Feindbild Jesuitismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Zum Gang der Untersuchung
1.2. Kurze Geschichte des Jesuitenordens
1.3. Das geschichtliche Umfeld des 19. Jahrhundert

2.Oberbreyer, M.:Die Angst der Protestanten vor den Jesuiten!
2.1. Argumente zur Verteidigung der Jesuiten
2.1.1. Motivation der Jesuitenfeindlichkeit
2.1.2. Referenzen der SJ
2.1.3. Verweis auf die Quantität
2.1.4. Bezug auf Grundrechte
2.1.5. Leumund der SJ
2.1.6. Einheit der Christen
2.1.7. Schutz der Ordnung
2.2. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gesetzesbefürworter
2.3. Grundlegende politische und weltanschauliche Ansichten

3.Unbekannter Autor:Die Jesuitenfrage im Lichte des Reiches Gottes
3.1. Argumente zur Verteidigung der Jesuiten
3.1.1. Unverträglichkeit mit der Heiligen Schrift
3.1.2. Einheit der Christen – gegen den Unglauben
3.1.3. Fehler der Vergangenheit – für eine gerechte Geschichtsschreibung
3.1.4. Verdienste für die Bewahrung des Glaubens
3.1.5. staatlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
3.1.6. Gesellschaftlicher Nutzen der SJ
3.2. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gesetzesbefürworter
3.3. Grundlegende politische und weltanschauliche Absichten

4. Resümee

5. Quellen

1. Einleitung

1.1. Zum Gang der Untersuchung

Diese Seminararbeit behandelt ausschließlich die beiden u.g. Textquellen. Eine weitere Auseinandersetzung mit der Geschichte des Jesuitenordens und eine gesamthistorische Einordnung der Texte wurde nicht gefordert, ist aber in gebotener Kürze an den Anfang der Bearbeitung der Texte gestellt. Die Zuhilfenahme weiterer Quellen wurde, wie gewünscht, auf ein Minimum beschränkt. Fußnoten entfallen daher nahezu vollständig.

Die beiden Texte werden einer detaillierten Analyse hinsichtlich ihrer Argumentation und Intention unterzogen. Es werden ausführlich Antworten auf die Fragen nach der Argumentationsweise zugunsten der Jesuiten und dem Umgang mit den Argumenten der Gegenseite gegeben. Außerdem werden die Autoren bzgl. ihrer grundlegenden Einstellung zu Freiheits- und Rechtsstaatsgedanken sowie ihrer Wahrnehmung der Aufgaben des (deutschen) Staates untersucht.

Am Ende der Arbeit und der Rekonstruktion und Darlegung der Argumentationsverläufe der beiden Texte, wird ihre lückenlose Auswertung und Einordnung in die Diskussion um die „Jesuitengesetzte“ von 1872 vorgenommen.

1.2. Kurze Geschichte des Jesuitenordens

1 Gegründet wurde die Gesellschaft Jesu (SJ), der Jesuitenorden, 1540 durch Ignatius von Loyola (1491 – 1556). Ignatius, ein ehrgeiziger adeliger Soldat, spürt während ein langen Zeit auf dem Krankenlager, den Ruf Gottes und fuhr alsbald in das Heilige Land. Nach seiner Rückkehr studierte er in Paris und entwarf mit sechs Freunden den Plan für eine Ordensgründung. Da sie wegen des Türkenkriegs nicht nach Jerusalem ziehen konnten, gingen sie 1538 nach Rom und boten dem Papst ihre Dienste für die katholische Erneuerung an. Am 15. April 1539 bekräftigen die Freunde in einem feierlichen Versprechen ihren Entschluss, zusammenzubleiben und legen das Fundament für den neuen Orden, dem sie den Namen »Gesellschaft Jesu« geben. Die päpstliche Bestätigung erfolgt ein Jahr später.

