer Stellungnahme zu diesen Forderungen auf die „(...)Einhaltung föderalistischer Grundsätze und des Subsidiaritätsprinzips in der EG- Politik hinzuwirken und bei der Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Europäische Kommission die Zuständigkeit der Länder zu beachten. Sie sagt die Berücksichtigung der innerstaatlichen Willensbildung und die Erhaltung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates zu (...)“[7], beharrt jedoch weiterhin auf ihr alleiniges Recht außenpolitisch tätig zu sein, um eine schnelle Entscheidungsfindung garantieren zu können. Lediglich eine fristgerechte Stellungnahme wird dem Bundesrat in diesem Fall gewährt.

Nach schwierigen Verhandlungen mit der Bundesregierung gelang es die Beteiligungsrechte der Länder festzuschreiben. Zwar wurde dies nicht mit der angestrebten Grundgesetzänderung im Artikel 24 realisiert, doch zumindest mit einer Klausel in Art. 1a des Ratifikationsgesetzes konnte die sogenannte Bund- Ländervereinbarung konkretisiert und fixiert werden.[8]

Diese neuen Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder gestalteten sich vor allem über das Organ des Bundesrats in Europapolitischen Entscheidungen chancenreicher.

Doch mit der Erweiterung der Möglichkeiten des Bundesrates stellten sich nun auch unmittelbare Probleme ihrer Umsetzung ein. Um eine Überlastung der Institution verhindern und erfolgreich an der Willensbildung auf europäischer Ebene teilhaben zu können, musste über intrastrukturelle Veränderungen nachgedacht werden. Der Bundesrat richtete ein völlig neues Beschlussorgan ein: die Kammer für Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften (EG- Kammer), mit der man sich „(...) eine effektivere Mitwirkung des Bundesrates am innerstaatlichen Willensbildungsprozess zu Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften (...)“[9] erhoffte.

Parallel zur EG- Kammer agierte der EU- Ausschuss. 1965 ging er aus dem schon 1957 eingesetzten Sonderausschuss Gemeinsamer Markt und Freihandelszone hervor und ist nach wie vor hauptsächlich für EU- Vorlagen zuständig. Die EG- Kammer erwies sich dagegen als ineffektiv.

Die Länder suchten weitere Möglichkeiten, stärker in die Entscheidungsfindungsprozesse eingebunden zu werden. Bereits 1956 wurde mit dem damaligen Außenminister Brentano die Entsendung eines "Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften" vereinbart. Ursprünglich nur für die Teilnahme an den Verhandlungen über den Abschluss der römischen Verträge eingesetzt, sollte er später den Informationsfluss zwischen Brüssel und den Bundesländern gewährleisten. Er entwickelte sich im weiteren Verlauf der europäischen Integration zu einem nicht unbedeutenden Organ.[10]

4.2. Der Länderbeobachter

Der Länderbeobachter wird von der Konferenz der Länderwirtschaftsministern ernannt und ist im „(...) EG- bezogenen Informationsfluss platziert.“[11] Über das Zuleitungsverfahren hinaus gibt er den zuständigen Gremien des Bundesrates, wie Fachministerkonferenzen, nötige Informationen über EG- Vorhaben und ist deshalb unabdingbar.

Nach Inkrafttreten des Zuleitungsverfahrens gemäß der Römischen Verträge war es seine Aufgabe, die Länder mit zusätzlichen Informationen über Vorgänge auf Gemeinschaftsebene zu versorgen[12], da das Zuleitungsverfahren selbst oft verspätet und unvollständig verlief.

