Buch- und Pressewesen im Leipzig der Frühen Neuzeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

14 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

1. Leipzig – Entwicklung einer Buchstadt

2. Moritz Georg Weidmann der Ältere ( 1658 – 1693)

3. Georg Joachim Göschen (1752 – 1828)

SchlussbemerkungS

Literaturverzeichnis

Vorwort

Leipzigs Entwicklung vom Ende des Mittelalters bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde durch zwei Faktoren besonders dominiert: Universität und Handel. Als Universitätsstadt lockte Leipzig Wissenschaft und Gelehrsamkeit in die Region. Die größten Köpfe der kulturellen Geschichte haben einen Teil ihres Wirkens von Leipzig aus vollbracht. Als Handelsstadt beförderte Leipzig schon früh die Entwicklung des Bürgertums, das der Träger des kulturellen Lebens war. Ein Bindeglied dieser beiden Faktoren war das Buch- und Pressewesen, das mit seiner Entwicklung sowohl die ökonomische Grundlage für Leipzigs Aufstieg bot, als auch eine wichtige Stütze der Gelehrsamkeit und Kultur, sozusagen ihr Sprachrohr in die Welt, war.

Anhand von zwei Persönlichkeiten des 17. und 18. Jahrhunderts soll der Stellenwert und die Leistungen der Träger des Buch- und Pressewesen, der Verleger, Buchhändler und Drucker aufgezeigt werden. Es kann ersichtlich gemacht werden, wie sehr dieser Berufszweig Einfuß auf das kulturelle Leben, auf Wissenschaft und Gelehrsamkeit ausgeübt hat, aber auch in welchem Maße die Entwicklung des Buch- und Pressewesens von dieser Gelehrtenkultur abhängig war.

1. Leipzig – Entwicklung einer Buchstadt

Das aus einer kleinen Ortschaft im Herzen Mitteldeutschlands eine der bedeutendsten Handels-, Kultur- und Buchmetropolen der Neuzeit werden konnte, ergab sich aus dem Zusammenfließen mehrer günstigen Voraussetzungen. Der wichtigste Eckpfeiler für die Entwicklung Leipzigs war der Handel und die gewerbliche Tätigkeit. Seit 1458 fanden dreimal jährlich in Leipzig Messen statt, auf denen sich die Produzenten und Händler trafen[1]. Im Jahre 1497 erhielt Leipzig dann ein kaiserliches Messeprivileg, das die Leipziger Märkte vor denen anderer Städte hervorhob[2]. Zweiter Eckpfeiler war die Gründung der Universität zu Leipzig im Jahre 1409, durch deutsche Magister und Studenten, die aufgrund der unsicheren staatlichen Ordnung während der Auseinandersetzung zwischen König Wenzel von Böhmen und Jobst von Mähren Prag und die dortigen Universität verließen[3]. Nun wurde Leipzig zur Hauptstätte wissenschaftlicher Ausbildung in Ost- und Mitteldeutschland. Der dritte, besonders für die Entwicklung des Buchwesens, wichtige Eckpfeiler war die Erfindung des Buchdrucks 1445 durch Johann Gutenberg. Im späten 15. Jahrhundert kamen viele Wanderdrucker, Buchführer und Druckerverleger nach Leipzig. Von ihnen bezogen die Gelehrten der Universität ihre Bücher und ließen ihre Schriften drucken[4]. Messe und Universität wirkten damit positiv auf den sich ausbildenden und erblühenden Buchdruck und -handel. Seit Anfang der 70iger Jahre des 15. Jahrhunderts wurden auf der Leipziger Messe auch Bücher präsentiert[5] und bald wurden sie zum wichtigsten Exporterzeugnis der Messen[6].