Die enge Bindung an den Papst, die sich bis heute in einem besonderen Gehorsamsgelübde konkretisiert, war von Anfang an ein Kennzeichen des Ordens. Sie ergab sich aus den speziellen Forderungen eines weltweiten Apostolates, dem sich der Orden verpflichtete. Schnell erkannten die Mitglieder des Ordens, welche Bedeutung die Bildung für die Reifung der Menschen spielte. Die Gründung von Schulen und Universitäten durch Ignatius waren die logische Konsequenz. Der Orden wuchs und war auf allen Kontinenten in der Mission aktiv. Während der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts wuchs die Gegnerschaft der Gesellschaft Jesu. Die gewaltsame Aufhebung des Ordens, von den europäischen Fürstenhäusern betrieben, vollzog sich in mehreren Etappen: Seit1759 wurden die Jesuiten aus den einzelnen europäischen Ländern vertrieben. Im Juli 1773 zog dann Papst Clemens XIV. den Schluss-Strich unter diese Entwicklung und stellte das Aufhebungsdokument aus, das einen Monat später in Kraft trat. Der Papst wies darin zwar auf die früheren Verdienste des Ordens bei Vertiefung und Ausbreitung des Glaubens hin, betonte aber seine Pflicht, im Sinne des Friedens und zur Vermeidung von Streit und Zwietracht innerhalb der Kirche den Jesuitenorden aufzuheben. Die Geschichte der Gesellschaft Jesu im 19. Jahrhundert ist aber auch eine Geschichte einer Kette von Leiden und Verfolgungen. Der internationale Charakter des Ordens stand dem gewachsenen Selbstbewusstsein der Nationalstaaten entgegen, seine Wiederherstellung unter dem Vorzeichen der Restauration machte ihn den liberalen und sozialistischen Kräften verdächtig. Inmitten großer Verfolgungen erlebte der Orden jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein starkes inneres und äußeres Wachstum. Die Zahl der Jesuiten verdoppelte sich, die Zahl der Schulen stieg wieder an, die Weltmission erlangte eine neue Blütezeit.

1.3. Das geschichtliche Umfeld des 19. Jahrhundert

Politische und kirchliche Geschichtsschreibung gehen in dieser Epoche nahezu erstmals deutlich getrennte Wege. Mit der Französischen Revolution 1789 erreichte die Säkularisierung einen gewaltsamen Höhepunkt. Der Vollzug der Trennung von Kirche und Staat ist der Hauptschauplatz dieses Jahrhunderts. Während in einer ersten Phase von 1789 bis zum Wiener Kongress 1815 die alte Einheit von Staat und Kirche zerfiel, ist bis 1848 eine Zeit der versuchten Restauration zu beobachten. Nach deren Scheitern, kann die Epoche von 1848 bis zum 1. Vatikanum als Phase des Ultramontanismus bezeichnet werden2. Aus der „Allianz von Thron und Altar“ wird zusehenst eine „Allianz von (katholischem) Volk und Altar“.

Die Zeit der katholischen Souveräne und des Staatskirchentum ist nunmehr beendet. Der von der Kirche emanzipierte Staat3 duldet keinen „Staat im Staate“. In der Folge kam es zu jeweils eigenständigen Rechtsbereichen. Der Gläubige stand erstmals vor der Frage, welcher Jurisdiktion er sich primär zu unterwerfen habe; gerade dann, wenn staatliche Anordnungen und Gesetze scheinbar nicht mit den Verlautbarungen des Papstes in Rom übereinstimmten.

Einen Höhepunkt erreichte dieses Dilemma durch den Syllabus, welcher zeitgleich mit der Enzyklika „Quanta Cura“ 1864 erschienen. Darin legte Papst Pius IX. (1846-78) in einer Negativliste alle Irrtümer (80 Stück) des antiklerikalen Liberalismus seiner Zeit dar. Nicht nur das deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm fasste den aggressiven Ton des Dokuments als „Kriegserklärung der Kirche“ gegen die liberalen Staaten auf. Der enthaltene Anspruch zu Regulierung politischer und gesellschaftlicher Fragen, den die Kirche somit erhob, kollidierte mit den neuen nationalstaatlichen Ambitionen der Regierenden. In diese Zeit der Auseinandersetzungen und eines ultramontanen 1.Vatikanum fallen das Jesuitenverbot in Deutschland und der hier zu behandelnde Streit.