Dabei nahm er als Delegationsmitglied an den Sitzungen des Rats und an den Beratungen im Ausschuss der Ständigen Vertreter teil. Auf nationaler Ebene war er bei Vorbesprechungen im Bundesrat beteiligt, mit dem er ständigen Kontakt hielt. Darüber hinaus unterhielt er gute Kontakte informeller und formeller Art zu den europäischen Institutionen, die ihm auf diese Weise Einschätzungen über zukünftige Aktivitäten auf europäischer Ebene mitteilen konnten.[13] Seine Aufgaben wandelten sich aber mit dem Integrationsprozess zusehends und sein Tätigkeitsfeld verlagerte sich intensiver auf europäische Ebene. Er unterstützte immer stärker die Ländervertreter in den Beratungsgremien der Kommission und des Rats, wobei betont werden muss, das er keinerlei Verhandlungsvollmachten oder eine Sprecherrolle inne hat. Einzelne, ursprüngliche Aufgaben (Übermittlung von Entwürfen und Dokumenten) gab er an den Bundesrat ab. Seine Möglichkeiten sind aufgrund der Tatsache, das er alle Länder zugleich vertritt aber eher begrenzt. Doch seine ständige Präsenz in den europäischen Gremien in Brüssel zeigt der Bundesregierung das „(...) kontinuierliche Vorhandensein von Länderinteressen und mahnt (sie) und ihre Vertreter, diese Interessen zu berücksichtigen.“[14]

Die Intention der Länder war es, die Position des Länderbeobachters noch weiter auszubauen und seine Funktionen als Informationsbeschaffer zu verbessern. So sollte er in die ständige Vertretung der Bundesregierung in Brüssel integriert werden, nicht als ein weisungsgebundener Untergebener des Bundes, sondern als eigenständiger Akteur.

Dem konnte seitens der Bundesregierung nicht entsprochen werden und die Länder sahen sich veranlasst unabhängig von der Position des gemeinsamen Länderbeobachters jeweils eine eigene Ländervertretung einzurichten.[15]

4.3. Die Länderbüros

Die Länderbüros drückten das verstärkte Bemühen der Länder aus, sich aktiv an der europäischen Integration zu beteiligen, also eine unmittelbare Verbindung zu den EG- Organen und damit eine Einrichtung im EU- Gefüge zu unterhalten. Die Rechtslage war dabei umstritten. Das auswärtige Amt der Bundesregierung sah sich in seinen Kompetenzen angegriffen. Man sprach von einer verfassungsmäßig nicht rechtlichen Nebenaußenpolitik der Länder. Die Länder hingegen bezogen eine völlig andere Position. Vor allem betrachteten sie die Sachlage aus einer gesamteuropäischen Perspektive. Sie vertraten, angesichts des fortlaufenden Zusammenwachsens Europas die Meinung, das sie ihren Kompetenzen entsprechend auf EU-Ebene „Europa-Innenpolitik“ betreiben. Die Länderbüros stellten zwar rechtlich keine Außenvertretung der Länder dar, auf vertikaler Ebene jedoch hatten sie die politische Aufgabe, intensive Beziehungen zu den europäischen Organen zu pflegen. Auf horizontaler Ebene bauen sie die Zusammenarbeit mit überregionalen Vertretern aus.

Es ist trotz des Verweises der Bundesregierung auf den Art. 32 GG Abs.1, der besagt das die Pflege zu auswärtigen Staaten ausdrücklich Angelegenheit des Bundes ist gelungen, den Anspruch der Länder auf eine unmittelbare Beteiligung an der europäischen Politik zu festigen. Damit so Fechtner, „(...) wird die Interpretation des Art. 32 GG der veränderten Wirklichkeit des Integrationsprozesses angepasst.“[16]

Im Verlauf dieser Anpassung ist die Arbeit der Büros schnell auf allgemeine Akzeptanz gestoßen. Galten sie anfänglich lediglich als Lobbyisten der Länder, sind sie heute nicht mehr aus dem Kreis der Institutionen wegzudenken. Die EG nutzt Länderspezifisches Wissen um sich nötige Daten zur Erhebung über Demographie und Struktur der Wirtschaft auf unkomplizierte Weise zugänglich zu machen. Die Länderbüros erreichen durch die Nähe zum Kern der Gemeinschaften hohe und wichtige Informationsquoten bezüglich aller EG- Vorhaben. Zusätzlich dienen sie der Wirtschaft als Unternehmensberater und „treiben“ in großem Umfang Fördermittel ein. Seit 1988 nehmen immer häufiger Repräsentanten der deutschen Botschaft bei der EG an den Treffen der Länderbüros teil, so findet ein reger Austausch von Informationen statt. Bis 1992 haben schließlich alle Länder eine solche Vertretung geschaffen, deren Status sich längst verändert hat. Die hohe Nachfrage der Kommission bei den Büros zeigt eine völlig neue Qualität des EG-Länderverhältnisses und dessen große Akzeptanz vor der sich auch der Bund nicht mehr verschließen kann.