So entstanden in der Folgezeit eine Vielzahl von Druckerwerkstätten. Die erste große Druckerei in Leipzig war die Konrad Kachelofens, der sein Geschäft an einer Ecke des Rathauses einrichtete[7]. Er druckte Klassikerausgaben, die von Leipzigs bedeutendsten Frühhumanisten Paul Niavis und Konrad Celtis, im besonderen gedacht für Studierende der Universität, bearbeitet worden waren[8]. Der Schwiegersohn Kachelofens, Melchior Lotter, übernahm das Geschäft und wurde der Drucker der Humanisten. Bei ihm erschienen Drucke von Klassikerausgaben, sowie gedruckte Bücher über Grammatik und Metrik[9]. Außerdem zeichneten sich seine Drucke durch eine überaus hohe Qualität der Typographie aus. Seine Druckerei hatte 25 Schriftarten zur Verfügung, daneben auch griechische und lateinische Lettern und bewegliche Lettern für den Notendruck[10]. Außer den Gelehrten der Universität belieferte er auch die Gelehrten der neugegründeten Universität Wittenberg, da hier nur ungenügend Druckereien bestanden. Zu seinen bekanntesten Kunden in Wittenberg gehörte Martin Luther.

Leipzig wurde neben Wien, München und Heidelberg auch zu einem Zentrum für Übersetzungen. Die Leipziger Drucker beschäftigten eine Vielzahl von Übersetzern und Korrektoren zu diesem Zwecke. Johannes Fabri z. B., arbeitete als Übersetzer und gilt als Anreger der deutsch – lateinischen Paralleldrucke, die v. a. für Studenten gedacht waren[11]. Charakteristisch für die Entwicklung des Drucker- und Verlagswesens in Leipzig ist die Spezialisierung auf gelehrte, meist lateinische Schriften[12], die auch ihre Haupteinnahmequelle darstellte. Dafür mussten sie aber den Bedürfnissen der Gelehrten und Studenten besonders gerecht werden. Die Qualität wurde stetig verbessert. Extra für den Bedarf des Studienbetriebs wurden die Drucke besonders eingerichtet. Es waren kleinformatige, schmucklose Ausgaben, die genug Platz für Kommentare ließen. Andererseits beschäftigten die Druckereien vielfach akademisch gebildete Leute, zogen sich Professoren für Korrektur und Emendation zu rate. Viele von den Druckern hatten selbst eine gediegene Allgemeinbildung genossen. Durch diese Symbiose erlange Leipzig bald einen sehr guten Ruf, wegen seiner typographischen Qualität und im Besonderen wegen der sprachlich außerordentlichen Korrektheit[13], auch über die Landes- und Reichsgrenzen hinaus.

Für die Reformation spielte Leipzig nur in der Anfangsphase eine, wenn auch nicht unbedeutende, Rolle. Bei Melchior Lotter erschien der erste Druck von Luthers 95 Thesen[14]. Aber mit der Entscheidung Herzog Georgs für die katholische Lehre und die Anordnung zur Einhaltung der Festlegungen im Wormser Edikt von 1521, wurde die Leipziger Produktion für die Reformation unterbunden[15]. Durch die damit verbundene Überwachung, wurde es für die Drucker und Händler von reformatorischen Schriften auch sehr gefährlich, wie das Beispiel von Melchior Lotter und Valentin Schumann gezeigt hatte, die Anfang 1521 wegen Druck polemischer Schriften verhaftet wurden[16]. Jede offene Tätigkeit für Luthers Sache, jede Kritik der kirchlichen Zustände war strengstens versagt. Überwachungsorgan dieser Zensur war die orthodox gebliebene Universität[17]. Aber gerade diese Drucke waren ja wie warme Semmeln, sobald sie zu bekommen waren schnell vergriffen. Ab 10. Mai 1539 galt eine Zensur, die ab 1. April 1560 sich noch verschärfte. Ebenso wurden ab 1. Oktober 1564 alle zur Messe kommenden Buchhändler überwacht[18]. Unter der Zensur litt nicht nur das geistige und literarische Leben Leipzigs, sonder am meisten auch dessen wichtigster Arbeitnehmer, die Buchhändler und –drucker.