2.Oberbreyer, M.:Die Angst der Protestanten vor den Jesuiten!

Zunächst stelle ich den älteren Text von M. Oberbreyer dar. Die Publikation heißt mit vollem Titel „Die Angst der Protestanten vor den Jesuiten! Neue Worte eines Protestanten an Verständige“ und ist 1891 in Luzern erschienen. Oberbreyer schreibt aus dem protestantischen Sachsen, dessen Verfassung generell katholische Orden verbietet.

2.1. Argumente zur Verteidigung der Jesuiten

In Oberbreyers Manifest lassen sich sieben argumentative Bereiche zur Verteidigung der Jesuiten und seinem unmittelbaren Drängen zur Aufhebung des Jesuitengesetzes ausmachen.

2.1.1. Motivation der Jesuitenfeindlichkeit

Oberbreyer sucht nach der Motivation der offensichtlichen und latenten Jesuitenfeindlichkeit in Deutschland. Er findet sie zum einen in der durch den „Evangelischen Bund“ inszenierten Hatz gegen die Jesuiten. Dieser sei durch den offensichtlichen Einflussverlust und Mitgliederschwund des Protestantismus in Deutschland motiviert (S.6).

2.1.2. Referenzen der SJ

Oberbreyer führt an, es haben immer nur mittelmäßige bis kleine Geister gegen die Jesuiten gekämpft – die wahrhaft hohen Intellektuellen wie Heine oder Humboldt hingegen haben nie etwas für die Verleumdungen gegenüber den Jesuiten übrig gehabt sondern sie in Schutz vor Lügen genommen. Der Grund sei, so Oberbreyer, dass dumme Menschen Angst vor den Jesuiten haben, weil sie sie nicht verstehen.

Im folgenden (S.11) wird eine Reihe großer Denker Europas genannt, welche sämtlich dem Jesuitenorden wohl gesonnen waren.

„Lehre und Moral der Jesuiten ist keine andere, als die der katholischen Kirche. (S. 17)“ Den Jesuiten sei also mit der gleichen Achtung und Würde zu begegnen wir der katholische Kirche als großer christlicher Konfession überhaupt.

2.1.3. Verweis auf die Quantität

Bei Inkrafttreten des Jesuitengesetzes am 4. Juli 1872 gab es in Deutschland etwa 200 Jesuiten in 45 Niederlassungen. Oberbreyer zitiert Dr. von Windhorst, welcher die Ansicht vertrat „ein Staat von 40 Millionen Menschen, 1 Million Soldaten und einer Legion Polizisten muss um die Tätigkeit von 200 Männern, die nur das Evangelium und als einzige Waffen ihren Geist“ haben, nicht besorgt sein. Ebenso der Abgeordnete Reichenspreger 1872 in einer Sitzung des Reichstages (S.14).

„Die 200 bis 300 deutschen Jesuiten, welche, um sich nicht der Einschränkung ihrer Wirksamkeit zu unterwerfen, Deutschland verließen, haben in den 25 Jahren ihrer Wirksamkeit in Deutschland sich keiner einzigen gesetzwidrigen Handlung schuldig gemacht, im Gegenteil haben sie sich durch hervorragende Tugenden ausgezeichnet, und während des Feldzuges von 1870 haben sie sogar Gesundheit und Leben für das Vaterland eingesetzt.“ Neben dem Verweis auf die geringe Zahl der Jesuiten in Deutschland verweist Oberbreyer schon hier auf den hervorragenden Leumund der Patres der Gesellschaft Jesu (vgl. zum Tugendbegriff dazu 2.1.5).