„Die verlängerten Schreibtische der Landesverwaltungen haben sich zu informationspolitischen Agenturen entwickelt, die frühzeitig am Prozess der Politikformulierung auf EG- Ebene beteiligt werden.“[17]

Diese aktive Beteiligung der Länder auf der Gemeinschaftsebene durch eben jene Länderbüros zeigt jedoch, das sie sich in innenpolitischer Beteiligung nicht ausreichend repräsentiert sehen. Sie zeigt aber gleichzeitig das ein Ziel, das der Kompensation vielfältig auf europäische Ebene übertragener Hoheitsrechte der Länder, erreicht wurde.

Ihrem Europapolitischen Engagement ist es zu verdanken, das „(...) der Prozess der Repräsentation der unterstaatlichen Ebene in der Entscheidungsstruktur der EG in den Vorverhandlungen zur Europäischen Union konkretisiert worden ist, das sich die verbandliche Organisation regionaler Interessen gegenüber den EG- Organen gestrafft hat und an Einfluss gewinnt,(...) dass das deutsche Verfassungsrecht den intrastaatlichen Mitwirkungsforderungen angepasst worden ist (...) (und) das sich – insbesondere in der politischen Praxis – informelle Direktkontakte der Länder mit den EG- Organen etablieren konnten, die die Ebene des Bundes umgehen“[18]

Das sich fortwährend verdichtende Beziehungsgefüge rief ein wachsendes Interesse der Gemeinschaft an der Einbeziehung der Länder und Regionen hervor. Aber auch der Druck der Länder, aufgrund ihrer nunmehr aktiven Rolle in Europa, sorgten für diese intensive Einbindung. Die oft zitierte Strategie der Länder einen Ausgleich für Kompetenzverluste zu schaffen, spiegelte sich in dem Konzept vom Europa der Regionen wieder. Das Konzept „(...) reflektiert die in den letzten Jahren deutlich angewachsene Bedeutung der subnationalen Einheiten(...)“[19]

Im Vorfeld der Maastrichter Verträge wurde diese Strategie in verschiedenen Ansätzen formuliert. Ein Mechanismus zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der EU/EG und den Mitgliedsstaaten/ Ländern und Regionen sollte eingeführt werden, damit auf diese Weise die Zuständigkeiten der Gebietskörperschaften vor Eingriffen der Gemeinschaft geschützt werden können. Des weiteren forderte man, das die Mitwirkungsrechte der Länder und Regionen am Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene eingeräumt und der Ausbau der Beteiligungsrechte am innerstaatlichen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess in europäischen Angelegenheiten gewährleistet werde.[20]

5. Der Vertrag von Maastricht: Eine neue Stufe im europäischen Integrationsprozess

5.1. Ergebnisse des Maastrichter Vertrags

Anders als noch zur Ratifizierung der EEA trugen die seither getroffenen Vereinbarungen zur Mitwirkungsmöglichkeit der Länder am europäischen Integrationsprozess dazu bei, das die Bundesregierung sich gezwungen sahen, die Länder schon frühzeitig in die Verhandlungen um den Maastrichter Vertrag einzubeziehen. Die Bundesregierung nahm sich auf Druck der Länder einen Teil der Forderungen nach einem Ausbau der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte an und brachte diese als gesamtdeutsche Position in die Verhandlungen ein. Diese Forderungen wurden ausgeweitet, wobei unter anderem die Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips und des Ausschuss der Regionen in das Maastrichter Vertragswerk erreicht wurde. Erstmals wird damit auf gemeinschaftsrechtlicher Basis einer dritten Ebene in Europa Rechnung getragen.[21]

5.1.1. Der Ausschuss der Regionen (AdR)

Der Ausschuss der Regionen, seine Arbeit nahm er im März 1994 auf, ist die jüngste Institution der Europäischen Union. Er wurde eingesetzt, weil die Mitgliedstaaten zum einen ihre regionalen und lokalen Eigenheiten respektiert wissen und zum anderen an der Entwicklung und Durchführung der EU-Politik beteiligt werden wollen.