Anfang des 17. Jahrhunderts, begann sich in Leipzig ein Presse- und Zeitungswesen auszuformen. Das auf Neuigkeiten erpichte Volk, darunter besonders die Kaufleute, die jede Information für das Geschäft nutzten, zeigte enormes Interesse an den Vorgängen in der Ferne. Boten, die mit regelmäßigen Nachrichten kamen, wurden reich belohnt und die wichtigsten Ereignisse wurden schnell durch Abschrift oder Druck in der Stadt verbreitet. Die Buchdrucker und –händler brauchten nicht lange, um dieses erträgliche Geschäft für sich zu entdecken. Aber der Begriff Zeitung, wie wir ihn heute verstehen, war auf diese sporadisch erscheinenden Blätter noch nicht anwendbar, denn es fehlte das wichtigste Merkmal, die periodische Erscheinungsart[19]. Mit dem 30jährigen Krieg wuchs das Interesse an täglichen Nachrichten über die neusten Entwicklungen und Ereignisse noch mehr. Moritz Pörner, ein nicht - graduierter Leipziger Student, und sein Mitstreiter Georg Komrat nutzten diesen Wissensdurst der Masse für sich. Ab 1619 gaben sie handgeschriebene Blätter heraus, die von Studenten als Nebenerwerb vervielfältigt wurden und sind somit als die ersten Leipziger Zeitungsschreiber anzusehen[20]. Rasch entstanden gleich mehrere in Konkurrenz stehende gedruckte Blätter. Die Augen der Zensurbehörde waren schnell auf diese gerichtet. Im Oktober/ November 1632 wurden zwei der entstandenen Blätter von Justus Janson und Johann Albrecht Mintzel wegen Zensurverstoßes verboten[21]. Am 1. Juli 1650 erschien die bis zu 6mal wöchentlich erscheinende Einkommende Zeitung aus der Druckerei von Timotheus Ritzsch, nachdem er 1649 ein kurfürstliches Privileg für den Zeitungsdruck auf 10 Jahre erlangt hatte[22]. Ab hier kann man dann von einer Tageszeitung in unserem modernen Sinne durchaus sprechen.

Aber nicht nur Zeitungsblätter entstanden im 17. Jahrhundert, sondern auch Zeitschriften, v. a. wissenschaftliche Zeitschriften. Die Leopoldina, die älteste wissenschaftliche Akademie Deutschlands gab zwischen 1670 und 1706 die Miscellanea curiosa medico – physica heraus, ein Fortsetzungswerk mit naturwissenschaftlich – medizinischen Abhandlungen. Sie erschien in Leipzig und anderen Städten[23]. Der Leipziger Professor für Moral und Politik, Otto Mencke, gründete 1682 die monatlich erscheinende wissenschaftliche Zeitschrift Acta eruditorum[24]. Verleger der Zeitschrift waren Johann Friedrich Gleditsch, einer der bedeutendsten Leipziger Buchhändler und Verleger, und Johann Grosse. Die Acta erschien in lateinischer Sprache. Sie war nach dem Vorbild des französischen Journal des Scavans, das seit dem 5. Januar 1665 erschien, gestaltet[25]. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Acta waren v.a. Themen der Theologie und Naturwissenschaft einschließlich Mathematik und Medizin. Dabei waren Themen politischer Art völlig ausgeschlossen. Auch Originalbeiträge wurden veröffentlicht, so wie der wohl wichtigste und berühmteste Artikel von Leibnitz Nova Methodus pro maximis et minimis (Oktober 1684), der als Beginn der Differenzialrechnung gilt[26]. Der Verleger Gleditsch, bei dem fast alle Publikationen der Familie Mencke erschienen, war ein Paradebeispiel dafür, was für einen Großteil der Buchhändler und –verleger Leipzigs im 17. und 18. Jahrhundert galt: die Verbindung von Gelehrsamkeit und Verlagswesen in einer Person. Als das Geld für ein Studium nicht mehr reichte, erlernt er das Buchhandelsgewerbe, zunächst als Gehilfe beim Verleger Johann Fritsch und gründete dann eine Handlung unter seinem Namen. Er verlegte neben der Acta auch Lexika und Buchmesskataloge[27].