2.1.4. Bezug auf Grundrechte

Wenn auch eher verhalten bezieht sich Oberbreyer doch auf die Grundrechte. Politisch fordert er „gleiches Recht und Toleranz ... für alle“ (S.21). „Ist die katholische Kirche einmal vom Staate anerkannt, so muss es ihr auch gestattet sein, sich in ihren Institutionen frei und ungehindert zu bewegen.“

2.1.5. Leumund der SJ

Oberbreyer betont die Rechtschaffenheit der Jesuiten und sucht dies mit weiteren Quellen zu belegen. Er akzentuiert, dass in den 25 Jahren von 1847 bis 1872 kein einziges Ordensmitglied der Jesuiten oder der Orden als solcher in irgendeiner Weise straffällig geworden wäre.

Der „Generalbericht der Zentralstelle der Johanniter-Maltheser-Genossenschaft in Rheinland-Westphalen“ lobt den Einsatz der Jesuiten als Krankenpfleger, auch gerade ungeübter akademischer Priester, in den höchsten Tönen. Die ganze Provinz sei zum Dienst im Krieg an den Kranken und Verwundeten bereit gewesen. Ein Verbot sei also mit Blick auf die kommenden Kriege töricht.

2.1.6. Einheit der Christen

Die Notwendigkeit der konfessionellen Eintracht findet bei Oberbreyer auch Erwähnung. Denn die beiden christlichen Konfessionen dürften nicht gegeneinander sondern müssen miteinander gegen den sich gerade im Proletariat verbreitenden Unglauben kämpfen (S. 22).

2.1.7. Schutz der Ordnung

Oberbreyer meint, dass die Gesellschaft Jesu am ehesten im Stande sei, der kommenden Generation wieder wahre Gottesfurcht und Achtung vor der Obrigkeit einzuflößen. Die Französische Revolution betrachtet er u.a. als eine Folge der Auflösung des Jesuitenordens.

Der Regensburger Bischof Ignatius von Senestrey schreibt 1871 von der Kausalität von Fall der Jesuiten, dem Angriff auf die Kirche und dem folgenden Angriff auf die weltliche Obrigkeit. Diese Wirkungskette ist für Ihn evident.

„Der Jesuitenorden ist das mächtigste Bollwerk gegen die immer mehr wachsenden, Thron und Altar bedrohende Sozialdemokratie,“ konstatiert er in Richtung des konservativen politischen Lagers.

2.2. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gesetzesbefürworter

Um jegliche Aspekte der Rechtfertigung Oberbreyers hinsichtlich genannter oder nur unterschwellig auftauchender Argumente gegen den Jesuitenorden zu betrachten, postuliere ich zunächst jene Argumente und stelle ihnen dann die entsprechend antwortenden Passagen des Textes gegenüber. In der Niederschrift lassen sich im Wesentlichen drei Gegenargumente finden.

1. Den Reichstag erreichen Hunderte von erbosten und ängstlichen Petitionsschriften gegen die SJ.

- Diese stammen zumeist aus der ländlichen Bevölkerung, wo noch nie ein Jesuit gewesen ist.
- Die Angst vor der SJ wird durch die Propaganda des „Evangelischen Bundes“ geschürt, sowie durch den Rückgang der evangelischen Gläubigenzahlen bei gleichzeitiger Zunahme der Katholiken.
- Die Petitionen haben ihren Ursprung in einem „byzantinisch-russischen Ungeiste“.

2. Die Jesuiten sind Vaterlandsverräter.

- Viele Jesuiten haben größere Verdienste um Ihr Vaterland, als eine Reihe von evangelischen Theologieprofessoren, von denen Oberbreyer einige beim Namen nennt.