Das Ziel mit dem Ausschuss der Regionen, der schließlich als beratende Vertretungskörperschaft für die Länder und Regionen vertraglich verankert wurde, eine Institution zu schaffen die direkt am Entscheidungsprozess der EG beteiligt ist konnte allerdings nicht durchgesetzt werden.

Doch zum ersten mal in der Geschichte der Europäischen Union müssen jetzt die Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften angehört werden, da sonst die Rechtsakte der Gemeinschaft ungültig würden. Dies betrifft die Bereiche der allgemeinen und beruflichen Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, transeuropäische Netze, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt sowie Fragen bezüglich des Strukturfonds.[22] Angesichts dieser relativ begrenzten Kompetenzen und zu deren Schutz forderten die deutschen Länder ein umfassendes Klagerecht für die Länder und Regionen, da das Gemeinschaftsrecht nicht nur Bundes- sondern auch Landesrecht überlagern kann. Dies konnte nicht zuletzt wegen der ohnehin schon großen Auslastung des Europäischen Gerichtshofs nicht durchgesetzt werden. Allerdings wurde ein Kompromiss gefunden, der den Ländern ein indirektes Klagerecht einräumte. Danach wurde die Bundesregierung verpflichtet, einem eventuellen Klagebegehren der Länder nachzukommen.

Auf Drängen der Bundesländer wurde 1997 durchgesetzt, das der AdR einen eigenen organisatorischen Unterbau erhalten wird, um seine Selbständigkeit und sein politisches Gewicht zum Ausdruck bringen zu können. Er muss in folgenden Gebieten angehört werden: soziale Fragen, Umwelt, Sozialfonds und Transport. Dies wurde aus Sicht der deutschen Länder als ein beachtlicher Teilerfolg angesehen.[23]

Auf die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips wurden ebenfalls große Hoffnungen gesetzt. Dem AdR wurde mit diesem Prinzip ein Fundament errichtet, mit dem er Europapolitischen Entscheidungen allein von zentraler Stelle aus entgegenzuwirken imstande ist.

5.1.2. Das Subsidiaritätsprinzip

„Das Subsidiaritätsprinzip ist als Ordnungsprinzip ein wesentlicher Bestandteil jeder föderalen Verfassung. Es ist Ausdruck der vertikalen Gewaltenteilung in einem mehrstufig aufgebauten Gemeinwesen und entfaltet seine Wirkung insbesondere dort, wo keine ausdrückliche und abschließende Aufzählung der Kompetenzen der einzelnen Ebenen möglich ist.“[24] In diesem Sinne hofften die deutschen Länder auf dieses Prinzip um sich vor weitreichenden Kompetenzverlagerungen auf die europäische Ebene zu schützen. Diese „Zauberformel“ sollte also gegen einen europäischen Zentralismus und mangelnde Bürgernähe der Bürokratie in Brüssel Allheilmittel sein. In Artikel B und der Präambel des Maastrichter Vertrags wird das Subsidiaritätsprinzip als ein allgemeiner Handlungsgrundsatz und ein verbindliches Rechtsprinzip der EU dargestellt. Es soll die Bereiche, die von Mitgliedsstaaten und Gemeinschaft gemeinsam abgedeckt werden, vor einem unzulässigen Eingriff der höheren Ebene schützen, wenn die Ebene des Bundes bzw. der Länder die Aufgaben und Ziele auf diesen Gebieten ausreichend selbst umsetzen und erreichen kann.[25]

Hier ist zu beachten, das die sogenannte dritte Ebene überhaupt nicht erwähnt ist.

Lediglich das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedsstaaten ist unter das Prinzip der Subsidiarität gestellt und eine Kompetenzverteilung und Zuweisung auf die subnationale Ebene bleibt unbeachtet, denn ausdrücklich bezieht sich das Prinzip nur auf die konkurrierende Gesetzgebung und nicht auch auf die ausschließliche.