Die außerordentlich gute Zusammenarbeit gebildeter Verleger und Gelehrter, machte Leipzig im 18. Jahrhundert zum Stapelplatz der Bücher, der Gelehrsamkeit und der Wissenschaft.

2. Moritz Georg Weidmann der Ältere (1658 – 1693)

Moritz Georg Weidmann d. Ä. gründete 1680 in Frankfurt an Main die Weidmannsche Buchhandlung. Er hatte zuvor eine 6jährige Ausbildung bei dem erfolgreichen und angesehnen Frankfurter Buchhändler, Johann David Zunner d. J., eine Ausbildung genossen[28], war dann als Angestellter in der Wiederholdschen Buchhandlung in Genf gewesen und hatte Bildungsreisen nach Frankreich, Holland und Flandern unternommen[29]. Ende 1682 verlegte er sein Geschäft nach Leipzig. Der Wechsel stand wohl im Zusammenhang mit der Bekanntschaft und Heirat (30. Oktober 1682) mit der 24jährigen Buchhändlerwitwe Maria Ritter, geb. Sacer, die von ihrem Mann einen Anteil der Fuhrmannschen Buchhandlung in Leipzig geerbt hatte[30]. Das Geschäft Weidmanns erfuhr in nur kurzer Zeit einen guten Verlauf. Im ersten Leipziger Jahr erschienen schon sieben Bücher und im Jahr darauf 1684 sogar 15[31]. Vornehmlich handelte es sich bei den Veröffentlichungen um theologische Werke, Gebetbücher und lateinisch und griechische Klassiker[32]. Insgesamt erschienen von 1680 bis 1693, dem Todesjahr Weidmanns, ganze 164 Bücher[33]. So hatte sich Weidmann in Leipzig auch gegenüber den großen Verlegern Johann Grosse und Johann Friedrich Gleditsch durchsetzten können. Er verstand es, ein gutes Verhältnis zur Leipziger Bücherzensur, in Person der Universitätsprofessoren Johann Benedikt Carpzov d. J. und D. Johann Olearius, aufzubauen und konnte damit größeren Ärger mit seiner Arbeit vermeiden[34].

Am 1. Januar 1688 erschien in Weidmanns Verlag das erste Heft der Freymüthige[n] lustige[n] und Ernsthaffte[n] iedoch Vernunft- und Gesetzt – Mäßige[n] Gedancken Oder Monats – Gespräche[35] des Christian Thomasius. Vorbild war das in Paris seit 1672 erscheinende Heft Mercure Galant[36]. Christian Thomasius war der älteste Sohn von Jacob Thomasius, einem Professor der Philosophie und Beredsamkeit an der Universität Leipzig. Nach dem Studium der Jurisdiktion wurde er Advokat in Leipzig[37]. 1681 nahm er als Privatdozent die Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig auf. Seine neuen Anschauungen der Frühaufklärung machten ihn schnell zum Außenseiter der lutherisch – orthodoxen Universität[38] und zum härtesten Opponenten von Carpzov. Thomasius war ganz dem Naturrecht verpflichtet und gegen traditionalistische Moralanschauungen und Auffassungen der orthodoxen Theologen, wie er es in seiner Schrift De crimine bigamiae (1685) darstellte[39]. 1688 hielt er die erste Vorlesung in deutscher statt in lateinischer Sprache[40] und arbeitete damit gegen die Kaste der Gelehrten, die sich durch die Gelehrtensprache Latein gegen die breite Öffentlichkeit abschottete[41].

Die Monatsgespräche erschienen ebenfalls in deutscher Sprache. Das Blatt war v. a. Rezensionsorgan, in dem alle Neuheiten in Gesellschaft und Literatur besprochen wurden. Gehüllt in einen leichten Plauderton und in Form von Gesprächen vermittelt, kann Thomasius mit dieser Neuerung als Begründer des modernen Journalismus in Deutschland angesehen werden[42]. Aber Bedeutung erlangte das Blatt nicht nur wegen dieser Neuerungen, sondern v.a. wegen der offenen Auflehnung gegen den Zwang der wissenschaftlichen und kirchlichen Orthodoxie[43].