3. Die Jesuiten schüren den Kampf zwischen den christlichen Konfessionen.

- Ein amtlicher Sitzungsbericht des preußischen Landtages vom Februar 1853 bescheinigt den Jesuiten, dass sie sich von jeder Art des konfessionellen Unfriedens ferngehalten haben. Nur ihr Auftreten als Sendboten der Autorität in kirchlichen und politischen Fragen mache sie in liberalen Kreisen nicht sehr beliebt.

2.3. Grundlegende politische und weltanschauliche Ansichten

In diesem Abschnitt soll der Text hinsichtlich des grundsätzlichen Verständnisses des Autors von den Aufgaben des Staates und seines Freiheits- und Rechtsstaatsverständnisses befragt werden.

Oberbreyers Argumentation beruht weniger auf der Berufung auf rechtstaatliche Garantien und Grundrechte bzw. eines religiösen Freiheitsverständnisses. Vielmehr versucht er in der Diskussion um den Jesuitenorden inhaltlich zu argumentieren und ein positives Bild des Ordens zu zeichnen. Nur an wenigen Stellen wird das Staatsverständnis Oberbreyers deutlich.

Das Phänomen der Jesuitenausweisung bringt Oberbreyer grundsätzlich in Zusammenhang mit „tyrannischen und despotischen Regierungen“, welche von Protestanten dominiert waren. Es liegt die Vermutung nahe, dass er grundsätzlich eine Regierung, welche derartige Ordensverbote ausspricht für willkürlich hält. In wieweit er die Staatsform, das System, dafür verantwortlich macht, bleibt fraglich. Die Gewährleistung von Religionsfreiheit scheint für ihn eine Aufgabe des Staates bzw. seiner Regierung zu sein.

Die Forderung „gleiches Recht und Toleranz (...) für alle“ erscheint als Ausdruck eines Grundrechtsverständnisses, dessen staatlicher Gewährleistungsanspruch aber im Unklaren bleibt. Versteht man diese Äußerung in staatsrechtlicher Hinsicht, worauf die Formulierung “Ausnahmegesetz“ im Vorsatz hindeutet, so dient sie als Beleg für die Berufung Oberbreyers auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Religionsfreiheit. Der Kontext macht nicht deutlich, ob diesem Verständnis eine Interpretation unter Berufung auf rein mitmenschliche, christliche Werte letztgültig vorzuziehen ist.

Die Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens durch Oberbreyer macht deutlich, wo seine Verfahrenskritik innerhalb der Rechtsordnung ansetzt. Er stellt dar, dass die Regierung den Auftrag erhielt ein Gesetz zur „rechtlichen Stellung religiöser Genossenschaften, namentlich der Gesellschaft Jesu“ zu erarbeiten. Vorgelegt wurde durch die Regierung allerdings ein Gesetzentwurf, bestehend aus einem einzigen Paragraphen, nämlich dem Verbot der Jesuiten auf deutschem Boden.

Oberbreyers Kritik richtet sich also gegen die Vorgehensweise der Regierung und deren Fokussierung auf die Jesuiten. Der Gegenstand des Verfahrens und das Verfahren selbst scheinen aber als legal akzeptiert zu werden.

Grundsätzlich bejaht Oberbreyer die staatliche Grundordnung. Dies wird in seinem Umgang mit Parteien, Ämtern und dem Thron deutlich.

3.Unbekannter Autor:Die Jesuitenfrage im Lichte des Reiches Gottes

3.1. Argumente zur Verteidigung der Jesuiten

Der Autor des Textes „Die Jesuitenfrage im Lichte des Reiches Gottes“ legt mit starker Betonung biblischer Quellen und häufigen Verweisen auf das Einheitsgebot der Christenheit seine Argumente für den Jesuitenorden dar. In sechs Bereiche lässt sich seine Dialektik einteilen.

3.1.1. Unverträglichkeit mit der Heiligen Schrift

Am Gleichnis des Unkrauts, welches man mit dem Weizen wachsen lassen soll, zeigt der Autor die Diskrepanz zwischen der von den Protestanten so hoch geschätzten Schrift und den Taten der deutschen Protestanten bzgl. des „Ausreißens“ des Jesuitenordens.