Hier zeigt sich das Problem der Anwendung dieses Prinzips. Zwei Denkrichtungen sollen dies veranschaulichen. Für die Vertreter der „Erforderlichkeitstheorie“ kommt es darauf an, das die Wahrnehmung einer Aufgabe auf höherer Ebene notwendig ist, weil die untere Ebene sie nicht leisten kann. Während nach der sogenannten „Wirksamkeitstheorie“ der höheren Ebene Handlungsbefugnisse bereits dann zugedacht werden, wenn diese eine Aufgabe besser erfüllen kann.[26] Nach Ansicht der Länder kann nur die erstere dem Subsidiaritätsprinzip gerecht werden, daher fordern sie eine Interpretation des Prinzips aus dieser Perspektive.

Dieser Gedanke sollte Europaweit verbreitet werden, um Mitstreiter zu gewinnen. „(...)Subsidiarität als Architekturprinzip Europas(...)“[27] lautete schon die Devise der Konferenz Europa der Regionen und fand somit Eingang in die Formulierungsvorschläge zu den Verträgen von Maastricht. Zunächst war in den Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Ländern angesichts der bevorstehenden Regierungskonferenzen großer Widerstand gegen diese Forderungen auch bezüglich einer Erwähnung und Anerkennung der dritten Ebene in Europa zu spüren. Doch auch hier wurde schließlich ein Konsens gefunden, der jedoch schwach formuliert wurde und es bei günstiger Auslegung der Brüsseler Zentrale möglich mache Kompetenzen an sich zu ziehen, die nach Vertrag nicht einmal in den Bereich der EG gehörten.[28]

Doch die Verankerung im Maastrichter Vertrag wurde zumindest nicht in im Sinne der sogenannten „Wirksamkeitstheorie“ vollzogen. Dieser kleine Erfolg verschleierte jedoch nicht die Tatsache, das der europäische Gesetzgeber immer noch einen großen Ermessensspielraum hat. Im Zuge dieser Entwicklungen kam es notwendigerweise auch zu einer Veränderung im Bund- Länderverhältnis und einer Anpassung des Grundgesetzes an das Vertragswerk von Maastricht. Im Hinblick auf die bevorstehende Union und der damit verbundenen Kompetenzverluste, musste die „Lücke“ im Gesetz zur Übertragungsberechtigung von Hoheitsrechten geschlossen werden. Mit dem neuen Europaartikel sollte dies ermöglicht werden. Angesichts dieser weiteren Stufe der Integration, die weitere Kompetenzverluste für die Länder mit sich brachte, mussten Kompromisse gefunden werden. Die Länder forderten als Ausgleich der Verluste weitere innerstaatliche Beteiligungsrechte bei der Vorbereitung von EG- Vorhaben und gleichzeitig deren Verankerung in der Verfassung.

5.1.3. Der neue Europaartikel (Neufassung des ART. 23GG)

„Mit dem neuen Europaartikel 23 GG wird das Verhältnis von Bund und Ländern in der Europapolitik auf eine neue, verfassungsrechtlich geregelte Ebene gestellt.“[29] Formuliert heißen die Ziele unter anderem: die „(...)Außenpolitik (soll) nicht mehr in der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes liegen, sondern nach den Regeln der innerstaatlichen Kompetenzverteilung durch Bundestag, Bundesrat und Länder, sowie durch die Bundesregierung bestimmt werden.(...)“[30]

Um ihre Kompetenzverluste durch Übertragungen von Gesetzgebungsbefugnissen auf europäische Ebene zu kompensieren und ihre Mitwirkungsrechte am Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der EU umsetzen zu können, mussten zunächst die innerstaatlichen Rechte der Bundesländer am Beteiligungsverfahren erweitert werden.[31]

Verfassungsänderungen betreffen danach beispielsweise Art. 52 III a GG, in dem es heißt, es besteht die Möglichkeit des Bundesrates, für Angelegenheiten der Europäischen Union eine Europa- Kammer zu bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten.