Schon die erste Ausgabe feierte einen enormen Erfolg, aber bereits nach dem zweiten Monat wechselte das Verlagshaus des Heftes zum Hallenser Buchdrucker Christoph Salfeld. Weidmann war unter Druck geraten. Die lutherisch – orthodox eingestellten Menschen sahen sich in den oft scharf polemisierten Formulierungen angegriffen. Allen voran klagte der Professor für Logik und Metaphysik, Valentin Alberti, Verfasser und Verleger bei der zuständigen Zensurbehörde an[44]. Thomasius musste schließlich unter dem Druck seiner Gegner die Stadt verlassen. Er ging nach Halle, wo auch seine Monatsgespräche weiterhin gedruckt wurden[45] und war dort Mitbegründer der Universität Halle[46]. Weidmann konnte durch seine guten Kontakte und sein schnelles Einlenken weiteren Ärger mit der Zensurbehörde vermeiden. Ihm ist wohl klar geworden, dass man mit dieser Institution den Kampf nicht aufnehmen konnte, oder die Zeit dafür noch nicht reif war. Das Problem der Zensur bremste in Leipzig lange Zeit jegliche Innovation aus oder erschwerte sie unnötig.

Am 16. August 1693 starb Georg Joachim Weidmann erst 36jährig[47]. Trotz seines frühen Todes hatte er bis dahin hohes Ansehen in der Leipziger Kultur- und Gelehrtenwelt erlangt. Seinen Nachruf verfasste kein geringerer als Carpzov mit einer wahren Lobeshymne auf Wertschätzung und Ansehen[48]. So kann man annehmen, dass wenn ihm ein längeres Leben beschieden gewesen wäre, dieser wache Geist und geschickte Verleger noch einiges bewegt hätte.

Die Führung der Geschäfte übernahm nach Weidmanns Tod zunächst Johann Ludwig Gleditsch, der 10 Jahre jüngere Bruder des Acta Verlegers. Gleditsch heiratete auch die Witwe Weidmanns und hat für seinen Stiefsohn Moritz Georg Weidmann d. J. die Geschäfte hervorragend geführt, bis er sie ihm im Jahre 1717 vergrößert, erweitert und erfolgreich übergeben konnte[49].

Georg Moritz Weidmann d. J. konnte durchaus in die Fußstapfen seines Vaters treten. Jedoch erlangte er nicht nur als Verlegerpersönlichkeit hohes Ansehen, sondern wurde zudem vom sächsischen Kurfürsten und polnischen König August d. Starken zum „königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Hof- und Accisrat und wirklich geheimen Kämmerer“ ernannt. Außerdem war er Hofagent des Herzogs von Sachsen – Gotha - Altenburg[50].

3. Georg Joachim Göschen (1752 – 1828)

In der Person Georg Joachim Göschens findet sich eine der bedeutensten und prominentesten Verleger- und Buchdruckerpersönlichkeiten Leipzigs um 1800. Er war Verleger, Buchdrucker, Spätaufklärer, Journalist[51], aber v. a. prägte er ein Verhältnis zwischen Verleger und Autor, das ihm den Beinamen Vater - Göschen[52] einbrachte.