Mit Verweis auf Joh 5, 1 sagt er: „Wer da glaubt, Jesus sei der Christ, der ist von Gott geboren, und wer da liebet den, der ihn geboren hat. Der liebet auch den, der von ihm geboren ist.“ Da aber kein Protestant den Jesuiten absprechen kann, nicht an Jesus als den Christus zu glauben, sei ihr Verbot nicht in Einklang mit der Heiligen Schrift.

Konfessioneller Kampf widerspräche nicht nur der geforderten Christenliebe sondern auch dem Kindesgehorsam gegenüber dem einen Vater, der Eintracht unter den Brüdern fordert (Psalm 133).

Auch Phil 2, 2-4 zeige das Streben nach der Einheit im Glaube und das Ringe um das Vermeiden von Streit.

„Es ist heilige Pflicht eines gläubigen Christen, sich über jede Christusverkündigung zu freuen (..)“. Ebenso bemüht der Autor Paulus, der an die Philipper (1, 18) schreibt: “Das nur Christus verkündet werde auf allerlei Weise (..).“

3.1.2. Einheit der Christen – gegen den Unglauben

Dieser Argumentationsstrang, die Berufung auf einen gemeinsamen Kampf aller Christen gegen den Unglauben, wird im Verlaufe des Textes am häufigsten verfolgt. „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme!“ spricht der Herr. In diesem Bekenntnis seien Katholiken und Protestanten geistliche Brüder. Es sei nicht Recht und dem Gesetze Gottes widersprechend, wenn nun der große stärkere Bruder (der numerische größere Protestantismus in Deutschland), den kleineren Bruder (den Katholizismus) unterdrücke (S. 6). Des Weiteren erfolgt die Berufung auf die Taufgemeinschaft und darauf, dass Jesu Blut für alle vergossen worden ist – auch für die Jesuiten.

Der Autor beschwört mit blumigen und pathetischen Worten den gemeinsamen Kampf der Konfessionen gegen den gemeinsamen Feind – den Unglauben. Dieser Kampf verbinde. Die evangelischen Christen mahnt er an, ihre Zeit nicht im konfessionellen Streit sondern im Kampf gegen den innerkirchlichen Feind, den protestantischen Unglauben, einzusetzen. (S. 13)

Die konservative „Neue deutsche Kreuzzeitung“ betonte bereits 1852 die Bedeutung der Jesuiten für die gemeinsame Evangelisation. „Obschon unsere Gegner, nicht bloßunsere Gegner, sondern auch unsere Mitarbeiter und Brüder sind!“ Der Autor gibt an, solche Quellen in großer Zahl anführen zu können.

3.1.3. Fehler der Vergangenheit – für eine gerechte Geschichtsschreibung

Hier diskutiert der Autor die Frage: Sind die Jesuiten gefährliche Menschen? Er räumt ein, dass in der Zeit, als der „düstere Geist des Religionshasses über Europa lag“, die Jesuiten an Anzeigen gegen Christen und Folter als Geistliche beteiligt waren. Er formuliert weiter, man könne die Jesuiten allerdings dafür nicht verantwortlich machen, da die ganze „Handlung im Geiste ihrer Zeit und der damaligen Rechtsanschauung“ lag.

Auf evangelischer Seite sei genau dasselbe geschehen: Calvin habe in Genf körperliche Züchtigungen für „religiöse Vergehen“ eingeführt. Es folgen drastische Schilderungen der Gewaltbereitschaft Calvins und der Blutherrschaft der evangelischen Landesfürsten; gerade des Protestantismus in der Schweiz. Der Autor versucht deutlich zumachen, dass die Vergehen der Jesuiten nicht schwerer wiegen, als die der Protestanten (S.21f) und fordert von den Protestanten einen wahrhaftigen Blick auf die Vergangenheit – gerade bzgl. der Reformationszeit.