Des weiteren Art. 50 GG, der eine Generalklausel darstellt, wonach die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung, der Verwaltung und in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken.[32]

Grundsätzlich darf der Bund also Hoheitsrechte der Länder auf die EU übertragen, allerdings wird klargestellt, das zukünftig jede Übertragung dieser Rechte der Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundesrates bedarf. Grundgedanke für diese Zustimmungsbedürftigkeit war die Überlegung, das sich alle weiteren Kompetenzverschiebungen in den schon vergemeinschafteten Kompetenzbereichen negativ auf das innerstaatliche Gefüge auswirken würde.

In der Praxis wird die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern überwiegend positiv bewertet. Den wöchentlichen Weisungssitzungen der verschiedenen Bundesressorts wohnen Vertreter der Länder bei, um ihre Ansichten zu EU- Fragen darlegen zu können und gemeinsam eine deutsche Verhandlungsposition für Brüssel festzulegen.

Zu recht wägt Hartmut Klatt Pro und Contra ab.

Er zeichnet einen grundlegenden Strukturwandel des Föderalismus in Deutschland vor, in welchem die Handlungsautonomie der Länder als Grundlage des Bundesstaates durch den Verlust von legislativen Zuständigkeiten kontinuierlich vermindert wird. Ein weiterer, allgemein verbreiteter und schwerwiegender Kritikpunkt ist die aufgrund zeitraubender Kompetenzgerangel schwerfällige Handlungsfähigkeit der Bundesregierung auf europäischer Ebene, da sie sozusagen an die „Kette der Länder“ gelegt wird.

Klatt hält dieser These entgegen, das es eine Verhandlungsposition der Bundesregierung in Brüssel vielmehr stärken würde, „(...)wenn sie auf entsprechende Forderungen der Länder verweisen könne.“[33]

Durch diese Einigkeit wird Stärke demonstriert und Forderungen sind so nachdrücklicher zu stellen und durchzusetzen.

Letztlich sind viele Forderungen der Länder und Regionen im Zuge der Maastrichter Verträge nur teilweise erfüllt worden, doch sind mit dem Europa-Artikel „(...) erstmals Beteiligungsrechte der Länder an europäischen Entscheidungsprozessen auch verfassungsrechtlich verankert wurden.“[34]

„Die Alleinzuständigkeit des Bundes in Europaangelegenheiten ist aufgehoben und auf den Grundsatz des kooperativen Föderalismus gestellt.“[35]

6. Fazit

Zusammenfassend soll nun festgestellt werden, welche Ziele die Bundesländer verwirklichen und inwiefern sie Kompetenzverluste ausgleichen konnten.

Ziel war und ist es am Willens- und Entscheidungsbildungsprozess auf bundespolitischer wie europäischer Ebene teilzuhaben.

Angesichts der schwerwiegenden Änderungen zu Lasten der Länder und schließlich auch in der Feststellung und Erwartung der Verluste im Zuge der europäischen Integration, hat sich die Strategie der Länder, wenn auch spät[36], in eine aktive Form der Mitgestaltung gewandelt. So initiierten sie neue Formen politischer Mitwirkung auf europäischer Ebene, um innerstaatliche Kompetenzverluste und Verluste ihrer Hoheitsrechte durch Übertragung auf die Gemeinschaft, zu kompensieren. Mit innovativen und „(...)teilweise quasi- governmentalen Strategien politischer Einflussnahme (...)“[37] versuchten sie ihre nunmehr aktivere Rolle zu unterstreichen.

Die Einrichtung der Länderbüros, Länderbeobachter, die Eröffnung eigenständig betriebener Kontakte mit anderen Regionen und deren Absicherung im folgenden Zeitraum, sind zweifellos als Erfolg zu werten. Länderbüros wandeln sich von lobbyistischen, apolitischen Einrichtungen in Organe der gezielten politischen Einflussnahme. Es gelingt den Ländern Formen der politisch- praktischen Mitwirkung institutionell zu integrieren und rechtlich bestätigen zu lassen.[38] So konnten sie sich mit Einführung des Europa-Artikels, wie auch mit dem Ausschuss der Regionen Mitwirkungsrechte im europäischen Entscheidungsprozess sichern.

Damit ist es unter anderem den Verträgen von Maastricht zu verdanken, das dieser Beteiligung der Länder rechtlich Dauer verliehen wurde, die sie selbstverständlich auch innerstaatlich aufwertet.