1785 gründete Göschen seinen eigenen Verlag in Leipzig. Zuvor hatte er eine Lehre bei Johann Heinrich Cramer abgeschlossen und eine erste Anstellung bei Siegfried Leberecht Crusius gefunden[53]. Zu seinen ersten Autoren gehörte Friedrich Schiller, mit dem er auch ein persönlich freundschaftliches Verhältnis unterhielt, nachdem beide im Sommer 1785 in einem Haus in Gohlis Pension gefunden hatten[54]. Bei Göschen erschien von 1787 – 1791 die erste autorisierte Gesamtausgabe von Goethes bisherigen Werken, die für die Editionsgeschichte Goethes zentrale Bedeutung erlangte und die Grundlage vieler später erschienener Ausgaben bildet[55]. Außerdem entstand eine 6 – bändige Klopstock – Ausgabe, eine 45 – bändige Wieland – Ausgabe als wohlfeile preiswerte Volksausgabe und in 42 Bänden als prachtvoll illustrierte Gesamtausgabe[56]. Aber auch zeitmäßige Zeitschriften, Klassikerausgaben und historische und politische Traktate erschienen bei ihm[57]. So erlangte Göschen schnell einen soliden guten Ruf als Verleger; z. B. schreibt Karl Ludwig vom Woltmann, ein Dozent der Geschichte und des Staatsrechts, als er Göschen sein Werk Geschichte der Deutschen anbietet, dass es stets „ein gutes Vorurtheil für ein Buch erweckt, wenn es in ihrem Verlag erscheint“[58]. Göschen versuchte auch immer, seine neuen Autoren und Bücher möglichst publik zu machen. Wichtigstes Organ waren dabei Literaturanzeiger in Zeitschriften und Zeitungen, in denen ein Buch in Form von Rezensionen, meist von Gelehrten verfasst, denen Göschen einige Winke zu geben verstand, besprochen wurden und so bekannt gemacht werden konnten[59]. So erlangte Göschen den Ruf eines Freund und Förderers der Autoren und Gelehrten, die durch seine Vermittlung an die Öffentlichkeit gelangten, quasi ich Sprachrohr in die Welt[60]. Die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Verleger und seinen Autoren gestaltete sich dementsprechend höflich und freundschaftlich, aber obwohl Göschen kein skrupelloser Über –den – Tisch –Zieher war,besaß er doch ein ausgeprägtes Gefühl für Geschäfte. Besonders aus seiner umfangreichen Korrespondenz, seit der Zeit der Verlagsgründung bis in die letzten Lebensjahre, die er nicht nur mit seinen Autoren, Übersetztern, Zeichnern und Kupferstechern, sondern auch mit Wissenschaftlern und Gelehrten, sowie mit einem großen Personenkreis von Freunden und Bekannten führte, lässt sich erschließen, mit wie viel Feingeist er Anregungen, Bemerkungen und Kritik übte, dabei die Position der Autoren nie untergräbt und sich der Verantwortung eines Verlegers, sowohl gegenüber den Autoren, als auch gegenüber den Lesern bewusst war. Eine große Mehrzahl der ihm zum Verlag angebotenen Werke wurde von ihm dann auch nicht angenommen (jedenfalls sind sie nicht bei ihm erschienen); z.B. hatte er bei einem Angebot von Karl Philipp Conz zu einem humanistischen Journal gewisse Bedenken aufgrund der Zensurbehörde, denn Göschen war kein revolutzinder Flugblattdrucker[61]. Aber wieder seine Briefe zeugen, auch bei abschlägige Antworten, von Göschen bemerkenswert eingehender Art mit ausführlichen und sorgfältigen Ratschlägen[62].

Göschen selbst verfasste auch einige eigene Reden und kleinere Gedichte für Anlässe in privatem Rahmen, die er aber höchst selten veröffentlichte. Seine eigens von ihm verfassten und redigierten Zeitschriften, die Sonntagsstunde . Eine Wochenschrift zur Erbauung, Unterhhaltung und Erheiterung (1813) und das Grimmaische Wochenblatt für Stadt und Land (1813), zeugen dagegen von einer umfangreichen journalistischen Produktivität, bei der ihm die Verwirklichung eigener Interessen und inhaltliche Mitgestaltung am Herzen lag[63]. Außerdem dienten diese ihm v. a. während der napoleonischen Besetzung als ökonomische Basis.