3.1.4. Verdienste für die Bewahrung des Glaubens

Im Folgenden behandelt der Autor die „so genannte „Gefährlichkeit““ der Jesuiten und rühmt zunächst ihre Verdienste um den frühen Einsatz in der Bekämpfung des Hexenglaubens.

3.1.5. staatlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Der Autor kritisiert, dass Gedanken-, und Redefreiheit zwar für antikirchliche, sogar für revolutionäre Redner gelte, sobald aber die Verkündigung des christlichen Glaubens aktiv wird, Redeverbote erteilt würden (Beispiel aus der Wochenschrift „Die Arbeit“ zum Falle des Jesuiten Colhaus).

3.1.6. Gesellschaftlicher Nutzen der SJ

Nicht ungenannt bleibt der Hinweis des gesamtgesellschaftlichen Nutzens des Jesuitenordens. Es folgt eine Darstellung verschiedener sozialer Aktivitäten der Jesuiten ab 1544 (Seite 26).

3.2. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gesetzesbefürworter

Der Gang der Untersuchung erfolgt wie in 2.2 beschrieben. Vorangestellt sei aber ein grundlegende Feststellung des Autors erwähnt.

Der Autor zitiert den evangelischen kulturhistorischen Privatdozenten Dr. Albrecht Wirth aus seiner Broschüre „Türkei, Österreich, Deutschland“ wie folgt: „Die Anhänger Luthers wissen nichts von katholischen Dingen und wollen nichts von ihnen wissen. ... Zu allen Deutschen und zu den Jüngern Jesu gehören doch auch alle Katholiken.“ Er führt aus, dass die Katholiken über die Belange und Theologien der Protestanten deutlich besser informiert seien, als anders herum (S.5).

1. Der Jesuitenorden wurde nur zur Missionierung der Protestanten gegründet.

- Der Jesuitenorden sei für die Mohammedanermission gegründet worden und nicht gegen den Protestantismus.

2. Die Jesuiten missionieren in Deutschland Protestanten.

- Selbst wenn bei der Arbeit der Jesuiten ein evangelischer Christ zum katholischen Glauben konvertieren würde, wäre das noch kein Schaden, besonders dann nicht, wenn es sich bisher nur um „Namen-Christen“ handelte.

3.3. Grundlegende politische und weltanschauliche Absichten

Der Anspruch der nachstehenden Ausführungen entspricht den in 2.3 oben genannten Bereichen.

Die Argumentation des Autors richtet sich zunächst an evangelische Christen und versucht daher mit Belegen der Heiligen Schrift, weniger durch einen rechtsstaatlichen Diskurs die Unrechtmäßigkeit des Jesuitengesetztes deutlich zu machen.

Der Verweis auf die unterschiedliche Bewertung der Redefreiheit durch die staatliche Ordnungskraft in Bezug auf religiöse Bekenntnisreden, ist der einzige Punkt, an dem, wenn auch nur mittelbar, Bezug genommen wird auf ein Staatsverständnis, nach dem es Aufgabe des Staates wäre die Redefreiheit für sämtliche Anschauungen zu garantieren. Der Autor nennt ein Beispiel aus Baden, wo einem Jesuiten das „feurige Bekenntnis zu Gott“ verboten wurde, ein ungläubiger Redner aber Kirchenaustrittspropaganda treiben dürfe.

Der Autor kritisiert, dass Gedanken-, und Redefreiheit zwar für antikirchliche, sogar für revolutionäre Redner gelte, sobald aber die Verkündigung des christlichen Glaubens aktiv wird, Redeverbote erteilt werde.

Auch dieser Autor scheint also grundsätzlich auf dem Boden der geltenden Rechtsordnung zu stehen, fordert aber innerhalb dieser Ordnung Grundfreiheiten ein.