Sie konnten dem drohenden (vollständigen) Verlust ihrer Handlungskompetenzen entgegenwirken. „Durch eine Verlagerung der Europapolitik von der Außen- auf die Innenpolitik dehnten sie ihre Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte auf nationaler Ebene (...) aus (...).“[39]

Hatten die Bundesländer ursprünglich keinerlei Mitspracherechte bei Übertragung ihrer Hoheitsrechte durch den Bund, so sind zu behandelnde EU-Vorlagen, die Länderinteressen ganz oder teilweise berühren heute über den Bundesrat zustimmungspflichtig. Wurden früher ausschließlich Vertreter der Bundesregierung in EU-Gremien entsandt, so werden heute Vertreter der Länder in Länderangelegenheiten von der Regierung dazu bevollmächtigt.

Doch letztlich haben die Länder keine Stärkung ihrer Rechte erfahren. Werden Landeskompetenzen auf EU-Ebene verschoben, ist für die Umsetzung betreffender Richtlinien aus Brüssel in Landesrecht die Bundesebene zuständig. Der Bundesrat ist zustimmungspflichtig. Die Interessen der Länderregierungen werden also lediglich über den Bundesrat vertreten, der aber de facto ein Bundesorgan ist und im Zweifelsfall dem Gesamtstaat und nicht den Gliedstaaten verpflichtet ist. Landessetzgebung hingegen geschieht in den Landesparlamenten. Diese verlieren in diesem Fall ihre Zuständigkeit, ein Verlust der nicht ausgeglichen werden kann.

Auf der einen Seite wirken die Bundesländer über den Bundesrat an der innerstaatlichen Willensbildung in EU-Angelegenheiten mit, haben jedoch noch immer nicht die Möglichkeit direkten Einfluss auf die Gemeinschaft auszuüben, da nach dem Prinzip der Konsensfindung nicht jedes Einzelinteresse berücksichtigt werden kann. Dies kann man als eine logische Konsequenz werten, wenn man im Zusammenhang der europäischen Integration die Struktur der Mehrheit der Mitgliedsstaaten in Europa betrachtet. So ist es verständlich, beispielsweise ein direktes Klagerecht der Bundesländer abzuweisen, wenn man bedenkt das es nicht im Interesse von Zentralstaaten sein kann Regionen, die naturgemäß sehr wenige Kompetenzen haben, in ihrem Streben nach Macht und Einflussnahme auf EU-Angelegenheiten zu stärken. Der Fluss des Integrationsprozesses würde erheblich gebremst. In ihrem Bemühen um Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte an EU-Entscheidungen ist den Ländern jedoch ein weniger institutioneller als vielmehr ein ideeller Erfolg zuzuschreiben.

Einerseits konnte nur ein teilweiser Ausgleich für den Verlust an eigenständigen Kompetenzen erreicht werden. Andererseits ist es ihnen gelungen das institutionelle Gefüge der EU für den Begriff der dritten Ebene Europas zu sensibilisieren. Entscheidungen der Europäischen Union können diese Ebene nicht mehr ignorieren.

7. Literaturverzeichnis:

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Klatt, Hartmut, Die Rolle der Länder und Regionen im europäischen Entscheidungssystem, in: Klatt, Hartmut (Hrsg.), Das Europa der Regionen nach Maastricht, Analysen und Perspektiven, Bonn 1995. S69 – 144.

Hrbek, Rudolf, Doppelte Politikverflechtung: Deutscher Föderalismus und Europäische Integration, Die deutschen Länder im EG- Einheitsprozeß, in: Hrbek, Rudolf, Taysen, Uwe (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften.

Morawitz, Rudolf, Kaiser, Wilhelm, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, Bonn 1994

Bardong, Otto, Die Einheitliche Europäische Akte und die Länder der Bundesrepublik Deutschland – ein föderalistisches Problem, in: Stefan Huber, Peter Pernthaler (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europäischer Perspektive. Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung Bd. 44, Wien 1988. S.33-39.

Laufer, Heinz, Muench, Ursula, Das föderale System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1998.

[...]


[1] Laufer, Heinz, Münch, Ursula, Das föderale System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen, 1998. S.281

[2] Vgl. Bardong, Otto, Die Einheitliche Europäische Akte und die Länder der Bundesrepublik Deutschland – ein föderalistisches Problem, Wien 1988. S. 33 ff

[3] Ebd.

[4] Laufer, Muench (S.290)

[5] Bardong, Otto (S.34)

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Laufer, Muench S.293

[9] Ebd. S.294 ff

[10] Vgl. Morawitz, Rudolf, Kaiser, Wilhelm, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, Bonn 1994. S.127

[11] Hrbek, Rudolf Hrbek, Rudolf, Doppelte Politikverflechtung: Deutscher Föderalismus und Europäische Integration, Die deutschen Länder im EG- Einheitsprozeß, in: Hrbek, Rudolf, Taysen, Uwe (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften. S.26

[12] Vgl. Morawitz, Rudolf, Kaiser, Wilhelm, S.127

[13] Vgl. Eißel, Dieter, Grasse, Alexander, Eißel, Dieter, Grasse, Alexander, Paeschke, Björn, Sänger, Ralf, Interregionale Zusammenarbeit in der EU, Regionalisierung in Europa Bd.1, Opladen 1999. S46

[14] Hrbek, Rudolf S.27

[15] Vgl. Laufer, Muench

[16] Vgl. Fechtner, Detlef, Fechtner, Detlef, Die deutschen Länder in der Europäischen Union, Perspektiven im transatlantischen Vergleich, Europäische Hochschulschriften Bd. 291, Berlin, Bern, New York 1996. S.135ff

[17] Ebd.

[18] Ebd.

[19] Vgl. Klatt, Hartmut, Klatt, Hartmut, Die Rolle der Länder und Regionen im europäischen Entscheidungssystem, in: Klatt, Hartmut (Hrsg.), Das Europa der Regionen nach Maastricht, Analysen und Perspektiven, Bonn 1995. S.75 ff

[20] Ebd.

[21] Vgl. Laufer, Muench, S.83ff

[22] ebd.

[23] Ebd.

[24] Schmidhuber, Peter/ Hitzler, Gerhard, Schmidhuber, M. Peter, Hitzler, Gerhard, Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EWG- Vertrag – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer föderalen Verfassung der Europäischen Verfassung, in: Ganger, Dieter – Jörg, Weigelt, Klaus, Föderalismus in Deutschland und Europa, Köln 1993. S.70

[25] Vgl. Klatt, Hartmut, S77

[26] Vgl. Borchmann, Michael, Memminger, Gerd, Das Subsidiaritätsprinzip, in: Borkenhagen, Bruns – Klöss, Memminger, Stein (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, Politische Union Wirtschafts- und Währungsunion. 1. Auflage, Baden Baden 1992, S.18 ff

[27] Ebd.

[28] Ebd.

[29] Klatt, Hartmut, S.131

[30] Ebd.

[31] Vgl. Eißel, Dieter, Grasse, Alexander, Paeschke, Björn, Sänger, Ralf, Interregionale Zusammenarbeit in der EU, Regionalisierung in Europa Bd.1, Opladen 1999. S. 42 ff

[32] Ebd. Klatt, Hartmut, S.131

[33] Ebd.

[34] Laufer, Münch, S. 318

[35] Eißel, Dieter, Grasse, Alexander, Paeschke, Björn, Sänger, Ralf, S.44

[36] In der wissenschaftlichen Diskussion wird von einer passiven Rolle bis in die 80er Jahre und einer aktiven Position ab diesem Zeitraum gesprochen.

[37] Fechtner, Detlef S(147ff)

[38] Ebd.

[39] Eißel, Dieter, Grasse, Alexander, Paeschke, Björn, Sänger, Ralf, S.45

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die europäische Integration und ihre Auswirkungen auf die deutschen Länder
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V107906
ISBN (eBook)
9783640061198
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Auswirkungen, Länder
Arbeit zitieren
Christian Emmrich (Autor:in), 2003, Die europäische Integration und ihre Auswirkungen auf die deutschen Länder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107906

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