Berufsbedingt hegte Göschen ein großes Interesse an allen Neuheiten und Techniken des Drucks, der Buchgestaltung und der Typographie. Er machte die Typographie des europäischen Klassizismus in Leipzig heimisch. Seine Ausgaben der lateinischen und griechischen Antike waren Meisterleistungen der Philologie und Typographie. Besonders zu erwähnen ist die Folio – Ausgabe von Homers Ilias, herausgegeben von Friedrich August Wolf (1806). Weiterhin führte er die Lithographie in Sachsen ein. Das bedeutendste Exemplar dieser neuen Drucktechnik war Wilhelm Ernst August von Schliebens Atlas von Europa mit den Kolonien für Geschäftsmänner, Zeitungsleser und Besitzer des Conversations – Lexicons (1827 -1829)[64].

Aber nicht nur Verlagsaufträge kamen an Göschen. Man trat auch an ihn heran, um seine zahlreichen Verbindungen und Kontakte zur Gelehrten- und Künstlerwelt zu nutzen; so bat ihn z. B. Ludwig Schubert in einem Brief um Vermittlung bei seinem Vorhaben, ein Stück Shakespeares auf den Bühnen in Dresden und Leipzig aufzuführen. Oder man wandte sich an ihn, um an Exemplare, die nicht leicht zu bekommen waren, zu gelangen; („Sie sind nun einmal der literarische Oberste Postmeister“)[65].

Göschens Gedancken über den Buchhandel (1802) waren schließlich grundlegend für die vielfältigen Reformbestrebungen um 1800. Probleme des Buchhandels waren mehrzahlig: Nachdruck, Krieg und Zensur, regionale Unterschiede in Ausbildung und Geschäftsgebaren, das Verhältnis von Verleger und Sortiment, Überproduktion und unterschiedliche Abrechnungsmethoden. Mit seinen Gedancken, in denen er von allgemeinen Grundsätzen des Handels ausgehend gerade die Spezifika des buchhändlerischen Berufs ableitet und sich gegen Nachdruck, Schleuderei und Kundenrabatte wendet, gab er entscheidende Anstöße für die Bemühungen. 1825 wurde der Leipziger Börsenverein gegründet, ein Abrechnungszentrum, in dem die verschiedenen Währungen ausgeglichen werden konnten, eine der wichtigsten Neuerungen für den deutschen Buchhandel. Ab 1836 hatte diese vereinsmäßig verwaltete Institution ein eigenes Börsengebäude in der Ritterstrasse[66].

Alles in allem war Göschen eine herausragende Persönlichkeit nicht nur als Verleger, sondern auch als Reformer, Feingeist, Gelehrtenfreund und -förderer im 18./19. Jahrhundert.

Schlussbemerkung

Fast für alle wichtigen und erfolgreichen Verleger in Leipzig galt die Verbindung von Gelehrsamkeit und Geschäftssinn. Der enge Kontakt mit der Gelehrtenwelt und der Universität machte sie selber zu Gelehrten. Auch zeigt die Entwicklung eine fortlaufende und stete Spezialisierung und Qualifizierung dieses Berufs, der bald schon eine Wissenschaft für sich.

Literaturverzeichnis

- Bauer, Adalbert; Weidmann 1680 – 1980. 300 Jahre aus der Geschichte eines der ältesten Verlage der Welt; Weidmann Verlag; 1980
- Georg Joachim Göschen. Dokumente zur Verlagsgeschichte aus den Beständen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums Leipzig; Leipzig 1992
- Goldfriedrich, J. (Hrsg.); Aus den Briefen der Göschensammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig; Leipzig 1918
- Henning, Horst (Hrsg.); Philipp Erasmus Reich. 1717 – 1787. Verleger, Aufklärer und Reformer des deutschen Buchhandels; Leipzig 1988
- Herzog, Andreas (Hrsg.); Das Literarische Leipzig. Kulturhistorisches Mosaik einer Buchstadt; Edition Leipzig; Leipzig 1995
- Steinmetz, Max (Hrsg.); Bedeutende Gelehrte in Leipzig. Zur 800 – Jahr – Feier der Stadt Leipzig; Leipzig 1965
- Wittkowski, Georg; Geschichte des Literarischen Lebens in Leipzig; K. G. Saur Verlag; München 1994; Reprint

[...]


[1] Wittkowski, Georg; Geschichte des Literarischen Lebens in Leipzig; K. G. Saur Verlag; München 1994; Reprint; S. 1

[2] Herzog, Andreas (Hrsg.); Das Literarische Leipzig. Kulturhistorisches Mosaik einer Buchstadt; Edition Leipzig; Leipzig 1995; S. 12

[3] Wittkowski; S. 1

[4] Herzog; S. 12

[5] Wittkowski; S. 42

[6] Wittkowski; S. 2

[7] Wittkowski; S. 43

[8] Herzog; S. 17

[9] Wittkowski; S. 43

[10] Herzog; S. 19

[11] Herzog; S. 20

[12] Herzog; S. 21/22

[13] Herzog; S. 21

[14] Wittkowski; S. 43

[15] Herzog; S. 32/33

[16] Herzog; S. 32/33

[17] Wittkowski; S. 55

[18] Wittkowski; S. 57

[19] Wittkowski; S. 99

[20] Herzog; S. 48/49

[21] Herzog; S. 49

[22] Herzog; S. 49

[23] Herzog; S. 49/50

[24] Steinmetz, Max (Hrsg.); Bedeutende Gelehrte in Leipzig. Zur 800 – Jahr – Feier der Stadt Leipzig; Leipzig 1965; S. 16

[25] Wittkowski; S. 184

[26] Herzog; S. 62/63

[27] Herzog; S. 67

[28] Bauer, Adalbert; Weidmann 1680 – 1980. 300 Jahre aus der Geschichte eines der ältesten Verlage der Welt; Weidmann Verlag; 1980; S. 9

[29] Bauer; S. 11

[30] Henning, Horst (Hrsg.); Philipp Erasmus Reich. 1717 – 1787. Verleger, Aufklärer und Reformer des deutschen Buchhandels; Leipzig 1988; S. 36

[31] Bauer; S. 11

[32] Bauer; S. 11

[33] Henning; S. 36

[34] Bauer; S. 12

[35] Herzog; S. 58

[36] Wittkowski; S. 203

[37] Steinmetz; S. 9/10

[38] Herzog; S. 58

[39] Herzog; S. 58

[40] Bauer; S. 12

[41] Herzog; S. 58

[42] Bauer; S. 12

[43] Wittkowski; S. 206

[44] Herzog; S. 58

[45] Herzog; S. 58

[46] Bauer; S. 12

[47] Henning; S. 36

[48] Bauer; S. 13

[49] Bauer. S. 21/25

[50] Henning; S. 37

[51] Georg Joachim Göschen. Dokumente zur Verlagsgeschichte aus den Beständen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums Leipzig; Leipzig 1992; S. 8

[52] Goldfriedrich, J. (Hrsg.); Aus den Briefen der Göschensammlung des Börsenvereins der Duetschen Buchhändler zu Leipzig; Leipzig 1918; S. 30/31

[53] Herzog; S. 130/131

[54] Herzog; S. 130/131

[55] Herzog; S. 130/131

[56] Handbuch der Verlage; S. 285

[57] G.J. Göschen; S. 8

[58] Goldfriedrich; S. 12

[59] Goldfriedrich; S. 52

[60] Goldfriedrich; S. 70

[61] Goldfriedrich; S. 10/11

[62] Goldfriedrich; S. 25

[63] Goldfriedrich; S. 33

[64] Herzog; S. 130/131

[65] Goldfriedrich; S. 65/66

[66] G.J. Göschen; S. 18

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Details

Titel
Buch- und Pressewesen im Leipzig der Frühen Neuzeit
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Hauptseminar
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V107675
ISBN (eBook)
9783640059201
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Buch-, Pressewesen, Leipzig, Frühen, Neuzeit, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Alexandra Wernerowna Rebelein (Autor:in), 2002, Buch- und Pressewesen im Leipzig der Frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107675

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