4. Resümee

Die beiden hier untersuchten Texte sind in der Debatte um das „Jesuitengesetz“ als äußerst bemerkenswerte Stellungnahmen zu werten. Bar jeder Polemik oder Parteilichkeit, zeichnen beide Schriften ein überzeugendes Bild der Gesellschaft Jesu und ihrer Tätigkeit im Deutschen Reich.

Jedoch unterscheiden sich die Argumentationsarten sowohl stilistisch, als auch inhaltlich. Oberbreyer versucht sachlich, durchaus politisch, aber vor allem diplomatisch eine Verteidigungsrede für die Jesuiten aufzubauen. Dies gelingt Ihm auch. Er positioniert sich deutlich gegen den „Evangelischen Bund“, was ihm mit Sicherheit bei einer großen Zahl seiner Konfessionsgenossen Ablehnung eingebracht hat. In welchem Maße Oberbreyer mit seiner Schrift Einfluss genommen hat, bzw. in welchem Rahmen er die Möglichkeit dazu hatte, lässt sich von mir nicht feststellen.

Der Autor des zweiten Textes argumentiert entschieden theologischer. Er versucht mit Worten der Heiligen Schrift teils zu belegen, dass der Einsatz für den Erhalt des Jesuitengesetzes Christen nicht erlaubt sei, teils sucht er die Vorwürfe gegen die Gesellschaft Jesu zu relativieren. Adressat seiner Ausführungen ist das Herz der Gläubigen seiner Konfession und das Drängen auf die Einsicht, in die doch scheinbar so offensichtliche Weisung Gottes – dem Streben nach Eintracht und Einheit aller Christen. Den Autor beschäftigt primär der um sich greifende Unglaube in der deutschen Bevölkerung. Sein Einsatz für die Aufhebung des Jesuitengesetzes scheint mir darin seine maßgebliche Motivation zu erlangen.

Abschließend sollte nicht ungewürdigt bleiben, dass uns in den hier behandelten Schriften zur Wiederzulassung der Jesuiten von protestantischer Seite, mutige, durchdachte, aber unpopuläre Meinungen (zumindest in der Konfession der Autoren) begegnen. Auf je ganz verschiedene Weise versuchen beide Autoren auf der Grundlage ihres Rechtsempfindens aber vor allem ihrer christlichen Überzeugung, ihre Mitbürger für die Problematik des „Jesuitengesetzes“ zu sensibilisieren und für den Einsatz zur Wiederzulassung der Jesuiten zu motivieren.

5.Quellen

N.N. Die Jesuitenfrage im Lichte des Reiches Gottes. Ein ernstes Wort an die positive Evangelische Christenheit. Von einem gläubigen evangelischen Christen 1913

N.N. www.sankt-georgen.de Zur Geschichte des Gesellschaft Jesu

Oberbreyer, M. Die Angst der Protestanten vor den Jesuiten! Neue Worte eines Protestanten an Verständige Ff-Luzern 1891

Schatz, Klaus Kirchengeschichte der Neuzeit II Patmos Verlag Düsseldorf, 1. Auflage 1989

Schatz, Klaus Geschichte des päpstlichen Primats Vorlesungsskript an der PTH Sankt Georgen Frankfurt am Main im WS 2001/02

[...]


1 Internet www.sankt-georgen.de

2 Schatz, K. Kirchengeschichte der Neuzeit II, 1989, S. 14

3 ebd. S.11

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Feindbild Jesuitismus
Hochschule
Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main
Veranstaltung
Hauptseminar Jesuitenverbot 1872 - 1917
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V107767
ISBN (eBook)
9783640059973
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Feindbild Jesuitismus - Jesuiten und Jesuitenverbot in der deutschen öffentlichen Auseinandersetzung 1872 - 1917
Schlagworte
Feindbild, Jesuitismus, Hauptseminar, Jesuitenverbot
Arbeit zitieren
Markus Demele (Autor:in), 2002, Feindbild Jesuitismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107767

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Feindbild Jesuitismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden